Читать книгу Die Kinder Paxias - Laura Feder - Страница 3
Kapitel 1
ОглавлениеEin berittenes Empfangskomitee Steinkrieger erwartete sie bereits, als sie das Ende des versiegelten Pols erreichten. Sie verharrten.
„Natürlich“, murmelte Cecil ironisch. „Wie sonst hätten wir auch erkennen sollen, dass wir geschützten Bereich verlassen?“
Robin spannte gelassen ihren Bogen. Kaelis Messer flogen bereits zielsicher auf die Gegner, die sich ihrer Position noch nicht nähern konnten.
Es war ein leichter Sieg aus der Distanz.
Als sie danach über die steinigen Überreste kletterten, warf Robin Cecil einen Blick unter hochgezogenen Brauen zu. „Ich hätte es euch gesagt.“
Ihre trockene Reaktion entlockte ihm ein belustigtes Schmunzeln. „Der Klang deiner Stimme ist dem Erscheinen dieser Kreaturen auf jeden Fall vorzuziehen.“
„Wie galant von dir, meine Worte mit einem Kampf zu vergleichen.“ Robins Miene blieb ernst bei dem Vorwurf, aber in ihren Augen funkelte es verdächtig und ihre Grübchen zuckten.
„Ich bin sicher deine Verbalattacken können ebenso wirkungsvoll sein wie deine Pfeile“, konterte Cecil mutwillig.
„Ist das eine Herausforderung?“
„Hebt euch eure Auseinandersetzung für später auf“, unterbrach Iain das Geplänkel. „Da ihr offensichtlich nicht ohne auskommt, wartet da vorne die nächste echte auf uns. Lasst euch besser an diesen Gegnern aus.“
Es war eine übersichtliche Schar Lehmkreaturen, aber sie formten bereits Feuerbälle. Robin zögerte nicht und rief das Element Wasser zur Hilfe. Arn, Saya und Iain übernahmen die Beseitigung. Cecil blieb als Schutz bei Kaeli und der Elfe. Nach dem Sieg trat er an Robins Seite und grinste sie mutwillig an. Auf ihren fragenden Blick zwinkerte er nur.
„Wie ich bereits feststellte: Deine Zunge ist eine Waffe.“ Er nahm Bezug auf ihren Beschwörungsgesang. „Eine sehr wirkungsvolle.“ Damit ließ er die Elfe halb sprachlos, halb amüsiert zurück. Kopfschüttelnd beschleunigte sie ihren Schritt, um bei der Gruppe zu bleiben.
Ihr Weg führte sie in einen dichten Nadelwald. Mit dem wuchtigen Gebirge zu ihrer Linken, das längst die begrenzende Wölbung der Steilwand abgelöst hatte, erreichte sie nur wenig Licht. Sie wanderten in fast nächtlicher Dunkelheit, so dass die nachtblinden Gefährten unter einigen Orientierungsschwächen litten.
Sie überlegten, ob sie versuchen sollten, den Wald zu verlassen, um an dessen Rand seinem Verlauf zu folgen, entschieden sich aber dagegen.
Es hatte den Anschein, als wäre es für die Schlammblasen unmöglich, den dickwurzeligen Waldboden zu durchdringen. Und das bedeutete einen so großen Vorteil, dass sie die Einschränkungen der Finsternis gerne auf sich nahmen.
Eine weitere Erleichterung war das geringe Aufkommen der gewaltigen Heerscharen, die ihnen ihre bisherige Reise so erschwert hatten. Die Anzahl ihrer Angreifer blieb meist in überschaubaren Grenzen, so dass auch Kaeli sich an die Front wagte.
Wie Saya bemerkte sie die von der Natur getarnten, erdfarbenen Feinde viel früher als die anderen und war mit ihrer Harpune eine hilfreiche Stütze für die Gelehrte. Iain und Cecil blieben in ihrer Nähe und griffen ein, sobald sie gebraucht wurden. Doch sie waren in ihrer Orientierung meist auf Saya und Kaeli angewiesen.
Arn ging einige Schritte hinter Robin, bereit sie zu schützen, sobald ihr Ruf nach den Elementen gefordert war – wenn zu viele Kreaturen die Gefährten zu überrennen drohten.
Es fiel ihm auf, dass sie sich einige Male zu ihm umwandte, aber es war zu dunkel, um mehr als Schemen zu erkennen, geschweige denn ihren Ausdruck zu deuten. Und sie sprach ihn ebensowenig an wie er sie.
Obwohl die Begegnungen wenig gefährlich blieben, atmeten die nachtblinden Gefährten auf, als das einfallende Licht in der Ferne das Ende des Waldes ankündigte.
Cecil war so auf das Kommende fixiert, dass er das raschelnde Knacken an seiner Seite zu spät registrierte.
Er fuhr herum, gerade als das sirrende Messer an ihm vorüberschoss.
Steine prasselten auf ihn ein. Die felsige Klinge ritzte seine Haut quer über der Brust, während sie zu Boden fiel. Einen winzigen Augenblick später und sie hätte seinen Kopf vom Rumpf getrennt.
Kaeli hatte ihn vor diesem Schicksal bewahrt, das war allen klar.
Cecil streckte seine Hand nach ihr aus, und sie trat mit einem besorgten Lächeln zu ihm. Behutsam strich sie ihm über den blutigen Striemen und blickte ihn bedauernd an.
„Ich war zu spät. Verzeih mir.“
„Nein.“ Er zog sie fast heftig in seine Arme. „Du warst gerade rechtzeitig.“ Leise an ihrem Ohr flüsterte er: „Danke.“
Seine Reaktion – obwohl sie sie im Herzen freute – machte sie verlegen. Mit geröteten Wangen, die glücklicherweise nur Saya sehen konnte, löste sie sich von ihm.
„Lasst uns hier verschwinden“, murmelte sie. „Es ist Zeit, dass wir alle wieder gleichermaßen sehend sind.“
„Dem stimme ich zu.“ Arn unterstützte sie bereitwillig. Er hatte sich im Wald noch hilfloser gefühlt, sein Schwert noch unsicherer geführt.
Sie beschleunigten ihre Schritte und betraten ein karges Tal. Steppengras überwucherte den sandigen Boden und ließ die Umgebung für die Dunkelwelt ungewohnt blass wirken. Außer den von den Dunkelelfen versprochenen Höhlen in dem hellen Gebirge war nichts anderes zu sehen als Berge und Graswüste. Ein ödes Gebiet, ungeeignet, um sich vor Feinden zu verbergen oder – positiv ausgedrückt – diese zu übersehen.
Es verwunderte die Gefährten wenig, die erste Schlammblase aus dem Boden quellen zu sehen.
„Tempo!“, war Sayas einzige Anweisung, mit der sie sich in Bewegung setzten, darauf hoffend, dem Schicksal dieser Kämpfe entgehen zu können.
Was auch funktionierte, solange keine anderen Kreaturen sie aufhielten.
Für die Durchquerung des Tales änderten sie ihre Formation. Während Iain mit Cecil die Front übernahm, hielt Saya den Gefährten den Rücken frei. Arn blieb bei Kaeli und Robin in der Mitte.
Dies erwies sich als gute Entscheidung, da die Elfe mit ihren Beschwörungen nun verstärkt zum Einsatz kam. Wie erwartet bot die Umgebung viel Fläche. Ganze Armeen von Angreifern rückten an.
Robin tat ihr Bestes, um mit der Macht der Elemente zu verhindern, dass ihre Lage außer Kontrolle geriet und sie überwältigt würden.
Nach wie vor bevorzugte sie den Einsatz des Windes, aber in einer mächtigeren Ausprägung, die sie mehr Kraft kostete.
Ihre erzeugten Windhosen vernichteten alles, was sie berührten, entfernten die Kreaturenansammlungen, denen die Schwerter der Gefährten in ihrer Überzahl nicht gewachsen waren.
Mit dieser Taktik gelang es ihnen, dem gefährlichen Reißen der Blasen zu entgehen.
Dann wurde es kälter.
Erst waren es nur stürmische Böen, die ihre Gestalten eisig umwehten. Dann begann der Himmel sich zuzuziehen. Schwarzgraue Wolken schoben sich vor die Sonne, bildeten eine dichte, düstere Decke.
Die Gefährten behielten dieses Geschehen mit einiger Sorge im Auge, waren aber in ihre Kämpfe zu involviert, um sich darauf konzentrieren zu können. Sie blendeten es aus, da keine unmittelbare Bedrohung ersichtlich war.
Ohne Sonne sanken die Temperaturen rapide weiter, näherten sich dem Gefrierpunkt, was von ihnen aber nicht registriert wurde.
Sie alle reagierten verblüfft, als dicke Schneeflocken auf ihre von der Schlacht erhitzte Haut trafen und schmelzend über ihre Glieder perlten.
Nur Sayas vergleichbare Körpertemperatur war unempfindlich gegenüber den Eiskristallen. Sie sah den Schnee, statt ihn zu fühlen, war allerdings nicht weniger irritiert.
Eigentlich herrschte Sommer auf Paxia.
„Was …?“ Die lehmigen Kreaturen, die ihnen den Weg versperrten, bewegten sich zunehmend langsamer. Sie begannen in der Kälte zu erstarren.
„Sie gefrieren“, bemerkte Iain erstaunt und hielt inne, beobachtete, wie sich der Eisfilm auf der erdigen Oberfläche der feindlichen Gestalten ausbreitete.
Kaeli war pragmatischer und nutzte die Gelegenheit, mit ihren Wurfattacken das Feld freizuräumen. Neue Gegner erschienen nicht.
„Soll das eine Art Hilfsaktion werden?“, fragte Cecil und musterte Robin skeptisch. Diese hob abwehrend die Hände.
„So weit reicht meine Macht nicht. Das war ich nicht.“
Saya blickte in den trüben Himmel, aus dem der Schnee zunehmend dichter fiel. Wind pfiff eisig um sie herum. Noch immer kühlte es weiter ab. Sie selbst störte es nicht – eher im Gegenteil. Auch Kaeli wirkte nicht, als fühle sie sich unwohl, obwohl sich Reif auf ihrer Haut bildete und sich Schnee in ihren Haaren und Wimpern verfangen hatte.
Ganz anders verhielt es sich bei den anderen. Ohne die permanenten Bewegungen im Kampf kühlten ihre Körper schnell aus. Sie standen mit blau verfärbten Lidern, Lippen und Händen. Arn zitterte, seine Zähne schlugen klappernd aufeinander, und seine Miene war schmerzverzerrt. Hilflos erwiderte er ihren Blick.
„Ich denke, da tauscht jemand direkte Angriffe gegen extreme Wetterbedingungen aus“, meinte Saya schließlich, wütend über den Einfallsreichtum ihrer Feinde und deren Fähigkeit, ihre Schwächen erkannt zu haben.
„Wir sollen wohl zum Einhalten gebracht werden.“
„Und das mit Erfolg, wie mir scheint“, ergänzte Iain und wies mit ausgestreckter Hand auf den Horizont, wo eine neblig graue Masse ihre Sicht trübte. Sorge spiegelte sich in seinen verhangenen Augen. „Ein Blizzard.“
„Wir können nicht weiter“, entschied auch Cecil.
Fünf fragende Augenpaare waren abwartend auf Saya gerichtet, auf ihr Urteil vertrauend.
Sie war vernünftig genug, keine bleibenden Schäden an der Gesundheit ihrer Gefährten zu riskieren. Sie waren alle zu wertvoll für Paxias Überleben. Sie brauchten eine Zuflucht, bis der immer heftiger tobende Sturm vorüber war.
Saya suchte die Umgebung des Gebirges ab und fand, was nötig war. „Rückzug. Kommt.“
Es fiel ihnen schwer, sich dem stürmischen Wind entgegenzustemmen, um die schmale Gasse in dem felsigen Gelände zu erreichen, in deren Schutz Saya eine Höhle erhoffte.
Iain bemerkte Kaelis Not. Ihre grazile Statur kam kaum gegen das heftige Schneetreiben an. Er packte ihre Hand und zog sie mit sich, ihr mit seinem eigenen Körper Deckung bietend.
Den anderen gelang es aus eigener Kraft vorwärtszukommen.
Mit zusammengekniffenen Augen, um diese vor den eisigen Wehen zu schützen, tasteten sie sich langsam Richtung der von Saya vorgegebenen Bergspalte.
Die Gelehrte blieb hinten, trieb sie mit lauten Befehlen unerbittlich vor sich her.
Keuchend erreichten sie schließlich die enge Gasse.
Und atmeten erleichtert auf.
Sayas Hoffnung erfüllte sich. Am Ende des windgeschützten Pfades klaffte die runde Öffnung einer Höhle – ihr Lager für die Zeit des Sturmes.
Sie war nicht eben geräumig, gerade so, dass sie alle Platz fanden, aber sie war frei von Schnee. Und es war, dank ihrer Position, unwahrscheinlich, dass sich dieser Zustand zu ihren Ungunsten ändern würde.
Saya zeigte sich zufrieden.
„Ich glaube, hier sind wir sicher. Solange der Blizzard tobt, werden wohl auch keine Angreifer erscheinen. Dennoch halte ich es für besser, eine Wache einzurichten. Da Kaeli und mir die Temperaturen nichts ausmachen, werden wir diese übernehmen.
Es ist wichtig, dass wir alle bei Kräften bleiben. Vor allem aber die Prüflinge.
Und nun sollten wir unser Nachtlager errichten.“
Weder Iain noch Cecil waren glücklich über ihre Entscheidung, doch sie konnten sich gegenüber der Vernunft Sayas Worte nicht verschließen und widersprachen nicht.
Saya blieb am Höhleneingang. Sie würde die erste Wache übernehmen und das Schneetreiben in der Ferne beobachten. Für sie war dies ihre erste Erfahrung mit dem gefrorenen Element, und sie war angemessen fasziniert. Die Wache war eine gute Gelegenheit, ihrem Interesse nachzugeben.
Kaeli setzte sich ihr gegenüber auf die andere Seite der Öffnung. Es war nicht genug Platz, einen anderen Ort für ihr Lager zu wählen, da sie keinen anderen dem einströmenden eisigen Zug aussetzen wollte.
Iain und Cecil ließen sich neben ihr nieder. Sie blieben dicht beieinander und wickelten sich sofort in ihre Decken, um vor der Kälte bestmöglich geschützt zu bleiben.
Es war früher Abend, die Dämmerung gerade hereingebrochen, an Schlaf war noch nicht zu denken. Also begannen sie, in ihrem Gepäck nach den Vorräten zu suchen, die die Dunkelelfen ihnen in weiser Voraussicht, dass ein Lagerfeuer nicht möglich war, fertig zubereitet mitgegeben hatten.
Ein hallendes Poltern weckte aller Aufmerksamkeit.
Robins Rucksack war ihr aus den starren Händen geglitten, sie war nicht in der Lage gewesen, nach ihm zu greifen.
Nun stand sie vor ihrer Tasche und blickte aus eigenartig teilnahmslosen Augen darauf nieder.
Die Elfe war in einem denkbar schlechten Zustand, dessen Ausmaß die Gefährten eben begriffen.
Mit ihren Beschwörungen hatte sie ihre Kräfte stärker verausgabt als die anderen und den fallenden Temperaturen viel zu wenig entgegenzusetzen. Ihre Kleidung, klamm durch den Schnee, war nicht geeignet, sie ausreichend zu wärmen. Robins Haut war blass mit bläulichen Verfärbungen, verriet die ersten Anzeichen einer drohenden Unterkühlung. Ihr Kiefer zog sich wieder und wieder wie im Krampf zusammen, und sie wurde von Schauern geschüttelt.
Die anstehende Nacht bedeutete eine ernste Gefahr für ihr Leben. Besorgt und ratlos beobachteten sie sie in ihren Anstrengungen, ihre Decke hervorzuziehen.
Sie hatten keine Möglichkeit, ein Feuer zu entzünden, es fehlte an Holz und Platz. Iain erwog, ihr seine Decke zu überlassen, und Cecil war anzusehen, dass er den gleichen Gedanken hegte, doch ihr Verstand verbot es ihnen letztendlich.
Auch wenn ihr Leben durch Erfrieren nicht enden würde, so könnten sie ihre Gliedmaßen verlieren, die Kälte würde diese absterben lassen.
Es musste einen anderen Weg geben, Robins Überleben zu sichern, bevor sie dieses Risiko eingingen.
„Robin, komm her.“ Es war Arn.
Er saß zitternd in einer geschützten Nische, so weit entfernt vom Höhleneingang, wie es ihm möglich gewesen war. Seine Decke hatte er fest um sich geschlungen, und auch er zeigte ähnliche Symptome der Unterkühlung wie die Elfe. Dennoch war seine Stimme erstaunlich fest gewesen, seine Miene zeigte Entschlossenheit, während er Robin fixierte. Diese sah ihn erstaunt mit einigem Befremden an, alles andere als bereit, seiner Anordnung Folge zu leisten.
Natürlich.
Arn seufzte innerlich, aber er war bereit, sich durchzusetzen. Er streckte seine Hand nach ihr aus.
„Du wirst diese Nacht bei mir verbringen. Auch wenn dich das Überwindung kostet, so bin ich doch deine einzige Option, unbeschadet diese Situation zu überstehen. Meine Körpertemperatur ist hoch genug, dich zu schützen.
Und jetzt komm her. Zwing mich nicht, Saya zu bitten, dich an mich zu fesseln.“
„Einer Bitte, der ich nur zu gern nachkommen würde“, ergänzte Saya, sofort bereit, ihn in seinem Vorhaben zu unterstützen. Seine pragmatische und so einfache Lösung erleichterte nicht nur sie.
„Geh, Robin“, bat auch Kaeli. Sie machte Anstalten, die Elfe in Arns Richtung zu schieben. Gerade als es ihm gelang, ihren Arm zu packen.
Robin riss sich hektisch von ihm los und machte einen Satz außer Reichweite, ihre Hände eilig hebend.
„Schon gut“, meinte sie, ohne ihr Widerstreben zu verbergen. „Ich beuge mich der Vernunft. Bewegen kann ich mich jedoch noch allein.“
Sie brauchte ihr eigenes Tempo, sich ihm zu nähern. Und auch dies geschah mit offenkundigem Zögern.
Arn rührte sich nicht, wartete geduldig, bis sie sich neben ihm niederließ. Ihre Arme berührten sich, aber sie mied seinen Blick.
Er schüttelte missbilligend den Kopf und wandte sich ihr zu, zwang sie, seinen Augen zu begegnen.
„Was soll das werden?“, fragte er kritisch.
Robin zeigte sich irritiert. „Wie sonst, wenn nicht so, soll ich von deiner Wärme profitieren?“
„Was von dir genau profitiert denn auf diese Weise von meiner Wärme? Robin, ich will dir helfen, nicht deinem Arm. Komm auf meinen Schoß, ich bitte dich. Der kalte Steinboden ist nicht gut für deine Gesundheit.“
Robin rührte sich nicht ob Arns eindringlicher Worte, tat nichts, was darauf hindeutete, dass sie seiner Einladung nachzukommen gedachte. Sie blickte allerdings auch nicht von ihm weg, und Arn erkannte voller Erstaunen Unsicherheit in ihrer Miene statt Ablehnung.
Nicht ihre Abneigung war es also, die sie zurückhielt. Er beugte sich vor, dämpfte seine Stimme, dass nur sie ihn hören konnte.
„Warum zögerst du?“
Verlegenheit mischte sich in ihre Züge. Arn hob nur die Brauen, deutete an, dass er das Thema nicht fallen lassen würde.
Robin gab nach.
„Ich bin nicht gerade ein Leichtgewicht. Du kannst nicht wollen, dich über Stunden mit mir zu belasten. Ich bin einfach zu schwer.“
„Was für ein Unsinn!“, stieß Arn ungläubig über die Banalität ihrer Weigerung hervor. Er argumentierte nicht weiter, er handelte.
Robin keuchte erschrocken auf, als er mit beiden Armen nach ihr griff und sie kraftvoll auf seinen Schoß hob. Ihre Decke steckte er um ihrer beider Beine fest, mit seiner eigenen umwickelte er ihre Schultern. Nur ihre Köpfe blickten noch aus der Deckenmasse hervor.
An Robins rötenden Wangen sah er nicht nur ihr Unbehagen, sondern auch die Wirksamkeit seiner Maßnahme. Ihr Körper erwärmte sich bereits an seinem. Arn öffnete seinen Wams. Als die Elfe dies bemerkte, wich sie ein wenig von ihm zurück – so weit die umgebende Hülle dies zuließ.
„Was machst du?“, fragte sie mit deutlichem Entsetzen.
Arn blieb ruhig.
„Je mehr ich von meiner Haut freilege, desto mehr Hitze kann ich abgeben. Ich hoffe, ich kann dafür sorgen, dass du diese Nacht nicht frierst und dich erholst. Wir brauchen dich morgen wieder.“
Seine ungewohnte Entschlossenheit machte sie wehrlos. Sie ließ es zu, als er sie mit beiden Armen umfing und an seine Brust zog. Sein Mund näherte sich ihrem Ohr.
„Ich habe monatelang wenig anderes getan, als Leichen quer durch mein Reich zu tragen und sie Paxia zu übergeben. Du hast keine Vorstellung, wie schwer so ein starrer Körper sein kann. Lass mir die Gelegenheit, einmal einen lebenden vor diesem Schicksal zu bewahren. Du wirst mir niemals zu schwer sein, Waldelfe.“
Robin reagierte nicht. Doch er spürte, wie sie zögernd ihre Wange an die bloße Haut seiner Schulter legte.
Nur Arn sah die anerkennenden Gesten der anderen, mit denen sie ihm zu seinem kleinen Sieg gratulierten und gleichzeitig für sein Handeln dankten.
Er nickte ihnen mit einem kleinen Lächeln zu. Kaeli kam mit ihrer Decke zu ihm und legte diese um seinen Rücken. Sie wollte ihn vor der eisigen Kälte der Höhlenwand isolieren. Zwar tat es dies nicht, brachte aber wenigstens ein wenig Erleichterung.
Arn schloss die Augen und zwang sich zu einem regelmäßigen Atem. Er war sich Robins Unbehagen bewusst und wollte ihr helfen. Indem er selbst vorgab zu schlafen, befreite er sie aus ihrer Unsicherheit und gab ihr die notwendige Zeit, ihre Position anzunehmen und zu akzeptieren. Er entfernte die Intimität aus ihrer gegenseitigen Nähe.
So sehr er sich seit ihrem Kennenlernen nach dem Gefühl ihrer Gestalt in seinen Armen gesehnt hatte, so wenig gedachte er ihre unfreiwillige Notlage auszunutzen.
Außerdem befand er selbst sich ebenfalls in ziemlich schlechter Verfassung. Die Kälte hatte sich in seine Glieder gefressen und bereitete ihm kaum ertragbare Schmerzen. Sein Herz arbeitete zwar noch, aber das Blut, welches es pumpte, fühlte er wie ätzende Säure in seinen Adern.
Für ihn würde dies eine schreckliche Nacht werden.
Arn versuchte sich abzulenken, indem er sich auf den nachgiebigen Körper auf seinem Schoß konzentrierte. Er spürte ihre tiefen Atemzüge und die beginnende Entspannung, die ihre Glieder schwer werden ließ. Robin schlief gerade ein, ihre Erschöpfung musste sehr groß gewesen sein. Dies wunderte ihn nicht. Sie leistete immense Arbeit seit Betreten der Dunkelwelt.
Arn öffnete die Augen und wagte einen Blick.
Er behielt Recht.
Robin lag schlafend an seiner Brust, sie war ein wenig tiefer in die Decken gerutscht. Um sie herum musste überall Wärme sein, denn ihre Haut war zu ihrem normalen Ton zurückgekehrt, ihre Wangen zeigten sogar leichte Schlafröte.
Arn gestattete sich, in ihrem Anblick zu versinken. Es hatte bisher nicht viele Gelegenheiten gegeben, in denen er dies ungestört hatte tun dürfen.
Ihre für die Elfen so typischen alterslosen Züge wirkten fast jugendlich im tiefen Frieden des Ruhens. Ihr Mund war leicht geöffnet, und Arn bewunderte den vollen Schwung ihrer sinnlichen Lippen und die ebenmäßigen weißen Zähne, die diese sonst verbargen. Sie hatte die Kapuze schützend über den Kopf gezogen, so dass er kaum etwas von ihren rotbraun glänzenden Locken sah, geschweige denn berühren konnte, um ihre Weichheit zu erfahren.
Dafür aber bestätigte sich eine lang gehegte Überzeugung. Ihre Gestalt war wie geschaffen für ihn.
Mit ihrer außergewöhnlichen Größe und ihrer üppigen Fülle passte sie perfekt zu ihm – in seine Arme. Sie war sein Gegenstück.
Leider würde sie sich kaum davon überzeugen lassen. Und Arn würde sich ihr niemals aufzwingen.
– Außer wenn es darum ging, sie zu beschützen.