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Du bist also der Richtige?

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Er ist ein bisschen groß für den aufs Wesentliche reduzierten Holzstuhl in der aufs Wesentliche reduzierten Bar. Während er seine langen Beine vorsichtig unter dem Tisch parkt, tritt er mir auf die Füße. Wir müssen beide lachen. Ein guter Anfang. Endlich! Wir kommen leichtfüßig ins Gespräch.

Paul ist Grafikdesigner. Gut aussehend. Lässig gekleidet. Mit Geschmack. Am rechten Ringfinger trägt er einen Silberklunker mit asiatischen Zeichen. Hoffentlich kein Ehering! Ich frage vorsichtshalber. Paul kann mich beruhigen.

„Den Ring habe ich mir mit glubschäugigen Frauen, prallen Brüsten und langen Schwertern verdient.“ Er hat vor Jahren in Japan das Mangazeichnen gelernt und sich als Erinnerung daran das Silberband gravieren lassen. Was die Inschrift bedeutet, will er mir allerdings nicht verraten. „Noch nicht.“

Leicht verlegen, zumindest wirkt es so, rückt er die schwarze Brille auf seiner Nase zurecht. Irgendwie erinnert mich sein Gesicht an den Schauspieler Johnny Depp. Vergeblich versuche ich an den TV-Kaspar Atze Schröder zu denken. Das Gefühl ist nicht mehr aufzuhalten. Ich weiß: Gleich wird meine Aufregung stärker sein als mein Geist und ich nur noch rumstammeln. Die ersten Anzeichen erkenne ich sofort. Es wird in wenigen Momenten peinlich werden.

Panik! Johnny Depp, also Paul, soll mich nicht für eine Frau halten, die nichts zu sagen hat, aber leider habe ich keine Kontrolle mehr über das, was mir von der Zunge purzelt. Offenbar hat sich mein Herz gerade darauf breit gemacht. Ich hauche: „Depp!“.

Ja, solche Frauen gibt es wirklich und am Ende bleiben sie allein. Ich möchte mich unter dem Tisch verstecken, aber Pauls lange Beine versperren mir diese Möglichkeit. Jetzt schießt mir auch noch das Blut in die Wangen und ich werde rot. Die nächste Stufe ist weiß, dann kommt nur noch die Ohnmacht.

Paul scheint meine Verzweiflung nicht zu stören. Er schmunzelt, sagt „Depp trifft es bisweilen“ und schiebt mir seine Visitenkarte über den Tisch. „Eine kleine Gedächtnisstütze, damit du am Ende den Richtigen anrufst. Nicht irgendeinen Deppen, sondern mich.“

Das bedeutet: Er will mich wiedersehen! Jetzt nur die Ruhe bewahren bzw. wieder finden. Das vorlaute Organ auf meiner Zunge ist schneller. Es will Klartext reden.

„Du bist also der Richtige?“, fragt der unberechenbare Teil von mir, der das Kommando übernommen hat.

Paul findet das witzig. Er lacht. Laut und ansteckend, aber schon im nächsten Moment behauptet er allen Ernstes: „Na klar bin ich der Richtige für dich!“ Jetzt lache ich und auf die Schnelle kann ich nicht analysieren, warum. Mir wird das Lachen schon noch vergehen.

Ohne mit der Wimper zu zucken fragt mich Paul: „Magst du Kinder?“ Bingo! Die Fangfrage. Jede Antwort kann die falsche sein. Soll er doch zuerst die Hosen runterlassen. Ich gebe die Frage zurück: „Die nerven doch nur, oder?“

„Nicht alle“, verteidigt Paul die kommende Generation. Irgendwie scheint er verunsichert. So sehr, dass ich ihm eine Brücke bauen will.

„Du kannst ruhig zugeben, dass du Kinder magst“, sage ich.

„Mir bleibt gar nichts anderes übrig“, antwortet er. „Ich habe vier davon. Drei Jungs mit meiner Ex-Frau, ein Mädchen mit meiner Ex-Freundin.“

Er sieht mich an und ich glaube Hoffnung in seinem Blick zu sehen und Stolz. Vaterstolz! Mir fehlen die Worte, das bemerkt auch Paul und versucht, mir mit einer weiteren Fangfrage auf die Sprünge zu helfen.

„Glaubst du, du könntest mit so einer Situation umgehen?“

Ich muss gar nicht lange überlegen. Natürlich könnte ich das nicht. Oder doch? Jedes zweite Wochenende wäre es einen Versuch wert. Das sage ich ihm. Anstatt sich darüber zu freuen, dreht Paul seinen Japanring um den Finger, holt Luft und sagt: „Die Kinder leben bei mir.“

„Alle?“

Paul nickt und versichert mir, alle vier seien großartig.

„Großartig“, wiederhole ich, mehr fällt mir dazu nicht ein. Paul schon und er spricht es aus: „Ich bin schwer vermittelbar, ich weiß, aber ich will von Anfang an ehrlich zu dir sein.“ Ich schaue auf die Uhr. Die sieben Minuten sind bald um und damit das erste Date mit Paul. Es wird unser letztes sein. Trotzdem frage ich vorsichtig: „Noch mehr Kinder sind in deinem Fall wahrscheinlich nicht drin, oder?“

Nur für den Fall, dass ich irgendwann ein Exemplar in die Welt setzen will. Ein Baby, das weder die Karriere der Mutter an die Wand fährt, noch das Sexleben des Vaters auslagert. Ich denke an meine Freundin Anna, die gerade auf eine Scheidung zusteuert und sage: „Obwohl sich natürlich kein Mensch mit klarem Verstand aus freien Stücken dafür entscheidet.“ Paul lässt sich nicht provozieren, stattdessen erwidert er freundlich: „Du hast Recht, in unserer Zeit gibt es keine vernünftigen Gründe für Kinder. Sie sind eine Herzenssache.“

„Das klingt, als hättest du immer noch nicht genug“, höre ich mich mit einer Spur Optimismus auf den Stimmbändern sagen. Er grinst verlegen. „Die Produktion wäre kein Problem, die Finanzierung schon, es sei denn, du verdienst viel Geld.“

„Leider nein.“

Der Gong trennt uns und tut damit das einzig Richtige. Paul startet trotzdem noch einen Versuch, während er sich am Nebentisch niederlässt und sein neues Gegenüber ignoriert. „Lass uns hinterher noch weiterreden.“ Ich schüttle den Kopf und seine neue Tischpartnerin schüttelt ihren gleich mit. Vielleicht hat sie unser Gespräch belauscht und addiert im Kopf gerade, was vier Kinder kosten. In ihrem teuren Businesskostüm sieht sie aus, als könne sie eine Familie finanzieren. Ihr Vorteil: Sie würde sich die Schwangerschaften sparen. Ihre Kalkulation soll mir egal sein. Ich muss mich jetzt um den Nächsten kümmern.

Bast-scho-Bene

Ich spüle meinen gedanklichen Liebesquickie mit Paul mit dem Rest Prosecco weg. Ich fühle mich, als wäre ich gerade in hohem Bogen aus dem Liebeskarussell geflogen, noch bevor die Fahrt überhaupt begonnen hat. Vermutlich sollte ich das positiv betrachten. Vier Kinder sind zu viel Gewicht für einen Höhenflug. Die Wahrheit ist kein Freund der Romantik. Was soll’s. Ich lasse Pauls Visitenkarte auf dem Tisch liegen. Der Nächste wartet schon. Vielleicht ist er ohne Nachwuchsmannschaft unterwegs. Schön wär’s. Mein Herz rutscht widerstrebend zurück in die Startposition. Der Richtige. Das ich nicht lache! Eigentlich ist mir zum Weinen, aber nur für einen Moment. In diesem lässt sich der nächste Mann vor mir nieder. Bei diesem hier wird alles anders. Für sieben Minuten. Mindestens.

„Mei, was schaugst’n so traurig?“, fragt er mich. „Oiso i bin da Benedikt, da Bene“.

„Bast scho Bene.“

Gut, dass ich auf dem Land groß geworden bin. Der bayrische Dialekt ist mir in die Wiege gelegt worden. Wenn es mich weiterbringt, und das tut es in Bayern oft, rede ich Mundart, die Kunst steckt ja schon im Wort. Jetzt sitzt mir ein Wortkünstler gegenüber, der Bene. Wieso nur muss ich an den Ausdruck „Watschn-Bene“ denken, dem bayrischen Synonym für Sündenbock? Klar, ich kann Paul noch nicht vergessen. Das wäre nach drei Minuten auch etwas zuviel verlangt, trotzdem hat der Bene jetzt Aufmerksamkeit verdient und Paul ohnehin zu viele Kinder und zu wenig Ahnung von Verhütung, ganz offensichtlich. Der Bene schaut mich immer noch zweifelnd an. „Bast scho“, versichere ich ihm erneut, aber der Bene ist ein empfindsamer Kerl, der sich nichts vormachen lassen will, deshalb fragt er nach: „Madl, des glaub i da ned, das des bast. Hod a was Bleds gsogt der Lackl mit seiner Warmduscher-Brille?“

Ja mei, der Bene. Ein Original aus Bayern mit Bauernhof und Milchvieh. Das will versorgt werden, deshalb legt er sich ins Zeug. Mit einem Blick, den er vermutlich lange mit einem Dackel trainiert hat, sucht er meine Augen – und ich frage mich, ob er gleich bellen wird. Tut er nicht, stattdessen hebt er seine und meine Qualitäten hervor: „Spatzl schau wia i schau und deine Augerl san fei a recht schee.“ Nur mit meinen Händen ist er nicht zufrieden. Die sähen nicht so aus, als könnte ich damit arbeiten, „oiso gscheit abeitn, moan i. Verstehst mi scho?“ Der Bene weiß genau, wonach er sucht und je genauer er mich anschaut, umso schneller falle ich durch sein Raster. Schon ist es ihm wurscht, ob mich der Lackl mit der Warmduscher-Brille beleidigt hat. Er hat andere Sorgen. Er muss eine Bäuerin finden, für den Hof und das liebe Vieh.

„Bist du wenigstens Biobauer?“ frage ich seine Gesinnung ab. „Geh so a Schmarrn!“, sagt der Bene. Mehr sagt er nicht mehr. Ein Großstadt-Madl mit Bio-Allüren kann er nicht gebrauchen. Hast mi? Na servus! Der Nächste bitte!

Der nächste Frosch muss ein Prinz sein

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