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DER SCHREIER VOM SCHLEIERBACH

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Wer einmal, in jungen wie in alten Zeiten, das Pflerer Tal von vorne bis nach hinten durchschritten und dabei mit seinen Bewohnern gesprochen, wird erfahren haben: Es teilt sich das Pflerer Tal in Außer- und in Innerpflersch. Und zwar ziemlich rabiat.

Dermaßen, daß ein Außerpflerer nicht ohne guten Grund nach Innerpflersch: nie. Und ein Innerpflerer selbst nicht mit gutem Grund nach Außerpflersch: außer er müßt in die ferne Stadt hinaus. Dann aber beeilt sich der Innerpflerer in Außerpflersch und hält die Augen fest geschlossen. An der Gossensasser Brücke schließlich öffnet er sie wieder, und sieht sich das Malheur an seinem Reiseuntersatz an. Und umgekehrt.

Weswegen auch der Innerpflerer meist in Innerpflersch, der Außerpflerer meist in Außerpflersch verbleibt.

Deshalb auch ist der Schleierbach, der das Tal in Außer und Inner teilt, wie das glührote Messer den Butter, seit jeher eine Gegend, in der ein Genosse sich umtreibt, den alle, Inner wie Außer, den Schreier nennen. Man sagt, er gehe am Schleierbach um, der Schreier, seit, vor hunderten von Jahren – zu einer Zeit, als es noch kein Außer und kein Inner, sondern nur ein einziges Pflersch gegeben –, in diesem Pflersch, und zwar außen wie innen, allerreichste Bergwerksvorkommen sich gefunden, und die Gegend also, nach viel Graben und Hauen, zu einigem Wohlstand gekommen. Damit aber, mit dem Silbervorkommen, sei es auch, wenn auch nicht gleich vom ersten Tage an, so doch alsbald, zu Streitereien gekommen im Pflerer Tal, und alsbald zur Scheidung in Inner- und Außerpflersch. Und dabei war es die nächsten hunderte von Jahren geblieben, selbst als der Bergwerksreichtum sich wieder verzogen, als ob ins Innere des Gebirgs retour. Als ob beleidigt.

Und geblieben war der Schleierbach. Und geblieben auch der Schreier vom Schleierbach.

Die Innerpflerer sagten, er sei ein Riese, dieser Schreier. Die Außerpflerer beschrieben ihn als einen Zwerg. An manchen Tagen. An andren Tagen ging sie umverkehrt, die Rede vom Schreier.

Der Schreier hauste seit jeher, seit er also zusammen mit dem Silber im Tale aufgetaucht war, am Schleierbach. Wenn der Bach hoch ging, und das tat er oft, hing sein Wasser neblig wie ein Schleier über Bachbett und Brücke.

Der Schreier saß tagsüber im Schleier des Baches, machte sich nichts daraus, daß er auf und auf naß war, summte vor sich hin und wartete die Dämmerung ab. Nachts dann ging er mal nach draußen ins Tal, mal nach drinnen ins Tal, und tat dabei nichts lieber, als mit seinem markdurchdringend gespenstischen Geschrei des Weges kommende Pflerer zu erschrecken. Das war sein Vergnügen. Und außer für die zu Tod Erschreckten war es ein harmloses.

Wer aber des Nachts im Pflerer Tal unterwegs war, mußte recht gute Gründe dafür haben. Wie zum Beispiel ein, zwei, drei Viertel Rot im Wirtshaus. Oder sonstige Untaten. Weil der Schreier aber nicht katholisch war, konnte er, trotz seiner Abstinenz, es auch dem Pfarrer nicht recht machen. Außerdem führte der Innerpflerer Pfarrer selbst auch ein Wirtshaus. Direkt an der Kirch in Innerpflersch. Vor und nach der Messe. Während der Messe ermahnte er seine Schafe. Und wetterte gegen den Schreier.

Weshalb der Schreier gern, wenn von der Kellerei St. Pauls wieder ein Holzfaß Missianer Rot geliefert wurde, an der Brücke über den Schleierbach auf den Ochsenkarren sprang und sich am Spundloch des Fasses zu schaffen machte. Die Innerpflerer sagten, er hätte was herausgesoffen. Die Außerpflerer, er hätte was hineingeschifft. Der Pfarrer sagte, die Paulser nähmen es nicht mehr so genau, mit den unreif fuchseten Weimern, den noch halbgrünen Trauben, deshalb der Wein dann auch ein Sauremus. Und daß er zur Girlaner Kellerei wechseln würde. Bis er deren Preise hörte. Nach drei Tagen spätestens aber hatten sich die Innerpflerer den Wein schöngetrunken, und der Disput hörte auf. Daraufhin kümmerte sich der Schreier um die Weinlieferungen der Außerpflerer.

Es war aber ein junges Mädchen eines Tages, weil es ihr zu viel geworden war mit den Männern im Tal, innen wie außen, allein am Schleierbach talaus unterwegs. Und sang vor sich hin. Da erhob sich ein Wind, leis. Verblies allen Nebel. Woraufhin sie auflachte, und sagte: Weg isser, der Schleier vom Schleierbach. Und da hörte sie, durchaus nicht unschön, und gar nicht laut, ein Singen. Vom Schleierbach her.

Varkehrt harum

Ummedumm ummedumm

Varum dakehrt

Olledumm olledumm

Mi grosz, ti kluan

Zaubastuan, Zaubastuan

Mi pitschl, ti Gitschl

Nixfaluan, nixfaluan ***

Sehr schön, sagte das Mädchen, und lachte.

Und seit diesem Tag war der Schreier vom Schleierbach verschwunden. Und blieb verschwunden bis an den Rest der Tage. Das Mädchen fand sich an einem sonnigen Strand wieder. Ansonsten aber änderte sich nichts. Auch nicht am Wein.

*** (Versuch einer annähernden Übertragung) Verkehrt herum Rundherum, rundherum Weswegen verdreht Alle dumm, alle dumm Ich groß, du klein Zauberstein, Zauberstein Ich klein, du Mädchen (Du hast hier) Nichts verloren, nichts verloren

Der Nörgg, das Purzinigele und die Nichte der Nixe

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