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DIE PARTSCHINSA PURZINIGELEN

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Vor sehr langer Zeit, kurze Zeit, nachdem die Erde noch öd und leer gewesen war und also , tohu wabohu (was im übrigen Buber/Rosenzweig sehr viel treffender mit Irrsal und Wirrsal übersetzen, den alten Luther verbessernd; – der noch einige Verbesserungen mehr vertragen hätte, wie man an seinen heutigen Nachkommenschaften unschwer ablesen kann. Aber das tut hier nichts zur Sache –),

… vor sehr, sehr langer Zeit also, kurze Zeit, nachdem die Erde noch »wüst und leer« gewesen war, wohnte auf dem, was heut der Partschinser Sonnenberg genannt wird und bis vor kurzem wie präpandemisch noch extensiv touristisch zum Zwecke aller möglichen Bespaßungen beworben, also Wellness und Fitness und Gutess,

… vor sehr, sehr langer Zeit wohnte auf diesem steilen, der südlichen Sonne freundlichst zugewandten Berghang eine inzwischen längst sagenumwobene Spezies: die Purzinigelen. Und was auch immer wir heute uns davon erzählen, und wie auch immer wir sie in Kinderliedern (Weihnachtsliedern gar) hineinverniedlichen, es waren, die Purzinigelen, eine hochkultivierte Zivilisation.

Wenn auch, zugegebenermaßen, von sehr kleinem Wuchs. Was ihnen bei ihrem Hauptgeschäft, dem Graben nach Silber, allerdings prächtig zupaß kam. Mußten sie die Stollen nicht allzugroß aus dem Granitgneis des Partschinser Sonnenberges hauen. Denn das Silber versteckte sich im Berge. Und ließ sich nur finden, wenn man freundlicher und sangesfröhlicher Natur war, wie die Purzinigelen, und intelligent und dem Leben zugewandt, sowie am Tauschwert des Silbers nicht im geringsten interessiert. All das traf auf die Purzinigelen zu, und sie freuten sich, am Feierabend in der tiefstehenden Sonne am Partschinser Berg sitzend, am Widerglanz des gewonnenen Silbers. Aßen aus Silbertellern und schliefen auf Silberkissen. Standen morgens nicht allzufrüh auf, und machten sich gemächlich auf den Weg in die Silberstollen. In deren Dunkelheit sie ein paar Stunden verbrachten. Um dann wieder ans Tageslicht zu kommen, und, nach einem Bade in einem Gebirgsbach, den sie zu diesem Zwecke mit Steinen, Ästen und Moos zu einem Swimmingpool etwas angestaut, sich im frischen Gebirgsgras in die Sonne zu legen und etwas auszuruhen. Danach vertrieben sie sich die Zeit mit Hand- und Kopfständen und Rollen vor- und rückwärts. Das half ihren Silberstollenrücken auf die Sprünge.

Und so vergingen die Tage, und so vergingen die Zeiten.

Bis die Purzinigelen eines Tages, wieder einmal im Grase ruhend, feststellten, zu ihrem Erstaunen, daß im Tal weit unten, unter ihnen, in dem Tal, das bis vor kurzem ein einziger Sumpf voller übler Luft, und also mal aria war, daß sich dorten etwas tat. Sie wollten es erst nicht glauben. Mußte sie die Sonne und das Silber zu stark geblendet haben, zumal ihre von der Silberstollendunkelheit geschwächten Augen.

Doch da, Tage später, wieder. Woche drauf, auch. Im Tal unten, an dessen Rande, auf einem kleinen Hügel, schienen sich Wesen anzusiedeln. Und hantierten gar mit Feuer. Und bauten sich wacklige Laubhütten.

Alsbald aber gingen über diese Wesen im Tale unten Geschichten um unter den Purzinigelen, und sie sagten sich: Sage, sag mal, was glaubst du?

»Ich glaub schonmal gar nichts, pàr tschínsa, pàr tschínsa«, sagte das Altpurzinigele, nochmal einen Kopf kleiner als die anderen Purzinigelen, da inzwischen etwas vornübergebeugt, Altersskoliose, »und außerdem sollte es uns egal sein. Was da unten in diesem Drecksloch sich tut.«

Das aber war ein Irrtum gewesen. Denn eines Tages kam ein Talbewohner den Berg hoch. Tage später kamen mehr von ihnen den Berg hoch. Und sie streiften durchs Gelände, unsicher auf ihren Beinen ob der Steilheit. Aber sie kamen immer wieder. Schauten hinter jeden Stein, grasten alles ab.

So daß die Purzinigelen, nachdem sie Rat gehalten, eines Nachts alles zerstörten, was sie aufgebaut hatten, ihre Silberteller und Silberkissen in die Stollen zurückbrachten, und die Stollen auf immer verschlossen. Ihre Wohnplätze dem Erdboden gleichmachten und das Bad im Bach. Woraufhin sich eine wahre Sturzflut zu Tale wälzte.

In derselben Nacht noch machten sich die Purzinigelen auf den Weg, den Sonnenberg entlang am Kamm, am Ortnott vorbei und am Madratsch, und ließen sich erst am Plantavilas, hoch oben über Schluderns, wieder nieder. Da war dann ein paar hundert Jahr lang wieder Ruhe.

Schließlich aber verschwanden sie ganz. Von dort, wo heutzutage die Spezies der Mauntenbaiker Jagd auf Fußgänger macht.

Später dann, als das Wissen über die wirklichen Purzinigelen längst verschütt wie ihre Silberstollen, später dann haben sich aus dem Wort Purzinigele Wörter herausgebildet, die, wenn nicht wir, so zumindest unsere Vorgänger, noch kannten. Im Adelung (Grammatisch-Kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. Ausgabe letzter Hand, Leipzig 1793–1801) findet sich also zum Beispiel Purzel für kleines, täppisches Kind. Im Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm (Leipzig 1833–1961) lesen wir: wenn ich (hanswurst) meinen purzelbaum machen kann, was ficht die politik mich an? Und im Duden steht schließlich Nigel für kleiner, widerspenstiger Kerl.

Und so ist allen Recht und Genüge getan.

Der Nörgg, das Purzinigele und die Nichte der Nixe

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