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2. Der Einfall in Nordafrika (429)

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Im Mai 429 überquerte König Geiserich mit seiner gesamten gens die Straße von Gibraltar. Zeit und Ort gehören zu den wenigen Einzelheiten dieses Ereignisses, die sicher sind. In der Chronik des Hydatius heißt es: „König Geiserich bricht mit allen Vandalen und ihren Familien im Mai von der Küste der Provinz Baetica auf, verlässt die spanischen Provinzen und setzt nach Mauretanien und Africa über.“ Es besteht kein Anlass, diese Notiz infrage zu stellen, zumal das Datum mit dem Briefwechsel des Augustinus und mit Gesetzestexten aus dieser Zeit zusammenpasst.20

Ist bei Hydatius der Ort noch vage, haben wir mit dem Einleitungssatz Victors von Vita eine relativ genaue Lokalisierung: dort, wo sich „das große und ausgedehnte Meer zwischen Spanien und Africa zu einer schmalen Straße von nur 12.000 Schritt Breite zusammendrängt“.21 Eine spätere Quelle nennt noch den spanischen Hafen, der benutzt wurde (Iulia Traducta), aber weder wissen wir sicher, welcher moderne Ort dies ist (Tarifa oder Algeciras?), noch kennen wir das genaue Ziel der Fahrt (Tanger oder Ceuta?).22


2 Die Straße von Gibraltar

Immerhin wird – eine große und kostbare Ausnahme in der Völkerwanderungszeit – von Victor die Gesamtzahl der ‚Passagiere‘ genannt: 80.000 Menschen, „Alte, Junge und Kinder, Sklaven oder Herren“. An der Größenordnung zu zweifeln, besteht kein Anlass. Denn die Vandalen (mittlerweile ein Sammelbegriff)23 wussten selbst ziemlich genau, wie viele sie waren; sie sind ja sicher nicht ‚im Pulk‘ gewandert, sondern getrennt in verschiedenen Gruppen, möglicherweise in Tausendschaften (die wohl auch nach der Ansiedlung zusammenblieben), und deren Zahl war natürlich bekannt.24 Diese spielte auch deshalb dauerhaft eine Rolle, weil später, als die Chancen eines byzantinischen Angriffs auf das Vandalenreich abgewogen wurden, dessen demographische und damit militärische Stärke diskutiert und sehr unterschiedlich beurteilt wurde, wobei die ‚Maximalisten‘ die überlieferten 80.000 fälschlich als Zahl der Soldaten interpretierten (zumal auch das vandalische Heer in Tausendschaften organisiert war); Prokop berichtet davon, ohne Victors Darstellung zu kennen, in seinem Vandalenkrieg.25 Wir haben also zwei unabhängige Quellentraditionen für eine Größenordnung, die realistisch erscheint und für deren Überlieferung es ein plausibles Szenario gibt – das gibt weit mehr an Sicherheit, als bei derartigen Zahlenangaben üblich ist.

Wie viel von dieser Zahl abzuziehen ist, um zur vandalischen Heeresstärke zu kommen, wissen wir nicht. Demographische Pyramiden mit Verhältnisangaben von Männern, Frauen, Kindern und Alten helfen nur sehr bedingt weiter. 20.000 ist aber sicher die Obergrenze der gesuchten Größe, nach unten wird sie auch durch die Tatsache limitiert, dass die Vandalen, wie wir sehen werden, 431–434 n. Chr. gleichzeitig zwei römischen Heeren (unter Bonifatius und unter Aspar) in Africa Paroli bieten konnten. Wir können also von mindestens 10.000 vandalischen Soldaten ausgehen.26

Die Dimension von ca. 80.000 Menschen zerstört vor dem Hintergrund der damals möglichen Schiffsgrößen nicht nur die Vorstellung einer einzigen Überfahrt, sie macht auch wahrscheinlich, dass es mehrere Routen gab. Man wird jedes geeignete Schiff und jeden Hafen an der Meerenge genutzt haben. Anders als die Westgoten hatten die Vandalen ja vier Jahre Zeit gehabt, um zu ‚trainieren‘ und Informationen zu sammeln. Insofern wusste Geiserich sicher, dass auf der afrikanischen Seite der Meeresstraße nicht etwa eine römische Armee auf ihn wartete.27 Zwar müsste es ein kleines tingitanisches Bewegungsheer gegeben haben; da aber Mauretania Tingitana verwaltungstechnisch zu Spanien gehörte,28 dürfte Castinus hier 422 n. Chr. vor seiner Vandalenschlacht Einheiten abgezogen haben. Von militärischem Widerstand bei der Landung der Vandalen hören wir jedenfalls nichts.


3 Der Westen des Römischen Reiches im 4. Jh. n. Chr.

Das Königreich der Vandalen

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