Читать книгу Das Zeichen der Eriny - Lara Elaina Whitman - Страница 10

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Als ich die Augen wieder aufschlug lag ich in meinem Bett und es war helllichter Tag. Das Fenster war gekippt, feuchte frische Luft, die nach Wiese roch, drang herein. Vorsichtig versuchte ich mich aufzurichten, aber mein Kopf schien mit lauter kleinen Nägeln angefüllt zu sein. Ich ließ es sein und schloss die Augen, um darauf zu warten, dass der Schmerz aufhörte. Es stach in jedem Winkel meines Gehirns. Ich fühlte mich jämmerlich. Die Tür meines Zimmers war offen und ich hörte jemanden in der Küche hantieren. Vermutlich meine Mutter.

Durstig leckte ich über meine Lippen. Sie fühlten sich spröde und trocken an.

Nach einer Weile wurde es mir zu dumm. Mühsam setzte ich mich auf. Den Schmerz ignorierte ich so gut es ging. Ich war schwach wie ein nasses Kätzchen. Was war bloß geschehen? Ich befühlte meine Stirn, sie war kühl. Fieber hatte ich offenbar keines, aber ich musste dringend wo hin. Vorsichtig streckte ich meine Beine über den Rand des Bettes, aber bevor ich aufstehen konnte, kam meine Mutter die Treppe heraufgestürzt.

»Bleib liegen, mein Schatz! Du sollst nicht aufstehen hat der Arzt gesagt«, rief sie besorgt schon von der Treppe aus.

»Maman, ich muss mal!«, sagte ich irritiert. Sollte ich etwa einen Nachttopf verwenden, so wie im Krankenhaus. Igitt, das kam gar nicht in Frage. Meine Mutter hatte tatsächlich etwas Ähnliches im Sinn, denn sie ging ins Bad und holte so ein Ding.

»Nein! Das kannst du dir abschminken! Das kommt nicht in Frage!«, rief ich entsetzt und vergaß kurzfristig, dass meine Mutter keine lockere Wortwahl duldete.

Sie verzog das Gesicht und sah mich streng an. »Du kannst nicht aufstehen! Du bist sehr krank!«

Statt einer Antwort stellte ich vorsichtig die Füße auf den Boden und schob mich hoch. Es war mühsam, aber es ging. Die Nägel in meinem Kopf waren zum Glück verschwunden. Mit staksigen Schritten ging ich zum Bad, verfolgt von meiner Mutter. Wollte sie etwa mit hineinkommen und mir beim Pinkeln zusehen?

»Maman, ich schaff das«, sagte ich genervt und schloss ihr die Tür vor der Nase zu. Ich war doch kein Baby mehr.

Ein paar Minuten später starrte ich entgeistert in den Spiegel über dem Waschbecken. Meine Wangen waren hohl und dunkle tiefe Ringe zierten mein blasses Gesicht. Meine Haare konnten eine Wäsche vertragen und überhaupt roch ich nicht besonders gut. Meine linke Hand zierte ein frisches Pflaster, die Schürfwunden waren ziemlich verheilt, zumindest war die Haut nur noch leicht gerötet. Offenbar hatte mich meine Mutter neu verarztet. Die Tür ging auf, meine Mutter steckte den Kopf herein und warf mir einen besorgten Blick zu.

»Bevor du was sagst, kann ich duschen? Ich stinke!«, sagte ich, während meine Knie sich anfühlten wie Wackelpudding.

Meine Mutter überlegte ein paar Sekunden lang, seufzte dann aber leise und holte ein Duschhandtuch aus dem Schrank. »Unter der Bedingung, dass ich dir helfen darf. Ich wasche dir die Haare, sonst geht das Pflaster ab. Was hast du da überhaupt gemacht?«

»Ich bin gestürzt!«, sagte ich knapp und stieg unter die Dusche. Das warme Wasser tat mir gut und belebte mich wieder. Es fühlte sich an, als würde mein Körper das Wasser in sich aufsaugen wie eine vertrocknete Mumie. Meine Mutter wartete geduldig, bis ich fertig war, half mir meine langen Haare zu föhnen und scheuchte mich dann wieder ins Bett. Nachdem sie mir eine Tasse Tee eingeflößt und mich zu einem Zwieback mit Butter genötigt hatte, war ich so müde, dass ich nur noch schlafen wollte.

»Willst du gar nicht wissen, was dir fehlt?«, fragte sie ein wenig erstaunt.

Eigentlich wollte ich das schon, aber mir fielen immer wieder die Augen zu. Ich nickte schwach.

»Du hattest eine Blutvergiftung. Fast hätten wir dich in die Klinik bringen müssen, aber mit ein paar Infusionen ging es auch zuhause. Wenn du wieder ein Tatoo haben möchtest, dann sprich vorher mit mir.« Es klang ziemlich wütend.

Mit aufgerissenen Augen starrte ich meine Mutter an. War sie komplett verrückt geworden? »Was für ein Tatoo?«, stammelte ich verwirrt.

»Na das in deiner linken Hand. Auch noch so eine blöde Stelle. Wie konntest du das nur tun?«

»Maman, du bist verrückt. Ich hab doch kein Tatoo. Das würde ich nie machen!«

Jetzt wurde sie richtig wütend und zerrte an meiner linken Hand. Sie zog mit einem unsanften Ruck das Pflaster ab und sagte, »und was ist das dann?«

Ich quiekte leicht, aber mehr vor Schreck, als vor Schmerz über die ruppige Art das Pflaster zu entfernen. Ungläubig starrte ich auf meine Hand. Genau in der Mitte, dort wo die Haut ganz dünn war, war anstelle der Verbrennung ein schwarzer Fleck entstanden, der tatsächlich entfernt wie eine Tätowierung aussah. »Ich hab´mich verbrannt, als ich den Stecker meines alten PCs aus der Steckdose gezogen habe. Er ist durchgeschmort und ich habe einen Schlag abbekommen«, rutschte mir versehentlich heraus.

Meine Mutter sah mich entsetzt an. »Oh Gott! Du hättest tot sein können.« Dicke Tränen traten in ihre Augen und sie vergaß sogar mich zu schimpfen. Stattdessen klebte sie das Pflaster wieder auf die Wunde und nahm mich in den Arm. »Es tut mir leid. Ich war die ganze Zeit so wütend auf dich und du konntest gar nichts dafür. Ich hätte dir schon viel früher einen neuen Computer kaufen sollen. Es ist meine Schuld!«

Zum Glück konnte meine Mutter nicht sehen, dass mir die Kinnlade heruntergeklappt war. Mit so einer Reaktion hatte ich nicht gerechnet.

»Sobald du wieder mehr als ein paar Meter laufen kannst, gehen wir in die Klinik und lassen dich durchchecken. Vermutlich standen dir deshalb die Haare vom Kopf ab. Du sahst auf einmal aus wie ein Igel. Der Arzt konnte sich das auch nicht erklären.« Sie drückte mich noch einmal ziemlich fest, so dass mir die Luft weg blieb. Daran konnte ich ermessen, wieviele Sorgen sie sich gemacht hatte.

»Mir geht es schon besser, Maman. Aber ich bin unendlich müde. Kann ich ein wenig schlafen?« Ich wartete nicht auf eine Antwort und schlief einfach ein.

Drei Wochen später ging es mir wieder so gut, dass ich in die Schule gehen konnte. Ich hatte die Osterferien, vier Tage und zwei Arbeiten verpasst. Die Arbeiten durfte ich die Woche darauf nachholen. Das Verschwinden von Thomy hatte sich mittlerweile in der ganzen Schule herumgesprochen. Die Polizei kam noch einmal, um mich zu befragen. Das was ich wusste, konnte ich nicht sagen. Maria, Thomys Mutter, ging nicht ans Telefon, obwohl ich es viele Male versuchte. Meine Eltern hatten noch während meiner Krankheit den kaputten PC entsorgt und mit ihm das Spiel. Niedergeschlagen versuchte ich die Schule zu überstehen, meinen Notenschnitt nicht zu verschlechtern und zu vergessen, was mir Thomys Mutter erzählt hatte. Es gelang mir nicht. Ich konnte das einfach nicht. Was wäre ich für eine Freundin, wenn ich einfach aufhören könnte an Thomy zu denken, so als ob man das Licht in einem Zimmer ausschaltet. Vor allem, weil mich das seltsame Brandmal in meiner Handfläche immer daran erinnern würde. Bis an das Ende meines Lebens. Ich schlief schlecht, in meinen Träumen jagten mich seltsame Wesen. Manchmal waren es wahre Monster mit unregelmäßigen Gesichtern und zu vielen Beinen, mehr Tier, als Mensch. Oft wachte ich mit grässlichen Schreien, Schnüffeln und Wimmern in meinen Alpträumen schweißgebadet auf. Meine Eltern und meine Großmutter waren in großer Sorge meinetwegen, aber ich konnte die Träume, die mir das Leben auszusaugen schienen, nicht abschütteln und erzählen konnte ich es ihnen auch nicht. Sie schoben es auf meine Trauer um Thomy und ich ließ sie in dem Glauben. Um ihren mitleidigen Blicken zu entfliehen, saß ich am Wochenende in jeder freien Minute an dem Obelisk in der Wiese und brütete vor mich hin. Es erschien mir der einzige Ort zu sein, an dem ich eine reelle Chance sah, dass Thomy wieder auftauchte. Außerdem fühlte ich mich ihm hier irgendwie verbunden.

Aber die Wochen gingen ins Land, die Sommerferien rückten unerbittlich näher und Thomy kam nicht wieder. Die Polizei hatte es aufgegeben nach ihm zu suchen. Die Schüler hatten ihn längst vergessen, alles ging seinen gewohnten Gang, so als wäre nichts gewesen. Nur ich war anders geworden. Meine Eltern versuchten bei jeder Gelegenheit mich aufzuheitern, da ich so still und in mich gekehrt war, was eigentlich nicht meiner Natur entsprach. Sie wussten auch nicht, dass ich ständig nach einer Möglichkeit suchte, um an dieses Spiel zu gelangen, doch in keinem Internetshop konnte ich etwas Vergleichbares finden und auch nicht auf Flohmärkten, oder bei irgendwelchen Verschenkaktionen, nicht einmal in antiquarischen Archiven. Ich fand jede Menge vorsintflutlicher Programme, aber keines, das rosa Drachen und Diamanten beinhaltete.

Thomys Mutter war ebenfalls keine Hilfe. Sie öffnete mir nicht die Tür, obwohl ich viele Male dort war. Ich wusste, dass sie da war, aber sie hatte beschlossen, dass es besser für mich war, wenn ich alles vergaß. Doch dort drinnen war meine einzige Möglichkeit in den Tunnel zu kommen. Je mehr Zeit verging, desto dringender wurde mein Bedürfnis auf die andere Seite zu kommen, nachzusehen was dort eigentlich war und ob ich Thomy finden konnte. Ich war mir sicher, dass der PC noch lief und vermutlich weiterlaufen würde, bis Thomys Mutter alt und grau geworden war. Ich hatte keine Argumente sie zu überzeugen mich noch einmal daran zu lassen. Meine innere Unruhe wuchs mit jedem Tag, machte mich rastlos und unkonzentriert, aber was mir mehr Sorgen bereitete war der eingebrannte Fleck in meiner Hand, denn nachts, wenn ich aus meinen Träumen erwachte, schien er zu leuchten.

Das Zeichen der Eriny

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