Читать книгу Der nächste Frosch muss ein Prinz sein - Leni van Almen - Страница 4
Ein Krimineller und ein Muttersöhnchen
ОглавлениеIm Spiegel sehe ich eine Frau, die alles andere als einzigartig ist. Es gibt viele wie mich: einigermaßen erfolgreiche Frauen Mitte 30, die gut alleine zurechtkommen, aber dabei lieber zu zweit wären. Ich suche seit Jahren meinen Traummann und finde immer wieder das Gegenteil. Das Intermezzo mit Moritz war nichts weiter als ein Boxenstopp im Rennen gegen die Zeit.
Ich trete gegen meine biologische Uhr an, obwohl ich nicht einmal sicher bin, ob ich überhaupt Kinder will. Bislang konnte mich noch keine Mutter im Freundeskreis von ihrem Glück überzeugen. Offensichtlich sind für mich nur Schlafmangel, Karriereknick und Beziehungsprobleme. Über langweilige Gesprächsthemen aus dem Kinderkosmos möchte ich mich gar nicht erst beschweren, obwohl ich allen Grund dazu hätte. Wider besseres Wissens träume ich von der großen Liebe mit dem klassischen Programm. Es soll der Märchenprinz sein – ohne zahlungs- und verantwortungsintensive Altlasten. Mein Suchprofil ist klar, die Ergebnisse aber sind niederschmetternd.
Moritz’ Vorgänger war ein Kleinkrimineller, der sich als selbstständiger IT-Unternehmer ausgab, was ja auch irgendwie stimmte, somit war er einer der Ehrlichsten in meiner Sammlung. Eines Morgens hatte ihn die Polizei aus meinem Bett geholt und mich gleich mit. Ich hätte ihn niemals an mein Notebook lassen sollen, aber ich konnte ja nicht ahnen, dass sein Spezialgebiet Online-Betrügereien waren. Vergeben. Vergessen. Was bleibt, ist ein falscher Edelstein mehr in meinem Erfahrungsschatz.
Neben ihm funkelt ein Muttersöhnchen, das mich mit politischen Essays beeindruckte, aber seine stinkenden Socken von Mama waschen ließ. Mit 40 Jahren wohnte Bert noch immer in seinem großen Kinderzimmer, dass er sich mit Mister Spock, Captain Kirk und deren Raumschiff Enterprise teilte. Nur über dem Kopfende seines Bettes hingen signierte Fotos von Politikern. Besonders stolz war er auf das von Gerhard Schröder. Enterprise und Politik, das waren die beiden Seiten von Bert. Sie waren attraktiv verpackt in Muskeln und Humor. Mit mir unterschrieb der Kerl den ersten Mietvertrag seines Lebens, Carsharing und Ferienwohnungen nicht mitgezählt. Es war eine Unterschrift ohne Folgen. Für ihn. Er blieb in seinem Kinderzimmer und ich zog allein in „unsere“ Wohnung nach München-Haidhausen. Seitdem habe ich nichts mehr von Bert gehört, lese aber noch fast jeden Artikel von ihm. Er schreibt einfach brillant. Trotzdem hoffe ich schon lange nicht mehr, dass Mamas Liebling eines Tages auf seinem Mietrecht beharrt. Im Gegenteil. Bevor er flügge wird, muss ich in meinem Traumhaus am See sein, mit meinem Traummann in spe.
Jetzt wird nach vorne gearbeitet. Von nichts kommt nichts, erst recht kein Mann. Ich starre noch immer in den Spiegel und suche meine Vorzüge.