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EINLEITUNG

Was bedeutet eigentlich das Wort »Fahrtensegeln«?

Das aus »Fahrt« und »Segeln« zusammengesetzte Wort will viel mehr zum Ausdruck bringen als Boot fahren oder einfach nur segeln. Es steckt so viel Dynamik darin, so viel Abenteuer und so viel Freiheit.

Ein Leben in harmonischer Verbundenheit mit der Natur lässt uns echter, ehrlicher und aufmerksamer leben. Wir spüren die natürlichen Wurzeln unserer Existenz. Prioritäten verschieben sich wie selbstverständlich von materiellen und existenziellen Aspekten hin zur Freude an der Natur und allem Lebendigen. Damit kommen wir – vielleicht für manche überraschend – auch unserem eigenen Selbst näher. Wer die Natur und das Leben um sich herum wertschätzend wahrnimmt, wird auch sich selbst gegenüber eine akzeptierende, wohlwollende und liebevolle Haltung einnehmen. Vielleicht ist es das, was einen großen Teil der Faszination des Fahrtensegelns ausmacht und der Grund dafür ist, warum man nicht selten auch schwer kranke Fahrtensegler antrifft, die mit dem Wissen ihrer eigenen prognostizierten Endlichkeit noch extrem wertvolle Erfahrungen suchen.

Fahrtensegeln riecht nach aktiver Selbstbestimmung, aber ohne zu viel Anstrengung. Der Wind generiert die Fahrt, wir selbst die Erlebnisse. Fahrtensegeln kann für manche auch nach Schönwettersegeln klingen. Auf jeden Fall steckt Bewegung dahinter, die lebensbejahende Fantasien weckt. Diese können nicht nur während kommenden kalten Winterabenden, sondern vielleicht auch an unserem eigenen Winterabend des Lebens noch lange in Erinnerung gerufen werden, um so wunderschön auf eigene Freizeiterlebnisse zurückzublicken. Fahrtensegeln kann zur eigenen Entwicklung und vielleicht sogar zur Selbstverwirklichung führen. Es riecht nach Entdeckungslust und Achtsamkeit. Zurück zur Natur und individuellen Gestaltung des Lebens oder zumindest der Freizeit! Allein, mit seinem Partner, der Familie oder mit besten Freunden.

Was charakterisiert einen Fahrtensegler?

Fahrtensegler sind im Gegensatz zu Regattaseglern eher gemütlich unterwegs und vor allem das: unterwegs. Unterwegs mit einer Einschränkung: temporär, also auf Zeit. Genauer: auf eher kurze Zeit, also mal über Nacht, mal im Rahmen eines (normalen) Urlaubs. Das Überqueren von Ozeanen wird lieber den Blauwasserseglern überlassen, die zum Aussteigen oder zumindest für ein Sabbatical auf lange Zeit ihren Lebensstil verändern wollen.

Fahrtensegler wollen weder aussteigen noch sich großartig verändern. Sie möchten nur ab und zu dem Alltag entrinnen und genussvoll reisen. Das Ganze gern versehen mit einem Hauch von Abenteuer: aber bitte ohne jegliche Angst! »Abenteuer ohne Schiss« eben, das heißt beispielsweise auch, möglichst ohne Wetterüberraschungen oder Stürme!

Es geht um eine Art von Urlaub, der für einige wie eine kleine Zeitreise in die eigene Kindheit oder Jugend wirken kann. Wieder darf man erfahren, dass man noch einiges zu lernen hat. Aber statt Mathe, Erdkunde, Physik oder Fremdsprachen in der Schule zu büffeln, geht es nun um praktisches Wissen und dessen alltägliche Anwendung. Erneut darf man wieder von Zielen träumen. Neue Freundschaften mit anderen Seglern werden geknüpft, wobei die gegenseitige Unterstützung ein Gefühl von Geborgenheit und Zugehörigkeit schenkt. Herausforderungen werden überwunden, Grenzen verschoben, Ängste bewältigt, Reparaturen am eigenen Schiff vorgenommen. All dies führt zu einer tiefen inneren Befriedigung.

Warum ist es so reizvoll, ein eigenes Boot zu besitzen?

Mit einem Schiff unterwegs zu sein oder es sogar selbst zu besitzen, ist etwas ganz anderes, als auf vier Rädern zu reisen oder mit dem Flugzeug kurzerhand an einen neuen Ort hingeworfen zu werden. Ein Schiff bekommt einen Namen (traditionell einen weiblichen), man spricht von »ihr«, sie wird gepflegt, um sie dann aktiv entweder allein, mit dem Partner oder mit Freunden so oft wie möglich zu nutzen. Statt sich bei seiner Familie für eine Woche »Männerchartertörn« zu verabschieden, will der Fahrtensegler den Partner und die Familie wortwörtlich mit an Bord nehmen, um möglichst viel Zeit zusammen auf dem Boot zu verbringen. Die Unterschiede zwischen einem Wochenendsegler, Chartersegler, Fahrtensegler und Blauwassersegler sind natürlich fließend1.

Ein eigenes Boot zu besitzen, ist ein großer und gleichzeitig wunderschöner Schritt. Die Konsequenzen sind jedoch nicht zu unterschätzen, denn natürlich ist es praktisch, alles Komplizierte dem Vercharterer zu überlassen und nur mit einem Segelsack mit persönlichen Utensilien für eine Woche an Bord zu steigen. Ein Charterskipper übernimmt für eine kurze Zeit die Verantwortung für das Charterschiff. Ein Bootseigner hingegen ist ganzjährig für sein Schiff, dessen Ausrüstung, Pflege, Wartung und für die Planung der nächsten Segelsaison verantwortlich.

Und wem der Schritt zum eigenen Schiff noch zu groß erscheint, der kann gern erst einmal mit anderen Schiffsbesitzern reden, um von ihnen inspiriert zu werden, zu lernen und Tipps über Bootswahl und -pflege zu erhalten. Hierfür eignen sich insbesondere Segelclubs und Vereine wie auch ein Gespräch mit Bootseignern beim Spaziergang in der Marina. Segler sind oft sehr gesprächig und reden gern über ihre Boote. Hat man Glück, wird man vielleicht sogar zu einem Probetörn eingeladen. Auf diese Weise sammelt man immer mehr unterschiedliche Erfahrungen, die hilfreich sind, um die persönlichen Vorlieben bzw. das individuell zu einem passende Boot zu finden.

Muss ich viel lernen, um mit dem eigenen Schiff auf Fahrt zu gehen?

Die komplexen Kompetenzen, die nötig sind, um dem eigenen Schiff gerecht zu werden, entwickeln sich langsam aus der Summe der über die Jahre gemachten Erfahrungen – und eigenen Fehler! – sowie des theoretisch angeeigneten Wissens aus Büchern, Seminaren und Kursen.

Fahrtensegeln ist vielschichtig, grenzenverschiebend und ein fortlaufender Prozess, in dem man stetig dazulernt. Mit anderen Worten: Es wird nie langweilig!

So ist beispielsweise die Beurteilung des Wetters Erfahrungssache. Für den einen mag ein Gegenankreuzen bei 1,5 m Welle und 15 kn wahrem Wind schon abenteuerlich sein, während es dem Erfahrenen höchstens unbequem erscheinen mag.

Es gibt viele Tricks, sich aus einer ungünstigen Situation herauszuhelfen, sei es ab- oder beizudrehen, zu reffen oder schlicht in den Hafen zurückzukehren und das nächste Mal den Wettercheck genauer durchzuführen. Hauptsache, alle an Bord haben Spaß und keine Angst!

Beim Fahrtensegeln geht es nämlich gerade nicht um die Maximierung der Meilen oder der Geschwindigkeit. Vielmehr geht es um Entdeckung, Freude an der Natur und am Reisen sowie um den Mut, als Skipper unbekannte Häfen und Reviere anzulaufen und gegebenenfalls auch ursprüngliche Pläne zu verändern.

Das Können muss nicht perfekt sein, das Wissen nicht allumfänglich. Man braucht auch keinen fetten Geldbeutel, um sich ein Boot zu kaufen, denn streng genommen gibt es für jedes Budget ein Boot. Es geht generell beim Segeln, ganz besonders aber beim Fahrtensegeln, in erster Linie darum, seine eigenen Möglichkeiten und Grenzen zu erkennen und verantwortungsbewusst zu handeln.

Reicht es, nur dieses Buch zu lesen?

Dieses Buch soll eine Übersicht über relevante Aspekte des Reisens mit einem Schiff vermitteln: vereinfacht, praxisnah und verkürzt dargestellt.

Wenn der Wunsch nach Vertiefung in die verschiedenen Themenbereiche ausgelöst werden sollte, gibt es viele gute und spannende Bücher über Navigation, Technik, Bootspflege, Kochen, Crewmanagement oder einfach nur das Segeln an sich.

Dieses Buch ist in der chronologischen Reihenfolge geschrieben, in der man einen Fahrtensegeltörn angehen würde: Nach der Revier- und Bootswahl wird das Boot ausgerüstet. Der Törn wird geplant und vorbereitet, bevor es dann schließlich zum eigentlichen Segeln geht – von Hafenmanövern über Segeltrimmen bis hin zum Ankermanöver. Das Buch gibt damit eine gute Übersicht über relevante Aspekte und Kompetenzen, die notwendig sind, um auf einen Fahrtentörn gehen zu können.

Durch den Aufbau des Buches im FAQ-Stil ist es nicht zwingend notwendig, das gesamte Buch auf einmal zu lesen, sondern es ist ebenso zum Querlesen oder auch Auffrischen wesentlicher Aspekte vor der neuen Segelsaison geeignet. Darüber hinaus helfen Infokästen und Eselsbrücken dem Segler, wesentliche Informationen auf einen Blick parat zu haben. Tipps und Hinweise auf typische Fehlerquellen zeigen hilfreiche Bewältigungsmöglichkeiten und warnen vor Fallen, um möglichst stressfrei zu segeln.

In diesem Buch werden an einigen Stellen englische Ausdrücke verwendet. Der pragmatische Hintergrund hierfür ist, dass viele Segler – insbesondere solche, die in Gezeitengewässern segeln – einen englischsprachigen Almanach oder Revierführer benutzen möchten. Dazu ist es hilfreich, bereits mit den wichtigsten englischen Begriffen vertraut zu sein.

Und nun: Leinen los!

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1 An dieser Stelle soll noch darauf hingewiesen werden, dass dies selbstverständlich ein Unisex-Buch ist. Wenn von »dem Skipper« oder »dem Segler« die Rede ist, ist natürlich auch jedes andere Geschlecht damit gemeint.

Praxisguide Fahrtensegeln

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