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SCHÖNHEIT

Villes-sur-Auzon (Vaucluse, Frankreich) – Ich parke das Auto im wenig überzeugenden Schatten einer jungen Platane. Die Sonne funkelt in den Speichen, als ich mit meinem Rad vom Parkplatz rolle.

Die Auffahrt zum Col des Abeilles ist angenehm. Elf Kilometer guter Asphalt, gleichmäßige Steigung, kaum Verkehr. Ich klettere entspannt. Die Sonne brennt auf meinen triefnassen Körper herab. Der Straßenrand ist voller Blüten, meist in kleinen Sträußchen zusammen. Rosa, weiß, lila, gelb. Links und rechts Wälder in allen Grüntönen. Nur das leise Surren der neuen Kette, die über ebenso neue Zahnräder gleitet.

An der Kreuzung in der Nähe des Cols taucht ein Radfahrer im Mercatone-Uno-Outfit auf. Er nickt mir stumm zu, macht kehrt und fährt auf dem Weg zurück, den er gekommen ist. Die Reinheit des Sinnlosen.

Ich lasse Sault links liegen und fahre zum Belvédère du Castelleras hinauf. Verträumt liegt er in der Hitze; zum Glück ist keine Menschenseele da. Der Friede vergangener Zeiten.

Ich trinke etwas und beginne die Abfahrt durch die Gorges de la Nesque. Ich muss nicht treten, lasse einfach der Form halber meine Beine ein wenig mitdrehen. 30, 32 km/h, ich habe es nicht eilig, muss keine Bestzeit aufstellen.

Ich passiere die Chapelle Saint-Michel-de-Anesca, die Opferstätte aus dem 12. Jahrhundert tief unter mir. Noch immer folgen jedes Jahr Tausende provenzalischer Pilger ihrem Herzen und steigen den gefährlich schmalen und steilen Pfad hinunter zum Grund der Schlucht. Der Gott vergangener Jahrhunderte der Gott von heute. Ich höre Wasser plätschern; es ist noch früh in der Saison, die Nesque wurde noch nicht von ihrem Kalksteinbett aufgesogen.

In gemütlichen Schleifen schlängelt sich die Straße ins Tal. Je tiefer ich komme, desto schwüler wird der Wind. Le relais de Fayol, ein alter Rastplatz für müde Pferde und Reiter, scheint sich mit letzten Kräften an die Felswand zu klammern. Aus verschwundenen Fenstern und Dächern wachsen Kiefern und Eichen und Wolken aus Geißblatt. Düfte vermischen sich mit Farben und dem warmen Wind. Die Aussicht auf das, was hinter mir liegt, ist beruhigend, atemberaubend, himmlisch schön. Wenn es einen Schöpfer der Schönheit gibt, dann tut er heute alles, um seine Existenz zu beweisen.

Villes-sur-Auzon. Die Stadt döst vor sich hin. Das Auto steht nun direkt in der Sonne. Ich klicke meine Schuhe aus den Pedalen.

Aus: Willem Janssen Steenberg, Voor eigen parochie – Columns 2003–2011

Der kahle Berg

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