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3. Der Eroberungszug nach Osten

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Dass die Vandalen nach ihrer Landung zu Fuß bzw. auf Reittieren und Wagen weiterzogen, ist zwar nirgends gesagt, dennoch aber anzunehmen. Zwar fuhren kleinere Reisegruppen von der Mauretania Tingitana üblicherweise zu Schiff nach Osten, für zigtausende von Menschen aber war das nicht organisierbar. Das Überfahren einer Meerenge war in mehreren Etappen möglich, für eine Strecke von vielen hundert Kilometern29 aber nicht durchführbar. Man nutzte also die Straßenverbindung über Altava im Landesinneren, von der wir wissen, dass sie (jedenfalls 30 Jahre später) sehr wohl für große Heere geeignet war.30

Von Ceuta im westlichen Mauretanien bis nach Hippo Regius (später Bône, heute Annaba) im östlichen Algerien, wo die Vandalen im Juni 430 n. Chr. ankamen, sind es 1200 km Luftlinie, und wenn wir eine Wegstrecke von ca. 2000 km annehmen, stellt dies binnen 13 bis 14 Monaten keine unrealistische Leistung dar, auch wenn wir einrechnen, dass man Widerstände überwinden musste, dass es zu Zerstörungen und Plünderungen kam, dass man Pausen einlegte. Denn auch wenn nur jeder zweite Tag ein Marschtag war, bleibt eine tägliche Strecke von gut 10 km. Was die genaue Route angeht, haben wir keine Informationen. Der Abschnitt in der Mauretania Tingitana dürfte versorgungstechnisch am schwierigsten zu bewältigen gewesen sein; sicher hatte man sich dafür schon in Andalusien so gut wie möglich mit Proviant versorgt. Danach aber, ab Altava, beginnt sich das römische Straßensystem Africas nach Osten hin aufzufächern, und die Vandalen benutzten wahrscheinlich nicht nur die Küstenstraße, sondern auch Wege im Landesinneren.31 An der Küste aber lagen die meisten Städte, und auf die hatte man es natürlich besonders abgesehen, um an die dort eingelagerten Lebensmittelvorräte, vor allem das Getreide, zu kommen und um generell Beute zu machen.

Bonifatius’ Heer dürfte, wie gesagt, ohnehin kleiner gewesen sein als das der Vandalen, vor allem aber konnte er es im Westen Africas aus strategischen Gründen gar nicht einsetzen. Er musste die zentralen Teile des Provinzialgebiets schützen, und die lagen im Osten, in Numidien und in Africa Proconsularis. Die Folgen einer Niederlage in Mauretanien wären viel zu gravierend gewesen, während Bonifatius darauf hoffen konnte, dass die Vandalen auf ihrem Marsch nach Osten in Versorgungsschwierigkeiten geraten würden und dass die Zentrale ihm Hilfe schicken würde. Beides geschah dann auch, nur war der Bevölkerung der westlichen Gebiete damit natürlich nicht geholfen. Bei der Verteidigung waren die Städte vielmehr auf sich selbst angewiesen. Da man hier aber bislang mit Belagerungen nicht zu rechnen gehabt hatte, waren die Befestigungsanlagen sicher bescheiden, und die Vandalen waren, wie Victor von Vita berichtet, sehr erfindungsreich darin, die Verteidiger zu demoralisieren und zu terrorisieren.32 Auch wenn die Angreifer nicht über eine ausgereifte militärtechnische Belagerungskunst verfügten, gelang es ihnen doch, sogar die mauretanische Metropole Caesarea einzunehmen.33 Dabei spielte sicherlich eine Rolle, dass den Städtern klar war, wie wenig Hilfe sie von außerhalb zu erwarten hatten.


4 Der Vandalenzug in Africa und die Ansiedlung von 435 n. Chr., bei der ihnen das hier dunkelgrau markierte Gebiet zugeteilt wurde (s. Anm. 31 und unten S. 76).

Die Quellen überliefern, dass es in dieser Zeit besonders gewalttätige Angriffe auf Kirchen, Klöster und Kleriker gab.34 Sie sind zum Teil erklärbar als Versuch, die Opfer als Angehörige der besitzenden Schichten zur Herausgabe versteckter Schätze zu zwingen. Aber den Misshandlungen und Vergewaltigungen haftete auch etwas Demonstratives an, wie schon die Nachricht zeigt, mancherorts seien die Altartücher zu Hosen verarbeitet worden.35 Hier kann wohl das oben beschriebene besondere Sendungsbewusstsein der Vandalen diese religiöse Komponente ihrer Gewalt erklären. Es ist überflüssig darauf hinzuweisen, wie gut sich diese Frontstellung in die Eroberung eines Landes einfügte, dessen etablierte Kirche zu den tragenden Strukturelementen der Herrschaft gehörte, die es zu stürzen galt. Wir sind stets versucht, religiöse Überzeugungen auf ihre Funktion zurückzuführen – aus dieser unserer Perspektive liegt der Verdacht nahe, dass die vandalische Führung diese ideologische Waffe gezielt schmiedete, dass also der Religionswechsel des Königs bereits diese Instrumentalisierung im Blick hatte. Das wird sich kaum widerlegen lassen, ist deshalb aber noch lange nicht plausibel. Denn umgekehrt war ein Religionswechsel aus purem Machtkalkül auch in der Antike sehr wohl als solcher erkennbar, und kein einziger der zahlreichen römischen Kritiker Geiserichs stellte jemals dessen religiöse Überzeugung infrage. Dass der König die Vorteile, die ihm der religiöse Gegensatz von Vandalen und Romanen bot,36 nicht etwa übersehen, sondern genutzt hat (auch um in Africa ‚klare Fronten‘ zu behalten), ist eine Selbstverständlichkeit. Religiöse Überzeugung und ihre politische Ausmünzung griffen – wie so oft – eng ineinander.

Das Königreich der Vandalen

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