Читать книгу Der nächste Frosch muss ein Prinz sein - Leni van Almen - Страница 3
Von wegen Restposten
ОглавлениеVor zwei Stunden habe ich Moritz seinen Verlobungsring zurückgegeben. Schade um den großen Diamanten. Moritz hatte viel Geld in den Stein investiert. Nicht aus Liebe zu mir, sondern um seine Besitzansprüche hochkarätig zu verdeutlichen. Der Ring war für ihn wie das „Verkauft“-Schild auf einem Gebrauchtwagen. Er fand diesen Vergleich passend. „Schließlich ist deine Karosserie immer noch erstaunlich gut in Schuss, Lenilein“, meinte er. „Obwohl du schon 37 Jahre auf dem Zähler hast.“ Mit diesem typischen Moritz-Kompliment garnierte er seinen Heiratsantrag. Er war tatsächlich vor mir auf die Knie gegangen, um die Frage aller Fragen zu stellen. In seinem Mund verwandelte sie sich allerdings zu einer klaren Ansage: „Ich will dich heiraten!“ Dabei sah er gönnerhaft zu mir auf und damit ich auch wirklich verstand, was er meinte, fügte er hinzu. „Prinzessin, ich bin dein Retter!“ Dann zog er mich auf das breite Bett der Luxussuite, die er im teuersten Münchner Hotel extra für diesen Anlass gemietet hatte.
Moritz ist Versicherungsvertreter, nennt sich Finanzberater und gewinnt alle Verkaufswettbewerbe seines Arbeitgebers. Ich hatte ihn vor drei Monaten bei der Recherche über ein großes Versicherungsunternehmen kennengelernt. Mein Beruf ist Journalistin, meine Spezialität ist der sichere Griff nach den falschen Männern. Bislang hatte ich damit überwiegend Spaß, aber jetzt wurde es ernst: An meinem Ringfinger blitzte ein Stein. Obendrein war die Bettdecke aufgeschlagen und das Laken darunter mit frischen Rosenblättern dekoriert.
„Komm Lenilein“, flüsterte mir mein Möchtegern-Verlobter ins Ohr. Ich heiße Leni und hasse es, wenn mich jemand „Lenilein“ nennt. Moritz war das egal. Er knöpfte meine Bluse auf. Momente wie dieser waren in den vergangenen drei Monaten die einzigen, die auch hielten, was sie versprachen. Sex war Moritz Kernkompetenz, vorausgesetzt er vermied Kommentare à la „Frauen stehen auf Männer, die sich ihrer Sache sicher sind“. Er war sich seiner Sache zu sicher.
Ich musste ihm die Wahrheit sagen: „Moritz, ich kann dich nicht heiraten!“ Er warf mir einen seiner „Du weißt ja nicht, was gut für dich ist“-Blicke zu, streifte seine Hose ab, öffnete das weiße Businesshemd und folgte seinem Plan. Im nächsten Moment lag er auf mir. „Die Antwort ist NEIN!“, sagte ich eben so laut wie entschieden und versuchte ihn wegzuschieben. „Aber du liebst mich doch!“ „NEIN! NEIN! NEIN!“ Das habe ich nie behauptet, er hat es wohl einfach vorausgesetzt, so wie er jetzt voraussetzte, dass ich mit ihm Sex haben wollte. Ich schob ihn von meinem Körper weg. Es schien ihm zu gefallen.
„Ist das ein neues Spiel?“, fragte er hoffnungsvoll. Er wollte mich gerne in anderen Rollen erleben, als Krankenschwester, Polizistin und eiserne Jungfrau beispielsweise. „Immer nur Leni wird auf Dauer langweilig“, hatte er nach unserer dritten Nacht gemeint, was ihn allerdings nicht davon abhielt, jetzt „lebenslänglich“ zu beantragen.
Ich zog den Diamantring vom Finger – es war einfach, weil er ohnehin ein bisschen zu weit war – und legte ihn aufs Bett. „Es tut mir leid Moritz. Wir passen nicht zusammen.“ „Aber hallo!“, empörte er sich. „Ich bin dein sexueller Urknall.“ Er übertrieb gerne, aber es war nicht der richtige Zeitpunkt, ihn darauf hinzuweisen.
„Das allein reicht nicht.“
„Mir schon, weil ich dich liebe! Verdammt! Ich liebe dich!“ Er fasste sich mit großer Geste ans Herz.
Ich ignorierte die Vorstellung und zog mich an. Seine ultimativen Abschiedsworte schlüpften mit mir aus der Zimmertür: „Ich werde mit Leichtigkeit einen Neuwagen finden, aber du, du bist ein Restposten mit Dellen!“ Vermutlich spielte er auf meine Oberschenkel an.
Zum Glück erkenne ich als moderne aufgeklärte Frau mit psychologischem Gespür, dass Moritz verletzte Eitelkeit seine Urteilskraft trübt, trotzdem bohrt sich das Urteil „Restposten“ bis ins Zentrum meiner gewöhnlich gut verborgenen Ängste. Zeit für eine Verdrängungsübung. Sie lautet: „Konzentriere dich auf die positive Seiten.“ Funktioniert fast immer. So auch jetzt.
Ich bin froh Moritz los zu sein. Das war seit unserer ersten Begegnung überfällig. Von wegen Restposten! Ich werde meinem Glück schon auf die Sprünge helfen. Gleich morgen fange ich damit an und beginne mit einer Bestandsaufnahme.