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Neue Erfahrungen und Chancen

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Manchmal passiert auch Unvorhersehbares, vergleichbar mit so manchem Kochvorgang. Hat man eine Zutat, die nicht bestellt war, die gar nicht vorgesehen war und die eigentlich auch gar nicht passt, dann aber doch Verwendung finden soll, ist man herausgefordert.

Dazu habe ich eine besondere Geschichte parat. Eine Rose 'Westerland' in Solitärqualität kam in meine Hände, nicht bestellt und schon gar nicht vorgesehen. 'Westerland' gehört nicht zu meinen Lieblingsrosen, ich könnte auch sagen, ich mag sie gar nicht. Neutral gesehen aber war das Exemplar richtig schön. Mein großes Pflanzenherz ließ es nicht zu, sie dem Komposthaufen anzuvertrauen. So kam der Gedanke auf: Zeig mal, was du kannst! Ich habe sie in meine erste Entwässerungsmulde, also in meine Versuchsmulde gepflanzt und dachte mir, wenn du da überlebst, dann darfst du bleiben und hast den schönsten Platz. Sie ist umgeben von Parkplatzreihen und einer Zufahrtsstraße zu einem Logistikzentrum, die täglich von Lkws und Pkws intensiv befahren wird. Aber dafür wird sie von jedem gesehen!

Die Rosenliebhaber unter Ihnen werden jetzt aufschreien: Gepflanzt wurde sie in eine Bodenmischung von annähernd 70 % Kalksplitt und 30 % Oberboden, auf Rigolen, ohne Lehmanteil und Dünger, nur im Pflanzjahr mit Wassergaben versorgt. Dazu kommt noch, dass sie jedes Frühjahr wie eine Polyantharose behandelt und mit den Stauden auf knapp 10 cm zurückgeschnitten wird. Sie bedankt sich seit vier Jahren mit einer überreichen Blüte, mit einem glänzenden, dunkelgrünen Blatt, ohne Laus und ohne Mehltau. Sie erreicht eine Höhe von nahezu 160 cm und ist ab September reich mit Hagebutten besetzt, die über den Winter auch noch Vogelnahrung bieten. Selbst Rosenzüchter staunen bei dieser meiner Berichterstattung, können es kaum fassen. Denn auch in deren Schaugärten erfahren die einzelnen Rosensorten viel Zuneigung, eigentlich zu viel von allem. Beinahe wie in jedem Hausgarten werden sie gehegt und gepflegt, gedüngt und mit allem Möglichen gegen saugende und beißende Insekten behandelt, gegen Pilzkrankheiten teils schon vorbeugend gespritzt. Unerfahrene Gartenbesitzer winken gerne ab, wenn es um das Thema Rosen geht. Zu viel Arbeit!! Da sind wir wieder beim Thema.

Ich möchte nicht generell dazu raten, Strauchrosen wie Polyantharosen zu behandeln und Rosen einfach ins Kiesbeet zu pflanzen. Ganz sicher werden Strauchrosen ohne diesen Radikalschnitt zu wunderschönen Gestalten. Aber auf Extremstandorten kann mit der richtigen Auswahl der Sorten gelingen, worüber man noch nicht nachgedacht hat. Die Wildformen der Rosen sind grundsätzlich anspruchslos, besiedeln zum Teil Ruderalstandorte. Warum sollen nicht zumindest die einfach blühenden Sorten anspruchslos sein können? Sie sind Dauerblüher in jeder Art von Beet, sogar mit Fruchtschmuck. Welches Gehölz kann das schon von sich behaupten.

Von dieser Erfahrung wiederum animiert, habe ich begonnen, Persica-Hybriden mit in diese Art Pflanzungen einzubinden. Leuchtende Farben, ungefüllte Blüten, gesundes Laub, das mich, außer zur Zeit des Austriebs, eigentlich gar nicht wirklich interessiert. Benötige ich doch nur die Blüten zu meinen Stauden, zu den Gräsern, die zum Teil schon blühen, wenn die Rosenblüte einsetzt. Finde ich dann noch Sorten, die das Beet mit leuchtender Herbstfärbung, Blüten und Hagebutten gleichzeitig aufpeppen, dann sehe ich mich von Mutter Natur für meine Ideen belohnt.

An dieser Stelle noch eine amüsante Geschichte. Nicht immer klappt alles! Zum Beispiel meine besondere Erfahrung mit Amorpha canescens, Bleibusch oder auch Bastardindigo genannt. In verschiedenen Pflanzungen habe ich ihn wahrgenommen, üppig gewachsen, spät blühend, mit goldgelber Herbstfärbung. Also mit allen Eigenschaften einer Pflanze, die exzellent in mein schon bewährtes Pflanzengefüge passt. Leider ist die Art im Topf völlig unterrepräsentiert, meist ziemlich klein und unscheinbar beim Kauf. Die kleinen Fiederblätter ähneln sehr dem Blatt der Robinie. Diese Eigenschaft hatte leider zur Folge, dass ich über drei Jahre keine Amorpha im Beet hatte. Zwar wurde sie jedes Jahr neu gepflanzt, aber auch jedes Jahr herausgepflegt. Nun zum vierten Mal gepflanzt – die Hoffnung stirbt zuletzt!

In jedem Fall wünsche ich mir, viele andere Seelen mit meinem Schaffen zu berühren und zur Nachahmung anzuregen. Und ich mache dabei keine Diskussion auf, hinsichtlich heimisch oder nicht heimisch. Der Begriff darf sowieso nicht mehr verwendet werden, weil er politisch ist. Wenn dann einheimisch, also indigen. Naturgärtner verwenden indigene, aber auch archäo- und neophytische Arten. Aber nur, wenn sie nicht invasiv sind. Ein spannendes Thema. Den Insekten jedenfalls ist es egal, woher sie ihren Nahrungsbedarf decken. Hauptsache, das Angebot ist üppig über das ganze Jahr verteilt. Einheimisch oder fremd spielt dabei eine untergeordnete Rolle.

Verehrte Garten- und Pflanzenliebhaber, jetzt sind Sie an der Reihe: Haben Sie Freude bei der Umsetzung von gewöhnlichen und außergewöhnlichen Pflanzenkombinationen, seien Sie mutig! Mutig im Zusammenspiel der Pflanzen, mutig im Ausprobieren. Nehmen Sie in Kauf, dass nicht jede Pflanze will wie Sie. Zudem wird die Veränderung der klimatischen Verhältnisse die Verwendung von Pflanzen nachhaltig beeinflussen und dabei auch die Chance für neue Kompositionen ermöglichen. Die Suche gilt denen, die an dem von uns gewählten Ort und Umständen können und wollen. Dann gelingt Garten von ganz alleine. Das Schönste wäre, wenn meine Pflanzungen die Leser motivieren könnten, sich auf den Weg zu machen.

Gärten des Jahres 2021

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