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Eine Geschichte schreiben …
Оглавление»But really … Really, it was your storytelling. That is the true flower of free will. At least, as you’ve mastered it so far. When you create stories, you become gods of tiny, intricate dimensions unto themselves. So many worlds.« (Supernatural)
Metatron, ein Dämon aus der Serie Supernatural, beneidet die Menschen um ihre Geschichten. Er verschlingt Bücher, sein ganzes Haus ist voll von ihnen. Er möchte wissen, wie Geschichten funktionieren, wie sich Menschen durch ihre Geschichte hindurchbewegen, sie in ihr Leben einweben und ihr Leben in sie.
Das Geschichtenerzählen als ultimativer Beweis des freien Willens? Vielleicht ja auch als ein Akt, sich diesen freien Willen zu erkämpfen und sich seiner bewusst zu machen?
In einem Moment, in dem ich mich grenzenlos verletzt fühle, schreibe ich in mein Notizbuch:
»Du warst nur ein Kapitel. Ich bin die Geschichte. Und die geht weiter.«
Wir kämpfen alle um Geschichte. Zumindest um unsere: zuerst ums Überleben, dann darum, das in eine »erzählbare« Form zu bringen, dann darum, die Geschichte erzählen zu dürfen und schließlich um das Zuhören der anderen.
Bei dem Versuch, sie »erzählbar« zu machen, folgen wir bestimmten »Erzählzwängen« – so nennt man das in Teilbereichen der sozialwissenschaftlichen Forschung. Diese Erzählzwänge zielen darauf ab, den Zuhörenden erstens eine Geschichte verständlich zu machen, also alle wichtigen Kontexte zu benennen und die Geschichte innerhalb eines größeren Zusammenhangs zu verorten. Zweitens zu unterscheiden zwischen den relevanten und irrelevanten Facetten der Erzählung – nur die von dem*der Erzähler*in als bedeutsam befundenen Aspekte schaffen es in die Erzählung. Und drittens die Erzählung an einigen Stellen mit notwendigen oder ausschmückenden Details zu füllen, unterschiedliche Punkte der Geschichte miteinander zu verbinden und dadurch eine in sich konsistente und schlüssige Geschichte entstehen zu lassen.
Für uns sind konsistente Erzählungen selbstverständlich – ist eine Geschichte nicht konsistent, haben wir oft Verständnisschwierigkeiten, befinden sie als »schlecht«, »unzusammenhängend« oder »langweilig«. Und so, wie wir es mit diesen Erzählungen anstellen, machen wir es auch mit unserer eigenen Geschichte, unserem Leben. Auch hier unterliegen wir unbewusst ständig diesen Erzählzwängen, sowohl in Gesprächen mit anderen als auch in unserer eigenen Auseinandersetzung mit unserem Leben.
Wir vergessen, dass wir, jede und jeder Einzelne von uns, einen eigenen Kampf um Geschichte führen. Jeden Tag. Dabei geht es zum einen um die Entscheidungen, die wir tatsächlich treffen, die Handlungen, die wir wirklich ausführen und die Gedanken, die wir uns machen, während wir damit beschäftigt sind, unser Verhalten irgendwie zu koordinieren. Auf dieser, sagen wir mal, Handlungs- und Verhaltensebene gibt es den Kampf um Geschichte.
Und dann gibt es die Deutungs- oder Erzählebene. Es ist die Ebene, auf der wir versuchen zu bestimmen, wie wir unsere Geschichte erzählen, wie wir über uns sprechen. Auf dieser Ebene bewegen wir uns, wenn es um Selbstinszenierung geht, wenn es um die vielen Gespräche in Cafés oder an Küchentischen geht, bei denen wir von den Treffen mit anderen Menschen erzählen, von misslungenen Dates, von miesen Arbeitsverhältnissen, von unseren verständnislosen Eltern – und ja, von unseren Bedürfnissen, unseren Träumen. Davon, dass wir gerne mal ein schwedisches Landhaus hätten, um darin ein Buch zu schreiben.
Alles, was auf der Handlungsebene passiert, spielt auch für die Deutungsebene eine Rolle, weil es darin aufgearbeitet wird: Indem wir über uns und unser Verhalten sprechen, versuchen wir immer, es einzuweben in eine bestimmte Vorstellung von uns selbst, eine Geschichte über uns selbst, unsere Geschichte. Es geht um Sinngebung. Es geht darum, ein Bild von uns zu zeichnen – wer wir sind, was uns ausmacht, sich selbst einen Sinn zu geben.
Eine Aufgabe, die wir unter dem Begriff der »Selbstverwirklichung« fassen. Und es klingt zwar nach viel, tatsächlich machen wir es aber die ganze Zeit. In jeder Erzählung, schon in jedem Gedanken. Ganz automatisch versuchen wir, alle Ereignisse und Gefühle irgendwie in unser Erzählschema einzuordnen, sodass dabei am Ende eine spannende, wenn auch nicht zu dramatische, aber auf jeden Fall eine erfolgreiche, schöne Story rumkommt.