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Selektion durch die Lehrbetriebe

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In der dualen – respektive trialen – Berufsausbildung (→ Abschnitt 1.1.3) sind die betrieblichen Berufsbildnerinnen und Berufsbildner die «Türwächter» im Prozess der Lehrlingsselektion (Imdorf, 2007, S. 1). Sie allein bestimmen, ob Bewerberinnen und Bewerber eine Lehrstelle erhalten oder nicht. Eine im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms «Integration und Ausschluss» (NFP 51) durchgeführte Untersuchung bei 81 für die Selektion verantwortlichen Personen in Klein- und Mittelbetrieben (KMU) hat gezeigt, dass das Vorgehen der KMU-Lehrbetriebe bei der Lehrlingsselektion auf einem Mosaik von verschiedenen Kriterien beruht, die je nach Betrieb ein unterschiedliches Bild ergeben können (Imdorf, 2007). Es lassen sich deshalb keine allgemeingültigen Hauptauswahlkriterien bestimmen. Vielmehr ist für die befragten betrieblichen Berufsbildenden in KMU bei der Auswahl handlungsleitend, dass die auszuwählenden Lernenden in den Betrieb passen, zur betrieblichen Produktion beitragen und den Produktionsprozess nicht beeinträchtigen. Das letztgenannte Kriterium führt zum Beispiel dazu, dass ausländische Jugendliche bei der Lehrlingsselektion diskriminiert werden; die betrieblichen Berufsbildenden gehen offenbar davon aus, dass solche Jugendliche betriebliche Probleme verursachen könnten. Im Gegensatz dazu ist die Selektion in Grossbetrieben eher durch formalisierte Rekrutierungs- und Selektionsabläufe gekennzeichnet, wobei schulische Qualifikationen (besuchter Schultyp und Noten, speziell in Mathematik) und Eignungstests6 eine Filterfunktion für den weiteren Verlauf des Auswahlprozesses erfüllen (Imdorf, 2005).

Obwohl sich gesamthaft kein einheitliches Vorgehen feststellen lässt, werden in der Regel in der Lehrlingsselektion die folgenden Unterlagen und Erfahrungen mitberücksichtigt: Schulzeugnisse, Bewerbungsunterlagen und Bewerbungsgespräch, Schnupperlehren und Betriebsbesuche, interne oder externe Eignungstests sowie Gespräche mit Eltern (Stalder, 2000; Imdorf, 2005; Neuenschwander, 2010). Laut einer Studie, bei der 1500 Lehrbetriebe im Kanton Bern befragt wurden, sind Selbst- und Sozialkompetenz, Mathematikkenntnisse sowie handwerkliches Geschick (in den entsprechenden Berufen) ausschlaggebende Kriterien bei der Lehrlingsauswahl (Stalder, 2000). Für die auswählenden betrieblichen Berufsbildenden ist ebenfalls wichtig, dass die Lernenden sich in den Betrieb einfügen können und wollen, dass sie zur Zusammenarbeit fähig sind und traditionelle Arbeitstugenden zeigen, wie Fleiss, Pflichtbewusstsein, Pünktlichkeit, Ordnung, Sauberkeit und Sorgfalt. Damit sind überfachliche Kompetenzen angesprochen, für deren Erfassung im Rahmen der Früherfassung in → Kapitel 2.6 das Diagnoseinstrument smK72+ vorgestellt wird.

Bei einer Befragung von 243 betrieblichen Berufsbildenden aus Wirtschaft und Verwaltung, Baugewerbe, Hoch- und Tiefbau sowie Handel in den Kantonen Bern und Luzern wurden als wichtigste Selektionskriterien Selbst- und Sozialkompetenzen der Jugendlichen sowie unentschuldigte Absenzen auf der Sekundarstufe I aufgeführt. Daneben spielen Geschlecht, Nationalität, Schultyp sowie fachspezifische Kompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen eine bedeutende Rolle im Auswahlprozess (Neuenschwander, 2010).

Aufgrund der vorangehenden Ausführungen lässt sich festhalten, dass die für die Ausbildung im Lehrbetrieb verantwortlichen Personen über den Anschluss von Jugendlichen ans Berufsbildungssystem oder ihren Ausschluss bestimmen und somit eine grosse Verantwortung tragen. Um lehrstellensuchenden Jugendlichen ein chancengerechtes Auswahlprozedere zu garantieren, sollten die für die Selektion verantwortlichen Personen ihre Aufgabe ernst nehmen, ihr die gebührende Aufmerksamkeit und Sorgfalt schenken und für faire und transparente Auswahlverfahren sorgen. Eine sorgfältig durchgeführte Selektion kann die Gefahr von Lehrvertragsauflösungen und Lehrabbrüchen vermindern. Dieser Präventionsgedanke ist nicht nur unter einer pädagogischen, sondern auch unter einer ökonomischen Perspektive bedeutsam, weil Vertragsauflösungen zusätzlich zum Rekrutierungsaufwand zu Mehraufwand für die Betriebe führen.

Ein Vergleich der Selektionspraktiken der Betriebe ist allerdings schwierig, weil die jeweiligen Vorgehensweisen sehr unterschiedlich sind und sich nicht an allgemein festgelegten Kriterien orientieren.

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