Читать книгу Ferrari-ROT - Lisbeth Ritter - Страница 6
Profi
Оглавление‚Neu‛, wusste Dolores sofort.
Pat sah sich in dem Raum um, den sie soeben betreten hatte. Sie versuchte gelassen zu wirken, doch Dolores nahm die latente Nervosität der Besucherin sofort wahr. Musste lächeln. Es war immer dasselbe.
Das Etablissement wirkte wie eine normale Bar. Leicht gedämpftes Licht. Einfache, aber stylische Einrichtung. Auf der einen Seite des länglichen Raumes fünf Nischen mit jeweils einem kleinen Tisch und einer halbrunden Bank.
Pat beschloss, die Nischen mit den drei dort wartenden Männern vorerst zu ignorieren. Wandte sich der Theke auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes zu.
„Guten Abend“, wurde sie freundlich von Dolores begrüßt.
Sie erwiderte sowohl Lächeln als auch Gruß, setzte sich auf einen der Barhocker und bestellte ein Bitter Lemon. „Wenn Sie so etwas haben.“
„Sicher.“ Dolores stellte ein Glas mit Eiswürfeln vor die potenzielle Kundin, gab eine Zitronenscheibe dazu und schenkte ein.
„Sehen Sie sich in Ruhe um“, ermunterte sie Pat. „Sie können selbstverständlich direkt mit den Männern reden, oder Sie sagen mir, was Sie möchten. Ich beantworte auch alle Ihre Fragen, falls Sie welche haben. Ich heiße Dolores.“
„Ihr richtiger Name?“
Die Frage überraschte Dolores sichtlich.
„Entschuldigung, das geht mich wirklich nichts an.“ Pats Stimme wurde leiser: „Ich dachte nur …“ „Ja?“, fragte Dolores neugierig geworden.
„Weil der Name doch ‚Schmerzen‛ bedeutet …“, ließ Pat ihren Satz erneut unvollendet.
„Oh, das ist unbeabsichtigt. Die meisten Frauen wollen außer Sex auch Exotik. Sabine ist ihnen zu – gewöhnlich.“
Es war nichts los im Moment, Dolores hatte Zeit zu plaudern. Etwas Abwechslung. Die Stammkundin, die gerade eintrat, kam alleine zurecht. Verschwand mit einem Nicken durch die Tür am hinteren Ende der Theke. Pat folgte ihr mit den Augen.
„Sie suchen einen Mann“, nahm Dolores das Gespräch wieder auf. „Sex“, stellte Pat klar.
„Aber mit einem Mann?“ „Ja.“
„Sie sollten sich einige unserer Jungs näher ansehen. Die, die gerade frei sind, sind hier.“ Sie machte eine leichte Kopfbewegung in Richtung der Tische.
Pat nickte. „Ich suche nichts“, sie zögerte, „sagen wir: Ausgefallenes. Ich habe nur überhaupt keine Erfahrung mit so etwas, und ich erlebe ungerne Überraschungen. Ich bin ein bisschen nervös“, gestand sie, und leerte ihr Glas in einem Zug.
„Die Jungs bereiten Ihnen im Rahmen des Vereinbarten ausschließlich positive Überraschungen. Und alle sind sehr gut darin, Sie zu entspannen. Wenn Sie mir sagen, was Sie suchen, empfehle ich Ihnen einen der Männer. Ob Sie ihm sagen, dass Sie das zum ersten Mal machen, können Sie entscheiden, wenn es so weit ist. Aber bei neuen Kundinnen sind sie generell alle besonders einfühlsam. Wie gesagt, Sie können sich auch gerne selbst umsehen.“
„Ich suche einen, der intelligent ist“, kam es nach einer kurzen Pause.
Dolores lachte auf. „Meinen Sie das ernst? Ich habe ja schon viel gehört … Sie sind aber nicht zum Reden hier – oder? Ich fürchte, das können die Jungs nicht besser als andere Männer.“
„Nein, sicher nicht, dann hätte ich nach einem gefragt, der zuhören kann.“
„Sie suchen einen Zuhörer?“, erklang eine angenehm warme Stimme schräg hinter ihr. Pat drehte sich diesem Klang folgend um, sah direkt in die Augen des Mannes.
„Das ist ein Missverständnis.“ „Schade, ich bin ein ausgezeichneter Zuhörer.“ Sein Blick hielt ihren gefangen. Er hatte etwas Herausforderndes, das seine sanfte Stimme Lügen strafte.
„Kann ich die Auszeichnung mal sehen?“, fragte sie.
Er lachte leise. „Ich müsste erst einige Damen bitten, mir ein entsprechendes Zeugnis auszustellen, aber wenn Sie mir ein bisschen Zeit lassen …“ „Danke, nicht nötig, ich glaube Ihnen. Dumm nur, dass ich gar keinen Zuhörer brauche.“
Er sah sie prüfend an, beugte sich etwas nach vorne, um ihr näher zu kommen, versuchte zu erraten, was sie wollte – und ließ derweil seinen Körper sprechen. Seine Wärme, seine Energie. Ihre Atmung beschleunigte sich tatsächlich leicht.
„Andererseits“, sie sah ihn interessiert an, „wenn Sie ein guter Zuhörer sind, sind Sie auch ein guter Liebhaber.“ Es war eine Feststellung, keine Frage. „Und für den Rest wird es schon reichen.“
Er sah überrascht aus, setzte aber sofort wieder sein angedeutetes Lächeln auf.
„Für Sie bin ich alles, was Sie wollen.“
Seine sanfte, ruhige Stimme ließ sie leise erschauern.
‚Wie schafft er es, bei einem solchen Satz, nicht arrogant zu wirken?‛
Sie riss sich von seinen Augen los, drehte sich zu Dolores um. „Ich habe gefunden, was ich suche.“ Und wieder zu ihm gewandt: „Wie funktioniert das mit dem Bezahlen?“
„Sie können gleich hier oder anschließend bei mir, wie Sie möchten.“ „Eine Stunde? Oder wird das … äh, nach …“ „Ganz wie Sie möchten.“
„Also eine Stunde.“ Sie schob ihre Karte über die Theke und überlegte, ob man für diese spezielle Art der Dienstleistung Trinkgeld gab.
Er wies ihr den Weg zu der Tür, hinter der eben die andere Frau verschwunden war. Pat warf einen Blick ums Eck, bevor sie den entscheidenden Schritt tat. Ein kurzer Gang, ein paar Türen.
Eine davon öffnete er und ließ sie eintreten.
Sie fiel ihm fast in die Arme, als sie sich zu ihm umdrehte. „Ich habe das noch nie gemacht, also überhaupt keine Ahnung, wie es funktioniert. Also, natürlich nicht …, ich meine …, also natürlich nicht Sex. Nur …, also, so was hier …“
„Nennen Sie mich Pierre.“ Er hielt etwas Abstand. „Entspannen Sie sich und sagen Sie mir einfach, was Sie wollen. Je genauer Sie es wissen, desto einfacher wird es für uns beide.“
Ihr skeptischer Blick war ihm nicht entgangen. „Wenn Ihnen Pierre nicht gefällt, benutzen Sie einen anderen Namen.“
„Ist das okay für Sie?“ „Ja sicher, ich sagte doch, ich kann alles für Sie sein, was Sie wollen. Das ist ernst gemeint.“
„Ist Tom in Ordnung oder bevorzugen Sie einen anderen Namen? Nur nicht dieses Pierre, das ist …“
Sie stockte. Am Ende war das sein richtiger Name. ‚Unsinn. Kein Mensch benutzt für so etwas seinen richtigen Namen.‛ Aber womöglich war er Franzose. Dazu war er wiederum zu groß, vielleicht aus dem Norden oder … Ihre Gedanken fingen an sich zu verselbstständigen, zu verdrehen, durch ihren Kopf zu schwirren.
„Tom ist gut.“ Er sah sie abwartend an. „Verraten Sie mir, wie ich Sie nennen soll? Möchten Sie vielleicht etwas trinken?“
„Wasser wäre gut.“ Sie wollte Zeit gewinnen. „Sonst nichts?“ Sie schüttelte den Kopf. „Eis?“ Wortlos bewegte sie den Kopf von einer Seite zur anderen. „Mit Sprudel?“ Sie nickte zur Abwechslung. Versuchte, nicht zum Bett hinzusehen. „Hier, bitte sehr.“ „Danke.“
Das Glas landete so, wie sie es bekommen hatte, auf der kleinen Theke, die in einer Ecke des Zimmers stand.
Sie spürte seine Nähe in ihrem Rücken, seine Hände auf ihren Armen. „Soll ich einfach anfangen? Sie ein bisschen streicheln?“ Seine Hände glitten über ihre Arme. „Oder vielleicht küssen?“ Seine Lippen näherten sich ihrem Hals, ihrem Ohr, ohne ihre Haut zu berühren. Sie spürte, wie sich die Härchen in ihrem Nacken unter seinem warmen Atem aufstellten.
„Oder wollen Sie lieber direkt zum Eigentlichen kommen? Haben Sie einen speziellen Wunsch?“
Ihr Magen zog sich zusammen, ihr wurde abwechselnd heiß – so hatte sie sich das nicht vorgestellt – und kalt. Sie wollte das Ganze sachlicher, weniger … intim.
Aber er war so nah. Verdammt nah. Und es fühlte sich so gut an.
‚Was eigentlich? Wie hast du es dir vorgestellt? Dass du wie ein Roboter mit ihm schläfst und dich dabei unbeteiligt beobachtest?‛
Er wartete geduldig, sie hatte ihn schließlich für eine ganze Stunde gebucht. Es konnte ihm egal sein, was sie in der Zeit machten. Und die meisten brauchten beim ersten Mal länger. Allerdings konnte er nicht einfach gar nichts tun, dafür wurde er nicht bezahlt.
„Setzen Sie sich doch.“ Er dirigierte sie sanft in Richtung des niedrigen Barhockers, der vor der Theke stand.
„Wie wäre es mit einer Massage? Nacken? Schultern?“ „Danke, aber deswegen bin ich nicht hier.“ Sie erhob sich, drehte sich zu ihm um. Klang so entschlossen, dass er dachte, sie würde endlich damit herausrücken, was sie wollte.
„So ausgefallen?“, versuchte er ihr weiterzuhelfen. „Nein, eigentlich ganz normal.“
Sie suchte nach Worten, fand keine passenden. ‚Warum stellst du dich so an? Rück einfach damit raus. Du verlangst ja nichts Besonderes. Im Gegenteil.‛
Er ging in die Offensive.
Die Linke leicht auf ihrer Hüfte, öffnete seine Rechte den obersten Knopf ihrer Bluse und begann sanft mit dem Finger ihr Décolleté entlangzufahren.
‚So groß kam er mir vorhin gar nicht vor‛, war alles, was sie denken konnte, als seine Präsenz ihre Sinne gefangennahm. Er öffnete weitere Knöpfe, bis sie die Augen schloss und ihn einfach machen ließ. Schob den Stoff über ihre Schulter und vorsichtig ihren BH nach unten. Seine Hand hatte ihre Brust noch nicht richtig umschlossen, da stöhnte sie schon leise auf. Er sah, wie sie schluckte, hörte, wie sie seufzte, als er ihren Busen zärtlich streichelte, dann sanft massierte. Seine Lippen legten sich wie von selbst um ihre Brustwarze, begannen damit zu spielen, entlockten ihr leise Töne der Lust. Er zog ihr Bluse und BH ganz aus, zog sich auch sein Hemd über den Kopf. Half ihr, in die Knie gehend, aus der Hose. Küsste ihren Hals, bevor er ihren Slip über ihre Hüfte schob, fallen ließ und sie zum Bett führte. Sie legte sich hin, während er seine Hose auszog. Ihr begehrlicher Blick auf seinem Glied ließ ihn steifer werden als normal. Er hatte schon ewig keine Lust mehr auf eine Kundin gehabt. Das änderte sich gerade gewaltig. Er glitt neben sie, küsste ihre Brüste, während er an der Kondomverpackung nestelte. Streifte es sich über und widmete sich dann streichelnd ihrem Schoß. Sie wand sich ihm entgegen, begann ihren Körper seufzend an seinem zu reiben, zog ihn näher, ihre Hand um sein Glied ließ ihn erschauern. Sie fasste es genau richtig an, schob es zielstrebig in ihren Eingang, zog ihn dann an der Hüfte tief in sich. Er drängte vorwärts, drehte sie auf den Rücken, küsste ihre Brüste, ihren Hals, während er versuchte, den Rhythmus seiner Stöße möglichst genau an ihr Stöhnen anzupassen. Wurde schneller, beobachtete, wie sich ihre Gesichtszüge anspannten. Ihre Finger gruben sich in seine Oberarme, ihr Stöhnen ging in Keuchen über. Ihr Körper wand sich wellenförmig unter ihm. Er wechselte zu langsameren, längeren Stößen, genoss es, dass sie ihm entgegenkam, dass sie „tiefer“ murmelte, dass sie seinen Kopf näher zog, seinen Mund an ihren Hals. Er liebkoste ihre Haut, ihr Ohrläppchen mit Lippen und Zunge. Wurde wieder schneller, nahm vorsichtig ihre Kehle, der sich jetzt dumpfe Laute entwanden, drang tiefer und trieb ihren zuckenden Körper schließlich in einen aufbäumenden Orgasmus, den er so lange wie möglich für sie festhielt.
Erlöst sank sie in die Matratze.
Ausgestreckt lagen sie nebeneinander auf dem Bett. Er hatte sich leicht auf die Seite gedreht, sah sie aufmerksam an.
Jetzt konnte sie ihm sagen, was sie eigentlich wollte.
„Ich möchte verschiedene Stellungen ausprobieren“, sie machte ein längere Pause, „und darüber mit Ihnen reden.“ „Reden?“ „Ich schreibe einen Roman, und ich brauche ein paar technische Details. Und einige Infos von einem Mann.“ ‚Wieso sieht er dich so komisch an?‛
„Was?“, fragte sie in unbeabsichtigt scharfem Tonfall.
„Wie bitte?“, antwortete er. Weniger scharf schob sie hinterher: „Was haben Sie gerade gedacht?“
Als keine Antwort kam, legte sie nach: „Ich habe bereits gezahlt, es kann also nichts passieren. Sagen Sie mir einfach, was Sie denken.“ „Das ist mit Abstand die originellste Ausrede, die ich bisher gehört habe.“ „Ausrede?“
„Sie meinen das doch nicht wirklich ernst?“ Er forschte in ihrem Gesicht. „Oh.“ Versuchte ihren ratlosen Blick richtig zu deuten, kam ins Stottern. „Tut mir leid, ich dachte wirklich, ich meine … Also … Es ist nur … Einige Kundinnen denken sich Geschichten aus, weil sie es nicht gewohnt sind, offen über ihre Bedürfnisse oder ihre Fantasien zu reden. Ist ja auch in Ordnung. Ich meine …“
„Ich schreibe tatsächlich Romane. Und Fantasie hin oder her. Ich hätte gerne, dass meine Geschichten technisch gesehen grob realistisch sind. Da ich bisher nur – nur normale Sachen gemacht habe, dachte ich, Sie könnten mir helfen. Manchmal durch Ausprobieren und manches dachte ich, lässt sich vielleicht auch einfach mit Reden klären. Erfahrung haben Sie ja genügend.“
„Ja, sicher.“
Er sah sie zweifelnd an. „Warum probieren Sie es nicht einfach mit Ihrem Mann oder Freund aus?“ „Ich habe keinen.“ „Sie finden aber doch einen Mann, wenn Sie wollen.“ „Ich soll mir zum Ausprobieren einen in der Bar suchen? Und ihn dann instruieren?“
„Viele Männer fänden es sicher aufregend, wenn Sie die Initiative ergreifen, wenn Sie eine Art Rollenspiel mit ihnen spielen.“
„Ach, nein. Dann gerate ich vielleicht an einen Psychopathen oder einen, der nicht mit Gummis umgehen kann, und wenn ich erst an die möglichen Krankheiten denke … Außerdem kann ich mir lebhaft vorstellen, wie geduldig der Typ wäre, wenn ich einfach nur etwas durchsprechen will, ohne es auszuprobieren.“
„Sie müssen nur fragen, bevor Sie ihn ranlassen.“ Er grinste. „Dann wird ein Mann alles über sich ergehen lassen.“ „Nein, ein Profi ist mir lieber. Vielleicht kann ich Sie von der Steuer absetzen.“ „Das Gesicht des Finanzbeamten würde ich gerne sehen.“
Sie musste lachen. „Vielleicht ist es eine Beamtin, dann lege ich ein Bild von Ihnen bei, und Sie haben mit ein bisschen Glück eine neue Kundin.“ „Ja klar, vielleicht können Sie auch ein wenig Werbung für mich in Ihrem Buch machen. Aber Spaß beiseite, wie stellen Sie sich das konkret vor?“
„Ich dachte, wir sehen uns eine Zeit lang alle zwei Wochen. Je nachdem, wie ich mit dem Schreiben vorankomme.“ „Gut, dieselbe Zeit in zwei Wochen?“ „Ja, das würde mir passen.“
„Was wollen Sie heute noch machen? Wir haben noch eine viertel Stunde übrig.“
So sollte Pats Geschichte ursprünglich beginnen. Natürlich übte Pierre seinen Beruf freiwillig aus und hatte Spaß dabei. Natürlich war er trotzdem gerade dabei, auszusteigen. Selbstverständlich erfolgreich. Natürlich verliebten sich die beiden. Und natürlich gab es ein Happy End.
Aber wieso sollten sich Männer freiwillig prostituieren? Weil sie sowieso immer und überall und mit jeder Frau Sex wollen? Quatsch.
Und vor allem: Würde eine Frau wirklich Sex mit einem Prostituierten haben wollen ‒ und sei es nur geschäftlich?
Alles zurück auf null.