Читать книгу Die schlechtesten Geschöpfe - Lechyd Zdravi - Страница 18
Der schwarze Hund
Оглавление»Andy ...?« Steffi lugte vorsichtig zur Tür herein. Andy kniete auf einem kleinen Teppich und verneigte sich, so sah es für Steffis verwirrte Augen jedenfalls aus, vor seinem CD-Regal. Da sah sie, dass das Regal fort war. Die Wand war nun recht kahl.
Andy setzte sich auf und sah seine kleine Schwester ärgerlich an.
»Was ist denn?«
»Ich wollte dich was fragen.« Zögerlich kam Steffi rein. Früher hätte sie zu jeder Tages- und Nachtzeit hereinkommen können. Aber jetzt sah Andy so wütend aus, dass sie sich beinahe vor ihm fürchtete.
»Wenn ich störe ...«
»Jetzt ist es sowieso egal. Wenn während des Gebets eine Frau vorbeikommt, ist das ganze Gebet für die Katz. Ich muss noch einmal von vorn anfangen.«
»Echt? Entschuldige! Das wusste ich nicht!« Steffi schloss die Tür. Ihre Mutter sollte möglichst nichts mitbekommen. Die war auf Andys Konversion nicht gut zu sprechen und seit Tagen schlecht gelaunt.
»Was wolltest du mich denn fragen, Kleines?« Andy setzte sich auf sein Bett und winkte Steffi heran. Die setzte sich neben ihn.
»Ich wollte wissen, ob du irgendwem von mir erzählt hast.«
»Wieso?«
»Weil heute drei von den Kopftuch - Mädchen zu mir gekommen sind, die mich sonst immer nur ignoriert haben. Die waren auf einmal total nett! Haben mir türkischen Honig angeboten und sagten, dass ich sie mal besuchen soll.«
»Ich habe Metin von dir erzählt, und dass du jetzt im Koran liest. Das fand er toll. Und da du noch so jung bist, und noch Jungfrau, können wir für dich einen guten Mann finden, wenn du erwachsen bist.«
»Äh, Moment! Ich habe doch noch gar nicht vor, zu konvertieren!«
»Aber du liest im Koran, oder? Wie kann man im Koran lesen und nicht konvertieren wollen?«, fragte Andy streng. Steffi zwirbelte eine Haarsträhne.
»Das ist voll komisch geschrieben. Du weißt doch, dass ich nicht gerne lese!«
»Ach ja«, seufzte Andy, »deine Aufmerksamkeitsspanne ist ja die eines Goldfisches. Trotzdem solltest du inzwischen die ersten Seiten gelesen haben. Hast du nach den Ahadith gegoogelt?«
»Ja, etwas ...«
»Na also!«
»Naja ... ich habe auch Leute gefunden, die den Islam nicht so toll finden.«
Andys Miene wurde finster. Steffi erschrak.
»Das sind Götzendiener, Heiden, Ungläubige. Wenn du im Koran richtig lesen würdest, wüsstest du, was das für Menschen sind! Und was mit ihnen passiert! Es steht geschrieben, dass sie versuchen werden, die Gläubigen vom Islam abzubringen! Und den Koran als Lüge bezeichnen! Du liest mir nie wieder so etwas, hörst du? Solche Seiten sind gottlos!«
»Du willst mir das jetzt echt verbieten?«
»Ja.«
»Das ist doch wohl ein Witz?«
»Nein. Hör mal, Kleine, ich möchte wirklich nicht, dass du eines Tages dafür bestraft wirst, dass du den wahren Glauben ignoriert hast. Wenn du konvertierst, darfst du dir was wünschen.«
Steffis Gesicht erhellte sich. »Echt? Kriege ich dann einen Hund? Der Schorschi aus dem Tierheim wartet seit Jahren darauf, dass ihn jemand mitnimmt. Er sieht immer so traurig aus, wenn ich ihn nach dem Spaziergang wieder in seinen Verschlag bringen muss.«
Andy schien wenig begeistert.
»Also, eine Katze darfst du gerne haben. Aber keinen Hund.«
»Wieso denn nicht?«
»Es ist doch den ganzen Tag niemand zu Hause, um sich um den Hund zu kümmern. Das wäre Tierquälerei. Eine Katze ist da viel unabhängiger.«
»Ja, stimmt ... viele Katzen haben sie auch im Tierheim … aber du willst unbedingt, dass ich konvertiere ... ich weiß nicht ...«
»Du hast doch jetzt Freundinnen gefunden. Seit Anja weggezogen ist, war da niemand mehr. Du hast dich oft beschwert, dass du in deiner Klasse angefeindet wirst.«
»Das werden die meisten deutschen Kinder. Wir sind ja nur drei in unserer Klasse. Hendrik, Marie und ich.«
»Ja, weil ihr Ungläubige seid! Man darf sich mit Ungläubigen nicht anfreunden. Auch das steht im Koran.«
»Wieso sind die meisten auf einmal nett zu mir? Die Jungs, die mich sonst immer Schlampe genannt und geschubst haben, haben mich heute auch vollkommen in Ruhe gelassen!«
»Metin muss seinen Freunden und Geschwistern von dir erzählt haben. Dieser Bezirk gehört nun einmal uns, Metin und unserer Gruppe. Metins Familie wird dafür respektiert und ist hoch angesehen, weil sie dem Koran so folgt, wie es sein sollte. Siehst du, wenn du konvertierst und auch zu unserer Gruppe gehörst, dann kannst du endlich ohne Bauchschmerzen zur Schule gehen.« Er strich Steffi über den Kopf.
»Ich weiß nicht ...«
»Lies weiter im Koran. Wenn du Fragen hast, kannst du zu mir kommen. Nur besser nicht, wenn ich gerade bete.«
»Wieso ist denn das Gebet umsonst, wenn eine Frau reinkommt?«
»So ist es eben überliefert. Wenn eine Frau, ein Esel oder ein schwarzer Hund vorbeigeht, dann muss man wieder von vorne anfangen.«
»Das ist doch Blöds... oh«, brach Steffi ab, als sie das Gesicht ihres Bruders sah. Schnell stand sie auf und ging zur Tür.
»Ach, Andy?«
»Ja?«
»Wieso ein schwarzer Hund? Was ist mit einem weißen?«
»Nur bei schwarzen Hunden. Der Prophet sagte, dass ein schwarzer Hund ein Satan ist.« Andy blickte seiner Schwester in die Augen. Er sah, dass sie wütend wurde und wusste, dass er sie nun endgültig an die Ungläubigen verloren hatte. Sein Herz sank.
»Anja hatte einen schwarzen Labrador! Das war der liebste Hund der Welt! Weißt du nicht mehr? Der war zu jedem freundlich und hat nie jemandem etwas zuleide getan! Jetzt hat sie einen schwarzweißen Jack-Russel! Was ist mit dem? Der rennt schwanzwedelnd auf jeden zu. Ist das jetzt ein halber Satan oder was?«
»Steffi ...«
»Du kannst deinen Koran wiederhaben.« Steffi verließ das Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu.