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Was bedeutet mir die Schreibmaschine?

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Der Morgen ist verregnet, ich habe überhaupt keine Lust rauszugehen. Ich sitze auf dem Sofa und blättere in der Zeitung. Kiki liegt zusammengerollt neben meinen Beinen und schnurrt. Auf Seite 28 lese ich die Schlagzeile:

LETZTE SCHREIBMASCHINENFABRIK DER WELT SCHLIESST

Es ist Dienstag, der 26. April 2011. Ich lese weiter:

Die Ära der Schreibmaschine, wesentliche Büroausstattung des 20. Jahrhunderts, neigt sich ihrem Ende zu. In Mumbai, Indien, hat die letzte Schreibmaschinenfabrik ihre Arbeit eingestellt.

Meine Mutter war Stenotypistin. In einer Zeit, über die man sagt, sie sei nichts mehr wert. Ein kurzes Leben, das nur 22 Jahre dauerte. Sie starb an einem weit zurückliegenden Freitag, am 20. August 1982. Da war ich gerade zwei Jahre alt.

In meinem Leben gibt es keine Erinnerung an die Mutter. Sie ist nur eine Geschichte, die heilige Geschichte von der Schöpfung, vom intimen Urbeginn. Meine Altersgenossen bekamen vor dem Einschlafen Märchen zu hören, ich dagegen habe den Geschichten über sie gelauscht. Über ihren Tod sprach man leise. Wenn jedoch eine Anekdote aus ihrem Leben oder einer ihrer Streiche nacherzählt wurde, redeten alle durcheinander. Dann erregte die verschwundene Zeit die Stimmbänder. Sie rollte zwischen Zunge und Gaumen hin und her, verwandelte sich an der Luft in Wörter, dann in Sätze. Die Geschichten begleiteten sie auf ihre Reisen. Es machte nichts, dass manchmal eine Geschichte die andere widerlegte und Ungereimtheiten auftauchten: Das Heilige rührt man nicht an, man glaubt daran.

Es war eine Zeit der Arbeitseinsätze, von denen man mit Nierenentzündung zurückkam. Es war eine Welt, in der Stenotypisten-Wettbewerbe abgehalten und Preise für den zweiten Platz nach Hause gebracht wurden. Für den zweiten Platz deshalb, weil irgendein Mädchen weinte, nachdem meine Mutter die Schnellere und Bessere gewesen war. Als Trost gab die Jury ihm den Pokal, und Mama schickten sie mit einer Urkunde für den zweiten Platz heim. Neben den Urkunden sind von ihr ein Bademantel, der Ehering, das Parteibuch und eine Schreibmaschine geblieben.

In der Wohnung meiner Großeltern war die Schreibmaschine eine Reliquie. Sie wurde als Erinnerung sorgfältig im Schrank des Schlafzimmers gehütet. Nur mein hartnäckiges Betteln konnte sie manchmal auf den Tisch locken. Baka und Deda setzten sich dann neben mich und ließen mich tippen. Klappernd hallte es von den Wänden wider. Die Tinte presste Buchstabenformen aufs weiße Papier. Am Anfang waren sie nur zufällig gewählt, später wurden daraus Wörter, Sätze … Bis zum Ende der Zeile, an dem ich die zylindrische Walze mit dem Hebel umlegte und zurück an den Anfang schob. Ein, zwei Stunden konnte ich so vor mich hin tippen. Erst wenn mir die kleinen Finger wehtaten, räumten wir die Maschine in den Plastikkoffer, zurück in die tiefe Stille des verfrühten Todes.

Ob ich damals anfing, das Schreiben zu lieben? Ich weiß es nicht. Aber auf jeden Fall mochte ich es, die kleinen Ereignisse und Missgeschicke ihres Lebens abzutippen. Wie sie die Fensterscheibe im Wohnzimmer einschlägt und dann so tut, als hätte sie damit nichts zu tun. Oder, noch besser, wie sie eine ganze Schweinskeule aufisst, und dann staunend auf den leeren Teller in Omas Händen starrt und hartnäckig wiederholt: „Wo ist die Keule hin?“

Ich weiß nicht, warum mich die Nachricht aus Indien so verstört hat. Weiß auch nicht, warum ich auf die Leiter geklettert bin und den verstaubten kleinen Koffer vom Schrank geholt habe. Ich hatte ihn wer weiß wie lange nicht mehr angefasst. Bald ist es dreißig Jahre her, dass Mama gestorben ist. Ich denke daran, während ich ein leeres Blatt Papier in die Schreibmaschine einziehe und tippe:

Was bedeutet mir die Schreibmaschine?

Nennt mich Esteban

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