Читать книгу Millionär gesucht Gesamtausgabe - Lily Taylor - Страница 11

3

Оглавление

Der nächste Tag war ausgefüllt mit Proben für ihren ersten Auftritt. Jacques, der Pianist, war ein griesgrämiger Mann Mitte vierzig, der eine Gauloise nach der anderen rauchte, während er lustlos auf den Tasten herumklimperte. Offenbar hielt er sich für zu Höherem berufen, als eine unbekannte junge Sängerin auf dem Klavier zu begleiten.

Papa Noël sollte seine Personalpolitik überdenken, dachte Alex. Mit einem Musiker wie Jacques würde der Club nie das richtige Publikum anlocken. Da brauchte es etwas mehr Pep und Feuer! Aber vielleicht konnte sie mit ihrem Timbre in der Stimme, wie Papa Noël es genannt hatte, und mit dem Rest ihrer Persönlichkeit ja etwas daran ändern.

Obwohl sie ihre Karriereaussichten und das Publikum, das heute Abend auf sie wartete, im Moment kaum interessierten. Sie konnte nicht aufhören, an Nick zu denken. Immer noch spürte sie seine Hände auf ihrem Rücken, fühlte seinen Körper, der sich gegen ihren presste, hatte sein Aftershave in der Nase …

„Sind wir dann so weit?“, unterbrach Jacques übellaunig ihre Gedanken. „Womit wollen Sie beginnen, Mademoiselle?“

Alex überlegte einen Moment und entschied sich dann für La vie en rose. Es hatte ihr bei der Bewerbung Glück gebracht und es passte sehr gut zu ihrer momentanen Gefühlslage. La vie en rose! Auch sie fühlt sich wie auf Rosen gebettet, als würde sie das Leben durch die rosarote Brille sehen. Ob das Liebe war?

„Alors!“, forderte Jacques sie mit der Zigarette im Mundwinkel auf und schlug die ersten Takte des Liedes an.

Alex konzentrierte sich wieder auf ihre Arbeit. Aber sie wünschte, Miranda wäre bei ihr gewesen. Was hätten sie beide für eine Show auf die Beine stellen können! Deshalb entschied sie sich auch, eines von Mirandas Lieblingsliedern in ihr Repertoire aufzunehmen: These Boots Are Made for Walking von Nancy Sinatra.

Nur schade, dass sie keine Noten von Love You Baby dabeihatte. Dann hätte sie Mirandas Song gleich ein wenig unter die Leute bringen können. Aber das würde Miranda schon bald selbst schaffen, davon war Alex überzeugt. Wenn sich dieser amerikanische Produzent nicht von ihrem Talent überzeugen ließ, dann war ihm nicht zu helfen!

Alex seufzte. Hoffentlich ging es der Kleinen gut! Miranda hatte gegen sechs Uhr früh eine kurze Nachricht mit dem Inhalt „Bin gut angekommen! Melde mich wieder!“ geschickt, die Alex nach dem Aufstehen vorgefunden hatte. Von jetzt an würde es mit den gegenseitigen Benachrichtigungen ein wenig schwieriger werden, bei einem Zeitunterschied von sechs Stunden!

Bis zum Ende des Nachmittags hatte Alex schließlich ein hübsches kleines Programm zusammengestellt, mit dem auch Papa Noël zufrieden sein würde. Dabei stellte Alex fest, dass es ihr durchaus Spaß machte, zu singen, obwohl das früher nie ihre Leidenschaft gewesen war. Aber auch beim Singen konnte sie in eine Rolle schlüpfen, sich in eine andere Person verwandeln. In eine Frau von Welt, die das einfache Mädchen aus Liverpool vergessen ließ, das Alex im Grunde ihres Herzens immer noch war.

Nachdem sie wusste, was sie singen wollte, blieb noch die Frage nach ihrer Garderobe zu klären. Alex stöberte ein wenig im Fundus von Amelie Durant, dem Hauptact. Die meisten von Amelies Bühnenkostümen waren hochgeschlossen und wirkten ziemlich altbacken, aber in der hintersten Ecke des Schrankes entdeckte Alex ein kurzes schwarzes Kleid mit langen Fransen, die bis zum Boden reichten, im Stil der Zwanzigerjahre. Wenn sie sich in dem Kleid bewegte, schwangen die Fransen hin und her und gaben dabei sexy Einblicke auf ihre Beine frei. Das war genau das Richtige für sie!

Als sie zurück in ihre Pension kam und ihre Nachrichten abrief, fand sie eine neue SMS von Nick vor: „Wie geht es dir, chérie? Ich hoffe, ich störe dich nicht?“

Lächelnd antwortete Alex: „Du störst mich nie! Leider bin ich noch ziemlich eingespannt. Diese Vertragsverhandlungen ziehen sich endlos. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich zu viel an dich denke! Du hast mich ganz schön verwirrt!“

„Im positiven Sinn, hoffe ich“, schrieb Nick prompt zurück.

„Seeeeeeehr positiv“, gab Alex zur Antwort.

Eine Snapchat-Nachricht unterbrach die Unterhaltung. Es war Jess. Ein Foto einer Straßenszene, offensichtlich von ihrem Café aus geschossen, mit der Meldung: „Hab jemanden kennengelernt! Und er ist sehr nett!“

„Wer ist es?“, snapte Alex sofort zurück. Jetzt, wo sie selbst so glücklich war, lag ihr natürlich auch das Wohlergehen ihrer Freundinnen am Herzen. Und Jess hatte ein wenig Glück mehr als verdient. Aber wie üblich gab diese sich bedeckt.

„Lasst mir noch ein bisschen Zeit. Mal sehen, wie es sich entwickelt.“

Alex überlegte. Ob das wohl dieser „Capitain“ war, von dem Jess ihr bei ihrem Besuch erzählt hatte. Der Capitain war ein schwerreicher Geschäftsmann, der den Sommer auf seiner Jacht in Nizza verbrachte und gerne das Café frequentierte, in dem Jess arbeitete. Jess hatte schon lange ein Auge auf ihn geworfen, aber bisher noch nicht den Mut gehabt, ihn anzusprechen. Alex drückte ihr jedenfalls die Daumen!

Mehrere neue Nachrichten von Miranda waren ebenfalls gespeichert. Sie schickte Fotos von South Beach und aus dem berühmten Art-déco-Viertel von Miami, außerdem von jenem Hard Rock Café, in dem ihr Idol Mystery Jones gearbeitet hatte. Offensichtlich genoss sie ihre Reise!

Alex lächelte, dann warf sie einen Blick auf ihre Uhr. Jetzt musste sie sich aber beeilen, damit sie nicht zu spät zu ihrem Auftritt kam! Allmählich stellte sich doch eine gewisse Nervosität ein, denn natürlich wollte sie Papa Noël und sein Publikum auf keinen Fall enttäuschen!

Das Lokal war bereits recht gut besucht, als sie eintraf. In erster Linie handelte es sich wohl um Angestellte aus den umliegenden Büros, die sich hier auf einen After-Work-Drink trafen. Die Gespräche waren angeregt, Gelächter erfüllte den Raum. Da würde sie es nicht leichthaben, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen!

Alex ging in die Garderobe und zog sich um. Nachdenklich betrachtete sie sich im Spiegel. Ihr üppiges dunkles Haar umrahmte in weichen Wellen ihr Gesicht und verlieh ihr ein südländisches, exotisches Aussehen. Trotzdem hielt Alex sich nicht für übertrieben hübsch. Ihre Nase war eine Spur zu groß und ihre Augen standen einen Tick zu eng zusammen, um zur klassischen Schönheit zu reichen. Aber sie verstand es, ihre dunklen Augen und ihre vollen Lippen so zu betonen, dass sie eine durchaus auffällige und interessante Erscheinung war.

Ihre kurvige Figur tat ein Übriges. Männer zu beeindrucken und für sich einzunehmen, war ihr nie schwergefallen. Das Problem war eher, dass es kaum Männer gab, die sie beeindrucken wollte. Alex‘ Gedanken wanderten wieder zu Nikolas. Er war da eine seltene Ausnahme! Interessant, charmant, gutaussehend. Was wollte sie mehr?

Trotzdem ließen sich ihre Zweifel nicht ganz vertreiben. Es schien, als hätte Nick nur auf sie gewartet. Aber war das wirklich so? Oder suchte er nur ein Abenteuer? Eine willkommene Abwechslung während seines Aufenthaltes hier in Monte Carlo? Was tat er überhaupt hier? Sicher, der Frühsommer an der Côte d’Azur war herrlich. Aber war das der einzige Grund? Und welche Rolle spielte diese Seraphine le Duc in seinem Leben?

Alex konnte sich zwar nicht so recht vorstellen, was Nick von einer Frau wollte, die um so vieles älter war als er (sie schätzte Nick auf Anfang dreißig), aber der Blick, mit dem er Seraphine im Casino bedachte, hatte eindeutig Interesse ausgedrückt. Vielleicht, überlegte Alex, stand er ja auf reife Frauen?

Wer konnte schon sagen, welche sexuellen Vorlieben ein fast Fremder hegte? Alex erschauderte leicht. Die Vorstellung, irgendeinem Freak in die Hände zu fallen, behagte ihr nicht sonderlich. Aber damit musste man bei Männern leider immer rechnen. Auch wenn Nick nicht wirklich diesen Eindruck machte. Seine Küsse und Berührungen hatten sich sehr echt und vor allen Dingen normal angefühlt.

Trotzdem sollte ich die Sache vielleicht etwas vorsichtiger angehen, dachte Alex. Und gleichzeitig diese Seraphine le Duc im Auge behalten. Falls Nikolas ein Dreiecksverhältnis plante, konnte er mit ihr nicht rechnen. Dafür war sie sich zu schade!

Irritiert hob sie den Kopf, als an ihre Tür geklopft wurde. Papa Noël steckte den Kopf herein. „Sie sind gleich dran, Mademoiselle Alex. Alles ok?“

Alex nickte. „Ich hoffe, ich blamiere mich nicht!“

„In dem Kostüm?“ Papa Noël ließ den Blick über ihre Beine gleiten, die im Sitzen nur sehr notdürftig von den Fransen bedeckt wurden. „Oh là là!“

Mit einem anerkennenden Grinsen und einem „Daumen hoch“ zog er sich wieder zurück. Der Nächste, der die Tür öffnete, war Jacques, der Pianist. Er tippte nur kurz mit dem Finger an seine Schirmmütze und murmelte, die Zigarette im Mundwinkel: „Dix minutes! Zehn Minuten!“

Alex nickte. Jetzt begann ihr Herz doch zu pochen und sie atmete tief durch. Keine Bange, sagte sie sich. Du schaffst das. Du hast schließlich schon oft genug auf einer Bühne gestanden.

Trotzdem ließ sich das Lampenfieber nicht ganz vertreiben.

Um die Lage zu sondieren und die Stimmung im Lokal abzuschätzen, schlich sie den schmalen Gang entlang, der zu ihrer Garderobe führte, und warf einen heimlichen Blick um die Ecke in den Bar-Raum.

Abrupt zuckte sie zurück. Ihr Herz schlug bis zum Hals, und zwar nicht mehr wegen des Lampenfiebers. Da drüben an der Theke stand Nick!

Alex‘ Gedanken wirbelten durch ihren Kopf. Was er hier wollte, konnte sie sich nicht im Entferntesten vorstellen. Und es spielte auch nicht wirklich eine Rolle. Die Frage war vielmehr, was sie jetzt tun sollte. Er durfte sie auf keinen Fall sehen! Was etwas schwierig war, da sie in ein paar Minuten auf die kleine Bühne des Rose Clubs gehen und ihren Auftritt absolvieren musste!

Hastig lief Alex zurück in ihre Garderobe. Ihre Augen schweiften in Panik durch den kleinen Raum. Es gab nicht einmal ein Fenster, durch das sie hätte verschwinden können! Sollte sie Übelkeit oder irgendein anderes Leiden vortäuschen, um ihren Auftritt absagen zu können? Darüber würde Papa Noël wohl kaum erfreut sein – und ihren Vertrag vielleicht kündigen! Aber welche andere Möglichkeit hatte sie?

Plötzlich blieb ihr Blick an dem hellerleuchteten Spiegel über dem Schminktisch hängen. Die Garderobe war ein kleiner, überfüllter Raum, in dem neben den Kostümen für die Sängerinnen auch noch zahllose andere Dinge zwischengelagert waren, wie Stühle, eine Trommel, die offenbar nicht mehr gebraucht wurde, und eine Trittleiter. Als einziger Schmuck war über dem Spiegel eine venezianische Karnevalsmaske angebracht, die freundlich auf die Künstler herunterblickte, wenn sie vor dem Spiegel saßen, um sich für den Auftritt fertigzumachen.

Das brachte Alex auf eine Idee. Vorsichtig stieg sie auf den Garderobenstuhl und löste die Maske von ihrem Haken. Sie war aus festem, doppelt genähtem Stoff gefertigt und üppig mit Pailletten, Perlen und Federn verziert. Als Alex sie probeweise an ihr Gesicht hielt, stellte sie fest, dass dieses bis zum Mund verdeckt war. Das war die Lösung! Sie würde diese Maske tragen!

Ihre dunkle Mähne bändigte sie hastig zu einer lockeren Hochsteckfrisur, da Nick sie nur mit offenen Haaren kannte. Mit dieser Maskerade sollte die Täuschung gelingen. Zumindest wenn sie ein wenig Glück hatte und Nick der Bühne nicht allzu viel Beachtung schenkte.

Ihr kam noch eine andere Idee: Wie hieß doch gleich diese Sängerin, für die Miranda so schwärmte? Mystery Jones! Die trat auch häufig mit einer Maske auf, die ihr das Aussehen einer Katze gab, ähnlich Catwoman. Das könnte sie doch imitieren?

Zusätzlich zu dem praktischen Zweck, ihre Identität vor Nick zu verbergen, würde die Maske ihrem Auftritt das gewisse Etwas geben, das sie von anderen Sängerinnen unterschied. Dieser Effekt war auch nicht zu unterschätzen!

Als Alex die Garderobe verließ, stieß sie mit Papa Noël zusammen. Irritiert blieb er stehen und starrte sie an. Rasch erklärte Alex: „Ich habe mir einen kleinen Gag für meinen Auftritt einfallen lassen! Würden Sie mich als Madame Mystère ankündigen? Vielleicht wecke ich damit ja zusätzlich das Interesse der Gäste.“

Allerdings nicht das von Nick, betete sie. Papa Noëls Miene hellte sich auf. Offenbar gefiel ihm der Vorschlag. „Eine gute Idee! Madame Mystère! Wie diese Sängerin, Myste …“

„Mystery Jones“, ergänzte Alex. „Genau!“

Papa Noël eilte auf die kleine Bühne. „Madames et monsieurs! Ich freue mich, Ihnen unseren neuen Vorabend-Act präsentieren zu dürfen. Bitte begrüßen Sie mit einem herzlichen Applaus unsere neue Sängerin Madame Mystère!“

Spärlicher Applaus ertönte, als Alex die Bühne betrat. Sorgenvoll blickte sie auf Nick, der immer noch an der Bar lehnte und sich angeregt mit dem Barkeeper unterhielt. Würde er sie erkennen? Doch Nick warf nur einen kurzen Blick in ihre Richtung und wandte sich dann wieder seinem Gespräch zu.

Alex atmete erleichtert auf. Dass ihre Stimme für Nick vertraut klingen würde, war nicht zu befürchten, da das dunkle Timbre, von dem Papa Noël geschwärmt hatte, nur durchschlug, wenn sie sang. Ansonsten klang ihre Stimme eher hell und klar. Und der Lärmpegel im Lokal sollte ein Übriges tun.

Sie nickte Jacques zu, der bereits am Klavier saß. Der Pianist hatte ihre Maskerade nur mit einem gelangweilten Blick quittiert. Offensichtlich war er so Einiges an künstlerischer Extravaganz gewöhnt. Mit seiner gewohnt säuerlichen Miene schlug er die ersten Takte von La vie en rose an. Nervös warf Alex einen neuerlichen Blick zu Nick, als sie ans Mikrophon trat, aber der war nach wie vor in sein Gespräch mit dem Barkeeper vertieft.

Sie umklammerte fest das Mikro auf seinem Ständer und begann zu singen. Erst etwas verhalten, doch dann wuchsen ihr Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten und ihre Freude an dem, was sie tat. Vor allem, weil das Publikum ihr nach und nach mit offenkundigem Interesse seine Aufmerksamkeit schenkte.

Schließlich nahm Alex sogar das Mikrophon vom Ständer und ging damit zum Klavier, um sich neben Jacques zu setzen, die Beine übereinandergeschlagen, sodass die Fransen des Kleides über ihrem Oberschenkel auseinanderfielen und ihre schlanken Beine entblößten. Sie konnte sehen, dass das Interesse des männlichen Publikums dadurch noch deutlich gesteigert wurde.

Jacques reagierte zwar etwas irritiert auf ihre Annäherung und blies aufgebracht den Rauch seiner Gauloise in ihre Richtung, aber Alex ignorierte ihn einfach. Das machte wirklich Spaß! Bisher hatte sie immer nur in einem Ensemble mitgewirkt, mit strengen Vorgaben, was sie tun durfte und was nicht. Hier brauchte sie sich an kein Textbuch zu halten, sondern konnte tun und lassen, was sie wollte. Das kam ihrem Improvisationstalent eindeutig entgegen!

Vor allem auch, weil sie sich durch die Maske sicher und anonym fühlte. Es war wie im Karneval, wenn man sich mit Kostüm und Schminke in eine andere Person verwandelte. In diesem Moment war sie nicht Alex Champion aus Liverpool, sondern Madame Mystère, eine verruchte Nachtclub-Königin, die mit ihrem Publikum spielte.

Als La vie en rose zu Ende war, spendeten die Zuhörer begeistert Applaus. Alex verbeugte sich tief, musste aber rasch nach ihrer Maske greifen, als diese bei der heftigen Bewegung zu verrutschen drohte. Immer sachte, ermahnte sie sich selbst. Bei der zweiten Verbeugung beschränkte sie sich deshalb auf ein sanftes Kopfnicken in Richtung der Gäste.

Bevor der Applaus noch richtig verebbt war, schlug Jacques schon mit festem Griff das nächste Lied an. Offensichtlich war er nicht gewillt, ihretwegen auch nur eine Minute länger als unbedingt nötig an diesem Klavier zu sitzen. Alex musste sich beeilen, in den Song einzusteigen. Kurz entschlossen stand sie auf, stieg von der Bühne und begann im Lokal herumzugehen. Sie vermied es zwar, sich der Bar zu nähern, ihr Blick wanderte allerdings immer wieder zu Nikolas.

Was er hier wollte, war ihr nach wie vor ein Rätsel. Der Rose Club war nicht unbedingt ein Lokal, das Gäste seines Kalibers und Standes anlockte. Er schien auch nicht mit Freunden hier zu sein. Und an ihrem Auftritt zeigte er wenig bis gar kein Interesse. Sehr merkwürdig! Aber sie konnte jetzt nicht weiter darüber nachgrübeln, sondern musste sich auf die Musik konzentrieren. Mehr als einmal verpasste sie beinahe ihren Einsatz.

Schließlich sah Alex, dass Nick dem Barkeeper die Hand schüttelte, einen letzten Blick durch das Lokal schweifen ließ und dann zur Tür ging. Sie seufzte erleichtert, bevor sie zu These Boots Are Made for Walking ansetzte. Jetzt konnte sie sich endlich voll und ganz ihrem Auftritt widmen. Da sie Nick nicht mehr ständig im Auge behalten musste, hatte sie die Möglichkeit, sich frei und ungezwungen im Lokal zu bewegen. Sie schlängelte sich zwischen den Tischen hindurch, strich dem einen oder anderen der männlichen Gäste mit einer lasziven Handbewegung über die Schulter und ließ sich schließlich, als Höhepunkt ihres Auftritts, auf dem Schoß eines älteren Herren nieder, der daraufhin einen puterroten Kopf bekam, während der Rest des Publikums begeistert johlte und klatschte. Ganz offensichtlich war ihr Debüt ein Erfolg!

Trotzdem behielt Alex ihre Maske auf, auch als sie ihren Auftritt beendet hatte und unter dem Applaus der Gäste die Bühne verließ. Da ihre Maskerade allem Anschein nach gut ankam, wollte sie sie gerne beibehalten. Sollte Nick oder irgendjemand anders, den sie kannte, sich noch einmal in den Rose Club verirren, hatte sie auf diese Weise nichts zu befürchten!

Papa Noël hatte ihren Auftritt von dem kleinen Durchgang aus beobachtet und schüttelte ihr überschwänglich die Hand, als sie an ihm vorbeiging. „Magnifique, Mademoiselle! Die Leute lieben Sie! Nur weiter so! Was meinst du, Jacques?“

Jacques schlurfte gelangweilt an ihnen vorbei. Er zuckte nur mit den Achseln und meinte kryptisch: „Ça va!“, was für seine Verhältnisse wohl schon ein Riesen-Kompliment war. Alex strahlte. Ihre berufliche Zukunft in Monte Carlo schien also gesichert!

Was den privaten Teil betraf, hatte Nicks Anwesenheit sie doch wieder ein wenig verunsichert. Ihn in dieser Bar zu sehen, hatte viele Fragen aufgeworfen: Wie kam er hierher? Was wollte er von dem Barkeeper?

Zudem war ihr eingefallen, dass es ein paar Straßen weiter einige – inoffizielle - Sex-Clubs und Oben-Ohne-Bars gab. Offiziell war so etwas in Monaco ja untersagt. War Nick etwa dorthin unterwegs gewesen? Und hatte er sich vom Barkeeper ein paar Tipps geholt?

Alex biss sich auf die Lippe. Zu gern hätte sie den Barkeeper nach seinem Gespräch mit Nick gefragt, aber sie wusste nicht, wie sie es anstellen sollte, damit es unverfänglich klang. Sollten die beiden sich besser kennen, wollte sie nicht die Aufmerksamkeit des Barkeepers auf sich ziehen.

Außerdem war das Lokal mittlerweile gut besucht und an der Bar herrschte ein enormer Andrang. Eine vertrauliche Unterhaltung war da eher nicht möglich. Also musste sie ihre Neugierde noch etwas zügeln. Vielleicht ergab sich ja an einem der nächsten Abende die Gelegenheit, mit dem Typ hinter dem Tresen zu reden.

Als sie in ihre Garderobe zurückkehrte und ihr Handy checkte, fand sie eine Nachricht von Nick vor.

„Was machst du gerade, chérie? Ich sitze zu Hause und sehne mich nach dir!“

Alex riss die Augen auf ob dieser Dreistigkeit. Ich sitze zu Hause! Und dabei war er jetzt gerade … Nein, sie mochte sich lieber nicht ausmalen, wo er gerade war. Oder hatte er sie doch erkannt und wollte ihre Reaktion testen? Alex nagte an ihrer Unterlippe. Was sollte sie antworten?

Schließlich entschied sie sich für ein Vages: „Ich bin immer noch sehr beschäftigt, aber die Sache läuft gut!“ Das ließ sich auslegen, wie man wollte.

„Und morgen? Es bleibt doch bei unserer Verabredung?“, kam es von Nick zurück.

„Bien sûr! Ich freue mich schon!“

„Dann hole ich dich morgen um zehn Uhr bei deinem Hotel ab.“

Ups, das durfte auf gar keinen Fall passieren! „Treffen wir uns am Hafen!“, schrieb Alex hastig zurück. „Beim Zugang zur Marina!“

„Dann bis morgen! Ich kann es kaum erwarten!“

Unschlüssig starrte Alex auf das Display. Das klang alles sehr echt und unverfänglich. Trotzdem blieb dieser nagende Zweifel. Was wusste sie wirklich von ihm? Doch nur das, was er ihr erzählt hatte: dass sein Name Prinz Nikolaus Wolteschewski war. Dass sich sein Familienbesitz in der Nähe von Marseille befand. Und das war auch schon alles.

Sie hatte ihn nicht einmal gefragt, wo er wohnte. Das musste sie unbedingt nachholen, nahm Alex sich vor. Und auch sonst sollte sie versuchen, mehr über ihn herauszufinden. Bis dahin war es wohl besser, wenn sie etwas auf Distanz zu ihm ging. Auch wenn es ihr noch so schwerfiel!

Eine weitere Nachricht erschien auf dem Display. „Attacke auf Attack Records!“ hatte Miranda unter das Foto eines imposanten Bürogebäudes geschrieben. Natürlich, ihr Treffen mit DJ Randy! Das hatte Alex über ihren eigenen Überlegungen ganz vergessen. Attack Records war der Name seiner Plattenfirma. Hoffentlich war alles gut gegangen?

Das schien auch Jess zu beschäftigen, die ein wenig später angefragt hatte: „Hallo Miranda! Warst du schon bei Attack Records? Wie ist es gelaufen?“, worauf diese kryptisch geantwortet hatte: „Das geht wohl alles nicht so schnell, wie ich gehofft hatte. Ich erzähle euch später mehr.“

Offensichtlich lief die Sache nicht ganz nach Plan. Also bin ich nicht die Einzige mit Problemen, dachte Alex.

Aber weder die Liebe noch eine Karriere ließen sich eben so einfach planen. Womit ihre Gedanken zu Nikolas Wolteschewski zurückkehrten. Konnte sie ihm trauen? Oder spielte er nur ein Spiel mit ihr?

Millionär gesucht Gesamtausgabe

Подняться наверх