Читать книгу Der Nörgg, das Purzinigele und die Nichte der Nixe - Kurt Lanthaler - Страница 16

DER LORGG AUF WILDER FAHRT

Оглавление

Vom Lorgg wird viel erzählt. Vom Lorgg wird noch mehr spintisiert. Dem Lorgg, kann man annehmen, ist das aber ziemlich schetzko.

Eine solcherne Sprache spricht er nämlich, der Lorgg. Wenn er denn spricht. Wobei spintisieren sowas wie »eigenartigen, wunderlichen, abwegigen Gedanken nachgehen« heißt, und schetzko vollständig všecko jedno lauten sollte, was dann tschechisch wäre. Und dieses Tschechisch wiederum könnte man sich solchermaßen erklären, daß nämlich der Lorgg, der mindestens schon seit fünfhundert Jahren in der Gegend haust, in modernen Zeiten, also zu Zeiten des damals Der Große Krieg, heute Der Erste Weltkrieg genannten Großschlachthofs, auf kakanische Soldaten getroffen, die massenweise wie mirnixdirnix in seine Gegend abkommandiert wurden, welch letztere ansonsten eigentlich eine eher ruhige, die Gegend. Ausundvorbei.

(Eines Tages traf der Lorgg, in Gestalt des Oberstleutnants des Landsturmes Robert Musil, gar auf einen in Trafoi stationierten Jungschriftsteller. Ernüchtert ließ er von ihm ab. Und hat seither nie mehr davon geredet. Der Schriftsteller nichts geschrieben, davon. Als ob, die beiden, einander dann doch, allesamt etwas unheimlich.)

Vom Lorgg wird viel erzählt. Er sei, sagt man, regelmäßig auf Wilde Fahrt gegangen. Und zwar, weiter hinaus ins Tal ging er nie, von Stilfserbrücke aus direkt eine kerzengerade Abkürzung steil nach Stilfs hinauf, dort einmal um Kirch und Friedhof herum, mit einem Gesause und Gebrause, daß denjenigen Stilsern, die gottesfürchtig, ganz angst und bang geworden; da aber die meisten Stilser eher nicht von der gottesfürchtigen Sorte, sondern eher Stilser, fuhr der Lorgg den Talhang hinan einwärts, daß die Baumwipfel nur so rauschten, und die Nachtkäuze lauschten, über Gomagoi dann drehte der Lorgg eine Ehrenrunde, was häufiger dazu führte, daß im Wirtshaus die Lichter gelöscht und unterm Tisch weitergetrunken wurde, und weiter ging es, der Lorgg umrundete den Piz Costainas, alles um die 3000 Höhenmeter war für den Lorgg grad mal eine kleine Atemübung, und schon: schon ging es im Sturzflug hinab Richtung Trafoi.

Die Trafoier aber kannten das. Jedesmal, wenn der Lorgg sich die 1500 Höhenmeter vom Berg auf ihr Bergdorf herabstürzte, ohne ein einziges Mal zu bremsen, nicht einmal einen Stemmschwung legte er ein, immer dann war davon auszugehen, daß der Lorgg grad zu Späßen aufgelegt war. Und mit denen war nicht zu spaßen. Mit ihm schon gar nicht. Also blieb man flüsternd hinterm Ofen sitzen und wartete ab.

Der Lorgg aber spiralte direkt überm Kirchturm ab, daß sein Fahrtwind die Glocken zum Schlagen brachte, dann zog er eine letzte, steile Kurve und landete, recht elegant, direkt auf dem Friedhof. Schließlich nahm er, wie immer, wenn er gerade nicht in Lüften war, seinen Kopf vom Hals, und mit seinem Kopf seinen dreieckigen Hut, nahm Kopf und Hut unter seinen linken Arm, und wollte sich gerade auf den Fußweg zur Trafoier Eiswand, seinem eigentlichen Zuhause, machen, als er etwas hörte.

In dieser Nacht nämlich hatte ein Wirtshausgänger, der dort keinen Kredit mehr, in seinem Kopf aber inzwischen einen gewaltigen Rausch hatte, dieser Wirtshausgänger hatte sich auf das Grab einer Jungfrau zum Rauschausschlafen gelegt, und trotz der Kälte ruhig gelegen. Bis auf sein Schnarchen. Ob dieses Gesägewerkes aber hatte ihn der Lorgg entdeckt. Dann ziemlich unsanft mit einem Tritt seiner gewaltigen, nackten Füße, so gewaltig, daß man auf einem einzigen von ihnen hätte die ganze Eiswand abfahren können, geweckt.

Der Wirtshausgänger, im sonstigen Leben ein frommer Mann, fluchte lauthals, richtete sich dann auf, und erstarrte. Angesichts des Lorgg mit dem Kopf und dem Hut unterm Arm.

Geat it gaach. Tua dr it maarn

Du hosch miar drleaßt, Zoch

I hon diar zerstaeßt, Pfott

Suina wearrn rearn

Dr Krumpat hot kua Schwäafl mäa

unt dr Plasslt isch holw plint ****

Gian ma gaach. Tua dir maarn ***

hatte der Lorgg gesagt, während er sich in aller Ruhe den Kopf und den Hut wieder aufsetzte. Dann den Wirtshausgänger am Schlafittel aufgerichtet, Richtung Trafoier Eiswand gezeigt, sich auf seine Schulter gesetzt, und gesagt: »Los gehts. Und tu mir nicht rennen. Wir haben Zeit, wir zwei.«

Den Lorgg hat man wieder gesehen, den Wirtshausgänger nicht mehr. Ob der übers Joch ins Italische, oder direkt zur Hölle, man weiß es nicht. Er hat sich noch nicht dazu geäußert, der Lorgg. Soweit wir wissen. Eventuell kommt er heut nacht noch vorbei. Und dann werden wir wissen. Auch egal.

Vom Lorgg wird viel erzählt.

*** Geht nicht so schnell. Klag nicht Du hast mich erlöst, Mann Ich hab dich zerstört, Frau Die anderen werden weinen Der Hinkefuß hat keinen Schweif mehr und der Bläßliche ist halbblind **** Laß uns gleich gehen. Meld dich

**** Diese zwei Zeilen sind so in den Korrnrliadrn des Luis Stefan Stecher (Korrnliadr. Gedichte in Vintschger Mundart. Folio Verlag, 2009) zu lesen. Ob hier der Lorgg den Stecher, oder damals (Ersterscheinung 1978) der Stecher den Lorgg zitiert, wäre bei Gelegenheit noch zu eruieren.

Der Nörgg, das Purzinigele und die Nichte der Nixe

Подняться наверх