Читать книгу Gemeinsam zum Erfolg - Christoph Städeli, Lars Balzer, Willy Obrist - Страница 7
1.1.1Obligatorische Bildung, Sekundarstufe I
ОглавлениеMit Artikel 62, Absatz 4 der Bundesverfassung (BV), dem die Schweizer Bevölkerung 2006 in einer Volksabstimmung zugestimmt hat, werden die Kantone zu einer Harmonisierung des Bildungswesens im Bereich der obligatorischen Schule verpflichtet. Damit werden Faktoren, die für die aktuellen Probleme an der «ersten Schwelle» mitverantwortlich sind – der Schulföderalismus, die unterschiedlichen kantonalen Schulstrukturen und die damit einhergehende, mehrheitlich frühe Selektion –, womöglich bald an Gewicht verlieren.
So ist es beispielsweise für die Ausbildungsverantwortlichen in Lehrbetrieben derzeit noch schwierig, die schulischen Kompetenzen der Schulabgängerinnen und Schulabgänger im Rahmen der Selektion von Lernenden einzuschätzen, da bisher keine minimalen Bildungsstandards definiert waren, die von den Schülerinnen und Schülern am Ende der obligatorischen Schulzeit erreicht werden müssen. Somit waren u.a. interkantonale Vergleiche kaum möglich. Hier soll die «Interkantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der obligatorischen Schule» (HarmoS-Konkordat), in Kraft getreten am 1. August 2009, Abhilfe schaffen. Das Konkordat harmonisiert die Dauer und die wichtigsten Ziele aller Bildungsstufen der obligatorischen Schule und deren Übergänge auf nationaler Ebene. Der Entscheid für einen Beitritt zu HarmoS liegt freilich bei den einzelnen Kantonen. Einige haben einen Beitritt bisher abgelehnt.
Abbildung 1-1 zeigt auf, welche Kantone dem Konkordat bis 2013 beigetreten sind.
Abbildung 1-1
Beitrittsverfahren HarmoS-Konkordat (Quelle: www.edudoc.ch)
Die dem Konkordat beigetretenen Kantone verpflichten sich, bis zum Schuljahr 2015/2016 die Inhalte des Konkordats umzusetzen. Die Regelungen betreffen die Schulstrukturen (Dauer der Primarstufe einschliesslich Kindergarten acht Jahre, Dauer der Sekundarstufe I drei Jahre – eine Ausnahmeregelung gilt für den Kanton Tessin mit einer vierjährigen scuola media) sowie die Einführung von nationalen Bildungszielen, den sogenannten Bildungsstandards, welche die Grundkompetenzen der Schülerinnen und Schüler für die Fächer Schulsprache, Fremdsprachen, Mathematik und Naturwissenschaften festlegen. Eine Koordination der Lehrmittel und die Harmonisierung der Lehrpläne, basierend auf den zu erwerbenden Grundkompetenzen, werden auf sprachregionaler Ebene angestrebt. Der «plan d’études romand» wurde 2010 freigegeben und befindet sich in den französischsprachigen Kantonen bis zum Schuljahr 2014/2015 in der Einführungsphase. Der «Lehrplan 21» für die deutsch- und mehrsprachigen Kantone und der «piano di studio» für den Kanton Tessin werden voraussichtlich auf Herbst 2014 freigegeben. Wie und wann die Umsetzung der neuen Lehrpläne in der Deutschschweiz und im Tessin konkret in Angriff genommen wird, liegt allerdings wiederum in der Verantwortung der einzelnen Kantone. Für sie bleibt der Spielraum nach wie vor gross, und es wird sich zeigen, welche Folgen die jeweiligen kantonalen Absichtserklärungen haben werden.
Ob und in welchem Ausmass sich dieser schweizerische Bildungsföderalismus auf längere Frist halten wird, wird die Zukunft zeigen (zum ganzen Themenkreis Schulföderalismus vs. Harmonisierung vgl. auch Criblez, 2008).
In 21 Kantonen entspricht die Dauer der Sekundarstufe I zum heutigen Zeitpunkt bereits den HarmoS-Vorgaben. Nur fünf Kantone verfügen über eine Sekundarstufe I mit einer Dauer von vier oder fünf Jahren. Trotz fast einheitlicher Dauer weist die Sekundarstufe I zwischen und auch innerhalb der Kantone eine Vielfalt an Strukturen mit verschiedenen Niveaustufen (Grundansprüche – erweiterte Ansprüche) auf. Laut dem letzten «Bildungsbericht Schweiz» (SKBF, 2010, S. 93f.) können die unterschiedlichen Strukturen den drei Modellen integriert, kooperativ und geteilt zugeordnet werden (vgl. Abb. 1-2). Das integrierte Modell ist charakterisiert durch nicht selektionierte Stammklassen mit leistungsdifferenzierten Niveaukursen in einzelnen Fächern. Im kooperativen Modell gibt es zwei Typen von Stammklassen mit unterschiedlichen Anforderungsniveaus sowie ein Angebot von leistungsdifferenzierten Niveaukursen in Fremdsprachen, Mathematik und eventuell einem dritten Fach. Das geteilte Modell weist zwei bis vier verschiedene Schultypen auf, und es werden unterschiedliche Fächer durch unterschiedliche Lehrpersonen mit unterschiedlichen Lehrmitteln in separaten Klassen oder Schulen angeboten.