Читать книгу Gelassene Eltern - zufriedene Kinder - Laura Markham - Страница 8

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EINFÜHRUNG

Was bedeutet »gelassene Elternschaft?«

Kinder ins Leben zu begleiten, wird eine Ihrer segensreichsten Aufgaben sein. Und zugleich ist es zum Verzweifeln stressig und strapaziös. So fordernd die Elternschaft und so kindlich das Benehmen der Kinder ist, wie soll man das bitte schön »gelassen« angehen?

Gelassene Elternschaft heißt nicht, dass Sie sich ständig glückselig fühlen oder über die chaotische Realität des Lebens mit Kindern erhaben sind. Gelassene Elternschaft bedeutet einfach, die eigenen Emotionen zu regulieren, damit Sie sie nicht an Ihren Kindern auslassen. Genauso wie Ärztinnen nach dem hippokratischen Eid geloben, »erstens, dem Kranken nicht zu schaden«, verpflichten sich gelassene Eltern dazu, die Verantwortung für die eigenen Emotionen zu übernehmen, damit sie ihren Kindern keinen Schaden zufügen.

Natürlich bekommen die meisten Patientinnen oder Patienten keinen Tobsuchtsanfall oder provozieren anderweitig ihre Ärztinnen. Eltern dagegen können sich darauf verlassen, dass die Kinder jeden ihrer neuralgischen Punkte treffen werden. Aber wenn wir unabhängig vom Verhalten des Kindes mit unseren eigenen Emotionen fertigwerden, befreit uns das dazu, auf seine Bedürfnisse einzugehen und ihm die liebevolle Führung angedeihen zu lassen, die jedem Kind jederzeit hilft. Kinder, die liebevoll begleitet werden, lernen nun ihrerseits zu lieben und sich selbst zu regulieren. So entwickeln sie einen inneren Kompass, der sie schützt und dabei unterstützt, Entscheidungen im Einklang mit den eigenen inneren Überzeugungen zu treffen. Sie lernen Kommunikationsfähigkeiten, wie sie Konflikte mit anderen beilegen und entwickeln die für lebenslanges Gedeihen nötigen Werkzeuge.

Jedes Kind ist anders, aber in der Forschung ist man sich grundsätzlich darüber einig, was Kinder benötigen, um gesund, glücklich und verantwortungsbewusst zu werden und sich zu ebensolchen Erwachsenen zu entwickeln. Und perfekte Eltern brauchen sie dazu nicht. Vielmehr kommt es auf die liebevolle Beziehung zwischen Eltern und Kindern an. Die Eltern sollen sich an ihnen freuen und ihnen vorleben, wie man bei Schwierigkeiten Beziehungen repariert. Kinder brauchen Eltern, die das Kind in seiner Individualität schätzen, es mit emotionaler Großzügigkeit anleiten und hin zu seinem oder ihrem besten Selbst coachen.

Damit Sie Eltern werden, die Kinder auf diese Weise ins Leben begleiten, unterstütze ich Sie hier Schritt für Schritt. Unser Leitrahmen besteht aus drei Hauptprinzipien. Bedeutende Gedanken, aber einfach und umsetzbar – für alle Eltern.

1. PRINZIP

Unsere erste Pflicht als Eltern ist die Selbstregulation

Niemand ist immerzu gelassen. Spannungen gehören zu jeder menschlichen Beziehung und Eltern ärgern sich eben manchmal über ihre Kinder. Aber sobald wir zulassen, dass Ärger und Furcht unseren Denkapparat in Beschlag nehmen, geraten wir in den »Kampf-Flucht-Starre-Modus« und unser Kind ähnelt immer mehr dem Feind. In jenen Augenblicken können wir nicht mit den Augen unseres Kindes sehen. Dann wollen wir unsere Kinder nicht länger einfühlsam begleiten und in ihrer gesunden Entwicklung fördern, sondern nur noch die Schlacht gewinnen. Wir fallen mit Drohungen und Strafen über sie her.

Wenn wir uns hingegen in gelassener Elternschaft üben:

• übernehmen wir die Verantwortung dafür, die eigenen Emotionen wahrzunehmen und zu regulieren. Das heißt, wir registrieren, akzeptieren und erlauben uns, den Ärger zu fühlen sowie auch alle anderen Emotionen – widerstehen aber den von ihnen ausgehenden Handlungsimpulsen. Anders ausgedrückt: Wir lassen unsere Verstimmung nicht an unserem Kind aus.

• übernehmen wir die Verantwortung dafür, unser Kind auf heilsame Weise zu begleiten. Das heißt, wo nötig, setzen wir Grenzen, um das Verhalten unseres Kindes zu lenken, bleiben dabei aber mit ihm verbunden – wir bieten dem Kind im Umgang mit den Emotionen und Bedürfnissen, die sein Verhalten steuern, Verständnis und Hilfe an.

• akzeptieren wir die »großen« Emotionen unseres Kindes genauso mitfühlend wie unsere eigenen. Somit ermöglichen wir auch den Kindern ihre Emotionen zu akzeptieren, der erste Schritt hin zur Selbstregulation.

• übernehmen wir die Verantwortung für unsere Selbstfürsorge. Somit können wir unserem Kind die emotionale Großzügigkeit und Liebe schenken, die es braucht.

Wenn Sie gelassene Elternschaft leben, handeln Sie als Vorbild für Ihr Kind, indem Sie ihm zeigen, wie man Emotionen reguliert und Konflikte mit gegenseitigem Respekt austrägt. So können Sie auf jegliches das Benehmen Ihres Kindes antreibende Bedürfnis eingehen – und als Folge verändert sich sein Verhalten.

PRINZIP

Am dringendsten brauchen Kinder Verbindung zu den Eltern

Mit Kindern zu wachsen besteht nicht aus einer Reihe von Strategien. Vielmehr geht es hier um Beziehung. Wenn Sie Ihr Kind über alles lieben und sich an ihm freuen, erlebt sich Ihr Kind für sein Sosein wertgeschätzt. Diese Verbundenheit erlaubt Ihnen, die Perspektive Ihres Kindes einzunehmen, damit Sie feinfühlig auf es eingehen können: einer der wichtigsten Faktoren für die emotionale Gesundheit eines kleinen Kindes.1

Kinder gedeihen, wenn sie sich verbunden fühlen. Dann vertrauen sie darauf, verstanden, geliebt und beschützt zu werden. Erleben sich Kinder als von uns getrennt, dann fühlen sie sich nicht sicher. Das heißt, sie können nicht gut denken und ebenso wenig ihre Emotionen regulieren.2

Wenn Kinder sich nicht sicher fühlen, tun sie etwas, von dem sie glauben, dass sie sich danach besser fühlen. Manchmal ist das etwas Positives, beispielsweise, wenn sie sich von uns eine Umarmung holen. Aber oft tun Kinder etwas, das ihnen nicht so zuträglich ist. Sie piesacken etwa ihre Geschwister oder schlagen wütend um sich, weil sie sich dann stark vorkommen. Oder sie betteln weinerlich um Süßigkeiten oder Medienzeit vor Fernseher oder Computer, in der Hoffnung, damit ihren Schmerz zu betäuben. Eventuell brechen sie bewusst eine Regel und schauen uns dabei in die Augen, weil sie so zumindest unserer negativen Aufmerksamkeit sicher sind. Natürlich fühlt sich unser Kind letztlich meist erst recht von uns getrennt, wenn es in jenen schwierigen Momenten unsere negative Aufmerksamkeit zu spüren bekommt.

Im Gegensatz dazu öffnen sich die Kinder für unseren Einfluss, sobald sie sich mit uns verbunden fühlen, und kooperieren dann viel eher. Aber egal wie sehr wir uns als Eltern bemühen, in Verbindung zu bleiben, das Leben kommt uns dazwischen und manchmal fühlen sich Kinder einfach von uns abgeschnitten. Vielleicht ist das Kind hochsensibel, weswegen es durch starke Emotionen leicht überwältigt wird, was wiederum dazu führt, dass es sich von uns abkoppelt. Oder unser Kind geht zur Schule oder in die Kindertagesstätte und verbringt somit den Großteil des Tages ohne Kontakt zu uns. Vielleicht bleibt es zwar zu Hause, aber der Alltag ist enorm kompliziert: Wir sind mit dem Baby beschäftigt, telefonieren mit der Ärztin, sind von Computer und sozialen Medien gefangen genommen, ringen mit eigener Krankheit, Erschöpfung oder den Finanzen. Vielleicht bleiben wir sogar meistens geduldig, aber weil wir eben nicht perfekt sind, reagieren wir dann doch manchmal lauter. Unverbundenheit gehört zum Leben dazu; mögen wir noch so achtsam sein. Um also unsere Kinder kompetent ins Leben zu begleiten, müssen wir die Verbindung zu ihnen ständig erneuern.3

Wenn es für Sie neu ist, Verbundenheit an die erste Stelle zu setzen, denken Sie wahrscheinlich, dass es gleichbedeutend damit ist, die Bedürfnisse Ihres Kindes zu erfüllen, damit es glücklicher und kooperativer wird. Und damit haben Sie natürlich recht – deshalb ist Verbundenheit neben der Selbstregulation das wichtigste Elternwerkzeug überhaupt. Aber bald werden Sie merken, dass diese gemeinsam mit Ihrem Kind geschaffene, liebevollere stärkere Beziehung, auch Ihnen selbst zugutekommt. Es sind sogar genau diese wunderbaren, Ihr Herz zum Schmelzen bringenden Momente, die all die Opfer wettmachen, die Sie als Eltern beim Wachsen mit Kindern bringen.

GEDANKE

Emotions-Coaching ist die wirksamste Strategie für gute Disziplin

Welche Methode der Disziplin eignet sich dazu, wunderbare Kinder zu haben? Wenn wir »Disziplin« hören, denken wir normalerweise an Strafe, aber die ursprüngliche Bedeutung des Wortes »Disziplin« bedeutete »zu lernen« oder »angeleitet zu werden«. Also formulieren wir die Frage neu: Welche Art des Anleitens bringt wunderbare Kinder hervor?

Forschungsergebnisse4 zeigen, dass achtsame Kommunikation Kindern dabei hilft, emotionale Intelligenz zu entwickeln, sodass sie ihre Emotionen und somit auch ihr Verhalten regulieren lernen.5 Bei achtsamer Kommunikation wird dem Verhalten der Kinder wenn nötig eine klare Grenze gesetzt, die Hand in Hand mit Verständnis für das Kind einhergeht. So entwickeln sich Kinder, die sich mit ihrem Sosein selbst wohlfühlen und offener für Einsichten sind. Es entsteht ein positiver Kreislauf. Mit der Zeit verinnerlicht das Kind die Grenze und entwickelt so Selbstdisziplin. (Im dritten Teil erfahren Sie mehr über die Entwicklung von Selbstdisziplin bei Kindern.). Diese Art der Kommunikation ist dann am wirksamsten, wenn sie von jemandem ausgeht, den das Kind liebt und dem es vertraut, jemand, von dem das Kind weiß, dass sie oder er im besten Interesse des Kindes handelt, jemand, dem das Kind gerne »folgt«. Dabei sollte klar sein, dass Strafen tabu sind, denn sonst würde sich das Kind verraten fühlen und das Vertrauen in den Erwachsenen verlieren. Stattdessen hilft die wirksamste Begleitung dabei, die Ursachen für das Fehlverhalten des Kindes zu heilen und coacht das Kind, damit es neue Fähigkeiten zur Kommunikation und Selbstregulation entwickelt, um sein bestes Selbst zu werden.

Hätten Sie lieber eine Chefin, die Sie durch Strafen anleitet oder mithilfe von Empathie? Angesichts der offensichtlichen Antwort und der Untersuchungen, die diesen Erziehungsstil6 stützen, fragen Sie sich wahrscheinlich, weshalb die meisten Ratschläge an Eltern lauten, man solle Kinder mithilfe von Belohnungen oder Strafen motivieren, damit sie den Anweisungen der Eltern folgen. Diese vertrauten Vorstellungen prägen seit Generationen unsere Meinung über Kinder und die meisten Eltern wenden automatisch dieselben Strategien an, mit denen auch sie aufgewachsen sind. Zwar sind wir nicht mehr so straffreudig wie früher, aber den Stand der Forschung haben wir noch längst nicht eingeholt. Tausende von Studien über Erziehung laufen auf Folgendes hinaus: das Coachen von Kindern zur Förderung der Entwicklung emotionaler Intelligenz und Selbstdisziplin ist die beste Wahl, um glücklichere und verantwortungsbewusstere Erwachsene hervorzubringen. Strafe führt nur zu weiterem Fehlverhalten7 (falls Sie diesen Gedanken noch nicht kennen, lesen Sie unbedingt Alfie Kohns Buch Liebe und Eigenständigkeit, eine hervorragende Einführung in die Forschung über die Auswirkungen von Bestrafung und Belohnung).

Was nun, wenn Sie als Eltern Fehler gemacht haben?

Sobald Sie mit der Lektüre dieses Buches beginnen, werden Sie mit Ihrem Kind vermutlich geduldiger und empathischer umgehen, was vermutlich sein besseres Benehmen fördert und Ihnen wiederum neues Selbstvertrauen für die Elternrolle schenkt. Aber vielleicht werden Sie auch selbstkritischer. Am Ende fühlen Sie sogar Scham und sind wegen Ihres früheren Erziehungsstils oder sogar wegen Ihres nur wenige Minuten zurückliegenden Handelns beunruhigt. Erkennen Sie jene Gefühle einfach an, danken Sie ihnen für den Hinweis darauf, dass Sie nun bessere Arbeit leisten wollen und lassen Sie sie los, denn ihre Botschaft ist bei Ihnen angekommen. Wenn Sie mehr wissen, werden Sie auch dazu inspiriert, sich an die schwierige Veränderungsarbeit zu machen. Sich dagegen nur selbst zu beschimpfen, hilft gar nicht.

Denn egal, was Sie als Eltern getan haben, es war Ihr Bestmögliches. Das meine ich ernst. Sie sind von den Ihnen verfügbaren Informationen ausgegangen. Dabei wurden Sie von Ihren früheren Erfahrungen beeinflusst und haben auf Ihr damaliges Umfeld reagiert. Eine objektive Beobachterin, die sehen könnte, wie sehr Sie sich angesichts aller Herausforderungen bemüht haben, könnte sogar der Ansicht sein, dass Sie sich heldenhaft geschlagen haben.

Das gilt sogar dann, wenn Sie etwas getan haben, das Sie heute schrecklich finden. Wenn Ihnen klar ist, dass Sie hart daran arbeiten wollen, sich zukünftig anders zu verhalten, dann genügt das. Es fällt uns allen leicht, auf jemanden herabzuschauen, der anders handelt als wir. Aber ich glaube wirklich, wäre ich in Ihrer Haut auf die Welt gekommen, mit Ihren Erbanlagen und Ihrem Familienhintergrund, hätte Ihre Kindheit verlebt und Ihre Erfahrungen gemacht, dann hätte ich ebenso wie Sie gehandelt. Wirklich. Sie haben Ihr Bestmögliches getan. Es wird Zeit, dass Sie sich deswegen nicht länger an den Pranger stellen.

Mit der Aussage, dass keine von uns perfekt ist, entschuldige ich keine Eltern, die ihrem Kind Leid zugefügt haben. Vielmehr weise ich darauf hin, dass man sich nicht wegen des eigenen Tuns schlecht fühlen und gleichzeitig eine positive Motivation für zukünftig besseres Handeln aufbauen kann. (Genauso wie es einem Kind nicht hilft, etwas besser zu machen, wenn man dafür sorgt, dass es sich schlechter fühlt.) Wir alle machen Fehler. Aber wenn Sie Ihre früheren Fehler dafür nützen, sich auf einen zukünftig besseren Weg führen zu lassen, dann ist das eine Lerngelegenheit, kein Fehler.

Das verschont Sie nicht davor, Beziehungen wieder in Ordnung zu bringen, in denen Sie jemanden verletzt haben. Und es bedeutet auch nicht, dass Sie der eigenen inneren Veränderung ausweichen können. Betrachten Sie die Vergangenheit als Motivation dafür, die besten Eltern zu sein, die Sie heute sein können. Zum Glück sind Kinder wunderbar resiliente Wesen! Vielleicht ist es nötig, dass Ihr Kind über die Situationen weint, in denen es sich angesichts Ihres Ärgers verlassen gefühlt hat. Aber egal was zwischen Ihnen und Ihrem Kind vorgefallen ist, welche Fehler Sie gemacht haben, wie mies sich Ihr Kind benimmt, wie mies Sie gehandelt haben – es ist nie zu spät. Sie können jederzeit die Beziehung zu Ihrem Kind in eine glücklichere engere Verbindung umwandeln.

Sie selbst verdienen Ihr ganzes Mitgefühl. Komme, was da wolle. Leisten Sie Wiedergutmachung für die Vergangenheit, indem Sie die Gefühle Ihres Kindes akzeptieren und ihm somit bei ihrer Heilung helfen. Dann haben Sie genug bezahlt; für Selbstquälerei gibt es keine Extrapunkte. Je mehr Sie lernen, umso schneller machen Sie Fortschritte. Deshalb lesen Sie ja dieses Buch.

Wie Sie das Beste aus diesem Buch herausholen

Mit Begeisterung verspreche ich Ihnen Folgendes: Wenn Sie diese Ideen und Übungen ernsthaft ausprobieren, dann werden Sie nach dem Durcharbeiten des Buches ein glücklicheres Familienleben mit weniger Drama und viel mehr Liebe erleben.

Kennen Sie schon Gelassene Eltern – zufriedene Kinder: Wie Sie liebevoll bleiben, statt zu schreien, zu schimpfen oder zu drohen?8 Das Arbeitsbuch in Ihren Händen ist als Ergänzung jenes Titels konzipiert, kann aber auch eigenständig gelesen werden. Es bietet eine Zusammenfassung der in Gelassene Eltern – zufriedene Kinder dargelegten Grundgedanken, schlägt Ihnen jedoch zusätzliche praktische Werkzeuge vor, damit Sie diese Prinzipien in Ihren Familienalltag integrieren können. Zusätzlich gibt es in diesem Buch ausführlichere Informationen darüber, wie Emotionen funktionieren und weshalb Achtsamkeit so wichtig ist. Denn in den fünf Jahren seit Verfassen von Gelassene Eltern – zufriedene Kinder habe ich gelernt, dass diese Kenntnisse Eltern als nützliches Handwerkszeug dienen, den Familienalltag zu verändern. Zur Vertiefung des Gedankenguts hinter der Idee gelassener Elternschaft, einschließlich einer Darstellung, wie man diese jeweils für Kinder unterschiedlichen Alters umsetzen kann, empfehle ich Gelassene Eltern – zufriedene Kinder. Falls Sie es bereits gelesen haben, wird dieses Arbeitsbuch teilweise zusammenfassende Wiederholung sein, aber Sie werden auch feststellen, dass mit dem Praktizieren der Übungen und Praxisanwendungen, die Prinzipien Selbstregulation, Verbundenheit und Coaching in Ihrer Familie richtig zum Leben erwachen.

Zwar werden Sie in diesem Arbeitsbuch dabei unterstützt, mit Ihrer Familie einen neuen Kurs einzuschlagen, aber nur Sie allein können mit Ihrem Kind die entscheidenden Veränderungsschritte gehen. Je intensiver Sie das Buch bearbeiten, umso mehr werden Sie davon profitieren. Am besten, Sie reservieren jeden Tag etwas Zeit dafür. Selbst wenn Sie nur eine Seite lesen, bleibt so das Gedankengut in Ihnen präsent, während Sie sich mit Ihrem Kind beschäftigen. Das bedeutet harte Arbeit und braucht Zeit. Es geschieht nicht durch Zauberei, aber wenn Sie sich ernsthaft darauf einlassen, werden Sie bei Ihrem Kind und sich selbst garantiert Veränderungen bemerken.

Wie Sie sehen werden, wird auf einigen Seiten empfohlen, diese in der Woche der Bearbeitung an Ihren Kühlschrank zu heften, um Sie durch die jeweiligen Übungen zu führen. Im Anschluss können Sie die Blätter in eine für dieses Buch angelegte Mappe oder ein Notizheft stecken. Sie bekommen auch viele Anregungen zum Tagebuchschreiben, die Sie vielleicht dazu inspirieren, mehr zu schreiben, als in die vorgegebenen Zeilen passt, noch ein Grund, zusätzlich ein Notizbuch anzulegen, vielleicht mit Innentasche für lose Blätter, das Ihnen für die Arbeit mit dem Arbeitsbuch eine wertvolle Begleitung sein kann. Wenn Sie mehrere Kinder haben, fällt Ihre Antwort vielleicht für jedes Kind anders aus. In diesem Fall fotokopieren Sie zunächst die entsprechenden Seiten, bevor Sie mit den Eintragungen beginnen, und legen sich zusätzliches Schreibpapier bereit.

Es ist in Ordnung, gezielt diejenigen Kapitel des Buches zu lesen, von denen Sie unmittelbar angesprochen werden, aber Sie sollten wissen, dass alle Ideen ineinandergreifen. Beispielsweise springen viele Eltern sofort zu Teil 3: »Coaching statt Kontrolle«, in der Hoffnung, dort ein Wundermittel zu finden, das ihre Kinder dazu bringt, sich freiwillig gut zu benehmen. Aber nur in Verbundenheit mit Ihnen wird das Kind zu »freiwilliger« Kooperation angeregt. Wenn Sie also Teil 2: »Verbundenheit ist das Geheimnis glücklicher Elternschaft« auslassen, dann fehlt Ihnen am Ende die nützlichste »Disziplinarmaßnahme« überhaupt. Auch wenn Sie direkt zu Teil 3, Kapitel »Helfen Sie Ihrem Kind im Umgang mit Emotionen« übergehen, um es bei diesem Thema zu unterstützen, werden Sie einige wertvolle Hinweise finden. Aber Ihr Kind wird erst lernen, seine Emotionen zu regulieren, wenn es erlebt, wie Sie dasselbe mit Ihren Emotionen tun, was Thema des ersten Teils ist: Selbstregulation. Daher empfehle ich Ihnen, das gesamte Buch querzulesen, damit Sie die Grundprinzipien kennenlernen, egal worin Ihr endgültiges Ziel besteht.

Sie werden merken, dass es zu dem Buch geführte Meditationen gibt, die Ihnen im Online-Center des Arbor-Verlags kostenlos zur Verfügung stehen. Gehen Sie einfach zu www.arbor-online-center.de/zw2xxe und wählen Sie die verschiedenen Materialien per Klick aus. Weitere Ressourcen, die Sie beim Wachsen mit Ihren Kindern unterstützen, finden Sie auf der Seite der Zeitschrift Mit Kindern wachsen auf www.mit-kindern-wachsen.de.

Bitte setzen Sie die Übungen und Anregungen zum Tagebuchschreiben wirklich um. Das erfordert natürlich mehr Arbeit als reines Lesen. Aber die Rückmeldungen von Eltern wie Ihnen, die Probeversionen dieses Buches getestet haben, bestätigten immer wieder, dass die wahre Veränderung erst im Praktizieren der Übungen geschieht. Diese ermöglichen uns durch die Anwendung im eigenen Alltag die Auseinandersetzung mit den Grundideen, sodass wir das Gedankengut in unseren eigenen Familien umsetzen und seinen Nutzen erkennen können.

Was Sie von sich erwarten sollten

Während Sie sich nun auf Ihre eigenen Emotionen einstellen und sich selbst mehr umsorgen, bemerken Sie vielleicht, wie in Ihnen einige alte, verwickelte Emotionen aufsteigen, die geheilt werden »wollen«, da Sie jetzt immer mehr Selbst-Akzeptanz entwickeln. Vielleicht neigen Sie rasch zum Weinen. Keine Sorge, Sie werden damit fertig. Es bedeutet einfach, dass Sie sich an manchen Tagen vielleicht ein wenig dünnhäutig fühlen und dann besonders liebevollen Umgang mit sich selbst benötigen. Indem Sie sich das Fühlen jener Emotionen zugestehen, beginnen diese zu heilen und Sie werden sich häufiger zufriedener fühlen. Wahrscheinlich werden Sie sogar feststellen, dass Sie sich ohne Grund glücklich fühlen. Das signalisiert, dass sich Ihr Wohlbefinden auf eine neue, höhere Basis zubewegt. Freuen Sie sich daran!

Triggerwarnung! Dieses Buch wird Sie zu eingehender Selbsterforschung einladen, angefangen von Ihren Kindheitserlebnissen bis zu Ihrem gegenwärtigen Seelenleben. Das bedeutet vielleicht anstrengende Arbeit, aber es ist der einzige Weg, um die Beziehung zu Ihrem Kind tief gehend zu verändern.

Falls Sie spüren, dass es Sie zu sehr aufwühlt, sich eingehender mit Ihrer Kindheit zu befassen, falls Sie ein Trauma erlitten haben oder das Lesen des Buches Sie sehr aufregt, dann legen Sie es bitte beiseite und suchen vertrauenswürdige psychologische Beratung auf. Eine erfahrene Beraterin wird Sie dabei unterstützen, sich beim Durcharbeiten des Buches verankert und sicher zu fühlen.

Was Sie von Ihrem Kind erwarten können

Als ich gerade mit dem Einüben gelassener Elternschaft anfing, begann meine Tochter wütend zu werden und verlor dann wegen Nichtigkeiten die Fassung und weinte. Zum Glück war ich vorgewarnt, dass allerlei Entladung von Altlasten zu erwarten war. Nach dem Weinen war sie zärtlich und versuchte viel öfter als vorher wirklich hilfsbereit zu sein. Bald hörten die Ausraster auf und sie verhielt sich sehr viel kooperativer und zärtlicher als früher!

ERIKA,

Mutter einer Dreijährigen

Wenn Eltern mit ihren Kindern geduldiger und verständnisvoller umgehen, blühen diese auf. Aber manchmal müssen sie zuvor noch einige alte Unglückstränen und Ängste loswerden. Sie tun das, weil diese Gefühle bislang unterdrückt waren, aber indem Sie Ihren Kindern immer mehr Annahme entgegenbringen, fühlen sie sich sicher genug, um Ihnen ihre Verletzungen aus der Vergangenheit zu zeigen. Diese Verletzungen werden durch Ihr Mitgefühl geheilt. Wenn Sie also mit der Umsetzung dieser Prinzipien beginnen, seien Sie bitte darauf gefasst, dass sich Ihr Kind vielleicht für eine kleine Weile ein wenig schlechter benimmt, bevor es sich in einem viel glücklicheren, kooperativeren Grundzustand einrichtet. Natürlich lesen Sie dieses Buch nicht, damit sich Ihr Kind schlechter benimmt. Doch ich versichere Ihnen, dass dies vorübergeht. Es braucht einfach die Gelegenheit, Ihnen jene alten Verletzungen zu zeigen, damit es heilen und sie hinter sich lassen kann.

Sie können diese Phase abkürzen, indem Sie vor allem für eine gute Verbindung zu Ihrem Kind sorgen und die Situation aus seinem Blickwinkel betrachten.

Setzen Sie weiterhin Grenzen: »Hauen ist nicht okay, egal wie wütend du bist.« Aber erkennen Sie gleichzeitig alle Emotionen an, selbst die unliebsamen und ärgerlichen: »Ich sehe, wie wütend du bist, Madison: Mir tut leid, dass es so schwer ist, … ich bin für dich da.«

Sie werden merken, dass Ihr Kind seinen Ärger umso schneller hinter sich lässt und Ihnen die darunterliegenden Verletzungen zeigt, je mehr es sich aufrichtig gehört und verstanden fühlt. Und sobald es diese Verletzungen offenbart, beginnen diese zu heilen und Sie können die Verwandlung Ihres Kindes vor Ihren Augen beobachten.

Die gute Nachricht ist, dass es für Heilung zwischen Ihnen und Ihrem Kind nie zu spät ist. Zwar wird es umso schwieriger, je älter es ist, denn Kinder entwickeln mit der Zeit einen Gefühlspanzer und gehen zum körperlichen Angriff über, damit Sie ihnen nicht zu nahetreten. Also wird ein Dreijähriger auf diesen neuen Ansatz sehr viel schneller ansprechen als eine Achtjährige. Aber so lange Sie bereitwillig präsent und liebevoll bleiben, wird Ihnen Ihr Kind seine Verletzungen zeigen. Damit beginnt die Wiederherstellung emotionaler Gesundheit.

Die Freude an Ihrem Kind ist vielleicht der wichtigste Faktor

für den Grad seiner Zufriedenheit und Kooperation.

Wie wäre es also damit, möglichst viele Gelegenheiten zu

finden, sich über Ihr Kind zu freuen, am besten noch heute?

Womit Sie bei Ihrer Partnerin, Ihrem Partner rechnen können

Mein Mann verhängte rasch Strafen oder wurde laut, wenn unsere Kleine aus der Reihe tanzte, aber wir sind miteinander im Gespräch über gelassene Elternschaft und er richtet sich nach meinen Hinweisen zu liebevollem Anleiten und Coachen anstatt autoritärem Herumkommandieren – der einzige Erziehungsstil, der ihm vertraut war! Wir lieben die daraus entstehende Verbundenheit innerhalb der Familie und das Gefühl, dass wir jetzt besser miteinander zurechtkommen.

GRACE,

Mutter einer Dreijährigen

Was tun, wenn der Partner nicht mitzieht? Ich versuche viele der Ideen umzusetzen, aber mein Mann ist nicht wirklich bereit, sich mit alternativen Erziehungsstilen auseinanderzusetzen.

CAMILA,

Mutter von einem sechsjährigen und einem achtjährigen Kind

Dieses Buch wird in Ihnen viele Gedanken über das Leben mit Kindern anregen und Ihnen bei der Entwicklung eigener Ideen und Vorgehensweisen helfen. Wenn Sie in einer Partnerschaft leben oder eine Ex-Partnerin oder Ex-Partner haben, mit dem Sie sich das Sorgerecht teilen, werden Sie sich darüber Gedanken machen, wie Sie die Partnerin oder den Partner in diesen Prozess einbinden können.

Die meisten Eltern berichten, dass dieses Arbeitsbuch sowohl die Beziehung zu ihrer Partnerin als auch zu ihrem Kind verbessert. Das liegt an der Allgemeingültigkeit der Prinzipien. Jede will sich verstanden und geachtet fühlen. Allerdings kommt es häufig vor, dass Eltern mit der Anwendung der Prinzipien für gelassene Elternschaft beginnen, um festzustellen, dass ihr Partner mit den neuen Ideen nicht einverstanden ist. Schließlich führen sie ja innerhalb der Familie einen neuen Beziehungsstil ein.

Wie Sie mit Ihrer Partnerin in Erziehungsfragen zusammenarbeiten, sprengt den Rahmen dieses Buches, aber hier folgen meine fünf besten Tipps für Ihre gemeinsamen Diskussionen:

1. Denken Sie daran, dass Sie und Ihr Partner beide das Beste für Ihr Kind wollen. Vielleicht klaffen Ihre Vorstellungen über das »wie« auseinander, aber letztlich wollen Sie dasselbe.

2. Je stärker sich Ihre Partnerin an der Arbeit mit dem Übungsbuch beteiligt, umso besser. Somit können Sie beide die Prinzipien des Buches auch dann miteinander diskutieren, wenn Sie unterschiedlicher Meinung sind. (Wenn sich Ihr Partner nicht mit Ihnen durch dieses Buch arbeiten möchte, überlegen Sie, ihm die geführten Übungen auf www.arbor-online-center.de/zw2xxe herunterzuladen. Viele Eltern – vor allem Väter – sagen mir, dass sie nicht gerne lesen, aber sehr gerne die Übungen unterwegs im Auto hören.)

3. Mit Ihrer Partnerin ebenfalls emotional großzügig umzugehen, ist für Ihre Beziehung unerlässlich, auch können Sie sonst überhaupt keinen Einfluss auf sie nehmen.

4. Gehen Sie davon aus, dass es im Laufe der Erforschung jener Prinzipien viele Diskussionen geben wird. Schaffen Sie dafür einen sicheren Raum, indem Sie nichtwertend zuhören und eher Ihre Ansichten, Bedürfnisse und Ängste ausdrücken, als auf den auseinanderklaffenden Erziehungsstilen oder Perspektiven zu beharren. Anstatt Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin einen Vortrag zu halten, fühlen Sie sich in das ein, was er oder sie ausdrückt. Wiederholen Sie das Gesagte und haken nach, ob Sie es richtig verstanden haben.

5. Leben Sie das elterliche Vorbild, von dem Sie wollen, dass Sie beide es umsetzen. Vielleicht geschieht es nicht sofort, aber mit der Zeit wird Ihr Partner erkennen, wie unterschiedlich Ihr Kind auf die verschiedenen Erziehungsstile reagiert.

Zur weiteren Unterstützung beim verbindenden Durcharbeiten der Konflikte mit Ihrer Partnerin können Sie gerne auch die (englischsprachige) Seite Happily Ever After: Conscious Co-Parenting auf Ahaparenting.com besuchen.9

Funktioniert gelassene Elternschaft auch mit einem schwierigen Kind oder wenn es besondere Bedürfnisse hat?

Mein Gefühl sagte mir, dass er keine Strafe brauchte, und ich bin mehr als dankbar für die Werkzeuge, die Sie mir gaben, um ihn im Umgang mit seiner Welt zu unterstützen, die offenbar sehr schwierig und anders aussieht, als die, in der Sie und ich leben … Ich wollte mich wirklich anderen mitteilen, denn vielleicht gibt es noch mehr Eltern, die sich fragen: »Aber mein Kind hat _______________

[füllen Sie hier selbst aus] wird das dann auch funktionieren?« Für uns heißt das ein überwältigendes: Ja! Weil Empathie für ihn schwierig ist, er sich schwertut, mit uns Verbindung aufzunehmen, weil ihn der Umgang mit Menschen quält, glaube ich, dass es umso wichtiger ist, ihm liebevolle Grenzen zu setzen, ihm etwas über Emotionen zu vermitteln und ihm zu zeigen, wie man sich verbindet und Liebe ausdrückt.

ANDREA,

Mutter eines fünfjährigen Jungen und eines zweijährigen Mädchens

Der Ansatz für gelassene Elternschaft funktioniert nicht nur ebenfalls bei herausfordernden Kindern und Kindern mit speziellen Bedürfnissen, vielmehr ist er für sie sogar besonders wichtig. Wenn Sie die drei Grundelemente des Ansatzes betrachten, erkennen Sie, weshalb das so ist:

1. Regulieren Sie Ihre eigenen Emotionen. Mit einem Kind, das besondere Bedürfnisse hat, kann das noch schwieriger, aber besonders wichtig sein, da dieses oft noch sensibler und reaktiver ist als andere Kinder.

2. Verbinden Sie sich miteinander. Bei Kindern mit autistischen Zügen und Kindern, die von Verbundenheit leicht überwältigt werden, kann der Aufbau einer stabilen Bindung herausfordernder sein. Das heißt aber nicht, dass sie weniger wichtig ist. Hätte denn das Kind ohne diese Beziehung zu Ihnen überhaupt einen Grund, Ihrem Beispiel zu folgen?

3. Coaching statt Bestrafung. Viele »Experten« geben gerade bei Kindern mit besonderen Bedürfnissen Ratschläge, die sich um Belohnungen und Bestrafungen drehen. Aber alle Menschen verdienen die Achtung, dass man sie zu ihrem besten Selbst coacht, anstatt sie zu bestrafen, wenn sie sich nicht nach unseren Vorstellungen benehmen.

Kinder mit besonderen Bedürfnissen erleben die Welt anders als wir und oft muss sie ihnen große Angst einjagen. Es gibt viele Kinder mit überaktivem Alarmsystem, denen bereits einfache Grenzen lebensbedrohlich erscheinen und bei ihnen extreme Flucht- oder Kampfreaktionen auslösen. Wenn Kinder aus Furcht handeln, verdienen sie Liebe und keine Strafe. Natürlich müssen wir ihnen Grenzen setzen, aber wir können dies liebevoll tun. Auf diese Weise erreichen wir Kooperation auch viel wirkungsvoller, denn alle Menschen rebellieren gegen Kontrolle und fühlen sich nur dann sicher, wenn sie jenen folgen, von denen sie glauben, dass sie ihr Bestes im Sinn haben.

Gelassene Eltern - zufriedene Kinder

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