Читать книгу Im Schatten des Löwen - Linda Dielemans - Страница 3

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Der Löwenmann kam nur dann, wenn sie es nicht erwartete. Rief sie ihn, antwortete er nicht. Suchte sie ihn, war er nirgendwo zu finden. Aber wenn sie unter den Sternen mit den Herden dahinrannte, zwischen den Rentieren mit ihren dunklen Geweihen oder den Pferden mit ihren wehenden, zottigen Mähnen, war er manchmal einfach so da. Dann fühlte sie seinen funkelnden Blick schon, bevor sie ihn sah.

Oft war er nicht mehr als ein Schatten, ein Schemen halb versteckt in den Atemwolken der in der eisigen Kälte dampfenden Tiere. Manchmal rannte er neben ihr her. Mit seinen langen, schlanken Beinen hielt er leicht mit ihr Schritt. Er trug immer dieselbe Kleidung. Eine geschmeidige Hose aus dunklem Leder. Gefütterte Stiefel. Einen Mantel mit einem Kragen aus weißem Fuchspelz und verziert mit Streifen von rotem Ocker. Aber er war kein gewöhnlicher Mann. Er hatte den Kopf eines Löwen. Seine Ohren waren weich und rund, bedeckt mit hellbraunem Fell. Scharfe Zähne blitzten in seinem Maul, und seine Augen waren gelb mit kleinen, schwarzen Pupillen. Intelligente Augen. Gefährliche Augen.

Sie wusste nicht, wieso es ihn gab. Niemand hatte je von ihm gehört. Sie hatte ihn zwar gefragt, wer er sei, aber er antwortete nie. Sie wusste nicht, ob er nicht sprechen konnte oder es vielleicht nur nicht wollte. Aber sie wusste, dass er da war, um ihr zu helfen. Er kannte sie, das sah, das fühlte sie. Und sie kannte ihn. Irgendwo tief im Inneren kannte sie diesen Löwenmann. Sie wusste nur noch nicht, wie.

Also fragte sie ihn nichts mehr. Sie wollte ihn nicht aus ihren Träumen verjagen. Irgendwann würde sie entdecken, wer er war, aber vorläufig wollte sie mit seiner Gesellschaft zufrieden sein. Durch ihn war sie nicht mehr so allein.

Im Schatten des Löwen

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