Читать книгу Slave to you - L. Renegaw - Страница 6

Kapitel 4

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Ich spüre Alex warmen Körper neben mir. Seine nackte Haut an meiner, während er mich im Schlaf festhält. Ich schmiege mich an ihn, schließe die Augen und spüre, wie mir das Herz gegen die Rippen pocht. Obwohl er da ist, mir die Illusion von Nähe und Sicherheit bietet und mir das immer geholfen hat, habe ich das Gefühl, dass mein Innerstes die Lüge durchschaut hat. Denn dummerweise ist da nur dieses eine Gesicht in meinem Kopf, verbunden mit einer Sehnsucht, die ich noch nie in dieser Art empfunden habe. Was ist nur los mit mir?

Heute Morgen im Büro, ich konnte einfach nicht anders, da habe ich Jonathan gegoogelt. Ich kam mir kindisch vor, wie ein dummer Teenager, der seinen Schwarm stalkt. Doch gleichzeitig war es wie ein Zwang. Ich konnte einfach nicht anders.

Google spuckte mir unzählige Bilder von ihm als deutscher Meister aus oder auch von anderen Turnieren, die er gewonnen hat. Und schließlich fand ich auch einen Reisebericht von ihm aus Australien. Auf dem Foto sitzt er auf der Veranda einer Farm, auf der er gearbeitet hat. Nachdem ich seinen Bericht gelesen hatte, schloss ich das Fenster rasch und schalt mich einen Dummkopf.

Und jetzt liege ich hier neben Alex und komme nicht darauf klar, dass ich beim Sex Jonathans Gesicht vor Augen hatte. So intensiv, dass ich mir vorstellte mit ihm zu schlafen und nicht mit Alex. Was stimmt nicht mit mir? Wie kann es sein, dass ich einen Mann wie ihn begehre? Und wieso überhaupt? Es gibt nicht einmal eine logische Erklärung dafür. In dem Jahr, in dem er fort war, habe ich keinen einzigen Gedanken an ihn verschwendet. Auch davor, er war immer einfach nur da. Wie all die anderen Vereinsmitglieder, die ich kaum kenne. Wäre er nie weg gewesen, wäre es dann auch so gekommen? Hätte ich auch dann eine fast krankhafte Faszination entwickelt? Denn es muss doch krankhaft sein, wenn ich anfange, ihn zu googeln und ihn stalke wie ein naiver Teenager. Oder nicht?

Eigentlich ist das der Grund, weshalb ich Alex hergebeten habe, weil ich Jonathan aus meinen Gedanken tilgen wollte. Leider ist der Plan nach hinten losgegangen. Immer wieder muss ich daran denken, wie ich ihm letzten Dienstag ohne zu zögern meine Beweggründe offenlegte, weshalb ich nicht auf Turniere fahre. Was nur lässt mich ihm so vertrauen? Ich weiß, dass er es nicht tun wird, aber müsste ich nicht Angst haben, dass er alles weitererzählt? Es ist kein Geheimnis, dass Sascha und ich nicht im Guten auseinandergingen, doch habe ich nie jemandem erzählt, was der Grund dafür war. Naja, niemandem außer Vivien und Alex. Aber selbst mit ihnen habe ich nie darüber gesprochen, dass er der Grund ist, weshalb ich nicht mehr auf Turniere fahre. Wahrscheinlich haben sie es sich gedacht, aber sie kennen mich. Sie wissen, dass ich vergessen will und kein Interesse daran habe, über Sascha zu reden. Deshalb haben sie vermutlich nie gefragt. Oder war es Desinteresse? Ist es ihnen womöglich doch egal? Jonathan war es nicht egal. Glaube ich zumindest. Vielleicht kümmert es ihn wirklich.

Ich befreie mich aus Alex Armen, denn es ist mir plötzlich unangenehm, dass er mich hält. Und ein paar Sekunden später kann ich auch nicht mehr liegen. Ich stehe auf, gehe in die Küche und werfe einen Blick in den Kühlschrank, wie immer, wenn ich hereinkomme. Es findet sich nichts Spannendes darin, also schließe ich die Tür wieder und setze mich an den Tisch. Ich bin jedoch so unruhig, dass ich nicht sitzen bleiben kann. Verdammt noch mal! So kann das doch nicht weitergehen.

Schließlich lande ich auf der Couch, in eine Decke gewickelt, den Fernseher eingeschaltet. Ich gucke mir zum wiederholten Male "Der Hobbit" an und schaffe es irgendwann einzuschlafen.

Mehrere Wochen kämpfe ich dagegen an. Vermeide es, erneut mit Jonathan allein zu sein und lege nicht noch einmal ein so gutes Ergebnis im Training ab, wie an jenem Abend. Unter anderem deshalb, weil er mich zwingt, jedes Mal an einem anderen Platz zu stehen. Offenbar hatte er recht und es ist nicht gut, wenn ich mich auf meinen Stammplatz fixiere.

An einem Dienstag im Februar jedoch, wir hatten eine Besprechung an der Arbeit, komme ich wieder wesentlich später ins Schützenhaus. Vivien kommt mir normal angezogen entgegen, als ich direkt ins Lager gehe.

"Schießt noch wer?", frage ich. Sie nickt.

"Ja, Mike und Alex", antwortet sie.

"Alex schießt?" Ich bin überrascht.

"Ja, hatte offenbar mal wieder Lust dazu." Sie wirkt irgendwie reserviert.

"Stimmt was nicht?", will ich wissen, doch sie winkt ab.

"Alles bestens", behauptet sie, auch wenn ich weiß, dass sie lügt. Aber ich kann mich jetzt nicht darum kümmern. Wenn Alex und Mike noch am Schießstand sind, muss ich die Gelegenheit nutzen, dass ich nicht alleine mit Jonathan sein werde.

Rasch gehe ich mich umziehen, hole mein Gewehr und gehe nach nebenan. Zu meinem Verdruss kommt Mike mir bereits entgegen. Alex hat auch nur noch zwei Scheiben übrig und ich weiß, dass ich am Ende wieder allein mit Jonathan sein werde. Zu meinem eigenen Verdruss merke ich, dass ich neben der Panik auch Freude empfinde.

"Da bist du ja", sagt er, als ich hereinkomme. Er lächelt mich an, wie er es immer tut und ich versuche mir zu sagen, dass er sich nicht ganz besonders freut, mich zu sehen, sondern einfach zu jedem so freundlich ist. Oder nur deshalb, weil ich vor ein paar Wochen vor seinen Augen geheult habe. Ja, das wird es sein. Er hat einfach nur Mitleid mit mir.

"Hey", sage ich nur und lege mein Gewehr ab. Etwas ungelenk wegen der steifen Schuhsohlen gehe ich zu ihm, um mir meine Scheiben abzuholen. Er drückt sie mir in die Hand und sagt dann etwas, was mir das Herz in die Hose sinken lässt.

"Ich habe dich übrigens zum Kadertraining angemeldet. Und zu den Landesmeisterschaften."

Mir stockt der Atem und ich starre ihn an. Ich kann nichts sagen, denn Alex ist noch da, doch ich merke, dass ich sauer werde. Wie kann er mich einfach anmelden? Er sieht meine Wut, das weiß ich. Aber er hat den Zeitpunkt bewusst gewählt, in dem er mir dies eröffnet. Mit zitternden Händen gehe ich zurück zu meinem Stand. Verdammt, so werde ich nicht schießen können. Auch das hätte er wissen müssen.

"Du bist gerade erst gekommen oder?", fragt Jonathan. Ich nicke nur, außerstande, etwas zu sagen.

"Dann solltest du noch etwas warten, bevor du anfängst", rät er mir. "Sonst bist du zu aufgewühlt."

Als ob es daran liegt, dass ich aufgewühlt bin. Am liebsten würde ich ihm eine kleben. Doch ich nicke nur, lasse meine Sachen liegen, gehe zu seinem Tisch und setze mich darauf. Ich weiß, dass es eigentlich klüger ist, erst eine Weile zu sitzen, zur Ruhe zu kommen, bevor man sich darauf konzentriert zu schießen. Es ist leichter, wenn der Puls nicht zu schnell ist und einfacher die Atmung zu beruhigen. Ich beobachte Alex, der seine letzte Scheibe heranholt. Sie sieht auch so aus, als hätte er ewig nicht trainiert.

"Hattest du vor noch mal in den Kader aufgenommen zu werden?", fragt Jonathan, als er die Scheiben auswertet.

"Eigentlich nicht", sagt Alex und zuckt gleichgültig die Achseln. Er trägt Sneakers, statt Schießschuhen und alles, was er angezogen hat, sind die Jacke und der Handschuh. Nur ein Handschuh natürlich. Der dient dazu, das Gewehr ruhiger zu halten. Die andere Hand braucht man frei, für den Abzug.

"298", sagt Jonathan und drückt ihm die Scheiben in die Hand. "So wird das ohnehin nichts."

Alex grinst mich an und geht. Das ist ihm sowas von egal.

Wir sind allein.

"Also, sag es schon!" Jonathan sieht mich an, doch der intensive Blick seiner braunen Augen macht mich so nervös, dass ich mich am Tisch festklammere und zu Boden blicke.

"Du hattest kein Recht, mich einfach anzumelden."

"Nein, hatte ich nicht. Aber ich habe es trotzdem getan", sagt er ruhig. Ich blicke auf, spüre wieder die Wut in mir aufkommen. Kann er sich nicht wenigstens rechtfertigen?

"Warum hast du das gemacht?", blaffe ich ihn an. Er verschränkt die Arme.

"Was glaubst du wohl?"

"Ich will da nicht hin. Ich hätte mich selber nie angemeldet."

"Ganz genau. Du hättest das selber nie getan. Aber du bist so gut, dass das vergeudetes Talent ist."

Ich schnaube ungläubig.

"In den letzten Wochen war ich alles andere als gut."

"Du bist gut", erwidert er und fasst mich am Arm. "Und das weißt du ganz genau. Du gehörst nicht zu den Menschen, die immer behaupten, nichts zu können und sich selbst etwas vormachen. Und ich..."

Er verstummt und ich sehe ihn an, voller Neugier, was er sagen wollte.

"Und du?", hake ich nach.

"Ich komme mit dir dorthin und wenn dieser Idiot da ist, der dich verletzt hat, dann gehst du erhobenen Hauptes an ihm vorbei. Und wenn er dich anspricht, irgendetwas zu dir sagt, was dich noch mehr verletzt, dann kriegt er es mit mir zu tun."

Es ist wie ein Reflex. Ich kann nicht anders. Ich lege meine Hand auf seine. Zuerst zuckt er zurück, will sich mir entziehen, aber dann begegnen sich unsere Blicke und er verschränkt seine Finger mit meinen. Wir sehen uns einfach in die Augen und ich merke, wie surreal diese Situation ist. Er hält meine Hand, er hält wirklich meine Hand. Die Wärme seiner Haut geht mir durch und durch. Tief in mir weiß ich, dass diese Berührung genau das ist, was ich mir die ganze Zeit gewünscht habe.

Er sagt nichts und ich ebenso wenig, bis die Tür aufgeht und wir beide zusammenzucken. Jonathan entzieht sich mir sofort, doch nicht schnell genug, denn Alex wirkt für einen Moment irritiert. Er sagt jedoch nichts zu dem seltsamen Anblick, der sich ihm gerade geboten hat. Er sieht mich nur an.

"Soll ich auf dich warten?", fragt er. Ich schüttle den Kopf.

"Nein. Schon gut. Ich habe ja noch nicht mal angefangen." Verdammt, meine Stimme klingt viel zu aufgekratzt.

Er nickt, wirft Jonathan einen Blick zu, der nun mit verschränkten Armen an der Wand lehnt und schweigt.

"Dann bis dann", sagt Alex. Ich nicke und er geht.

Der nächste Moment ist peinlich. Keiner von uns sagt ein Wort und ich stehe einfach auf und gehe zu meinem Gewehr. Mein Ergebnis fällt heute einigermaßen schlecht aus. Die Tatsache, dass er mich beobachtet, macht mich nervös. Und das Gefühl seiner Hand in meiner ist noch immer so präsent, dass ich zittere, sobald ich daran denke. Jonathan sagt nichts zu meinem schlechten Ergebnis. Er sagt überhaupt nichts mehr, bis ich mich umgezogen habe, durch den beinahe leeren Schankraum gehe und ihn am Ausgang wieder treffe. Es ist offensichtlich, dass er auf mich gewartet hat.

"Ich fahre dich", sagt er leise, aber so bestimmt, dass ich es nicht wage, zu widersprechen. Wieder schweigen wir beide, während wir zu seinem Auto gehen. Der Februar ist kalt, aber trocken, so, dass wir diesmal keinen Schnee entfernen müssen. Keiner von uns sagt etwas, bis wir wieder vor meinem Haus stehen und er erneut den Motor ausschaltet. Ich murmle ein "Dankeschön" und will einfach fliehen, doch er hält mich zurück.

"Ella, warte!"

Ich weiß, dass es falsch ist, dass ich das Empfinden unterdrücken muss, mich über den Aufschub zu freuen. Und doch will ich genau das. Mit ihm hier sitzen bleiben und reden. Seine Stimme hören und... Verdammt, was geht nur in meinem kranken Kopf vor? Als ob er in mir eine Frau sieht. Jemanden, der ihm ebenbürtig ist. Niemals. Ich bin ein Kind in seinen Augen. Die Tochter eines Freundes, die ebenso gut seine Tochter sein könnte.

"Ich weiß, dass ich dich nicht einfach hätte anmelden dürfen", sagt er. "Ich hätte mit dir sprechen müssen. Aber ich hatte das Gefühl, sonst machst du es ohnehin nicht."

"Und was glaubst du, hält mich davon ab, die Anmeldung zu ignorieren?"

Er sieht mich nur an und ich bin gespannt, was er sagt, was seine Begründung ist.

"Nichts."

Ich blicke ihm in die Augen, kann es kaum ertragen, dass er so viel Vertrauen in mich zu haben scheint.

"Ich kann dich nur bitten, dir selbst diese Chance nicht zu verbauen."

Ich schlucke schwer. Atme tief durch und schließe die Augen.

"Na gut", gebe ich zurück. "Aber du sorgst dafür, dass ich nicht ausgerechnet einen Stand in seiner Nähe habe."

"Einverstanden", sagt er und hält mir die Hand hin. Ich drücke sie und will sie am liebsten nicht wieder loslassen. Doch er ist es, der mich nicht loslässt, der mir in die Augen sieht und mein Herz zum Rasen bringt. Verdammt noch mal, wie kann er eine solche Leidenschaft in mir entfachen, meine Wangen zum Glühen bringen, mein Verlangen nach Nähe schüren? Was tut er denn, was andere nicht tun? Nichts. Und doch sehne ich mich danach, seine Lippen auf meinen zu spüren, seine Haut nicht nur an meiner Hand zu fühlen, sondern überall, auf jedem Zentimeter meines Körpers.

Scheiße, ich werde wahnsinnig, denn nichts, keines meiner gegenwärtigen Bedürfnisse scheint er stillen zu wollen. Er lässt mich los, lässt die Zündung an und sagt:

"Schlaf gut."

Einen Moment bin ich irritiert, doch dann steige ich aus und gehe. Er fährt erst weg, als ich die Tür aufgeschlossen habe und im Hausflur verschwunden bin. Dort lehne ich mich an die Wand, zittere am ganzen Leib und weiß, dass ich das keinen Tag länger aushalte, wenn ich mit niemandem darüber rede.

Slave to you

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