Читать книгу Freier um Brigitte - Liane Sanden - Страница 8

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Brigitte kam nach Berlin und löste den Haushalt auf.

In tiefem Schmerz ging sie an die traurige Aufgabe.

Ihr, dem feinen Menschen, war es wie eine Qual, die Realistik dieses Daseins zu überwinden. Aber schliesslich schuldete sie ihm auch hier noch eine gewisse Rücksicht.

Niemand anders wusste Bescheid über all die Dinge, und da Eberhard keine nahen Verwandten hinterliess, so fiel ihr die Ausführung von allem zu.

Sie ordnete, sie registrierte, und jede Sache ging durch ihre Hände.

Eine gewisse Ehrfurcht und Scheu hielt sie davon ab, in sein Arbeitszimmer einzudringen. Sie bat einen seiner besten Freunde, sie zu unterstützen. Der Fabrikdirektor fand es lächerlich, aber schliesslich folgte er ihrem Willen.

Hier stand noch alles, wie Eberhard es verlassen hatte. Selbst die Zeitung, die er immer las, die amerikanische, lag schön zusammengefaltet auf dem Rauchtisch. Das Datum war etwas in die Ferne gerückt, aber sicher hatte er das Blatt von der ersten bis zur letzten Seite studiert.

Ein Brief, den er zu schreiben begonnen hatte, lag noch auf dem Schreibtisch. Unwillkürlich vertieften sich ihre Augen in die ersten Zeilen:

„Mein lieber Freund Egon! Mein Glück Dir zu schildern, liegt fast ausser meiner Kraft. Ich bin so selig, als wäre sie meine erste Liebe. Brigitte ist ein „Prachtmensch …“

Sie durchflog den Brief weiter, den Brief, der von der ersten bis zur letzten Zeile nur von ihr, der Braut handelte. Und da hiess es am Schluss:

„Ich wünsche nur zu Gott, dass ich gesund bleibe, dass mir kein Unglück zustösst, denn es wäre grausam, wenn ich hier mitten aus dem Leben herausgerissen würde. Aber für diesen Fall habe ich für diese herrliche Frau auch gesorgt. Du weisst, man tut gut daran, beizeiten sein Testament zu machen. Ich habe sie zur Universalerbin meiner ganzen, grossen Besitztümer in Ungarn und Südamerika gemacht. Dir kann ich es ja anvertrauen: ich bin heute ein Mann, der sicher über zehn Millionen verfügt. Kein Mensch hatte eine Ahnung, aber Du sollst es wissen, denn ich bitte Dich, lieber Egon, hilf ihr, unterstütze sie und tue alles, wenn ich plötzlich ...“

Zitternd und ergriffen las sie diese Zeilen.

Das Schicksal hatte es nicht gewollt, dass er diesen Brief zu Ende schriebe, aber vielleicht hatte eine dunkle Ahnung ihn getrieben. Diese dunkle Ahnung hatte sich schneller erfüllt, als er denken konnte.

Auch der Freund war von diesen Zeilen gepackt.

Unwillkürlich fasste er nach Brigittes Hand. Ihnen war, als stehe der Tote neben ihnen. Der Brief, das Ganze, alles strömte so viel lebendiges Leben aus, und dieser ganz Lebendige war nicht mehr.

Keiner von beiden konnte in dieser Stunde weiter arbeiten, jeder war mit seinen eigenen Gedanken zu stark beschäftigt. Man verliess das Zimmer.

Am anderen Tage wurde der Schreibtisch geordnet. Alles lag da, in Reih und Glied, seine Kartothek, seine Bücher, seine Briefschaften und seine Zeitungsausschnitte.

Und ganz zu unterst: „Der letzte Wille“.

Auf dem Umschlag stand: „Zu öffnen von meiner Braut Brigitte von Pahlen.“

Ihre Hände zitterten, und die Finger bewegten sich nervös.

„Lieber Herr Bornemann, ich kann das Kuvert nicht öffnen. Sind Sie so gut und tun es?“

Fedor Bornemann verstand sie nicht. Ihm war es unfasslich, dass man ein Testament nicht persönlich lesen konnte. Bei dem Brief war es ja gestern eine andere Sache. Aber der letzte Wille …?

„Gut,“ sagte er, „ich werde vorlesen.“

Und er las die drei Seiten, die nur von Liebe handelten, und Dank ihr zu wissen gab für alle Güte, die sie ihm entgegengebracht hatte.

Auf der letzten Seite erfuhr sie von ihrem neuen Reichtum. Güter, Aktienbesitz, bare Gelder und schliesslich das herrliche Landhaus in Tirol. Dieses Landhaus am „Steinernen Meer“, das er so liebte, und wohin er seine Hochzeitsreise machen wollte, empfahl er ihr ganz besonders. „Das verkaufst Du mir niemals, während Du alles andere ruhig veräussern kannst.

Sollte ich also sterben, dann fahre jeden Sommer dorthin, denn dann habe ich das Haus nicht umsonst gebaut. Und nun, meine Geliebte, meine Einzige, lebe wohl, bis wir uns einstens wiedersehen … dort, wo es so herrlich und wonnig ist, wo ewiger Friede herrscht, und wo die Menschen sich nicht zerfleischen und töten wie hier auf dieser Welt. Ich küsse Deine Lippen.

In Treue

Dein Eberhard von Wittinghausen.“

Brigitte schloss die Augen, atmete tief und dann fing sie bitterlich zu weinen an.

Fedor Bornemann hatte andere Empfindungen. Bei ihm siegte der Kaufmann. Von Tränen hielt er nicht viel. Aber durch sein Gehirn schossen allerlei Gedanken.

Er war erstaunt über die Höhe des Vermögens seines Freundes. Für so reich hätte er ihn nie gehalten. Und diese kleine, bescheidene, unwissende Frau, die ohne mondänen Einschlag war, also fast unmodern genannt werden konnte, diese Brigitte sollte nun eine der reichsten Frauen Berlins sein. Und heute, da die Welt verarmt war, da jeder mit dem Dasein zu ringen hatte … dieser, jener, er selbst … Im Augenblick wollte ihm das nicht in den Kopf hinein.

Er überlegte, währenddem sie vom Schmerz überwältigt wurde: „Ist das gerecht, wenn ein Mädchen, das gar nichts geleistet hat in der Welt, als Charme um sich zu verbreiten, plötzlich über Nacht zur Erbin eines Riesenvermögens wird, ist es gerecht, dass eine solche Frau, die sich in der Welt noch nicht umgesehen hat, die noch keinen Daseinskampf ausgetragen hat, in gar keiner Form, plötzlich über Millionen verfügt?

Was soll sie mit dem Geld beginnen?

Es ist ja geradezu lächerlich, so ein Testament niederzuschreiben.“

Er überlegte stärker und schärfer. „Eine Frau kann allein ein solches Vermögen nicht verwalten. Sie ist ja viel zu unerfahren. Hierzu gehören ja kaufmännische Talente. Es ist ja kein Sparkassenbuch von fünfhundert Mark.“ Und schliesslich mischte sich auch ein Gefühlston bei ihm ein. Er glaubte, Berechtigung zu haben, dass die Pietät es verlange, dass er mit ihr …

Aber er war ein viel zu grosser Menschenkenner, als dass er den Augenblick für günstig gehalten hätte, um jetzt schon einzugreifen. Im Gegenteil, er tröstete sie, und er fand Worte der Weichheit und der Menschengüte.

„Aber liebe Freundin,“ sagte er, „Sie dürfen sich von dem Schmerz nicht niederdrücken lassen, behalten Sie den Kopf hoch … Sie sind doch eine tapfere, mutige Frau, die das Leben kennt. Brigitte, es wäre bestimmt nicht im Sinne des Verstorbenen, wenn Sie sich ganz in Seelenschmerz verlören.“

Und um seinen Worten schärferen Nachdruck zu verleihen, bemühte er sich um sie, zog sie aus dem Sessel hoch und erklärte:

„Wir wollen im Sinne des verehrten Toten gemeinsam alles tun, um …“

Er brach ab, denn er wusste selbst nicht, was er im Sinne des Toten tun sollte.

Brigitte vertraute sich ihm ganz an, und sie bat ihn noch, ihr recht behilflich zu sein. Sie war ihm ja so dankbar, dass er sie in diesen Tagen nicht allein liess. Von seinen Gedanken hatte sie natürlich nicht die geringste Ahnung. Dass er der Freund ihres Verlobten war, genügte ihr vollständig und das gab ihr Vertrauen.

Alle die nächsten Tage galten Brigitte von Pahlen.

Fedor vernachlässigte ein bisschen seinen Beruf. Er kalkulierte: „Tausend Mark Monatseinkommen gegen eine Riesensumme … Kindische Angelegenheit! Mag die Fabrik zum Teufel gehen … Das Vermögen Brigittes muss erhalten bleiben ... für sie, für mich. Eberhard ist tot, Fedor lebt. Und sollte sie etwa Lust auf einen anderen haben? … Ausgeschlossen.“

Der kalkulierende Kaufmann hatte sich nun alle Papiere zu seiner persönlichen Orientierung verschafft.

Er rechnete, er addierte, er multiplizierte, er subtrahierte, er dividierte, kurzum: er hatte in den Bürostunden allerlei zu tun.

Dann nahm er den neuesten Atlas und machte sich mit der Landschaft Ungarns bekannt. Er trieb im stillen Landwirtschaft, überlegte das Gewicht von Ochsen, Kühen und Schweinen, dachte nach über die Meliorisierung des Bodens, verlegte seinen Sinn auf den Forst und auf das Weideland, und dann mit einem Sprung war er plötzlich in Amerika. Noch einen Sprung, und er sass mittendrin in den Kaffeeplantagen Brasiliens.

Diesen Kaffee muss man gut mischen, denn in geschickter Mischung liegt der Gewinn.

Und weiter überlegte er: welche Papiere stösst man ab, welche behält man? Ist Amerika auf die Dauer sicher? Wird Ungarn eines Tages an dieses oder jenes Land angegliedert?

Oel braucht man ja immer. Und Kaffee trinken die ältesten Frauen Europas.

Dann fielen ihm die Häuser am Kurfürstendamm ein. Weg damit mit den Zwölfzimmerwohnungen. Aber zu jedem Preis, meine Herrschaften. Und weiter: in Tirol hat er ein Landhaus gebaut. Was soll man mit einem Landhaus in Tirol? Eine alberne Belastung, so ein Ding. Man will ja nicht landesflüchtig werden. In Deutschland ist es ja auch ganz nett. Aber da fiel ihm ein, dass der Tote von diesem Landhaus mit einer gewissen Heiligkeit sprach. Und Brigitte war willens, dieses Stückchen Erde nicht preiszugeben.

Nun ja, besann er sich, fahren wir eben mal nach Tirol. Einmal acht Tage Luftveränderung kann nichts schaden. Wenn die Sonne heiss scheint, wird man gut verbrannt, und wenn es regnet, dann ist die Luft umso reiner. Also darüber keine Streitigkeiten. Eberhard wird es mir ja im Himmel danken, und er war mir ja auch ein lieber Freund.

Fedor dachte zuletzt an Brigitte.

„Sie ist ja ein ganz guter Kerl, sie hat ja auch eine hübsche Figur und ein niedliches Gesicht, dumm ist sie auch nicht, aber sie hat mir doch ein bisschen zu viel Gemütsleben. Das Gemüt irretiert mich ein wenig.“

In diesem Moment fiel sein Blick auf die Wand. Hier lächelte ihm eine ganz rassige Tänzerin entgegen, und die Worte entschlüpften ihm:

„Vera! Wir bleiben deshalb doch die alten Freunde. Du schwingst deine Grazie nicht mehr länger, ich kaufe dir auch ein Auto und ich setze dich in eine meiner Zwölfzimmerwohnungen. Pass auf, Vera, du wirst mit mir zufrieden sein. Brigitte wird nie eifersüchtig werden, denn Brigitte ist nicht kleinlich.

Jetzt die grosse Frage: Wenn ihr nun von mir abgeraten wird? Es gibt ja genug Neidhammel, die es nicht überwinden könnten, dass auch einmal ein Mann sein grosses Glück im Leben macht.“

Daran aber dachte er nicht, dass Brigitte etwa Nein sagen könnte.

„Wenn sie Eberhard geliebt hat, der bald 18 Jahre älter war als ich, dann schlägt sie mich niemals aus.

Heisse ich vielleicht umsonst der schöne Fedor? Bin ich nicht aus bester Familie? Und die paar Schulden, die ich habe? Ach, Unsinn, Schulden, zwanzigtausend Mark! Lappalie!“

Und wieder ging der Kaufmann an die Vermögensobjekte des Verstorbenen.

„Kaffee, Oel, Kühe, Aktien, Liebe, Landhaus in Tirol, Zwölfzimmerwohnungen ohne Mieter ... es gibt hier viel zu tun, und Brigitte kann mir sehr dankbar sein, wenn ich ihr zur Seite stehe.“

Freier um Brigitte

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