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2012 Demokratische Republik Kongo

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Nachdem 1960 der Kongo ein unabhängiger Staat wurde und die Belgier ihre Herrschaft in ihrer Kolonie beendet hatte, herrschte auch danach Leid und Elend für die Bevölkerung. Es entstand Chaos und Gewalt der Volksgruppen. Kriminelle Banden und Rebellenführer kämpfen immer noch um die reichen Bodenschätze des Landes. Der grausame Diktator der Demokratischen Republik Kongo, Präsident Mobuto kam 1965 an die Macht. Das Wohl des Volkes interessierte ihn wenig, er war nur an seiner persönlichen Bereicherung interessiert, bis man ihn 1997 aus seinem Amt als Präsident gejagt hatte. Wieder entstanden Unruhen und Kriege, an denen sich auch die Nachbarstaaten beteiligten. 2006 wurde wieder demokratisch gewählt. Andele Kabila ist jetziger Präsident der Demokratischen Republik Kongo. Jedoch haben immer noch in vielen Landesteilen die Rebellenführer und Banden Macht und politischen Einfluss, ohne dass von der restlichen Welt etwas dagegen getan wird.

Der Flug über Brüssel nach Kinshasa – D`Djili-Inernational dauerte 10 ruhige Stunden. Julia und Esmeralda waren viel zu aufgekratzt, um während des Nachtfluges schlafen zu können. Um sich etwas abzulenken spielte Esmeralda Computerspiele auf ihrem im Vordersitz eingebauten Bildschirm. Julia schaute sich ein Video über das Zielland an. Endlich, früh am Morgen, leuchtete die aufgehende Sonne in herrlichen Orangetönen durch das Fenster. Das Lichtzeichen begleitet von einem diskreten Klang an der Deckenbeleuchtung blinkte und die Aufforderung der Stewardess ertönte durch die Lautsprecher, sich für die bevorstehende Landung anzuschnallen. Das Flugzeug senkte sich über eine teils satte grüne und teils karge Landschaft langsam hinab. Seit ihrer Flucht aus Eritrea war Esmeralda nicht mehr in Afrika gewesen. Da sie damals mit dem Auto bis Tobruk gefahren waren, hatte sie die großzügige afrikanische, sanft hügelige, Landschaft von oben noch nie gesehen. Sie schaute auf den dichten immergrünen Regenwald hinunter, bis rostrote Lehmstraßen auftauchten, die sich durch die Landschaft schlängelten. Sie blickte auf große Seen und dann und wann tauchten kleine Flüsse zwischen dem dichtem Grün des Regenwaldes auf. Dann erhoben sich Hochhäuser an mehrspurige Straßen neben dem üppigen Grün und eine große Anzahl von kleinen Wohnhäusern waren zu erkennen. Von oben erschien die Stadt Kinshasa modern und das Leben quirlig zu sein. Dann blickte sie auf ein relativ modernes, großzügiges Gebäude des Flughafens hinab. Im Gegensatz zum Regenwald wirkte die Landschaft um den Flughafen der Hauptstadt Kinshasa karg, ausgetrocknet und unpersönlich. Sie setzten zur Landung an.

Die Passkontrolle wurde zügig durchgeführt und die Koffer lagen schon auf dem Laufband, als die beiden Frauen die Gepäckausgabe erreichten, um ihre Koffer abzuholen. Bepackt mit ihren Rücksäcken auf dem Rücken und ihren Koffern im Schlepptau betraten sie erwartungsvoll die Ankunftshalle. Es hatte geheißen, dass ein Mitarbeiter der Organisation sie abholen würde. Neugierig schauten sich die Frauen in der Wartehalle um. Einige Passagiere wurden nach dem Gang durch den Zoll von Wartenden freudig begrüßt und zum Ausgang begleitet.

„Das muss unser Fahrer sein. Schau, der Mann hält ein Schild mit unseren Namen vor sich!“

Esmeralda war voller Erwartung. Sie gingen auf den jungen Mann zu. In Englisch sprach Julia ihn an und reichte ihm die Hand. Er antwortete auf Deutsch:

„Hallo Mädels, schön, dass Ihr hier seid. Herzlich willkommen im Kongo!“

Er nahm ihnen die Koffer ab und führte sie aus dem Gebäude. „Ich heiße Karsten. Und wer von Euch ist Julia und wer ist Esmeralda?“

Karsten sah sehr gut aus. So, wie man sich einen Abenteurer im wilden Busch vorstellen würde. Er trug ein schwarzes T-Shirt, ausgewaschene Jeans und rustikale Wanderschuhe. Er hatte sein braunes, mit blonden Strähnen durchzogenes halblanges Haar zu einem Zopf am Hinterkopf zusammen gebunden. Die Rasur hatte er sicher seit Tagen vergessen. Doch die kurzen Barthaare standen ihm gut. Er war schlank und groß, mit gut trainierter Figur. Seine Sonnenbrille hatte er sich an den Kragen seines Halsausschnittes am T-Shirt eingehängt. Esmeralda schätzte ihn auf Mitte 20. Als sie aus dem klimatisierten Gebäude traten, schlug ihnen die feuchte Hitze der Tropen entgegen. In Sekunden trat der Schweiß der Frauen aus ihrem Körper.

„Hier steht unser Jeep. Wir fahren gleich los zum Camp nahe der Stadt Fizi, in der Provinz Sud Kivu im Osten der Republik.

Sind ein paar Stunden Fahrt. Wir müssen unterwegs übernachten. Ich habe alles eingepackt. Schlafsäcke, Wasser und Proviant.

„Schlafen wir im Freien?“ Julia war entsetzt.

„Nein, ich habe immer zwei zusammenklappbare Zelte dabei. Keine Sorge. Ihr müsst Euch nicht wundern, wenn die Straßen immer holpriger werden. Ist eine kleine Provinz. Dort werden wir am meisten gebraucht.“

Nachdem das Gepäck verstaut war, ging die Fahrt los. Karsten setzte sich einen breitkrempigen Hut und seine Sonnenbrille auf. Esmeralda hatte neben Karsten auf dem Vordersitz Platz genommen, Julia saß auf der Rückbank. Im Rückspiegel konnte sie Karstens lebhafte blaue Augen beobachten.

„Toller Typ, der hat was“, dachte sie.

Tatsächlich wurden die Straßen immer schmaler und holpriger. Der Asphalt verschwand ganz nach einigen Kilometern. Esmeralda erinnerte sich an ihr Heimatland.

„Afrika hat mich wieder“, dachte sie und freute sich bei diesem Gedanken.

Langsam fuhren sie durch den dichten Regenwald und auf den vom Regen ausgeschwemmten, staubigen Fahrwegen. Fast hätte sich Julia auf der Rückbank den Kopf an der Autodecke angestoßen, als Karsten etwas unvorsichtig über ein Schlagloch gefahren war.

„Entschuldigt meine Schönen. Ich hatte das Schlagloch übersehen. Kommt nicht mehr vor“,

dabei schaute er verschmitzt durch den Rückspiegel zu Julia. Sie wurde rot. Ihr war bewusst, dass er wohl ihre an ihm interessierten Blicke bemerkt hatte. Esmeralda war von der exotischen Landschaft angetan. Fasziniert schaute sie aus dem Seitenfenster.

Karsten erzählte:

„Dieses Land mit ca. 2400 Quadratkilometer Staatsgebiet besteht fast zur Hälfte aus dem immergrünen tropischen Regenwald, Bergregenwald, Savanne und Seen. Nachdem Amazonasbecken ist es das zweitgrößte Urwaldgebiet der Welt.“

„Ist wirklich interessant. Dauert es noch lange, bis wir eine Rast machen? Ich muss mal“, sagte Julia.

„Nein, nur noch eine halbe Stunde. Wir halten auf einem bewachten Campingplatz. Da sind Toiletten und Duschen. Wenn du es nicht aushalten kannst, halte ich an und du kannst in den Busch gehen.“

„Nein danke!“

Nie und nimmer wollte sie hier in der Wildnis aussteigen. Karsten verlangsamte sein Tempo.

„Hier schaut mal nach rechts. Auf dem dicken Baum sitzen die typischen Bewohner des Regenwaldes, das sind Gibbon Affen, der gesamte Clan hat sich versammelt, um Euch zu begrüßen. Die sind doch lustig.“

„Ja richtig süß, schau doch, wie sich die Babys an den Bauch ihrer Mamis klammern.“ Julia war begeistert.

Karsten: „Ja, die sind niedlich. Im Bergregenwald leben auch Berggorillas. Die werden uns hier nicht begegnen.“

„Welche Arten von Tieren leben hier noch?“, fragte Esmeralda.

„Löwen, Wildelefanten, Zebras, Leoparden, Krokodile, Giraffen, Geparden“, zählte Karsten auf.

Er liebte dieses Land und war stolz darüber zu erzählen.

„Das sind die, vor denen wir uns in Acht nehmen müssen.

Doch es leben auch wunderschöne Pfauen, Flamingos, Papageien und andere schöne Vögel auf diesem Stück Erde. Es könnte ein Paradies sein, wenn die Menschen es begreifen könnten.“

Dann huschten ein paar Gazellen, begleitet von Antilopen, durch das trockene Geäst.

Mitten in der Wildnis tauchte ein eingezäuntes Gelände auf. Nach mehrmaligem Hupen kam ein älterer Mann und öffnete das verschlossene Tor. Karsten unterhielt sich kurz mit dem Mann. Der Mann nickte ließ die Reisegruppe in das Gelände einfahren und ging zurück in eine kleine Hütte auf dem Gelände aus der er gekommen war.

„Das ist der Wachmann. Schein wohl keiner außer uns hier zu sein. So haben wir das ganze Gelände für uns.“

Die beiden Freundinnen schauten sich unsicher an.

Er lächelte den Frauen aufmunternd zu.

„Kommt, steigt aus. Hier rechts ist das Gebäude, da sind die Duschen und Toiletten untergebracht. Hoffentlich ist das Wasser für Euch nicht zu kalt, denn es gibt keine Warmwasseraufbereitung.“

Julia folgte sofort der Aufforderung. Der Druck auf ihrer Blase wurde schmerzhaft.

Esmeralda schaute sich neugierig um. Das Gelände war großzügig. Auf dem ausgetrockneten Boden standen ein paar Bäume mit dürren Ästen und braunen Büschen, deren Blätter die Farbe des Lehmbodens durch den Staub angenommen hatten. Außer dem Haus des Wächters und dem Toilettengebäude war nichts auf dem Platz zu sehen.

„Neben dem Rastplatz liegt einer von den zahlreichen Seen. Auch hier ist Vorsicht geboten. Darin leben Flusspferde und Krokodile. Wir sind mitten in der Wildnis“, mahnte Karsten.

„Auch kann sich eine hochgefährliche Mamba mal verirren. Sie sind nur gefährlich, wenn sie sich bedroht fühlen. Also seid vorsichtig beim Gehen. Die mögen es überhaupt nicht, wenn man auf sie tritt. Das kann tödlich enden.“

„Was erzählst du uns! Willst du uns Angst machen?“

Julia war aufgebracht.

„Nein, ich will Euch nur auf die Gefahren des Landes aufmerksam machen.“

„Woher kommt denn hier das Wasser?“

„Einmal im Monat kommt ein Lastwagen mit einem großen Tank vorbei.“ Karsten lachte, als er antwortete:

„Hoffentlich war der LKW dieses Mal da“, denn, als er das letzte mal auf dem Platz war, gab es kein Wasser.

Es gab Wasser. Allerdings nicht erhitzt. Das war jedoch nicht notwendig. Die kühle Dusche tat bei der prallen Hitze von knapp 40 Grad C gut.

Karsten hatte, während die Frauen duschten, die Zelte aufgebaut und das Abendessen aus den mitgebrachten Plastikcontainern auf einem kleinen Klapptisch aufgestellt. Aus der großzügigen Kühlbox tranken sie gut gekühlten Weißwein und Mineralwasser. Die Frauen langten mit Appetit zu, die Reise hatte sie hungrig und durstig gemacht. Schnell brach die Dunkelheit ein, nachdem sie einen phantastischen Sonnenuntergang beobachtet hatten. Der Himmel hatte sich von erst orange, dann in`s lila über pink und rosa gefärbt, bis die Sonne vollständig in den Erdboden eingetaucht war.

Julia und Esmeralda waren nach dem Essen gleich in ihr Zelt gegangen, konnten jedoch vor Aufregung nicht gleich einschlafen, obwohl beide übermüdet waren.

Ganz in der Nähe hörten sie die Rufe von Hyänen.

Julia meinte:

„Bin ich froh, dass das Gelände eingezäunt ist.“

„Hoffentlich ist kein Loch im Zaun“, antwortete Esmeralda.

Im Morgengrauen des nächsten Tages ging die Fahrt weiter, nachdem sie flink alles Mitgebrachte im Auto verstaut hatten. Noch vor dem Mittagessen erreichten sie ein Dorf mit einem Hauptgebäude und mehreren kleinen Gebäuden. Vor einem der Häuser warteten Einheimische in einer Warteschlange. Einige hatten Verbände um die Köpfe, andere am Körper. Einige Frauen trugen ihre Babys auf dem Arm oder auf den Rücken gebunden. Jeder wartete geduldig auf medizinische Hilfe.

Karsten sprang aus dem Jeep und öffnete den Kofferraum, um das Gepäck der Frauen auszuladen. Esmeralda trat auf die staubige Straße und Julia kletterte aus dem Fond des Autos. Als sie auf dem Weg standen kamen nach und nach die Truppe der Hilfsmannschaft aus den Häusern. Die Frauen wurden herzlich begrüßt. Neugierig blickten Julia und Esmeralda zu dem Begrüßungskomitee.

„Hier bringe ich unsere beiden neuen Krankenschwestern, Julia und Esmeralda“, sagte Karsten während er die Koffer abstellte. Ein etwas älterer weißhaariger Mann, ca. um die 50 Jahre alt, er trug, wie die anderen, lässige Tropenkleidung, trat hervor. Man konnte ihm seine Erfahrungen, die er in den Jahren als Arzt im Kongo gesammelt hatte, von seinem Gesicht ablesen.

„Zuallererst wünschen wir Euch beiden ein herzliches Willkommen in Sud Kivu. Ich bin der Leiter dieses Krankenlagers. Wir haben uns in den Kopf gesetzt, diesen armen Menschen hier ...“, dabei zeigte er auf die Warteschlagen der Patienten „ … zu helfen. Ich heiße Wilfried Krüger. Nennt mich Wilfried. Wir sprechen uns hier alle mit Vornamen an.“

Dabei streckte er seine Hand den beiden Neulingen zu. Es begleiteten ihn 4 Männer und 3 Frauen, die den beiden Frauen ebenso freundlich die Hand zum Gruß entgegenstreckten. Esmeralda und Julia grüßten schüchtern zurück und stellten sich höflich den gestellten Fragen der Truppe. Dann erschien ein einheimischer Junge, etwa 16 Jahre alt. Unaufgefordert nahm er die Koffer der beiden und trug sie in ein seitlich gelegenes kleines Haus. Karsten merkte, dass die jungen Frauen misstrauisch wurden.

„Keine Sorge, das ist Andele. Er bringt Eure Koffer in das Haus, das wir für Euch reserviert haben. Er war mal als Patient hier und will uns nicht mehr verlassen. Deshalb arbeitet er jetzt für uns.“

Andele war schüchtern und blickte nicht auf, während er das Gepäck weg trug.

„Kommt mit, ich zeige Euch Euer neues Zuhause. Zunächst für 3 Monate, so hat man mir das von der Zentrale in Deutschland mitgeteilt,“ sagte Wilfried.

Er führte sie zu einem der kleinen, gelb gestrichenen, Häuschen. Im Inneren betraten sie zuerst eine kleine eingerichtete Küche, daneben lag ein kleines Wohnzimmer und von diesem Zimmer führte eine Tür in einen kleinen Flur. Von dort aus gelang man ins Badezimmer und in ein geräumiges Schlafzimmer mit zwei Betten.

„Hoffe, dass das komfortabel genug für Euch ist. Manchmal funktioniert auch der Fernsehen, je nach Wetterlage. Die Antenne müsste ihr ab und zu neu ausrichten.“

Ja, das Häuschen war komfortabel. Es war einfach und zweckmäßig eingerichtet und war innen neu gestrichen worden. Julia blickte in der Küche auf Farbeimer und Pinsel.

„Die Sachen holt Andele später ab. Er hat für Euch gestrichen. Er meinte, dass es notwendig war, damit ihr Euch bei uns wohlfühlen könnt.“

Esmeralda schaute sich in ihrem neuen Heim um.

„Ja, das ist sehr schön. So schön habe ich mir das nicht vorgestellt. Nicht wahr, Julia?“

„Ja, wirklich schön. Wir freuen uns bei Ihnen, äh … bei Euch zu sein. Ich muss mich noch an die Du-Anrede gewöhnen.“

„Dann kommt in etwa einer Stunde zum gemeinsamen Mittagessen. Heute Abend, wie jeden Abend unterhalten wir uns über das, was am Tag passiert ist. Manchmal passiert nichts Ungewöhnliches und an manchen Tagen ist hier die Hölle los. Das meine ich im wahrsten Sinne des Wortes.“

Dabei strich sich Wilfried nachdenklich übers Kinn.

„Also, dann richtet Euch mal häuslich ein, bis später.“

Esmeralda und Julia hatten gleich nach dem sie allein in dem Haus waren, in allen Türen der Schränke hineingeschaut. In der Küche befand sich alles an Geschirr, was sie brauchten. Auch ein paar in Gläser gefüllte Gewürze waren sauber aufgestellt.

„Kann man denn hier irgendwo einkaufen gehen?“

„Kann ich mir kaum vorstellen“, meinte Julia.

„Dann lass uns mal unsere Sachen auspacken, welches Bett nimmst du?“

Das Mittagessen war einfach, bescheiden und schnell erledigt. Im Gegensatz zum gemeinsamen Abendessen, kamen die ärztlichen Helfer, wie es zeitlich für sie passte. Zu viele Patienten warteten auf Hilfe.

Danach richteten sich Julia und Esmeralda ein und legten sich erschöpft in ihre Betten, um etwas auszuruhen.

Esmeralda konnte nicht einschlafen. Julia schlief. Esmeralda hörte ihre ruhigen Atemzüge.

So beschloss sie, sich im Lager etwas umzusehen. Die Warteschlange vor dem Krankenhaus war noch länger geworden, als am Mittag. Esmeralda sah verletzte Menschen unter den Wartenden mit notdürftigen Verbänden

an Armen, Hände und Kopf. Trotz ihren Verletzungen warteten sie geduldig, bis ihnen geholfen werden konnte.

Dann erblickte sie Karsten, der an seinem Jeep arbeitete.

„Hallo Karsten, ist das Auto kaputt?“

Karsten drehte sich zu ihr um. Sein Gesicht war mit schwarzen Ölspritzern beschmutzt.

„Nein, ich mache immer nach einer längeren Fahrt eine Inspektion. Und dieses mal musste das Öl gewechselt werden.

Was treibt dich in der Mittaghitze auf die Straße?“

„Konnte nicht schlafen. Ich beneide Julia. Sie schläft friedlich ihren Mittagsschlaf. Aber was anderes, warum sind denn diese Leute verletzt, die in der Schlange vor dem Krankenhaus stehen?“

„Das wirst du noch öfter erleben. Das sind Verletzte, die von ihren Dörfern von irgend welchen kriminellen Banden vertrieben wurden. Die hatten noch Glück im Unglück. Sie haben überlebt und konnten sich herschleppen.“

Das gemeinsame Abendessen war von kongolesischen Köchinnen appetitlich und schmackhaft zubereitet gewesen.

Es gab einen köstlich duftenden Eintopf mit Fleisch, Gemüse und Süßkartoffeln. Das Gericht war mit Kochbananen und afrikanischen Gewürzen verfeinert. Dazu wurden Wasser, Säfte, Bier und Wein gereicht. Zum Dessert servierten die freundlichen Kongolesinnen Scheiben von frisch geschnittenen Ananas.

Alle Mitarbeiter der Hilfsorganisation waren anwesend. Nachdem die leeren Teller abgeräumt worden waren, stellte Wilfried die neu angekommenen Schwestern mit Namen und Diensterfahrung vor. Auf dem großen Holztisch erklang ein schallendes Fingerknöchelklopfen von den Anwesenden für die Damen. Danach standen alle Kollegen einzeln auf, um sich vorzustellen. Die 4 Männer bei der Begrüßung waren Ärzte aus verschiedenen Fachrichtungen. Eine der 3 Frauen war im Sekretariat beschäftigt, eine als Köchin und die andere Frau als sogenanntes „Mädchen für alles“. Wenn etwas fehlte, war sie die Person, die zuständig war. Karsten stand auch auf und sagte:

„Mich kennt Ihr ja schon. Ich fungiere hier als Chauffeur und fahre einmal in der Woche nach Kinshasa um für Euch einzukaufen und fehlendes medizinisches Material vom Flughafen abzuholen.“

Nach dem Essen bat Wilfried die beiden in sein Büro, um alle näheren Einzelheiten zu besprechen.

„Morgen könnt Ihr noch ausruhen. Ich denke, das braucht Ihr. Die Reise war lange und anstrengend. Das Klima hier ist sehr anstrengend, wenn man es nicht gewöhnt ist. An manchen Tagen kann es sehr heiß und stickig sein. Gestern morgen sind Eure beiden Vorgängerinnen nach Deutschland zurückgeflogen. Sie waren 3 Monate hier. Karsten hatte sie zum Flughafen gebracht und Euch abgeholt. Sie haben sehr gute Arbeit geleistet. Jetzt brauchen sie Urlaub. Sie können sich überlegen, ob sie wieder in der Organisation arbeiten wollen. Nach 3 Monaten ist Euer Vertrag abgelaufen. Das ist ein sogenannter Eignungstest für Euch und für uns. Falls Ihr danach weitermachen möchtet, werdet Ihr, wenn Ihr das wollt, eine Weiterbildung machen können. Die Organisation wird alles veranlassen, auch wo man Euch danach einsetzen wird. So, jetzt ist es spät geworden. Viel auf einmal. Dann bis übermorgen früh. Um 7 Uhr werdet Ihr Euren Dienst antreten. Den Dienstplan hängen wir in Eurem Zimmer auf, so dass Ihr sehen könnt, wann wer was zu tun hat. Also, dann geht mal schlafen und ruht Euch gut aus. Ihr werdet hier viel Kraft, gute Nerven und Ausdauer brauchen.“

Überwältigt von all diesen neuen Eindrücken waren die beiden Frauen unfähig etwas zu erwidern und verabschiedeten sich höflich von ihrem neuen Chef.

„Das ist ein sehr sympathischer Mann. Man merkt ihm an, dass er schon viel erlebt hat. Genau, wie mein Vater“, meinte Esmeralda, als sie sich in ihr Bett legten.

„Der Karsten aber auch. Ein Supertyp“, schwärmte Julia.

„Meine liebe Freundin, denke daran, du bist verlobt.“

„Ja schon, aber gucken darf man doch, oder?“

Dann knipste Esmeralda das Licht aus und beide schliefen tief und fest, bis lautstark am frühen Morgen ein Hahn krähte. Julia ging zuerst ins Bad, Esmeralda grübelte noch ein wenig im Bett, bevor sie in die Küche ging, um nach Kaffee zu suchen. Sie wurde fündig. Sogar eine Kaffeemaschine stand bereit.

Der Duft des frisch gekochten Kaffees durchdrang die Räume.

„Da komme ich doch genau richtig!“

Karsten stand in der Tür, ohne angeklopft zu haben.

„Ich hoffe, dass ich nicht störe und Ihr gut geschlafen habt.“ Esmeralda fand es peinlich, da sie noch ihr leichtes Nachthemdchen trug, welches knapp ihren Po bedeckte. Da es ziemlich heiß und schwül geworden war, hatte sie sich nichts drüber gezogen.

„Ich soll Euch fragen, was Ihr so alles braucht. Ich meine, was fehlt. Fürs Essen wird gesorgt, aber wenn Ihr etwas außer der Reihe braucht, wie Zigaretten, Kosmetik oder Bares, dann bringe ich es mit. Ich fahre gleich in die Stadt Fizi, um einzukaufen.

„Was machst du denn hauptsächlich? Für was bist du denn hier zuständig?“ fragte Julia, die mittlerweile frisch geduscht, duftend, in leichter Tropenbekleidung perfekt angezogen war, dastand. Esmeralda ging wortlos ins Badezimmer. Er bediente sich mit dem Kaffee. Er kannte sich gut aus, fand gleich die Tasse, Milch und Zucker.

„Ich bin hier der Fahrer und Dschungelführer. Ich lebe hier schon seit 10 Jahren. Kam mit meinen Eltern aus Amerika in den Kongo. Mein Vater hatte sich als Goldjunge ein bisschen reich gemacht. Er ist dann wieder in die Staaten zurück gegangen, nachdem meine Mutter gestorben war. Sie starb am Tropenfieber. Wäre zu viel los hier. Zu viel Unruhen und Gefahren, meinte er, als er das Land verließ. Doch ich bestand darauf hier zu bleiben und ich habe in diesem Land das gefunden, was ich brauche.“

Julia war begeistert. „Was ein Held“, dachte sie bewundernd. „Also, braucht Ihr etwas? Habt Ihr Bargeld? Manchmal brauchen wir ein bisschen Knete.“

„Nein, daran haben wir noch nicht gedacht. Wie heißt den hier die Währung? Das haben wir ganz vergessen in all den Aufregungen.“

„Das sind Kongo-Francs. Ich bringe Euch mal für 50 Euro Kleingeld mit. Etwa 50.000 Francs. Die Euros könnt Ihr mir dann geben, wenn ich zurück bin. 50.000 ist hier ein Vermögen. Wird erst mal für Euch beiden reichen. Braucht Ihr sonst nichts?“

„Nein danke, erst mal nicht, scheint ja alles hier zu sein. Verhungern werden wir wohl nicht, dafür sorgt ja die Köchin“, meinte Julia.

Karsten verschwand ohne Verabschiedung, so wie er ohne Begrüßung gekommen war. Mittlerweile kam auch Esmeralda angezogen und frisch gemacht aus dem Badezimmer zurück.

„Na ist dein Goldjunge wieder weg?“, dabei lächelte Esmeralda wissend.

Julia: „Was denkst du denn? Ich finde ihn sehr nett und attraktiv, mehr nicht.“

„Ja, ich weiß, du bist schließlich verlobt“, klang Esmeraldas Stimme etwas spitz.

Nach einem kleinen Imbiss gingen die Frauen auf Entdeckung ihrer neuen Umgebung. Wieder standen in dem kleinen Dorf viele Einheimische in der Warteschlange vor dem Behandlungsraum des kleinen Krankenhauses. Sie betraten die Rezeption. Hinter einem Schreibtisch saß eine Kongolesin, die ein Telefongespräch führte. Da in diesem Land Französisch gesprochen wird, verstanden die beiden kaum etwas. Aaliya war etwas rundlich und große schwarze Augen blitzten in ihrem prallen Gesicht und fast schwarzem Teint. Wach und aufmerksam betrachtete sie die „Neuen“, während sie dabei telefonierte. Als sie das Telefonat beendet hatte, stand sie auf, um die beiden Krankenschwestern zu begrüßen. Nun sprach sie in fließendem Englisch:

„Hallo, das ist schön, dass Ihr mich besuchen kommt. Ich bin Aaliya. Alle Patienten werden von mir registriert, bevor sie zum Doktor gehen können.“ Dann in gebrochenem Deutsch: „Ordnung muss sein!“

„Ich weiß, dass Ihr morgen Eure Arbeit antretet. Ich bin sehr dankbar, dass Ihr uns helfen werdet. Heute hat Dr. Braun, auch ein Deutscher, Dienst. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr ihn gleich sprechen. Er ist gleich mit einer Patientin fertig.“

Esmeralda und Julia warteten gerne.

„Wir haben gestern beim Abendessen alle gesehen, aber wer Dr. Braun war, habe ich vergessen“, sagte Julia.

Esmeralda zuckte mit den Schultern. Dann ging die Tür des Behandlungsraumes auf.

„Einen wunderschönen guten Morgen meine Damen. Ich freue mich, Euch persönlich sprechen zu können. Kommt in mein Reich.“

Beim Betreten der Praxis drang der typische Geruch von Desinfektionsmittel zu ihnen. Neben der Behandlungsliege lagen blutige Mullbinden auf einem Beistelltisch in einer Schale. Der behandelte Patient verließ schüchtern das Zimmer, während er noch sein Hemd zuknöpfte.

„Ich bin Clemens“, er hatte noch die Gummihandschuhe an und warf die Mullbinden in einen Eimer. Dann zog er die Handschuhe aus, wusch sich die Hände und setzte sich hinter seinen Schreibtisch.

Clemens erzählte von seiner Arbeit. Er war nach seinem abgeschlossenen Studium als Arzt und nach zweijähriger Erfahrung als Assistenzarzt im Krankenhaus Hamburg schon 2 Jahre in der Truppe.

„Eigentlich wollte ich nur für ein Jahr hier arbeiten. Ich dachte, dass es für mich karrieregünstig sei, wenn ich danach zurück nach Hamburg gehen würde. Doch nachdem ich erlebt habe, wie dringend wir hier gebraucht werden, habe ich noch mal verlängert. Zwischendurch war ich auf Urlaub in Hamburg. Den hatte ich auch dringend gebraucht. Doch schon nach 3 Wochen wollte ich wieder zurück nach Sud Kivu. Die Situation für die Bevölkerung ist grauenhaft. Neben Schlangenbissen, Skorpionstichen, Durchfall, Kinderlähmung kommen noch mehrere Krankheiten auf diese geplagten Menschen zu. Cholera, Gelbsucht, Malaria und auch Aidskranke müssen behandelt werden. Aber das werdet Ihr bald selbst sehen. Eines ist ganz klar: Wir sind hier, um zu helfen!“

Clemens Überzeugung imponierte Esmeralda. Sie dachte an Dr. Fontane in Lampedusa. Er war sicher auch aus Überzeugung Arzt und war länger in Lampedusa geblieben, als er vorhatte. Nach diesem Besuch schauten sie sich im Lager weiter um.

Neben dem Krankenhaus befanden sich zwei Nebengebäude. Eins war das Verwaltungsgebäude und im anderen Gebäude befand sich der Speiseraum mit der Küche und den dahinterliegenden Lagerräumen. Hinter dem Krankenhaus, welches den Mittelpunkt des Lagers bildete, lagen die kleinen Häuser der Helfer. Die Häuser waren alle gleich konstruiert, ein Aufenthaltsraum, eine Küche, ein Schlafzimmer mit Badezimmer. Vor jedem der Häuser befand sich eine kleine Veranda.

Die Hitze und die hohe Luftfeuchtigkeit der Tropen ergriff das Land mit jeder weiteren Stunde des Tages. Die Luftfeuchtigkeit stieg rapide weit über 100 Prozent an, schwerlastig und stickig.

Esmeralda hatte, nachdem Julia sich zurückgezogen hatte, einen Entdeckungsgang außerhalb des Camps unternommen. Neugierig entfernte sie sich vom Lager. Bedingt durch ihre Geburt und ihrer Herkunft empfand sie Hitze nicht so unangenehm, wie Julia es empfand. Ohne es zu bemerken entfernte sie sich immer weiter. Die Vegetation erinnerte sie an ihre Kindheit an ihre Heimat Eritrea. Bunte Vögel in schillernden Farben hatten sich im dichten Geäst der Bäume versammelt. Dann entdeckte sie einen kleinen See, der in einer Waldlichtung lag. Das Wasser schien klar und sauber zu sein. Die goldenen Strahlen der Sonne spiegelten sich im Wasser des Sees. Einladend für ein kühles Bad.

Esmeralda überfiel der Wunsch, ihre vom Schweiß feucht gewordenen Kleider abzulegen und nackt ins erfrischende Wasser zu steigen, so wie sie es damals mit ihrem kleinen Bruder Jonas in ihrer Kindheit oft getan hatte. Auch dort war ein Teich am Rande des kleinen Ortes gelegen. Bei dem Gedanken an Jonas zog sich ihr Herz schmerzhaft zusammen. Sehnsüchtig dachte sie an ihre Familie. An die Zeit, die sie mit ihrer geliebten Familie in Eritrea verbracht hatte. Von politischen Problemen hatte sie als Kind nie etwas gespürt und ihres Erachtens keine Nachteile empfunden. Es war für alles geregelt. Bis ihr Vater mit der gesamten Familie fliehen musste und sich dadurch drastisch ihr ganzes Leben veränderte.

Sie fand eine Stelle am Ufer des Teiches, um bequem ins Wasser gehen und schwimmen zu können. Schnell zog sie sich aus, warf ihre Kleidung auf einen Busch und tauchte nackt in das kühlende Wasser ein. Auf dem Rücken liegend, gleitete sie mit leichten Schwimmzügen auf der Wasseroberfläche. Sie blickte hinauf zum strahlend blauen Himmel, lauschte den zwitschernden Vögeln, die auf den überhängenden Ästen saßen. Plötzlich hörte sie ein Rascheln vom Ufer her kommend. Erschrocken drehte sie sich auf den Bauch im Wasser. Sie sah, wie sich das hochgewachsene Schilf am Teich bewegte. Dann hörte sie ihren Namen rufen:

„Esmeralda, komm schnell wieder aus dem Wasser heraus. Es ist lebensgefährlich!“

Karsten stand am Ufer und winkte ihr aufgeregt zu.

„Schnell, komm, hier gibt es gefährliche, menschenfressende Krokodile!“

Esmeralda schwamm so schnell sie konnte zum Ufer zurück. Ohne sich an ihre Nacktheit zu erinnern stieg sie aus dem Wasser. Karsten stockte der Atem, als sich ihr makelloser, goldbrauner Körper aus dem Wasser erhob. Dabei hatte sie sich ihr nasses, langes schwarzes Haar aus dem Gesicht gestrichen. Die glasklaren Wassertropfen perlten von ihrem Körper hinab.

„Wie eine Göttin aus Bronze“, dachte Karsten.

Er reichte ihr ihre Kleidung und wendete sich verlegen ab. Erst in diesem Moment wurde sich Esmeralda darüber bewusst, dass sie nackt vor ihm stand. Ebenso verlegen presste sie sich die von Karsten gereichte Bluse an ihre Brust. Karsten hatte sich höflich umgedreht, bis Esmeralda angezogen war. Die Kleider waren feucht durch die Nässe auf ihrem Körper geworden und klebten auf ihrer Haut.

Karsten hatte seine Fassung wieder gefunden und rief wütend:

„Was um Gottes Willen hast du hier verloren! Ganz allein. Bist du von allen Geistern verlassen? Das hätte tödlich für dich ausgehen können!“

Esmeralda schaute unschuldig zu Karsten und zuckte mit den Schultern.

„Vor einiger Zeit versuchte hier ein Expertenteam menschenfressende Krokodile zu fangen. Zusammen mit einem Team suchten sie nach Spuren und hatten mehrmals mit Hochwasser und unvorhergesehenen Wettereinflüssen zu kämpfen. Doch die Tiere sind klug und verstehen es, ihren Jägern aus dem Weg zu gehen. Sie sind hier überall.“ Esmeralda war entsetzt. Sie wollte sofort diesen Ort verlassen. Sie drehte sich ab, um wegzulaufen.

„Komm, bleib doch stehen! Wir gehen zusammen.“

Karstens Stimme klang energisch.

„Ich hatte von Julia gehört, dass du unterwegs wärst und sie wusste nicht wohin. Sie meinte, du wolltest die Gegend erkunden. Da dich keiner gesehen hatte, habe ich mich auf die Suche nach dir gemacht. Und ich bin froh, dass ich dich gefunden habe, bevor die Raubtiere sich an dir satt gegessen hätten.“

Noch immer war Esmeralda durch den Schreck sprachlos. Karsten nahm ihre Hand und führte sie durch den Wald zurück zum Lager. Mittlerweile hatten auch die anderen der Bewohner sich Sorgen um Esmeralda gemacht. Julia wartete bei Wilfried, dem Leiter der Organisation. Wilfried hatte die Stirn in Falten gelegt, als er Esmeralda mit Karsten kommen sah. Wieder strich er sich nachdenklich mit seiner Hand über sein Kinn. Julia lief Esmeralda entgegen.

„Mensch Esmeralda, wo warst du denn? Wir haben uns alle die größten Sorgen um dich gemacht!“

Wilfried nahm Esmeralda an die Seite, nachdem Karsten ihm berichtet hatte, wo er sie gefunden hatte.

„Du kannst hier nicht ungeschützt in der Gegen herumlaufen. Hier warten alle Gefahren auf eine leichtsinnige Person, wie dich. Außer den Krokodilen lauern auch bösartige Menschen, die dich entführen könnten. Es sind die Rebellen, die sich hier immer noch herumtreiben. Sie haben nichts Gutes im Sinne, sie sind brutal und herzlos, es schert sie einen Teufel, was ein oder mehrere Menschenleben angeht. Vor Vergewaltigungen haben sie keine Scheu. Sie vergewaltigen Kinder, Jungen und Mädchen, erwachsene Frauen, selbst Greisinnen. Du wirst hier noch viele schreckliche Dinge erfahren, deshalb, weil du hier mit diesen geschändeten Frauen und Kindern zusammen kommen wirst. Es wird deine Aufgabe sein, die Wunden der körperlichen Pein, wie auch die Wunden der seelischen Qualen, zu heilen, oder wenigstens zu mildern.“

Esmeralda schämte sich. Diesen Gefahren war sie sich nicht bewusst gewesen. Sie bereute zutiefst, dass sie derartig leichtsinnig war.

Nach diesen Aufregungen war es Zeit für das gemeinsame Abendessen. In ihrem Haus angekommen versuchte Julia Esmeralda zu trösten. Denn, als sie im Inneren des Hauses waren, löste ein Weinkrampf von Esmeralda ihre aufgestauten Spannungen der letzten Stunden. Julia nahm Esmeralda in ihre Arme und strich ihr die Tränen von ihrem Gesicht.

„Nun mach dich frisch. Es ist ja nichts passiert. Es ist Zeit. Wir müssen pünktlich zum Abendessen kommen. Das hat Wilfried gesagt. Betrachte diese Lektion als eine Herausforderung zur Bewährung dessen, was uns noch alles bevorstehen kann.“

Niemand der Anwesenden hatte beim Abendessen dieses Ereignis angesprochen. Das Essen war einfach und dennoch wieder einmal köstlich zubereitet. Clemens prostete ihr mit einem Glas Rotwein aufmunternd zu.

„Morgen machen wir gemeinsam Dienst. Du weißt ja, wo ich zu finden bin. Wir haben einige Menschen gegen Gelbfieber zu impfen. Soll sich hier sehr schnell verbreitet haben. Sei pünktlich um 7 bei mir in der Praxis.“

Esmeralda nickte ihm zu. Julia wurde direkt Wilfried unterwiesen. Er versorgte Verletzungen und Knochenbrüche.

Müde und erschöpft fiel Esmeralda in einen traumlosen Schlaf.

Im Lager war es still geworden. Auch die anderen Mitbewohner schliefen. Nur in Karstens Zimmer brannte noch Licht. Er konnte nicht einschlafen. Unruhig wälzte er sich im Bett. Andele, der mit ihm das Haus teilte, bemerkte Karstens Nervosität. Er ahnte, was mit Karsten los war. Er kannte Karsten gut und hatte schon bei der Ankunft der Frauen bemerkt, wie sehr Karsten von Esmeralda beeindruckt war.

Ständig wiederholte sich in Karstens Phantasie das Bild vor sich, als Esmeralda, so wie Gott sie schuf, aus dem Wasser stieg. Ihren nackten geschmeidigen Körper mit ihrer bronzefarbene Haut. Er beobachtete wie das auf ihrem Körper abfließende Wasser, wie kleine durchsichtige Perlen langsam von ihrer Haut abtropften, wie sie ihre Arme hob, um ihr langes, nasses Haar mit beiden Händen aus der Stirn zu streichen.

„Sie ist wunderschön, schön wie eine Göttin aus dem Paradies.“

Diese Bilder ließen ihn nicht zur Ruhe kommen. Ihre wunderschönen Augen, die wie Smaragde leuchteten, blickten ihn im Halbschlaf an.

„Diese Frau macht mich nervös und unkonzentriert. Gleich am Flughafen war ich von ihr fasziniert“, gestand er sich ein.

Tränen der Hoffnungslosen

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