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Prolog

Ein Blitz erleuchtet den Nachthimmel. Kaum zwei Sekunden später erreicht der Donner meine kleine Hütte, die das draußen tobende Unwetter tapfer auf Abstand hält. Seit Stunden bereits prasselt der Regen in peitschenden Böen auf das Dach, und ich habe Sorge, dass das eindeutig baufällige Gebälk dem Wolkenbruch nicht mehr lange standhalten kann. Unsere Insel schlägt sich wacker gegen die riesigen Brecher, mit denen der Ozean wohl seinen geballten Zorn an der Felsenküste auslassen will. Und doch klingt jedes neue Krachen der Wellen, als würden die Klippen dem Druck nachgeben und in tausend Stücke zerbersten.

Die kleine Kerze, die mir Torodagh gegeben hat, spendet genug Licht, sodass ich trotz der Finsternis dort draußen die Gedanken aufschreiben kann, die mir unablässig durch den Kopf rasen. Ich muss an eine Nacht ganz ähnlich der jetzigen denken. Eine Nacht, in der ich nahe der Westküste unterwegs war, nur den anhaltenden Regen verfluchte und noch nicht ahnte, wie sich von da an das mir bekannte Leben langsam verändern würde. Ich sehe es vor mir, als sei es gestern gewesen, wie ich – im Glauben, unser Land sei auf ewig oder zumindest noch für lange Zeit gefestigt – meinen bescheidenen Teil dazu beitrug.

115 Jahre dauerte der Frieden im Reich der Mitte bereits an. Eine lange Zeit, gerade wenn man die unruhigen Jahrhunderte zuvor bedenkt. Seit der für alle zukünftigen Generationen so entscheidenden letzten Schlacht zwischen Tiranen und Menschen hatte sich ein Leben in Koexistenz gebildet, von dem die Älteren damals nicht einmal zu träumen gewagt hatten.

Meine Großmutter erzählte uns noch bis zu ihrem Tod, wie viel Glück wir hatten, in dieses Paradies hineingeboren worden zu sein. Und das wir Tiranen uns dieses Privilegs stets besonders bewusst sein sollten, es nie vergessen und immer dafür einstehen sollten. Häufig tat sie dies mit einem leicht vorwurfsvollen Blick in Richtung meines Vaters. Das zurückgezogene Leben eines Getreidebauern, das sich ihr Sohn ausgesucht hatte, schien nicht direkt ihrer Vorstellung von 'In die großen Fußstapfen ihres Mannes treten' zu entsprechen.

Nach dem geschlossenen Frieden kam der große Aufschwung, und als ich geboren wurde, war aus dem Mittelreich bereits lange ein stabiler Staat geworden, der feste Grenzen besaß und eine innere Struktur aufgebaut hatte. Die gesetzestreuen Bürger hatten die Möglichkeit, sich ein eigenes Leben aufzubauen und konnten sich in ihrem geschaffenen Umfeld sicher fühlen.

Mit vereinten Kräften hatte das Reich der Mitte somit noch jede Krise über dieses Jahrhundert hinweg bewältigen können.

Ich sollte allerdings bald lernen, dass der lange Frieden nicht nur ein großes, sondern mit fortschreitender Zeit auch ein immer zerbrechlicher werdendes Privileg war.

Die Schatten von Mernor

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