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Einführung

Kinder auf eine angemessene Weise ins Leben zu begleiten ist sicherlich eine der größten Herausforderungen unserer Zeit – und gleichzeitig eine der wichtigsten Aufgaben, denn die Qualität, in der wir Kindern heute begegnen, wirkt sich entscheidend darauf aus, wie sie der Welt von morgen gewachsen sein werden – und wie diese Welt aussehen wird.

Vielleicht stellen auch Sie sich manchmal die Frage, wie es möglich ist, Kinder auf eine Zukunft vorzubereiten, die heute in keiner Weise vorhersehbar ist und die von ihnen ein enormes Maß an Flexibilität, Kreativität, innerer Kraft und emotionaler Stabilität erfordern wird? Wie können Kinder lernen, sich in einer sich ständig und immer schneller wandelnden Welt zurechtzufinden, ohne den Kontakt zu ihrem eigenen inneren Leben zu verlieren? Wie können sie über intellektuelle Fähigkeiten hinaus das entwickeln, was heute „Emotionale Intelligenz“ genannt wird – also die Fähigkeit zu harmonischen sozialen Kontakten und echten zwischenmenschlichen Beziehungen?

Schon lange und aus verschiedensten Blickwinkeln haben sich Menschen mit der Frage beschäftigt, wie Kinder zu möglichst sozialen, gebildeten und kompetenten Wesen – zu wirklichen Menschen – erzogen werden können. Waren die Methoden dabei früher autoritär, so sollen sie heute demokratischer, „gehirngerechter“ oder in anderer Hinsicht erfolgversprechender sein.

Wie Michael Mendizza und Joseph Chilton Pearce in ihrem Buch Neue Kinder – Neue Eltern anschaulich verdeutlichen, ist laut den neuesten Forschungen das allermeiste dessen, was wir traditionell unter Erziehung verstehen, nicht nur überflüssig, sondern direkt schädlich für die harmonische Entfaltung von Kindern. Und noch mehr als das: Darüber hinaus blokkieren viele sogenannte erzieherische Maßnahmen das innere Wachstum der Erwachsenen und beeinflussen die Interaktion zwischen Kindern und Erwachsenen auf äußerst destruktive Weise.

Der Grund für diese pädagogische Sackgasse, in die wir geraten sind, ist die tiefsitzende Annahme, daß Kinder einer systematischen Erziehung unterzogen werden müßten, um richtige Menschen zu werden. Darüber hinaus müßten sie ein gewisses Alter erreichen, um als solche auch gesellschaftlich anerkannt zu sein. Alle diese „Pädagogischen Ansätze“ oder „Erziehungsstile“ gehen direkt oder indirekt davon aus, daß Neugeborene eben noch keine richtigen Menschen sind; vielmehr sei es unsere Aufgabe und Verantwortung, sie zu solchen zu formen – eben: sie zu erziehen. Diese Grundannahme wurde mal wissenschaftlich, mal religiös, mal volkstümlich formuliert – aber ernsthaft und grundsätzlich hinterfragt wurde sie selten.

Ich denke, daß eine grundsätzliche Neubesinnung überfällig ist. Es reicht nicht aus, unsere falschen Ansichten und Gewohnheiten zu modernisieren. Wir können nicht einfach eine Methode durch eine andere ersetzen, ohne unsere Vorstellungen von Erziehung grundsätzlich in Frage zu stellen.

„Mit Kindern neue Wege gehen“ heißt in diesem Zusammenhang, zu einer völlig neuen Sichtweise zu finden – einer Sichtweise, die anerkennt, daß Kinder von Anfang an gleich würdig, kompetent, sozial und somit auch vollwertige, einzigartige und in sich vollkommene Menschen sind. Ein einjähriges Kind ist kein unvollkommener Dreijähriger und eine Fünfjährige ist keine unvollkommene Siebenjährige. Jede Entwicklungsphase ist in sich vollkommen, und wird sie nicht respektiert und gewürdigt, so wirkt sich das negativ auf die Entwicklung eines Kindes aus.

Gleichzeitig geht es im Leben mit Kindern um eine Beziehungsqualität, die dieser gleichen Würde Ausdruck verleiht. „Kinder sind anders“ nannte schon Maria Montessori eines ihrer Bücher, und sie betonte mehrfach, daß nur, wenn wir diese Andersartigkeit annehmen und lernen, Kinder „mit den Augen der Liebe zu sehen“, wir zu ihnen eine echte menschliche Beziehung aufbauen und sie angemessen ins Leben begleiten können.

Dabei begeben wir uns alle im wahrsten Sinne des Wortes auf Neuland. Es gibt keine ausgetretenen Pfade, denen wir folgen könnten, kein anderes Erziehungssystem, keine „Bedienungsanleitung“, die bei konsequenter Anwendung helfen könnte, Kinder optimal auf die Welt von morgen vorzubereiten. So kann dieses Buch auch kein Ratgeber sein, der aufzeigt, wie man „richtig“ mit Kindern umgeht. Vielmehr bietet es einige grundsätzliche Überlegungen und Anregungen zum Leben mit Kindern, die es Ihnen ermöglichen können, mit ihnen in eine echte Beziehung zu treten und so Ihre eigenen Erfahrungen zu machen und Ihren eigenen Weg zu finden. Ein solcher Weg ist nicht leicht, denn wir sind auf diese Art des Umgangs mit Kindern nicht vorbereitet, aber er ist nicht nur für die Zukunft unserer Kinder von größter Bedeutung, sondern ermöglicht es auch uns selbst, zu einem erfüllteren Leben zu finden – mit unseren Kindern zu wachsen.

Mit Kindern neue Wege gehen

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