Читать книгу Arbeiten mit Träumen in der Analytischen Psychologie - Konstantin Rößler - Страница 10
1 Der Stoff und die Träume – Eine kurze Geschichte vom Verständnis des Träumens
Оглавление»We are such stuff as dreams are made on, and our little life is rounded with a sleep.« (Shakespeare, 1919, S. 114) – »Wir sind aus solchem Stoff wie Träume sind und unser Leben ist von einem Schlaf umringt« – so lautet Prosperos Aussage in Shakespeares »Der Sturm«. Es ist eines der bekanntesten Zitate, das das Wesen der Träume thematisiert, und berührt zugleich den Kern einer seit über 3.000 Jahren anhaltenden Diskussion zur Frage, ob Träume nun etwas zu bedeuten haben oder nicht und ob und wie sie gegebenenfalls verstanden werden können.
So lässt sich eine von der Antike über das Mittelalter, durch Aufklärung und Romantik hindurchgehende Auseinandersetzung verfolgen, wie Träume einzuordnen seien und wie mit ihnen umzugehen sei. Diese reicht hinein bis in unsere Gegenwart wissenschaftlicher Forschungsparadigmen und wird weiter andauern. Auf den Punkt gebracht dreht sich die Auseinandersetzung um folgende Fragen: Enthalten Träume Bedeutung und Sinn? – Sind sie als Botschaften der Götter, einer transzendenten Ebene oder des Unbewussten Ausdruck einer geistigen Ebene, zu der wir im Schlaf Zugang erhalten und die für das Wachbewusstsein relevante Informationen enthält? Oder sind Träume Verarbeitungsprozesse der Tageserlebnisse mit lediglich reinigender Funktion oder gar Blitzgewitter des Gehirns im schlafenden Zustand, somit bedeutungslose Epiphänomene der Materie?
So steht die Diskussion um die Einordnung von Träumen in der langen Tradition einer polaren Gegensatzspannung von Geist und Materie und es zeichnet sich nicht ab, dass diese Frage nun abschließend beantwortet werden könnte. Vielmehr schlägt das Pendel über die Jahrhunderte jeweils in die eine oder andere Richtung aus. In Shakespeares Formulierung deutet sich dabei eine gewisse Synthese an, indem hier die Nähe der Träume zur Materie zum Ausdruck kommt als Stofflichkeit, die sowohl den Träumen wie auch unserem Bewusstsein zugrunde liegt und in einen umfassenderen Zustand eingebettet ist, der hier interessanterweise als Schlaf bezeichnet wird. Der Schlaf kann wiederum verstanden werden als eine Metapher für einen unbewussten Zustand der geistigen Ebene. Dabei wird offengelassen, ob es sich hier überhaupt um bewusstseinsfähige Elemente handelt oder solche, die in der Materie als geistiges Potential schlummern, ohne hervorzutreten. So hält dieses Zitat eine eigenartige Balance in der Frage nach dem Wesen der Träume, die uns beim folgenden historischen Überblick zu diesem Thema begleiten wird.