Читать книгу Das Zeichen der Eriny - Lara Elaina Whitman - Страница 8

Der Durchgang

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Eine Hand legte sich auf meine Schulter. »Sarah? Was ist?« Thomys Mutter rüttelte mich sanft.

Meine Hand umklammerte immer noch die Maus und ich stand schweißgebadet und leicht gebeugt am PC.

»Sarah! Lass los!«, sagte Thomys Mutter im Befehlston.

Langsam öffneten sich meine Finger, mühsam löste ich den Blick von dem blinkenden Punkt. Verwirrt drehte ich mich um und schaute in ihr trauriges Gesicht. Kaffeegeruch zog mir um die Nase und brachte mich endgültig in die Wirklichkeit zurück.

»Was?«, stammelte ich.

»Du darfst den Computer nicht berühren. Hörst du!«, sagte sie eindringlich zu mir.

Ich blickte in ihre Augen und mir wurde klar, dass sie Bescheid wusste. Wir sahen uns an, schließlich sagte sie, »Thomy ist nicht tot! Noch nicht!«

Ein jämmerliches langgezogenes Klagen, das aus den Lautsprechern von Thomys Computer kam, ließ uns beide zusammenzucken. Thomys Mutter wurde kreidebleich und wich mit entsetzter Miene zurück. Vermutlich sah ich nicht besser aus.

Schwach nickte ich. »Ich glaube auch nicht, dass er tot ist« Meine Knie wurden weich, aber seltsamerweise fühlte ich mich erleichtert. Die Last, die sich auf mich gelegt hatte, war verschwunden. Ich war nicht verrückt!

»Komm, wir müssen reden.« Sie zog mich am Arm aus dem Zimmer und schloss die Tür sorgfältig hinter uns zu.

In der Küche drückte sie mich auf einen Stuhl an dem schmalen Tisch, der normalerweise zusammengeklappt an der Wand hing und stellte zwei Tassen Kaffee, Wasser und ein paar Kekse darauf. Ich trank automatisch, meine Gedanken schlugen Kapriolen. Ich bekam das alles nicht mehr zusammen.

Thomys Mutter warf mir ein verständnisvolles Lächeln zu. Dann begann sie zu erzählen. »Vor vielen Jahren, da war Thomy noch nicht geboren, lernte ich einen Mann kennen. Er war anders als alle, die mir jemals begegnet waren. Aufregend, gutaussehend, intelligent, liebevoll, alles was sich eine Frau wünscht. Du bist heute sechzehn und fast erwachsen und verstehst das sicherlich. Alles Gute übrigens, ich habe dir noch nicht einmal gratuliert. Entschuldige bitte!« Sie machte eine Pause und putzte sich die Nase. »Thomas sieht seinem Vater sehr ähnlich.«

Ich schwieg, es gab nichts für mich zu sagen. Offenbar zählte man mit sechzehn ganz plötzlich zu den Erwachsenen. Ich war mir nicht sicher, ob mich die Liebesgeschichte zwischen Thomys Eltern wirklich interessierte, aber zum ersten Mal betrachtete ich Thomys Mutter mit anderen Augen. Thomy sah tatsächlich ziemlich gut aus. Darauf hatte ich bis jetzt noch nie geachtet, da Thomy mein Freund war und Jungs mich nicht so wirklich interessierten. Vielleicht weil ich die meisten langweilig oder eingebildet fand.

»Wir heirateten, obwohl ich wusste, dass sein Vater nicht auf immer bei uns bleiben konnte. Ich ging das Risiko ein. Es kam wie es kommen musste. Es geschah, da war Thomas gerade mal drei Jahre alt. Sie kamen in der Nacht, um Brioc zu holen.« Thomys Mutter wurde noch weißer im Gesicht. Ihre Stimme bekam einen unheilvollen Klang und ihre Augen richteten sich mit eindringlichem Blick auf mich.

»Ich weiß, dass du mir glauben wirst, mich nicht für verrückt hältst. Thomas Vater ist nicht gestorben, er wurde von den Eriny geholt in jener Nacht. Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen. Das ist jetzt vierzehn Jahre her. Das Kind haben sie mir gelassen, aber sie haben gedroht es zu holen, sobald es an der Zeit ist.« Sie lehnte sich schwer atmend zurück.

Ich starrte sie an, unfähig zu sprechen. Wer immer diese Eriny waren, sie waren böse. Nur böse Menschen taten so etwas. Aber ich verstand nicht, was das mit dem Computerspiel zu tun hatte?

Tränen rannen über ihr Gesicht. »Ich werde die Beiden nie wieder sehen!« Zitternd führte sie die Kaffeetasse an die Lippen.

Unbewusst beugte ich mich vor und legte meine Hand auf ihre. »Wir sollten nicht aufgeben. Thomy ist mein Freund, aber ich verstehe nicht wer diese Eriny sind und was das mit dem Computerspiel zu tun hat.«

Abrupt richtete sie sich auf. »Computerspiel? Welches Computerspiel?«

»Na das Computerspiel, dass mir Thomy gegeben hat. Das mit den kleinen Drachen, die nach Diamanten suchen. Wenn man alle gefunden hat, dann, ja dann weiß ich eigentlich auch nicht genau. Ich stand plötzlich auf der Schafweide am Weilerhau, nachdem ich durch einen dunklen Tunnel gehetzt bin«, sagte ich verblüfft über ihre Reaktion. Ich war davon ausgegangen, dass sie von dem Spiel wusste.

Entsetzt betrachtete sie mich. »Oh mein Gott!«, hauchte sie, als sie sich wieder ein wenig gefangen hatte. »Das darf nicht wahr sein! Thomy hat das nicht absichtlich gemacht. Mit dem Computerspiel hat das gar nichts zu tun.«

Jetzt wusste ich überhaupt nichts mehr. Entsprechend verwirrt blickten wir uns an.

»Ich bin davon ausgegangen, dass Thomas dir von dem Durchgang erzählt hat. Du hast vorhin so reagiert, als ob du davon wüsstest.«

Ich schüttelte den Kopf. »Durchgang? Ist das das blinkende Licht?«, kam mir plötzlich die Erkenntnis. Aber wie konnte so etwas sein. Ich verstand nur Bahnhof.

Thomys Mutter knetete nervös ihre Hände. »Du musst mir alles ganz genau erzählen, damit ich besser einordnen kann, was dir passiert ist.«

»Eigentlich habe ich bereits alles gesagt. Mehr war da nicht. Außer vielleicht Thomys seltsames Verhalten, vorgestern.« Ich zögerte ein wenig ihr davon zu erzählen, aber vielleicht war es ja wichtig. Sie sagte nichts, wartete nur stumm und so fuhr ich fort. »Ich kam mit dem Spiel nicht weiter und habe ihn angerufen. Er hat mir den Tipp mit dem rosa Drachen gegeben und gesagt, dass ich dann schon sehen würde, was passiert. Ohne den rosa Drachen wüsste ich glaube ich von gar nichts.«

Thomys Mutter überlegte immer noch stumm, deshalb nutzte ich die Gelegenheit ein paar Fragen loszuwerden, die sich in mir angesammelt hatten. »Was ist dieser Durchgang und wo führt er denn eigentlich hin?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Sarah. Du weißt schon viel zu viel. Vergiss alles und komm nie wieder her. Es ist besser für dich. Sag niemandem etwas davon und geh nach Hause.« Wieder liefen Tränen über ihr Gesicht. Ich war geschockt. Das konnte ich doch gar nicht. Und was war mit Thomy? Ich verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust und sagte, »das werde ich bestimmt nicht tun. Wir müssen Thomy finden. Du bekommst mich nicht aus dem Haus oder ich erzähle alles meinen Eltern.« Das würde ich sicher auch nicht tun. Ich wollte ja nicht zum Schulpsychologen, aber das wusste Thomys Mutter nicht. »Was ist das für ein Durchgang, wie funktioniert das und wo führt er hin, Maria?«, setzte ich streng blickend hinzu und ahmte meine Mutter nach. Ich war fest entschlossen mich nicht abweisen zu lassen und ich hatte noch nie Maria zu ihr gesagt, sondern immer Frau Mahler. Aber da wir ja nun so etwas wie eine Schicksalsgemeinschaft waren, erschien mir das nur richtig.

Sie sah mich ein wenig erstaunt an, lächelte dann aber zaghaft. »Du würdest das wirklich tun, nicht wahr?«

Ich nickte vehement. Offenbar wirkte Mutters strenger Tonfall auch bei anderen. Ich nahm mir vor mir das zu merken.

»Also gut. Ich freue mich, dass Thomas dir so am Herzen liegt. Er hat sonst niemanden außer mir. Was der Durchgang genau ist weiß ich leider selber auch nicht. Damals, als Thomas Vater geholt wurde, habe ich den Computer abgeschaltet, so wie Brioc mir das befohlen hatte. Brioc hieß Thomas Vater. Thomas wollte nicht auf mich hören und hat ihn vor einem halben Jahr wieder eingeschaltet. Anfangs lief er nicht richtig, aber Thomas konnte das Gerät reparieren. Seit ein paar Tagen steht das Energiefeld wieder, das den Durchgang auf die andere Seite erzeugt. Das Energiefeld ist, soweit ich verstanden habe, an etwas sehr Altes gebunden, das unter unserem Haus im Untergrund verborgen ist. Was genau, keine Ahnung! Thomas hat gesagt es speist sich aus der Erde. Ich müsste keine Angst um meine Stromrechnung haben. Ich wollte, dass er es wieder abschaltet und auf keinen Fall wollte ich, dass er hineingeht. Er muss herausgefunden haben, wie das funktioniert. Ich habe es ihm nicht gesagt. Der Durchgang ist nicht dauerhaft offen. Nur, wenn der Mond in der aufsteigenden Phase ist und den "Caput Draconis" durchquert hat ist er für dreiunddreißig Stunden nutzbar. Du musst den blinkenden Punkt auf dem Bildschirm berühren, um hineinzukommen. Vielleicht hat Thomy es doch noch herausgefunden oder sie haben ihn auch geholt.«

Mit großen Augen hörte ich ihr zu, doch ich verstand immer noch nichts. »Aber wo gelangt man hin, wenn man durchgeht?«, warf ich ungeduldig dazwischen.

Sie holte tief Luft, bevor sie mir antwortete. »In eine andere Welt. Anders als unsere. Frag mich nicht weiter. Ich war nie dort, aber es muss schön sein. Brioc hatte immer Sehnsucht danach gehabt. Die ganzen Jahre, die er bei mir war.«

»Ihr seid nie hinübergegangen? Das verstehe ich nicht, wenn man doch nur durchgehen muss,« bemerkte ich verblüfft.

»Hineingehen ist nicht das Problem, aber wieder zurückkommen wohl schon. Brioc wollte das nicht riskieren, da er Feinde auf der anderen Seite hatte und mich nicht in Gefahr bringen wollte.«

»Diese andere Welt, sind dort auch Menschen?«, ich brannte förmlich vor Neugierde, nachdem ich meinen ersten Schock überwunden hatte.

»Wohl nicht alle. Es ist aber sehr gefährlich, anders als hier. Brioc hat die Sicherheit hier genossen und hätten sie ihn nicht geholt, wären wir glücklich zusammen alt geworden. Thomas hat seinen Vater kaum gekannt. Er hat immer sehr darunter gelitten.« Sie senkte traurig den Kopf.

»Es tut mir so leid«, sagte ich mitfühlend, aber in mir reifte ein Entschluss. Nur eines passte irgendwie nicht zusammen und ich hoffte, dass sie eine Antwort dazu hatte. »Ich verstehe immer noch nicht ganz, wieso dieser Durchgang nun auch auf meinem alten Computer war«, überlegte ich.

»War? Ist er denn wieder verschwunden?«, fragte Thomys Mutter erstaunt.

»Keine Ahnung! Ein paar Platinen sind durchgeschmort, nachdem ich versucht hatte den Stecker aus der Steckdose zu ziehen.«

Sie lächelte erleichtert. »Dann ist das Problem ja gelöst. Du darfst nicht hinübergehen, hörst du. Du hattest Glück, dass du auf der Wiese herausgekommen bist, obwohl ich das nicht verstehe, da es wohl nur einen Ausgang auf der anderen Seite gibt.«

»Tja, ich bin hier. Offenbar ist das nicht richtig. Was sind Eriny, Maria?« Thomys Mutter zuckte bei der Frage zusammen. Eine Gänsehaut lief ihren Arm hinauf.

»Keine Menschen, glaube ich jedenfalls. Ich weiß, das klingt verrückt. Sie sehen uns ähnlich, aber sie sind anders, zumindest die, die Brioc geholt hatten. Und gruselig.«

Ich zweifelte nicht an ihren Worten. Dazu war schon zuviel geschehen, was es eigentlich nicht geben dürfte.

»Vielleicht findet er wieder zurück. Ich werde den PC jedenfalls laufen lassen und wenn es für den Rest meines Lebens sein muss«, sagte sie schließlich traurig.

Das Zeichen der Eriny

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