Читать книгу Der Eistaucher - Lars Andersson - Страница 12
ОглавлениеAm dritten Tag im Juni kam ich zum Moor. Ich sollte die ganze Woche dort bleiben. Es ging ums Abstechen der Kanten: Herbert zeigte ohne viel Worte auf die Reihen, mit denen ich anfangen konnte.
Die Sonne waberte wie ein Butterklumpen in einer heißen Eisenpfanne, doch ein leiser, beständiger Wind hielt die Insekten fern. Fünf oder zehn Moorgräben weiter ging der Gräber, man sah seinen Rücken sich beugen und wieder aufrichten, beugen und aufrichten, in einem ruhigen, fließenden Rhythmus. Wir sahen ihm zu, Eivind und ich, als wir in irgendeinem Torfschuppen Pause machten und aus einem Saftkanister tranken. Der Gräber pausierte nicht unnötig, nur zum Essen und Schlafen. Wir waren nur zu dritt im Moor.
Die Arbeitsleistung verteilte sich nach einer Art verläßlichem Logarithmus: Eivind stach zwei Reihen ab, wenn ich eine abstach. Der Gräber grub genauso viele Kubikmeter, wie Eivind abstach.
Draußen über dem undränierten Moor zog der große Brachvogel seine weiten, klagenden Kreise.
Eines Tages tauchte ein anderer alter Kamerad auf, mit einem fünfzehn-, sechzehnjährigen Burschen, dessen Bewährungshelfer, Speziallehrer (oder wie das heißt), er war. Sie sollten im Moor erzieherische Arbeit leisten. Der Typ war schweigsam, mürrisch, mit einem wachsamen und pfiffigen Gesicht. Nach etwa einer Stunde kam er an und fragte nach der Uhrzeit. Man sagte sie ihm.
»Ach, verdammt, da muß ich ja zum Zahnarzt!«
Und schon war er unterwegs zum Waldrand und zur Straße, wie ein Elchkalb über die heidekrautgrauen Moorhöcker hüpfend. Ein Moped heulte auf und verschwand. Er würde wohl kaum in diese Branche zurückkehren.
Auf dem Heimweg gab es eine Stelle, wo man bequem im Svartälven baden konnte. Milchsäure, die geronnen war und sich in Rücken und Schultern gestaut hatte, klärte sich und wurde weggeschwemmt. Ganz in der Nähe lag ein Haus, in dem Eivind eine Wohnung im Auge hatte. Ohne Waschgelegenheit und Klo, doch nah am Wald und am Moor. Was ihn ein wenig zögern ließ, waren die Nachbarn. Auf längere Sicht stimmte ihn das etwas bedenklich. Weniger der Rentner, der jeden Monat pünktlich an dem Tag mit der Ambulanz in die Stadt gefahren wurde, an dem er seine Rente ausbezahlt bekommen und versoffen hatte, auch nicht die Knackis aus Kumla, die sporadisch zu einem genehmigten oder ungenehmigten Urlaub heimkamen. Nein, vielmehr der Spritzmaler war es, der das Zögern verursachte, der Spritzmaler, der dort im Hof hauste und vom Gesundheitsamt aus den Grenzen der Kommune Karlskoga verwiesen worden war . . .
Eivind zeigte mir den Weg zu der Kate. Er hatte viel davon erzählt, doch ich war nie da draußen gewesen. Es ging über staubige Forstwege, meilenweit ohne sichtbare Bebauung, ein Mäusebussard flog lange mit schweren Flügelschlägen dem Auto voran wie eine Art Grenzeskorte. Und einen guten Kilometer in den Wald hinein, über Sümpfe hinweg, lag ein Tümpel, und an seinem Ostufer lag die Kate.
Ich weiß nicht mehr, wer sie gebaut hatte. Nur wenige wußten davon. Sie sorgten für einen Vorrat an frischen Tannenzweigen, Kerzen und Streichhölzern, Klopapier und dergleichen.
Wir saßen eine Weile im Dämmerlicht der Kate. Längs der Wände raschelte es von Waldmäusen. Auf dem grob zusammengezimmerten Tisch lag ein hölzerner Gegenstand. Eivind führte ihn vor: es war eine von den hinterlassenen Arbeiten des Schwanzschnitzers.
Ein ziemlich einsamer Mann. Keiner wußte Genaueres über ihn. Offenbar saß er recht oft allein hier in der Kate und schnitzte Schwänze aus astreinem Holz.
In dem seichten, erwärmten Wasser über einem flachen Stein, der schräg in den Tümpel abfiel, dösten Dutzende oder Hunderte von Kaulquappen. Sie zuckten zusammen und waren weg, wenn man den Fuß hineinstellte, kamen jedoch bald zurück, ließen sich ringsherum nieder, saugten sich an irgendwas auf dem Stein fest, was eßbar aussah.
Lange stand ich still, und schließlich passierte es. Eine, zwei, dann immer mehr Kaulquappen schnupperten nachdenklich an meinem Fußrücken entlang, saugten sich fest, und ihre langen Schwanzflossen flatterten wie Wimpel in einem langsam wandernden Wind.
Das Frühjahr war zu Ende. In einer Woche würde ich wieder in Hedås daheim sein.