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1.3 Der Traum in Spätantike und christlichem Mittelalter

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Eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit unsere Träume Ausdruck einer Spannung zwischen Ich-Bewusstsein und unbewussten Inhalten sind, finden wir schon in der Spätantike bei Augustinus (354–430 n. Chr.): »Bin ich dann nicht ich, Herr mein Gott?… Und doch ist ein Unterschied zwischen mir und mir. (…) und ich finde eben wegen dieser Verschiedenheit von mir selbst, daß ich das nicht getan habe, wiewohl es mich schmerzt, daß es gewissermaßen in mir geschehen ist.« (zit. nach von Siebenthal, 1953, S. 78f.). An anderer Stelle fügt Augustinus anlässlich von erotischen Träumen, die er als Versuchung erlebt, die Frage hinzu: »Bin ich denn, Herr, mein Gott nicht auch im Schlafe ich selbst?« (zit. nach Schnocks, 2007, S. 28).

Die Frage, ob wir verantwortlich sind für das, was wir träumen, hat unter Berufung auf Augustinus für Autoren des Mittelalters und der Renaissance mitunter erhebliche Konsequenzen. Im Traktat des Thomas Careña aus dem Jahre 1659 wird Inquisitoren empfohlen, die im Schlaf erhaltenen Träume als Ausdruck dessen anzusehen, »was unter Tags jemand beschäftigt hat«. (von Siebenthal, 1953, S. 79), und sie als Material für die inquisitorische Untersuchung zu verwenden. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, wie gefährlich es war, in dieser Zeit die oft bizarr wirkenden Inhalte eigener Träume weiterzuerzählen, und wie leicht damit Verurteilungen durch die Inquisition begründet werden können.

Im Mittelalter zeichnet sich die zweigleisige Beurteilung des Wesens der Träume bereits deutlich ab. So wird zwischen natürlichen und übernatürlichen Träumen unterschieden. Vor allem zukunftsgerichtete Träume stammen unmittelbar von Gott oder den Engeln, die schlechten vom Teufel. Der Traumvorgang selbst ist dagegen etwas völlig Natürliches, das mit spekulativen und empirischen Modellen erklärt wird. So beschreibt Albertus Magnus bereits eine Abriegelung der Sinnesorgane im Schlaf, die es ermöglicht, dass sich die virtus imaginativa als eine Fähigkeit zur bildlichen Vorstellung in Gestalt des Traums und als etwas von innen Kommendes entfalten kann (vgl. von Siebenthal, 1953, S. 79ff.). Nicht alle Träume jedoch haben demnach eine übernatürliche Ursache, sie können auch Täuschungen enthalten, mit denen sich das Wachbewusstsein, der Intellekt, auseinandersetzen muss. Hier steht vor allem die Aufgabe der Differenzierung zwischen Imagination und objektivierbarer Wahrnehmung im Wachbewusstsein im Vordergrund. Mit dieser Auffassung beziehen sich Autoren wie Albertus Magnus auf die oben erwähnte Argumentation des Aristoteles und lassen bereits eine Vorbereitung der rationalen Grundhaltung der späteren Aufklärung gegenüber dem Traumphänomen erkennbar werden.

Arbeiten mit Träumen in der Analytischen Psychologie

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