Читать книгу Die Wölfin - Leo Tuor - Страница 36

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Der Schwarzrock hatte den Kindern verboten, ohne Grund durch den Friedhof zu gehen, nur weil es die Ab­kürzung war auf dem Weg in den Dorfladen. Er wolle ab sofort keinen mehr erwischen. Und die Gittertore seien geschlossen zu halten, damit keine Hunde hin­eingingen.

Er fürchtete den Herrn Kanonikus. Von da an nahm er nur noch zusammen mit Großvater und Großmutter die Abkürzung durch den Friedhof. Die Großen, so hatte er festgestellt, machten nicht immer, was der Schwarzrock sagte. Jedes Mal schaute er zum Chris­tophorus hinauf, der groß wie ein Ochse neben dem Portal an die Kirchturmmauer gemalt war. Jedes Mal, wenn man durch den Friedhof ging, musste man an ihm vorbei. Jedes Mal bekreuzigte sich Großmutter und sagte leise ein Gebet. Jedes Mal fuchtelte Groß­vater in der Luft herum und deklamierte laut:

«Heiliger Stoffel groß und fest,

Hat getragen Jesum Christ.

Peter Paule fest und groß,

Hat getragen Holz fürs Floß.»

Der Bub schaute auf die Riesenfüße des Christiefel, wie Großvater den Riesen mitunter auch nannte, kniff die Augen zu einem schmalen Schlitz zusammen, schaute höher und höher, sah, wie sich der Kopf in einen Hunde­kopf verwandelte, nicht böse, nur schräg und irgendwie vertraut. Erblickte plötzlich den Kynokephalus.

Der Kynokephalus ist nicht zu verwechseln mit dem Kephalophoren. Der eine ist ein Hundeköpfiger, und der andere ist der Kopfträger, dozierte Großvater, der in der Ikonografie der Heiligen um einiges besser Bescheid wusste als der Pfarrer. Und wenn niemand mehr folgen konnte, sagte er, dass er ‹ad usum delfini› und ‹in maiorem dei gloriam› zusammenfasse: Der eine ist Sankt Christophorus, und der andere ist Sankt Plazi.

Und die Leute schauten einander dümmlich an und nickten bestätigend.

Die Wölfin

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