Читать книгу Die Speckbemme und Konrads Radtouren - Kurt Thümmler - Страница 5
VORWORT DES VERFASSERS
ОглавлениеMeine Geschichte handelt von einem kleinen Jungen, ich nenne ihn Konrad, der im Krieg geboren wurde und unter ärmlichen Verhältnissen in einer Kleinstadt in Ostdeutschland, später DDR, aufwuchs.
Wir schreiben das Jahr 1950, Konrad ist acht Jahre alt. Der Krieg war fünf Jahre her. Glücklicherweise hatte Konrads Heimatstadt keine größeren Kriegsschäden davongetragen, nur das Bahnhofsgebäude des Unteren Bahnhofs hatte eine Bombe abbekommen, wahrscheinlich zufällig von einem der Bomber gefallen, welche im letzten Kriegsjahr zu Hunderten über unsere Stadt in Richtung Leipzig flogen, um bekannterweise diese Stadt zu zerstören.
Die Erinnerungen an diese furchtbaren Ereignisse lasse ich in diesem Buch weg.
1950 war die DDR zwei Jahre alt. Die Kommunisten hatten unter der Führung der Russen, das heißt der Sowjetarmee einen Arbeiter- und Bauernstaat gegründet. Zu dieser Zeit kamen die Russen zu der Erkenntnis, die Produktionsanlagen Ostdeutschlands nicht weiter sinnlos zu demontieren, sondern wieder aufzubauen und zum Nutzen der Sowjetarmee produzieren zu lassen, und so liefen die Reparationszahlungen an die Sowjetunion ausschließlich aus der DDR bis in die Ewigkeit, wenn 1989 die Wende nicht gekommen wäre. 1950 herrschte bitterste Armut in der DDR. Es ging ums blanke Essen. Wir Kinder hatten ständig Hunger, Lebensmittel wurden mittels Lebensmittelmarken zugeteilt. Die Kinder bekamen in der Schule anfangs eine Grießsuppe, wir nannten sie Rennfahrersuppe. Später gab es dann einen Blechtopf, jeder musste ein Gefäß von zu Hause mitbringen, Milch und eine Semmel dazu. Das war die erste Errungenschaft der DDR.
Wir wohnten in der Nähe einer Erfassungsstelle für landwirtschaftliche Produkte (VEAB). Dieser wurde eigenartigerweise von Polen kontrolliert. Heute finde ich es richtig, dass die Bauern gezwungen wurden, möglichst viele Nahrungsmittel zu produzieren und abzuliefern. Ich kann mich noch sehr gut an die langen Schlangen der Pferdewagen, die meist mit Weißkohlköpfen beladen, an der VEAB, das heißt Volkseigener Erfassungs- und Aufkaufbetrieb, anstanden, um ihre Produkte abzuliefern. Für uns Kinder war das eine günstige Möglichkeit unseren unbändigen Hunger zu stillen – wir klauten Kohlköpfe. Von einem Kohlkopf konnte die Familie eine ganze Woche leben. Die Bauern tolerierten unsere Diebstähle, da sie ohnehin an die Kommunisten nichts liefern wollten. Dass das hungernde Volk dahinterstand, interessierte sie nicht. Es war die Zeit, als die Bauern ihren Kuhstall mit Teppichen auslegen konnten, weil die Städter ihr letztes Hab und Gut zum Bauern schleppen mussten, um etwas zu essen zu bekommen und der Bauer war erbarmungslos: Für ein Paar nagelneue Herrenschuhe gab es ein Kilo Kartoffeln. Hintenherum schlachtete der Bauer ein Schwein und verkaufte das Fleisch auf dem schwarzen Markt. Allerdings haben das die bösen Kommunisten auch hart bestraft, wenn sie das rausbekamen.
Ährenlesen und Kartoffeln stoppeln waren Möglichkeiten für die Menschen, etwas Essbares zu beschaffen. In den ersten Nachkriegsjahren kamen sogar unsere Verwandten aus Berlin zu uns in die Provinz, um ein paar Kartoffeln zu ergattern – wir hatten selbst nichts.
Nachdem sich die BRD gegründet hatte und der Marschallplan ins Leben gerufen wurde, wendete sich das Blatt, besonders für die Berliner, grundsätzlich. Ab jetzt waren wir aus der Ostzone die Bettler.