Читать книгу Der kahle Berg - Lex Reurings - Страница 13

Оглавление

DER MONT VENTOUX IN GROSSEN RADRENNEN

»Aber ich habe noch nicht den schlimmsten Killer erwähnt: den Riesen der Provence, den schrecklichen Mont Ventoux. Ein gruseliger Bastard in einem schönen Land und blanker Wahnsinn für die Fahrer. Die Sadisten hatten sich diesen schrecklichen Mont Ventoux ganz bis zum Schluss aufgehoben. Fast wie ein dämonisches Dessert oder ein unappetitliches Sorbet, bevor es für die müden Helden nach Paris geht.«

– Jos Vandeloo, De beklimming van de Mont Ventoux

1882 wird Bedoin direkt mit dem Gipfel des Ventoux verbunden: Die Straße vom Tal hinauf zu der Stelle, an der das Observatorium entstehen soll, wird fertiggestellt. Adolphe Benoît aus Marseille riecht seine Chance: Er will der erste Radsportler in der Geschichte sein, der den Mont Ventoux mit dem Fahrrad bezwingt. Nach seinem erfolgreichen Unterfangen fordert er andere Radfahrer heraus, es ihm gleichzutun, und legt damit den Grundstein für den historischen Radsport an den Flanken des Ventoux.8 Der Erste, der sich dem Kampf stellt, ist Paul de Vivie aus Saint-Étienne, der berühmte Pionier des Radtourenfahrens. Vélocio, wie er auch genannt wird, benötigt 1903 für die rund 21 Kilometer eine Fahrzeit von 2:32 Stunden und ist damit drei Minuten schneller als Benoît.

Schon bald kommt die Idee auf, auf der Strecke einen offiziellen Wettbewerb zu organisieren. 1908 wird der Marathon du Ventoux aus der Taufe gehoben: 27 Läufer und 40 Radfahrer nehmen die Herausforderung an. Der erste Sieger unter den Läufern ist Alfred Joyerot, der die 36 Kilometer zwischen Carpentras und dem Observatorium in 4:20 Stunden zurücklegt. Der schnellste Radfahrer ist Jacques Gabriel, der für diese Strecke 2:29 Stunden benötigt. Er tritt dabei eine Übersetzung von fünf Metern pro Kurbelumdrehung

Der Marathon du Ventoux erweist sich jedoch als so schwer, dass sich erst 1922 wieder genügend Teilnehmer für eine zweite Austragung einschreiben. Danach ruht das Rennen jahrzehntelang.

Am 14. September 1974 gibt die Leichtathletikvereinigung l’Union Sault/Apt-Luberon/Ventoux den Startschuss für die nächste Auflage. Pierre Liardet legt die 26 Kilometer am schnellsten zurück: in 1:39:09 Stunde.

Ende der 1980er Jahre findet man einen etwas moderateren Ansatz: 1987 organisiert die Gemeinde Bedoin den ersten Halbmarathon auf den Berg. Das bedeutet 21,6 Kilometer Laufen von Bedoin hinauf zum Gipfel des Mont Ventoux. In den Jahren 1988 und 1989 gibt es zwei weitere Auflagen der Veranstaltung. Bei der letzten Austragung stellt Aimé Arnaud mit 1:35:57 Stunde einen Streckenrekord auf. Danach schläft das Event ein.

Mehr als zwei Jahrzehnte später beginnen fünf Teilnehmer aus der guten alten Zeit, der Veranstaltung neues Leben einzuhauchen, und 2011 wird ein weiterer Berglauf-Halbmarathon mit Ziel auf dem Ventoux organisiert. Die Initiative findet begeisterten Anklang und auch 2012 drängen sich erneut viele Teilnehmer an der Startlinie.

Das neue Konzept scheint aufzugehen, denn es folgen jährlich weitere Austragungen. Am 31. Juli 2016 begrüßen die Organisatoren, der Fußballverein Racing Club Bedoin, die Gemeinde Bedoin, der Carrefour-Supermarkt in Bedoin und Marathonien Sport in Marseille, immerhin 700 Athleten zum sechsten »Semimarathon Mont Ventoux«, wie der course pedestre über 21,6 Kilometer und 1.610 Höhenmeter seit 2013 heißt. Angesichts dieser Zahlen fürchten die Macher offensichtlich, dass ihnen die Veranstaltung über den Kopf wachsen könnte, denn seit der Ausgabe im Jahr 2017 sind maximal 600 Teilnehmer zugelassen.

Auch wenn Radrennveranstalter im Allgemein der Auffassung sind, dass die Bezwingung des Ventoux den Fahrern zu viel abverlangt, hat sich der Berg im Laufe der Jahre zur besonderen Note vieler Rennen entwickelt.

Das erste echte Radrennen, das den Ventoux ansteuert, ist 1935 der Circuit du Mont Ventoux, und seitdem schicken die Organisatoren u.a. der Tour du Vaucluse, der Dauphiné Libéré, von Paris–Nizza und natürlich der Tour de France ihre Fahrer mit großer Regelmäßigkeit nach oben.

Mont Ventoux Dénivelé Challenges und Tour de la Provence

Die Mont Ventoux Dénivelé Challenges ist ein Radrennen für Profis, das erstmals im Jahr 2019 ausgetragen wird. Die Fahrer starten in Vaison-la-Romaine und vor allem die Kletterer können ihre Qualitäten ausspielen. Insgesamt sind acht Anstiege in den Parcours aufgenommen worden, darunter der Col des Aires (3 km mit einer durchschnittlichen Steigung von 5,4 %) und der Col de l’Homme Mort (11,6 km à 4,9 %). Schlussstück ist natürlich der legendäre Mont Ventoux (21 km à 7,7 %). Der Radsportweltverband hat das Rennen in die UCI Europe Tour aufgenommen und in die Kategorie 1.1 eingestuft. Die erste Austragung kann der Spanier Jesús Herrada (Cofidis) für sich entscheiden. Die zweite Ausgabe ist ursprünglich für Montag, den 8. Juni 2020, terminiert, muss jedoch im Zuge der Corona-Pandemie um vorläufig zwei Monate nach hinten verschoben werden.

Sieger der Mont Ventoux Dénivelé Challenges

2019von Vaison-la-Romaine:Jesús Herrada

Seit 2016 organisiert die Zeitung La Provence die Tour de la Provence. Bis 2019 ist das Rennen Teil der UCI Europe Tour und dort in der Kategorie 2.1 eingestuft. Im Jahr 2020 wird die Veranstaltung in die UCI ProSeries aufgenommen, die zweithöchste Rennserie im internationalen Radrennsport. Die Tour de la Provence ist ein Etappenrennen, das im Februar in der durchaus gebirgigen Region Provence-Alpes-Côte d’Azur ausgetragen wird. Im Starterfeld sind vor allem französische Teams gut vertreten; sie betrachten das Rennen als gute Vorbereitung auf Paris–Nizza im März.

2016 holt der Franzose Thomas Voeckler den ersten Platz im Gesamtklassement. Die Sieger der weiteren Austragungen sind der Australier Rohan Dennis (2017), der Franzose Alexandre Geniez (2018) und der Spanier Gorka Izagirre (2019).

Bei der fünften Ausgabe der Tour de la Provence im Jahr 2020 endet am Samstag, dem 15. Februar, die 138 Kilometer lange dritte Etappe mit Start in Istres auf dem Mont Ventoux. Nicht oben auf dem Gipfel, aber immerhin beim Chalet Reynard. Gewonnen wird die Etappe durch Nairo Quintana (Arkéa-Samsic). Der Kolumbianer fährt die letzten Kilometer als Solist ins Ziel. Damit gelingt ihm ein Doppelschlag, denn mit seinem Etappensieg übernimmt er auch die Führung in der Gesamtwertung; diese gibt er auch auf der Schlussetappe am folgenden Tag nicht mehr ab.

Sieger von Etappen der Tour de la Provence mit Ziel am Mont Ventoux

2020von Istres (bis Chalet Reynard):Nairo Quintana

Paris–Nizza

Die Fernfahrt Paris–Nizza, gern auch »Fahrt zur Sonne« genannt, ist das erste wichtige Etappenrennen im Frühjahr. Die erste Ausgabe findet 1933 statt. Seit 2002 organisiert die ASO das Rennen. Im Jahr 2008 verschärft der Niederländer Robert Gesink im Schlussanstieg nach Mont Serein, dem Skigebiet an der Nordseite des Ventoux, in beindruckender Manier das Tempo. Nur Cadel Evans kann seinem Antritt folgen. Der Australier gewinnt schließlich die Etappe, aber Gesink übernimmt das Gelbe Trikot.

2016 steht der Ventoux bereits früh auf der 198 Kilometer langen Etappe von Saint-Paul-Trois-Châteaux nach Salon-de-Provence auf dem Programm. Die Strecke führt hinauf bis zum Chalet Reynard, dort biegen die Fahrer dann rechts in Richtung Sault ab. Etappensieger wird Alexei Lutsenko.

Sieger von Paris–Nizza-Etappen mit Ankunft auf dem Mont Ventoux

1984von Orange:Eric Caritoux
1986von Rouret (bis Chalet Reynard):Eric Van Lancker
1987von Saint-Étienne (bis Chalet Reynard):Sean Kelly
2008von Montélimar (bis Mont Serein):Cadel Evans

Dauphiné Libéré

Am 12. Juni 1947 fällt in Grenoble der Startschuss für die erste Dauphiné Libéré, so etwas wie eine Mini-Ausgabe der Tour de France. Sechzig Fahrer gehen bei dem viertägigen Etappenrennen durch den Südosten Frankreichs an den Start. Sie haben etwa 950 Kilometer vor sich, aufgeteilt auf fünf Etappen. Erster Sieger wird der gebürtige Pole Edouard Klabinski.

Zwei Jahre später wird der Mont Ventoux auf der Etappe Gap–Avignon erstmals in den Streckenplan der Dauphiné aufgenommen. In den folgenden Jahren soll der Berg noch viele Male die Rolle des Scharfrichters übernehmen.

Ist bereits der Amerikaner Jonathan Vaughters bei der Dauphiné 1999 sehr schnell am Mont Ventoux unterwegs (56:50 Minuten), so ist es dann doch dem Spanier Iban Mayo vorbehalten, am 10. Juni 2004 bei der Dauphiné Libéré die bis heute gültige Bestzeit für einen Radfahrer zwischen Bedoin und dem Gipfel aufzustellen: Beim Zeitfahren Bedoin–Mont Ventoux benötigt er 55:51 Minuten für die Strecke.

Seit 2010 heißt die mehrtägige Rundfahrt offiziell Critérium du Dauphiné.

Sieger von Dauphiné-Etappen mit Ankunft auf dem Mont Ventoux

1996von Tain l’Hermitage:Richard Virenque
1998von Vals-les-Bains:José María Jiménez
1999von Bedoin:Jonathan Vaughters
2000von Romans-sur-Isère:Tyler Hamilton
2002von Tournon-sur-Rhône:Denis Menschow
2004von Bedoin:Iban Mayo
2005von Tournon-sur-Rhône:Alexander Winokurow
2006von Tain l’Hermitage:Denis Menschow
2007von Hauterives:Christophe Moreau
2009von Valence:Sylwester Szmyd

Tour de France

Vor mehr als einem Jahrhundert, im Jahr 1903, geht die erste Ausgabe der Tour de France über die Bühne und es ist auch schon fast 70 Jahre her, dass – am 22. Juli 1951 – die Tour-Direktion die Fahrer zum ersten Mal über den Mont Ventoux schickt. Das geschieht auf der 17. Etappe, die über 224 Kilometer von Montpellier nach Avignon führt. Der Berg wird damals von der Nordseite in Angriff genommen. Der Franzose Lucien Lazaridès passiert als Erster den Gipfel. Sein Landsmann Louison Bobet gewinnt die Etappe.

Ein Jahr später findet sich der Ventoux erneut im Streckenplan wieder, aber diesmal steht die Südseite auf dem Programm. Die Fahrer starten in Aix-en-Provence, das Etappenziel befindet sich erneut in Avignon. Der französische Ausnahmekletterer Jean Robic ist als Erster oben und gewinnt die Etappe, dahinter kommt Gino Bartali, im Jahr zuvor bereits Dritter in Avignon, auf Platz zwei.

1955 beweist der Ventoux, dass man ihn nicht auf die leichte Schulter nehmen darf. Auf der Etappe von Marseille nach Avignon fallen der Franzose Jean Mallejac (Zweiter der Gesamtwertung 1953) und der Belgier Richard Van Genechten im Anstieg zum Ventoux taumelnd vom Rad. Den offiziellen Berichten zufolge hat Mallejac einen Sonnenstich erlitten. Im Krankenhaus kämpft er um sein Leben und seine Radsportkarriere ist vorbei. Auch Van Genechten geht es sehr schlecht.

Der Schweizer Ferdy Kübler und der Franzose Raphaël Géminiani fahren den Berg in mörderischem Tempo hinauf. Zu Beginn des Anstiegs hat das Duo einen Vorsprung von einer Minute und 15 Sekunden. In der Mondlandschaft bricht Kübler jedoch komplett ein und büßt viele Minuten auf Bobet an, der als Erster den Gipfel überquert, die Etappe und auch die Tour jenes Jahres gewinnt. Kübler gibt das Rennen auf.

Zur ersten Bergankunft kommt es 1958. Es ist der 13. Juli, am Ventoux herrschen fast vierzig Grad Celsius, die Tour-Direktion hat ein Zeitfahren von Bedoin aus angesetzt. Der Sieger Charly Gaul aus Luxemburg fährt eine beeindruckende Zeit: eine Stunde, zwei Minuten und neun Sekunden.

1965 endet erstmals eine »richtige« Etappe auf dem Ventoux. Der Start erfolgt in Montpellier. In Bedoin ist das Peloton noch zusammen. Zehn Kilometer vor dem Gipfel greift Poulidor an. Nur Julio Jiménez kann ihm folgen. Nach einem spannenden Kampf, in dem sich die beiden keinen Millimeter schenken, tritt »Poupou« am Col des Tempêtes an und gewinnt die Etappe mit sechs Sekunden Vorsprung vor Jiménez. Den Tour-Sieg holt sich der Italiener Felice Gimondi.

Zwei Jahre später. An einem glühend heißen 13. Juli 1967 trägt sich eines der größten Dramen in der Geschichte der Tour de France zu. Nachdem Bedoin passiert ist, liegen zwei Fahrer an der Spitze des Rennens: der Kletterspezialist Jiménez und – erneut – Poulidor. Poulidor muss Jiménez jedoch ziehen lassen, und die Verfolgergruppe dahinter, in der auch der Engländer Tom Simpson fährt, fällt am Chalet Reynard auseinander. Einer nach dem anderen muss abreißen lassen und auch Simpson kann nicht mehr. Rund zwei Kilometer vor dem Gipfel beginnt er Schlangenlinien zu fahren und fällt schließlich vom Rad. Trotz schneller medizinischer Hilfe stirbt er auf dem Weg ins Krankenhaus – siehe 13. Juli 1967 in: Major Tom, S. 62.

Jiménez ist der Erste, der den Gipfel überquert, gefolgt von Gimondi und Jan Janssen mit einer Minute und zehn Sekunden Rückstand. Janssen gewinnt die Etappe in Carpentras; er ahnt zu diesem Zeitpunkt noch nicht, welches Drama sich hinter ihm abgespielt hat.

1970. Das Peloton bleibt bis zum Fuße des Schlussanstiegs zusammen, aber dann startet Eddy Merckx, der bereits im Gelben Trikot fährt, ein beeindruckendes Solo. Drei Kilometer vor dem Gipfel scheint er jedoch außer Puste zu sein; seine Verfolger holen auf. Merckx schafft es noch, am Denkmal für Simpson seine Rennmütze zu lupfen und sich zu bekreuzigen. Völlig erschöpft erreicht er die Ziellinie oben auf dem Gipfel. Im Ziel muss er lange Zeit mit zusätzlichem Sauerstoff versorgt werden, ebenso wie der Etappenzweite Martin Van Den Bossche.

In der niederländischen TV-Dokumentation De magie van de Mont Ventoux, die am 19. Juli 2009 in der Sendereihe Andere Tijden Sport auf NOS ausgestrahlt wird, sagt Eddy Merckx: »Ein bisschen Theater, ein bisschen übertrieben… Ja, es war größtenteils gespielt. Keine Frage, ja. Jeder wollte einen Kommentar von einem und es hörte und hörte einfach nicht auf. Nach einer Weile hast du es einfach satt, und dann passiert so etwas… Ja, ich denke, es war ganz klug, weil die anderen Jungs erst eine dreiviertel oder eine Stunde später im Hotel waren.« Merckx habe den Zusammenbruch nach seinem Bekunden also lediglich vorgetäuscht, um auf diese Weise mit dem Krankenwagen schnell ins Hotel zu kommen.

1972 endet die Etappe erneut am 13. Juli auf dem Mont Ventoux, aber diesmal fährt das Feld von Malaucène aus hoch zum Gipfel. Eddy Merckx – im Gelben Trikot – und Luis Ocaña sind die Favoriten. Ocaña versucht, Merckx abzuschütteln, aber Merckx bleibt hartnäckig dran. Dann kommt plötzlich der Franzose Bernard Thévenet von hinten angestürmt und zieht vorbei. Er erreicht das Ziel 34 Sekunden vor Merckx, der seinerseits knapp vor Ocaña bleiben kann.

Bei der Tour 1974 wird der Ventoux zum ersten Mal von seiner Ostseite aus bezwungen. Merckx fährt erneut in Gelb. Der Spanier Gonzalo Aja passiert als Erster den Gipfel, 17 Sekunden dahinter folgt Poulidor. Das Ziel ist jedoch noch weit entfernt und so spielt der Ventoux keine große Rolle für den Ausgang der Etappe.

Erst dreizehn Jahre später wird der Riese der Provence erneut angesteuert und zwar diesmal wieder, wie 1958, in einem Einzelzeitfahren. Die Etappe startet in Carpentras und folgt der gleichen Route, die bereits der Marathon du Ventoux 1908 nahm. Damals betrug die Siegerzeit 2:29 Stunden. 1987 erreicht der junge Franzose Jean-François Bernard den Gipfel in 1:19:44 Stunde und übernimmt mit seinem Etappensieg das Gelbe Trikot. Am nächsten Tag muss er es jedoch an den späteren Toursieger Stephen Roche abgeben.

1994 liegt der Italiener Eros Poli – ein Baum von einem Kerl – am Fuße des Ventoux stolze 16:10 Minuten vor dem ersten Verfolger, dem Franzosen Mario Mantovan. Bei Kilometer sechs des Anstiegs greift Marco Pantani an. In der Nähe des Chalet Reynard verschärft Miguel Indurain im Gelben Trikot das Tempo. Poli leidet schrecklich im Glutofen der Mondlandschaft, aber trotzdem kommt niemand mehr an ihn heran. Er erreicht den Gipfel mehr als viereinhalb Minuten vor Pantani und ist auch der Erste, der in Carpentras über den Zielstrich fährt. Indurain gewinnt die Tour.

2000: Carpentras–Mont Ventoux. Zehn Kilometer vor dem Ziel liegen sechs Männer an der Spitze, darunter Lance Armstrong, Jan Ullrich und Richard Virenque. Dicht auf den Fersen ist ihnen Marco Pantani, der am »Gummiband« hängt. Ullrich führt die Gruppe bis zum Chalet Reynard, wo Pantani wieder Anschluss findet. Einen Kilometer weiter attackiert Pantani und löst sich von der Gruppe. Zweieinhalb Kilometer vor dem Ziel greift Armstrong wütend an und holt Pantani ein. Rad an Rad fahren sie die letzten Kilometer und Armstrong lässt Pantani auf dem Zielstrich den Vortritt.

2002: Kurz nach dem Start des Rennens bildet sich eine Spitzengruppe, die den ganzen Tag vorne bleibt. Am Fuße des Ventoux haben fünf Fahrer, darunter Richard Virenque, einen großen Vorsprung auf das Peloton mit Lance Armstrong im Gelben Trikot. Elf Kilometer vor dem Gipfel überholt Virenque den Ausreißer Alexander Botscharow. Sein Vorsprung auf die Armstrong-Gruppe beträgt rund fünf Minuten. Armstrong attackiert noch aus der Gruppe heraus, kann Virenques Sieg aber nicht mehr gefährden. Botscharow wird mit 1:58 Minute Rückstand Zweiter, Armstrong als Dritter liegt 2:20 Minuten zurück.

2009: Der Mont Ventoux steht wieder im Etappenplan der Tour und das auf ganz besondere Weise! Nie zuvor hat es am Tag vor dem Finale in Paris eine Ankunft auf dem kahlen Berg gegeben. Die 20. Etappe führt über 167 Kilometer von Montélimar zum Gipfel des Ventoux. Juan Manuel Gárate beschert dem Team Rabobank endlich den ersehnten Erfolg, indem er als Erster das Ziel am Observatorium erreicht. Der Spanier ist im Sprint seinem Fluchtgenossen Tony Martin überlegen.

2013: Die Tour de France findet zum 100. Mal statt und natürlich kann man den Ventoux bei einem solchen Anlass nicht ignorieren. Bereits zum 15. Mal ist die Tour am Mont Ventoux zu Gast und zum neunten Mal befindet sich das Ziel oben auf dem Gipfel. Nach einem unglaublichen Antritt in der Mondlandschaft kommt Chris Froome als Erster allein über den Zielstrich.

2016: Am 14. Juli stehen die Fahrer in Montpellier wieder mit flauem Gefühl im Bauch am Start. Das Ziel der zwölften Etappe liegt 185 Kilometer entfernt am Fuße des weißen Turms.

Dies ist das bisher letzte Mal, dass der kahle Berg in den Streckenplan der Tour de France aufgenommen wurde, und es wird vielen Radsportfreunden noch lange in Erinnerung bleiben, denn 2016 wird hier wieder einmal wahrlich Geschichte geschrieben. Bislang wurden stets der Mont Ventoux und Tommy Simpson in einem Atemzug genannt, von nun an kommen der Mont Ventoux und Christopher Froome hinzu.

Zunächst einmal zwingt der heftige Wind die Tour-Direktion, den Zielstrich weiter nach unten zum Chalet Reynard zu verlegen, aber was auf den letzten Kilometern bis zum neuen Ziel passiert, macht diese Etappe absolut legendär.

Der Niederländer Bauke Mollema fährt zusammen mit Chris Froome und Richie Porte vor einer Gruppe, in der unter anderem Nairo Quintana sitzt. Entlang der Strecke steht eine riesige Zuschauermenge und es gibt keine Absperrgitter, die sie zurückhält. Zwischen den Menschen auf beiden Seiten der Straße ist kaum Platz für die Fahrer. Und das Unvermeidliche geschieht: Porte kracht hinten auf ein Begleitmotorrad, das plötzlich bremsen muss, wahrscheinlich weil die Straße von einem oder mehreren Fans blockiert wird. Porte und Mollema stürzen, können aber ihre Räder rasch aus dem Gewirr befreien und weiterfahren.

Froome wird ebenfalls durch den Vorfall aufgehalten, doch er hat das Pech, dass sein Rad nach der Kollision nicht mehr fahrtüchtig ist. In Panik beschließt der Mann in Gelb, zu Fuß weiterzulaufen; es dauert dann ewig, bis er endlich ein (neutrales) Ersatzrad bekommt. Das ist jedoch zu klein für ihn und es hat auch nicht die richtigen Pedale. Erst viel später kann Froome mit einem Ersatzrad vom eigenen Team weiterfahren.

Etappensieger wird Thomas De Gendt, gefolgt von einem weiteren Belgier: Serge Pauwels. Als Dritter überquert der Spanier Daniel Navarro die Ziellinie.

Nach Ende der turbulenten Etappe führt Froomes »Spaziergang« noch zu heftigen Diskussionen: Müsste man ihn nicht eigentlich disqualifizieren; schließlich wird von den Teilnehmern der Tour doch erwartet, dass sie das ganze Rennen auf ihren Rädern bestreiten? Glücklicherweise setzt sich der gesunde Menschenverstand durch und das Gelbe Trikot ruht beim Start am nächsten Tag auf denselben Schultern.

Alle Ventoux-Etappen bei der Tour de France

195117. Etappe Montpellier–Avignon (224 km)1. Louison Bobet (Fra) 2. Pierre Barbotin (Fra) 3. Gino Bartali (Ita) Nordseite | Überquerung | Erster am Gipfel: Lucien Lazaridès (Fra)
195214. Etappe Aix-en-Provence–Avignon (178 km)1. Jean Robic (Fra) 2. Gino Bartali (Ita) 3. Raphaël Géminiani (Fra) Südseite | Überquerung | Erster am Gipfel: Jean Robic
195511. Etappe Marseille–Avignon (198 km)1. Louison Bobet (Fra) 2. Jan Brankart (Bel) 3. Pasquale Fornara (Ita) Südseite | Überquerung | Erster am Gipfel: Louison Bobet
195818. Etappe Bedoin–Mont Ventoux (21,5 km Einzelzeitfahren)1. Charly Gaul (Lux) 2. Federico Bahamontes (Spa) 3. Jean Dotto (Fra) Südseite | Zielankunft
196514. Etappe Montpellier–Mont Ventoux (173 km)1. Raymond Poulidor (Fra) 2. Julio Jiménez (Spa) 3. Henri Anglade (Fra) Südseite | Zielankunft
196713. Etappe Marseille–Carpentras (211,5 km)1. Jan Janssen (Ned) 2. Felice Gimondi (Ita) 3. Roger Pingeon (Fra) Südseite | Überquerung | Erster am Gipfel: Julio Jiménez (Spa)
197014. Etappe Gap–Mont Ventoux (170 km)1. Eddy Merckx (Bel) 2. Martin Van Den Bossche (Bel) 3. Lucien Van Impe (Bel) Südseite | Zielankunft
197211. Etappe Carnon-Plage–Mont Ventoux (207 km)1. Bernard Thévenet (Fra) 2. Eddy Merckx (Bel) 3. Luis Ocaña (Spa) Nordseite | Zielankunft
197412. Etappe Savines-le-Lac–Orange (231 km)1. Jos Spruyt (Bel) 2. Fedor den Hertog (Ned) 3. Ward Janssens (Bel) Ostseite | Überquerung | Erster am Gipfel: Gonzalo Aįa (Spa)
198718. Etappe Carpentras–Mont Ventoux (36,5 km Einzelzeitfahren)1. Jean-François Bernard (Fra) 2. Luis Herrera (Kol) 3. Pedro Delgado (Spa) Südseite | Zielankunft
199415. Etappe Montpellier–Carpentras (231 km)1. Eros Poli (Ita) 2. Alberto Elli (Ita) 3. Pascal Lino (Fra) Südseite | Überquerung | Erster am Gipfel: Eros Poli
200012. Etappe Carpentras–Mont Ventoux (149 km)1. Marco Pantani (Ita) 2. Lance Armstrong (Usa) 3. Joseba Beloki (Spa) Südseite | Zielankunft
200214. Etappe Lodève–Mont Ventoux (221 km)1. Richard Virenque (Fra) 2. Alexander Botscharow (Rus) 3. Lance Armstrong (Usa) Südseite | Zielankunft
200920. Etappe Montélimar–Mont Ventoux (167 km)1. Juan Manuel Gárate (Spa) 2. Tony Martin (Deu) 3. Andy Schleck (Lux) Südseite | Zielankunft
201315. Etappe Givors–Mont Ventoux (242 km)1. Chris Froome (Gbr) 2. Nairo Quintana (Kol) 3. Mikel Nieve (Spa) Südseite | Zielankunft
201612. Etappe Montpellier–Mont Ventoux(179 km; Zielankunft verlegt zum Chalet Reynard)1. Thomas De Gendt (Bel) 2. Serge Pauwels (Bel) 3. Daniel Navarro (Spa) Südseite | Zielankunft Chalet Reynard



DER GIPFEL

Der Gipfel des Mont Ventoux aus der Vogelperspektive mit Blick in Richtung Nordwesten (oberes Bild) und aus der Drohnenperspektive mit dem »weißen Turm« und den angrenzenden Gebäuden des Observatoriums am oberen Bildrand und direkt darunter dem kleinen asphaltierten Gipfel- und Aussichtsplateau, wo sich für alle die Ziellinie des Anstiegs befindet (unteres Bild). Beide Aufnahmen entstanden während des Santini Gran Fondo Mont Ventoux – deshalb das zusätzliche Zielbanner


Linke Spalte: Worum es letztlich geht…

Das Gipfelschild gibt seit 2017 die Höhe des Mont Ventoux mit 1.909 Metern an.

Rechte Spalte: Das Observatorium, das auch dank seiner »Mondrakete« hohen Wiedererkennungswert hat (oben), das oft arg rummelige Treiben auf dem Gipfelplateau (Mitte) und der Hilfssender (»der braune Turm«) knapp hundert Meter weiter nördlich (unten).


DER GIPFEL UND DIE MONDLANDSCHAFT

Oben: Der Süßigkeitenstand (oben), der Gipfel aus der Vogelperspektive mit Blick in Richtung Osten (links, 2.v.o.), die Chapelle de la Sainte-Croix (links, 3.v.o.), das Denkmal für Brügge-Mont Ventoux nahe des Col des Tempêtes (links unten), die Radarkugel und die letzten paar hundert Meter des Anstiegs aus Malaucène (rechts unten).

Unten: Gipfel und Nordflanke des Mont Ventoux, betrachtet von dem Plateau aus, auf dem bis Mitte 2002 das Réseau-Terminal T2 stand (oben), und der Blick von oben auf das abgeräumte Areal (unten).



Unten: Eine Art moderne Pilgerstätte für Radfahrer aus aller Welt. Das Denkmal für Tom Simpson rechts der Straße aus Bedoin/Sault.




Oben: Ven-topp – der schneebedeckte Mont Ventoux.


DER ANSTIEG AUS BEDOIN

Oben:

Blick hinauf zum Gipfel von einem Kreisverkehr direkt südlich von Bedoin (oben); ab dem Chalet Reynard schlängelt sich die D 974 durch die Mondlandschaft (unten).

Unten:

Oberste Zeile (jeweils v.l.n.r.): Wegweiser am Start (310 m), »der Brunnen« vor der Touristeninformation und die Marmor-Startlinie unweit des Radgeschäfts La Route du Ventoux.

Zweite Zeile: Der blaue Baum in Les Bruns (520 m), Fontaine de la Grave mit Straßenwärterhäusern (ca. 1.500 m) und Les Sept Virages (ca. 650 m). Dritte Zeile: Der Pavillon de Roland (837 m), das Chalet Reynard (1.440 m), wo die Straße aus Sault auf die D 974 mündet, und das Tom-Simpson-Denkmal (1.750 m).

Unten: Die berühmt-berüchtigte Kurve bei Saint-Estève (ca. 540 m).



DER ANSTIEG AUS MALAUCÈNE

Oberste Zeile (jeweils v.l.n.r.): Wegweiser am Start (330 m), der Rocher du Portail Saint-Jean (470 m) und die Gîte des Ramayettes (916 m).

Zweite Zeile: Das Chalet Liotard (1.432 m) und ein Stückchen weiter oberhalb die Tournant d’Anglais (1.526 m).

Dritte Zeile: Ein paar Kilometer vor bzw. nach dem Chalet Liotard.

Unten: Knapp zwei Kilometer vor dem Gipfel.


DER ANSTIEG AUS SAULT

Oberste Zeile (jeweils v.l.n.r.): Wegweiser am Start (720 m) und Blick vom Platz vor der Bar La Promenade in Sault hinab auf das Val de Sault.

Darunter: Die D 164 auf etwa 720 Metern Höhe.

Dritte Zeile: Noch im Flachen ein paar Kilometer außerhalb von Sault und die D 164 auf circa 800 Metern Höhe.

Vierte Zeile: Auf Höhe der Chapelle Notre-Damedes-Anges (1.008 m) und auf 1.420 Metern Höhe kurz vor dem Chalet Reynard.


MEHRFACH-AUFFAHRTEN

Oben: Karel Kleijn auf der Route de Chamois.

Rechts oben: Jaap Vos auf der Route Thérèse Roumanille.

Rechts Mitte: Beginn der Route des Cèdres am Abzweig von der D 974.

Unten: Hans und Peter Willemse auf der Route Joseph Eymard.


DER MONT VENTOUX IN DER TOUR DE FRANCE:

LEGENDÄRE MOMENTE DER RADSPORTGESCHICHTE


Oben: Sonntag, 13. Juli 1958. 18. Etappe. Der Luxemburger Charly Gaul auf dem Weg zum Sieg im ersten Einzelzeitfahren mit Zielankunft auf dem Gipfel des Mont Ventoux.

Unten (1): Donnerstag, 13. Juli 2000, 12. Etappe. Zwei kontroverse, gegensätzliche Protagonisten der Tour-Historie am Berg der Berge. Lance Armstrong und Marco Pantani kommen Seite an Seite das Gipfelplateau hinauf. Auf dem Zielstrich lässt Armstrong dem »Piraten« den Vortritt.

Unten (2): Donnerstag, 14. Juli 2016, 12. Etappe. Chaos am Ventoux. Wegen starken Windes muss das Ziel zum Chalet Reynard verlegt werden. Die Zuschauermassen am Nationalfeiertag sind zu viel für den verkürzten Anstieg. Ein Kameramotorrad wird zu einer Vollbremsung genötigt und die Gruppe der Favoriten kommt zu Sturz. Pech für Chris Froome: Er hat kein fahrtüchtiges Rad mehr – und auch keinen Materialwagen in der Nähe. Es folgt eine legendäre Joggingeinlage im Gelben Trikot.




Sonntag, 21. Juli 2002, 14. Etappe Modeve–Mont Ventoux.

Die noch mal extrem steile Schlusskurve im Anstieg aus Bedoin, knapp hundert Meter vor dem Zielstrich.

Der kahle Berg

Подняться наверх