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1.3.3Sechs-Phasen-Modell der Berufsorientierung

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Das Sechs-Phasen-Modell nach Herzog, Neuenschwander und Wannack (2004, 2006) unterscheidet sechs idealtypische Phasen der Berufswahl, die sich jeweils durch besondere Entscheidungen voneinander abgrenzen (vgl. Abb. 1-7).

Nach einer ersten Phase der diffusen Berufsorientierung, bei der Jugendliche noch keine konkreten Berufswünsche haben, folgt eine Phase der Konkretisierung der Berufsorientierung. Hier werden konkrete Vorstellungen entwickelt und Entscheidungen zur nachobligatorischen Ausbildung getroffen. In einer dritten Phase geht es darum, die Suche nach einem Ausbildungsplatz aufzunehmen. Wenn ein solcher Platz gefunden und, im Falle einer beruflichen Grundbildung, ein Lehrvertrag abgeschlossen ist, folgt in einer vierten Phase die Konsolidierung der Berufswahl. In dieser Phase wird die Entscheidung für einen Beruf entweder verfestigt oder aufgrund von Erfahrungen verändert. Auf diese Phase, in der sich die Lernenden zu Beginn der Berufsausbildung befinden, werden wir in → Kapitel 2.1 noch etwas näher eingehen. Die fünfte Phase, die eigentliche Berufsausbildung, umfasst den Verlauf einer schulischen oder beruflichen Ausbildung. Phase 6, Eintritt ins Erwerbsleben, beschreibt die Integration in den Arbeitsmarkt.


Abbildung 1-7

Phasen der Berufswahl (Herzog, Neuenschwander & Wannack, 2006, S. 41)

Die Ergebnisse der Studie «Berufswahlprozess bei Jugendlichen» zeigen auf der Grundlage des Sechs-Phasen-Modells auf, dass Jugendliche versuchen, einen Beruf ihrer Wahl zu erlernen. Sie bemühen sich aktiv um ihre Berufswahl und beschaffen sich die dafür nötigen Informationen. Sie sind dabei jedoch je nach Schultyp und -niveau bestimmten Einschränkungen ausgesetzt. Vor allem für Schülerinnen und Schüler aus Klassen mit Grundansprüchen ist die Auswahl bei der Suche nach einer Lehrstelle begrenzt (→ Abschnitte 1.1.1 und 1.1.2), sodass viele nach Ablauf der obligatorischen Schulzeit ein Brückenangebot als Zwischenlösung anvisieren.

Neuenschwander, seine beiden Mitautorinnen und sein Mitautor konnten im Rahmen ihrer Längsschnittstudie «Familie-Schule-Beruf (FASE B)» vier Entscheidungsmuster der Jugendlichen beim Entscheid für einen nachobligatorischen Ausbildungsplatz feststellen (Neuenschwander et al., 2012, S. 170 f.):

Traumberuf – Die Frühentschiedenen

Diese wenigen Jugendlichen favorisieren sehr früh einen Beruf, fokussieren ihre Interessen entsprechend und planen ihre Ausbildung so, dass sie ihren Berufswunsch realisieren können.

Rationales Abwägen

Die Entscheidung erfolgt aufgrund eines Abwägungsprozesses, in den verschiedene subjektiv bedeutsame Faktoren miteinbezogen werden, wie eigene Fähigkeiten und Interessen, Attribute des Berufes wie Kompetenzprofil, Präferenz für ein bestimmtes Arbeitsmaterial oder bestimmte «Arbeitsobjekte» wie Kunden, Kinder, Team-/ oder Einzelarbeit usw. Im Weiteren können Arbeitsmarktchancen, der erwartete Lohn, das Berufsprestige, die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit oder zur Vereinbarkeit von Berufsarbeit mit Kinderbetreuung eine Rolle spielen.

Spontanes Entscheiden aufgrund positiver Erlebnisse und Rückmeldungen

Die Entscheidung dieser Jugendlichen gründet nicht auf sorgfältigem rationalem Abwägen, sondern auf positiven Erfahrungen oder anderen Formen der Belohnung, die bei Betriebsbesichtigungen oder Schnupperlehren erlebt werden. Obschon dieses gefühlsmässige Vorgehen die Entscheidungsqualität nicht notwendigerweise beeinträchtigen muss, besteht doch das Risiko, dass die Erfahrungen während der Kurzaufenthalte im Betrieb sich längerfristig als nicht nachhaltig erweisen können.

Die Spätentschlossenen

Diese Jugendlichen können sich während der obligatorischen Schulzeit nicht für einen Beruf entscheiden und wählen eine allgemeinbildende, schulische Anschlusslösung oder ein Brückenangebot.

Gesamthaft gesehen, scheint also der Spielraum der Jugendlichen bei der Berufswahl erheblich zu sein. Gleichzeitig stellen sich den Jugendlichen in diesem Prozess aber vier grosse Herausforderungen (Neuenschwander et al., 2012, S. 58 f.). Sie müssen:

1.das Tempo ihres individuellen Berufswahlprozesses mit dem institutionell festgelegten Übergangszeitpunkt am Ende des neunten Schuljahres vereinbaren (Timing);

2.ihre Entscheidung bei unvollständiger Informationslage treffen (kein vollständiger Überblick über das vielfältige Berufsangebot ist möglich, nicht alle Optionen und Ausbildungsmöglichkeiten lassen sich gründlich abklären, die Selbstkonzepte an Fähigkeiten und Interessen sind oft noch wenig ausgebildet usw.);

3.ihre Wahl innerhalb der institutionellen Restriktionen treffen (Lehrstellenzahl, Lehrstellenangebot, Anforderungen an den Schulabschluss auf Sekundarstufe I, usw.);

4.Unsicherheit und Angst meistern, die durch den Übergangsprozess ausgelöst werden können (neue Lebensumgebung im Lehrbetrieb mit der Notwendigkeit, neue Personen kennenzulernen, neuer Tagesrhythmus, erhöhte Leistungsanforderungen, evtl. Verlust von bisherigen Freundschaften usw.).

Weiter zeigt die Studie auf, dass der Übergang zwar von einem grösseren Teil der Jugendlichen erfolgreich gemeistert wird und sie mit ihrer beruflichen Lösung zufrieden sind, dass aber für einen Teil der Jugendlichen, wie schon dargelegt, der Spielraum bei der Berufswahl doch stark eingeschränkt ist. Diese Einschränkung ist vor allem auf drei Gründe zurückzuführen (vgl. auch → Abschnitt 1.1.2):

1.Berufe mit höheren Anforderungen sind für junge Menschen, welche die obligatorische Schulzeit lediglich mit den Grundanforderungen oder mit reduzierten Leistungszielen abschliessen, vorerst nicht zugänglich.

2.Wer – aus welchen Gründen auch immer – die letzten Schuljahre auf der Sekundarstufe I unregelmässig besuchte und sich nicht über genügende Sozial-, Selbst- und Methodenkompetenzen ausweisen kann, hat bei der Vergabe der Lehrstellen wenig günstige Voraussetzungen.

3.Jugendliche, die im Berufswahlprozess über wenig Ressourcen ( Familie, Schule, Gleichaltrige, professionelle Ressourcen) verfügen oder die vorhandenen Ressourcen nicht zu nutzen wissen, sind im Vergleich zu Gleichaltrigen mit vielen Ressourcen benachteiligt.

Die bedeutende Rolle, die Eltern, Lehrpersonen und Freundeskreis beim Übergang an der «ersten Schwelle» spielen, werden auch von den Ergebnissen aus dem Kinder- und Jugendsurvey COCON bestätigt (Bayard Walpen, 2013, S. 102 ff.).

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