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4.3 Das Leistungsverweigerungsrecht des Verkäufers

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Nach § 439 IV 1 darf der Verkäufer die vom Käufer gewählte Mängelbeseitigung oder Ersatzlieferung verweigern, wenn sie unverhältnismäßig teuer ist. Das Gesetz nimmt dem Verkäufer diese Nacherfüllungspflicht nicht einfach ab, wie § 275 I es tut, sondern berechtigt ihn nur zur Leistungsverweigerung; erst die berechtigte Verweigerung der überteuerten Nacherfüllung begründet eine dauerhafte Einrede gegen den Nacherfüllungsanspruch[107]. Der Käufer behält nach § 439 IV 3 den Anspruch auf die andere Art der Nacherfüllung, so der Verkäufer nicht auch sie zu Recht als überteuert verweigert.

Beispiele

- Die Reparatur eines billigen Massenartikels: eines Fotoapparates oder einer Quarzuhr kostet leicht mehr, als die Sache wert ist, während die Ersatzlieferung sehr viel billiger kommt.
- Umgekehrt steht der Aufwand für die Ersatzlieferung einer wertvollen Druckmaschine in keinem Verhältnis zu einem kleinen Mangel, der leicht und billig repariert werden kann.
- Das Wohnhaus ist vom Hausbock befallen und die Mängelbeseitigung derart teuer, dass der Verkäufer eine Nacherfüllung total verweigern darf (BGH NJW 2015, 468).

Die „unverhältnismäßigen Kosten“, auf die § 439 IV 1 abstellt, sind freilich keine feste Größe, auch wenn § 439 IV 2 den Wert der Kaufsache, die Bedeutung des Mangels und den Aufwand für die andere Art der Nacherfüllung berücksichtigt haben will.

Die Schwelle der Verhältnismäßigkeit ist jedenfalls dann überschritten, wenn die Kosten der Nacherfüllung insgesamt entweder den Wert der Kaufsache in mangelfreiem Zustand oder 200 % des mangelbedingten Minderwerts übersteigen[108]. Dem Käufer bleibt dann ein Anspruch auf Ersatz des mangelbedingten Minderwerts oder der Mängelbeseitigungskosten[109].

Jedoch ist der Verkäufer, der eine Mängelbeseitigung nach § 439 IV 1 zu Recht ablehnt, nicht verpflichtet, die unverhältnismäßig hohen Kosten einer Mängelbeseitigung als Schadensersatz voll zu ersetzen, sondern nur in Höhe des mängelbedingten Minderwerts, es sei denn, den Verkäufer treffe ein schweres Verschulden[110].

§ 439 IV 1 gilt „unbeschadet des § 275 II, III“. Der praktische Wert dieser Verweisung ist minimal. § 275 II sagt mit etwas anderen, aber nicht weniger dunklen Worten für das allgemeine Schuldrecht das Gleiche wie § 439 IV für das Kaufrecht. Während § 439 IV die „unverhältnismäßigen Kosten“ ins Feld führt, stellt § 275 II auf das „grobe Missverhältnis“ zwischen Leistungsaufwand und Gläubigerinteresse ab[111], ist aber noch schwammiger formuliert als § 439 IV und sucht sein Heil letztlich im Gebot von Treu und Glauben, womit man glücklich bei § 242 angelangt ist (RN 1661). Die Abgrenzung der beiden Vorschriften kann nur Haarspaltern gelingen. § 275 III, der den Schuldner berechtigt, eine höchstpersönliche Leistung zu verweigern, ist auf den Dienst- und Arbeitsvertrag gemünzt; die Lieferpflicht des Verkäufers hingegen ist so gut wie nie höchstpersönlich (RN 1663).

Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen

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