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IV
ОглавлениеNeuchen war an diesem Morgen sehr gerührt, als sie in die blanke Küche trat, und vollends, als sie Schimmel mit den anderen Mädchen zusammen in der Waschküche vorfand und schließlich aus ihr herausfragte, daß sie überhaupt nicht im Bett gewesen war.
„Nein, so was! Dafür tust du aber nun keinen Handschlag, solange die Jungen da sind. Wir werden schon fertig werden!“ sagte sie großmütig. Schimmel war etwas beklommen zumute; sie fürchtete, Doktor Gerstenberg werde so bald nicht wieder wegfinden.
„Aber solange sie noch schlafen, mache ich mit.“ Sie krempelte die Ärmel höher und verkniff sich ein Gähnen. Es war ja gut möglich, daß die müden Wandersleute bis neun oder zehn Uhr nachholten, was sie am Anfang der Nacht versäumt hatten, und bis dahin ist man auf dem Lande schon weit mit der täglichen Arbeit. Sie jedenfalls war gewillt, mitzumachen.
Großvater kam vorbei und beobachtete ein Weilchen, auf seinen Stock gestützt, Schimmel und das Küchenmädel, wie sie sich bei der Wäsche tummelten. Er hatte so seine Gedanken dabei.
Er liebte Schimmel. Natürlich liebte er alle seine Enkel, das war klar; aber wo eine Mutter oder ein Vater gleichmäßig und gerecht lieben dürfen, da darf doch ein Großvater – so sagte er sich und lächelte dabei vor sich hin – auch einmal eine besondere Vorliebe haben. Die Kinder brauchten davon nichts zu wissen und wußten es auch nicht, im Gegenteil, sie glaubten, er bevorzuge Johannes. Vielleicht um dessen Namen willen, der auch der seine war, oder aber Claudia sei sein besonderer Liebling, die sich um seine Gunst bemühte. O ihr Dummköpfe! Großväter sind nicht so kritiklos, wie ihr denkt!
Seine Liebe zu Schimmel aber hatte einen andern Ursprung, sie ging weiter zurück. Schimmel erinnerte ihn weniger an seinen Sohn Ulrich, dem sie äußerlich ähnlich sah, als an seine eigene Mutter, auf die er sich aus seiner ersten, bewußten Kindheit her noch sehr gut besann.
Und sie war reizend anzusehen in ihrem Eifer, so hübsch und blühend in ihrer noch ganz unbewußten Jugend.
Doktor Gerstenberg war, aller Erwartung zuwider, zeitig aufgestanden. Er erschien fröhlich und unbekümmert in kurzer Hose im Hof, wusch sich am Brunnen und rasierte sich auch dort. Claudia kam mit dieser Nachricht zu Schimmel gerannt und wollte sich darüber totlachen. Aber Schimmel nannte das ein albernes Gehabe. Natürlich mußte er sich rasieren, er konnte ja nicht wie der Nikolaus umherlaufen.
„Du bist wohl schlechter Laune?“ fragte Claudia spitz. Schimmel wandte ihr verächtlich den Rücken. Sie merkte, daß ihre Verteidigung etwas zu feurig ausgefallen war. So nahm sie einen Stapel Taschentücher, drückte ihn Plum in die Hand und sagte barsch:
„Bitte, hänge auf, aber ordentlich, verstanden?“
Neuchen hatte angeordnet, daß für die Jungen im Garten gedeckt würde, aber Doktor Gerstenberg hatte himmelhoch gebeten, keine Umstände zu machen. Sie hätten ja jeder einen Fahrtenbecher, und den würden sie auf den Tisch stellen und nachher am Brunnen ausspülen. Brot hätten sie auch.
„Brot!“ lachte Neuchen. „Hier!“, und sie drückte dem jungen Lehrer die Riesenplatte Kuchen in die Hand, die sie soeben in der Speisekammer aufgeschnitten hatte. Sein Gesicht verklärte sich. Er gönnte seinen Internatsjungen, die doch im größten „Freßalter“ waren, das Beste. Nach dem Frühstück verlangten die Jungen stürmisch nach einem Völkerballspiel. Die beiden Kleinen, Plisch und Plum, sprangen hoch vor Begeisterung. Man zog gemeinsam zum Holzplatz, und nun ging es los.
Die Geschwister pflegten sonst „Familie Goetz“ gegen das Dorf zu spielen und zu siegen. Schimmel meinte, es sei nur recht und billig, wenn auch jetzt die Familie Goetz zusammenspiele. Aber dann war sie auch einverstanden, als die beiden größten Jungen, Uli und Rüdiger, der älteste der Fahrtteilnehmer, zum Wählen bestimmt wurden. Man stand im Kreis, und es wurde blitzschnell gewählt, erst die besten Jungen, die sich und ihre Fähigkeiten gut kannten, dann Gerstenberg und dann die Mädel, mehr dem Alter nach, weil die Jungen ja nicht wußten, wie sie spielen würden. Oh, die Jungen sollten was erleben!
Aber wer etwas erleben sollte, das waren überraschenderweise die Goetzschen Geschwister. Die Jungen spielten derart scharf und schnell, daß man den Atem verlor; bereits in der ersten Minute waren von Schimmels Partei drei Mann abgeschossen. Zum Glück war Plisch noch im Feld. Und an Plisch, die nach der ersten Verblüffung sich auf ihren Ruhm und Ehrgeiz besann, bissen sich die Jungen nun doch einige Zähne heraus.
Plisch war so gut wie nicht zu treffen. Sie war noch klein, biegsam und sehr wendig. Als der Ball einmal etwas weiter weg in die Brennesseln flog, hatte sie Zeit, das Kleid, das sie noch trug, über den Kopf zu ziehen und seitlich wegzuwerfen. Nun, im Turnzeug, war sie erst richtig in ihrem Element. Trotzdem mußte sie ungeheuer aufpassen.
Die Jungen spielten so, daß man nicht nur von hinten, wo der Spion stand, sondern ringsum vom feindlichen Feld aus abschießen durfte. Plisch, als die einzige „Überlebende“, mußte also nach drei Seiten hin achtgeben. Und die Jungen warfen so, daß Treffer nicht nur blaue, sondern feuerrote Flecke hinterließen.
Aber sie hielt sich. Sie fegte umher, wich seitlich aus mit großer Gewandtheit und überschlug sich auf der Erde, wenn sie einem flachen Schuß ausweichen mußte, schnellte wieder hoch. Ihre Zöpfe hingen halboffen um die Schultern, und ihre Augen funkelten.
Jetzt – das war ein Schuß, dem nicht auszuweichen war. Mitten auf den Mann, von ganz nahe – jetzt war es aus. Schimmel wollte schon ins andere Feld hinübergehen, damit das Revanchespiel beginnen sollte, da sah sie, daß Plisch den Schuß, der sie mitten auf den Bauch getroffen hatte, hielt. Ihre Hände mußten brennen, aber sie hielt fest, der Ball fiel nicht herunter. Und nun wurde aus dem gejagten Hasen im Augenblick der Jäger.
Schuß, weg war der eine Junge, Plisch hatte ihn am Knie getroffen. Diese Bälle waren nicht zu halten. Der Ball prallte zurück in ihr eigenes Feld, sie warf sich nach vorn und erwischte ihn um Haaresbreite, ehe er in den Außenraum rollte. Schuß, der nächste Junge, der sich vor der „Kleinen“ nicht in acht genommen hatte, und nun stand es tatsächlich eins zu eins, auf jeder Seite ein letzter Mann. Plisch gegenüber allerdings ein wirklicher Mann, ein Junge, der ungefähr doppelt so lang war wie sie.
Das sah so komisch aus, daß sie alle laut loslachten, nur Plisch und der Junge nicht.
Das Spiel wurde tatsächlich zum Schauspiel. Die anderen hatten nichts mehr zu tun, die beiden bepfefferten sich mit Bällen, die sie fast alle hielten. Wenn die Außenmänner eingegriffen hätten, wäre es ja kein Zweikampf mehr gewesen, der ihnen aber gerade Spaß machte.
Der Ball verließ die beiden Felder nicht mehr. Plisch rollte auf der Erde und der Junge machte große Sprünge, angelte den Ball aus den unwahrscheinlichsten Gegenden und schoß, so scharf er konnte. Es ging lange hin und her; von Schonung oder Kavaliersrücksichten war nicht die Rede. Schließlich landete der Junge einen Volltreffer zwar nicht auf Plisch, aber doch auf ihren Zopf, der gerade waagerecht seitlich flog.
„Tot“, schrien die rauhen Jungenkehlen, aber Plisch protestierte gellend. Einen Zopf könne man abschneiden, ohne daß es weh tue; der Schuß sei höchstens ein Streifer gewesen. So, wie wenn der Ball einen flatternden Rock treffe.
„Ja, immer wollt ihr Vorteile haben“, pustete der Siegreiche, „wir haben keine Zöpfe, natürlich!“
Das klang so unbeschreiblich komisch in seiner anklagenden Wut, daß sie alle brüllend loslachten. Wolf war ja im Grunde froh, daß er wenigstens so weit gesiegt hatte; denn wie blamiert wäre er sich vorgekommen, wenn dieses zehnjährige Mädel ihn doch, was durchaus möglich gewesen wäre, getroffen hätte. Damit war die bedrohlich ernst gewordene Lage gerettet, und man einigte sich auf unentschieden.
Als Doktor Gerstenberg gleich nach dem Mittagessen von Wegfahren sprach, widersprach Schimmel nicht, obwohl sie es so schön gefunden hätte, wenn der Besuch noch einen Abend geblieben wäre. Wirklich zünftig sah die Kolonne aus, als sie dann endlich mit Rucksäcken und Packtaschen, mit Reserveschläuchen und Zeltbahnen ausgerüstet, abrückte. Als sie alle aufsaßen, packte Uli Schimmel und setzte sie vorn seitlich auf seine Stange.
„Jetzt wirst du entführt, los, du mußt mitkommen“, bestimmte er, und alle jubelten Beifall; auch Neuchen, die es sich natürlich nicht hatte nehmen lassen, beim Start dabei zu sein. Sie rief vergnügt: „Nehmt sie nur mit. Wollt ihr sie nicht überhaupt mitnehmen?“
„Los, ja, das wäre prima“, riefen die Jungen, und auch Gerstenberg war sehr einverstanden.
„Sie müßte uns kochen und die Knöpfe annähen, so was fehlt uns gerade“, sagte er. Schimmel lachte und sträubte sich, wenn auch nicht sehr, denn sie wäre doch sehr gern mitgefahren.
So guckte sie nur ein wenig verlegen zu Doktor Gerstenberg hin.
An der Waldecke, wo Großvaters Flur endete und der lange Berg anfing, bat Schimmel, abgesetzt zu werden. Die Jungen überlegten ernsthaft, ob man sie nicht mit Gewalt zwingen solle, mitzukommen. So was gab es früher, sagten sie und fanden, sie seien doch in ein ziemlich fades Zeitalter hineingeboren. Gerstenberg lachte. Einen Umbruch hatten die Jungen erlebt, wie er wohl seit dem Dreißigjährigen Krieg nicht dagewesen war, Flucht und Elend, Grenzübertritte und primitives Lagerleben, nicht aus Romantik, sondern aus bitterster Notwendigkeit, schwere Arbeit in jugendlichem Alter, Kampf ums Dasein – und sie fanden, daß sie doch allzu bürgerlich lebten! Aber es war doch gut so, daß Jugend so etwas genießt, statt darunter zu leiden.
Sie setzten sich noch ein wenig ins Gras an den Waldrand, und einer der Jungen knipste sie alle. Die Sonne stand schon schräg. Wie schön war doch die Heimat, auch hier! Schimmel ließ sich auf der Karte zeigen, wo sie überall hinwollten. Bamberg und Würzburg, Wertheim und Miltenberg standen auf dem Programm.
„Vielleicht fährst du nächstes Jahr mit, wenn du ein eigenes Rad hast“, tröstete Uli, und Schimmel nickte. Natürlich, die Möglichkeit gab es vielleicht später noch.
Schimmel stand noch eine Weile und winkte ihnen nach. Aber nicht Uli war der letzte, der sich zu ihr umdrehte, sondern Gerstenberg. Dann wandte sie sich schnell um und ging rasch los, als wollte sie diesen Gedanken entkommen. Gleich darauf hörte sie sich angerufen. Sie sah auf und erkannte unten an der Chaussee Großvaters Wagen, die „Spinne“, den hochräderigen Einspänner, mit dem er um die Felder zu fahren pflegte. Rasch lief sie die Wiese hinunter, ihm entgegen.
Er saß im Wagen und hatte die Zügel in seinen guten, alten Händen und sah ihr freundlich entgegen.
„Komm, steig ein, da brauchst du nicht zu laufen.“
Sie tat es. Sie war nur selten mit Großvater um die Felder gefahren, und es war ihr ein wenig feierlich zumute, als sie es jetzt wieder einmal durfte. So neben ihm zu sitzen war eine Auszeichnung, und sie wagte kein Wort zu sagen.
„Siehst du, das ist Saatweizen. Steht er nicht großartig?“ fragte Großvater nach einer Weile. „Er muß ganz rein sein, dort sieht man zum Beispiel noch einige Roggenähren. Voriges Jahr stand hier Roggen. Die müssen wir noch alle herausreißen, ehe geerntet wird.“
„Großvater“, fragte Schimmel, „wie kommt man eigentlich zu neuen Getreidesorten? Das habe ich mir schon immer überlegt. Warum nehmt ihr immer neue?“
„Neue Sorten entstehen durch Kreuzung. Das macht die Saatzucht, so wie die Tierzucht neue Leistungstiere hervorbringt, indem sie Rassen kreuzt“, sagte Großvater. „Saatzucht ist etwas sehr Interessantes und Wichtiges. Und neue Sorten braucht man, weil die alten, auch die bewährten, sich erschöpfen. Man muß viele Fachzeitschriften lesen und Vorträge hören, und auf anderen Gütern muß man sich umsehen, herumhorchen und fragen, damit man auf der Höhe bleibt. Wäre das nicht einmal ein Beruf für einen von euch, Saatzucht oder auch Tierzucht?“
„Vielleicht für Uli“, sagte Schimmel ein wenig hastig. „Uli ist ja doch der geborene Landwirt, er ist auch so froh, daß wir hier sind.“
„Du auch?“ fragte Großvater.
„Ich? Ach, Großvater, du kannst dir nicht vorstellen, wie gern ich hier bin!“ Schimmel schwieg. Sie waren jetzt so weit gefahren, daß sie Holdershausen vor sich liegen sahen, in der sanften Talmulde, in die es gebettet lag, mit den alten Gebäuden und Ställen, den riesenhaften Linden, dem Kornhaus, das kühn und steil aufragte. Es war schon vor dem Dreißigjährigen Krieg gebaut worden und es erinnerte fast an ein Schiff in seiner schmalen, steilen Art. Wie es über der Schmiedetür dunkel angeraucht war, alles so echtso wie gewachsen, so unverfälscht und stark.
Noch vor zwei Jahren hatte sich Schimmel keinen rechten Begriff von Westfalen machen können, und nun liebte sie dieses Land schon mit seinen welligen grünen Hügeln, den fruchtbaren Feldern und den vielen Koppeln mit buntem Vieh. Ja, und die breitgiebeligen alten Bauernhäuser und Gutshöfe, die nur selten von einer geschmacklosen Zeit in ihrem niedersächsischen Stil verschandelt wurden. Viele Häuser trugen noch immer die gekreuzten Pferdeköpfe am Giebel, und die roten Backsteinmauern stachen rot und freundlich vom dunklen Fachwerk der Eichenbalken ab. Viele riesige Eichen gibt es in Westfalen, wie wohl nirgends sonst mehr in Deutschland. Sie stehen dicht um die Höfe und bilden zusammen mit den niedrigen Mauern aus unbehauenen Feldsteinen einen wuchtigen Schutz, der von außen jeden Bauernhof zu einem Herrenhof macht.
Schimmel konnte sich eine ganze Weile nicht von dem schönen Blick über das Dorf trennen. Kein Gebäude, das nicht in das Bild hineinpaßte. Vom alten Klosterhaus angefangen bis zu der neuen Schule, die links von der Einfahrt lag, etwas hingekuschelt am Hang. Nicht einmal das Gasthaus, das etwas abseits vor nicht allzu langer Zeit erbaut worden war, störte das Bild, vom alten Forsthaus gar nicht zu reden. Das war in seiner behäbigen Breite mit den vier Steinputten davor, die Frühling, Sommer, Herbst und Winter darstellten, so echt und bodenständig wie nur möglich; es war einmal das Haus der Äbte gewesen. Und dahinter der Wald, sanft ansteigend bis zu einem wirklichen Berg, auf dem, haarscharf hingezeichnet, ein hölzerner Turm stand, die „Nadel“.
„Hat Vater Holdershausen auch so geliebt?“ fragte Schimmel endlich.
Großvater hörte das „auch“, das ihr unbewußt entschlüpft war, und fühlte das kleine Wort warm in sein Herz fallen.
„Sehr“, sagte er ruhig, „obwohl er ja fortging. „Johannes hätte das Gut übernommen, wenn er wiedergekommen wäre. Aber dein Vater liebte seine Heimat auch sehr, und er wäre sicher froh, wenn er wüßte, daß ihr jetzt hier seid.“
Jetzt, ja, jetzt sollte er es wissen. – „Großvater“, fuhr Schimmel nach einer kleinen Pause fort, „Großvater, sag, glaubst du, daß etwas, was man tun muß – nein, tun will, aus eigenem Antrieb, daß das weniger wert ist, wenn man es gern tut?“
„Eine merkwürdige Frage“, sagte Großvater und lachte, aber nicht überlegen spöttisch wie andere Erwachsene manchmal, sondern sehr verständnisvoll. „Eine Frage, die einem oft im Leben begegnet. Muß der Pfad der Pflicht immer und überall dornenvoll sein? Du meinst wie viele andere auch, die allzuviel nachdenken, ein Opfer, das man bringen will, müsse weh tun, sonst sei es kein Opfer. Ich aber bin anderer Meinung, Schimmel, und da du mich fragst, antworte ich dir offen. Das Wort Opfer klingt so großartig; aber es ist besser, man tut es gern, mit frohem Herzen. Deshalb, kleiner Schimmel, wenn du etwas tust, dann tu es gern und freundlich, soweit es in deiner Macht steht. Und die Art, in der wir handeln, steht immer in unserer Macht. Kennst du den Spruch:
Wohltun und nicht freundlich sein,
reicht ein Brot und macht’s zu Stein.“
„Nein, Großvater, ich hab ihn nie gehört. Aber erlebt haben wir das im Krieg allzu oft.“
Sie sah ihn einen Augenblick an. Er erblickte eine Dunkelheit im Grunde ihrer Augen, die er sonst nie bemerkt hatte. Ganz folgenlos, wie es manchmal schien, war die wilde Zeit an diesem jungen Menschen also doch nicht vorübergegangen.
„Sicher, Schimmel. Und du hast es nicht vergessen. Vergiß es auch nicht, wenn es auch weh tut. Es bewahrt uns davor, selbst so zu werden, wie andere waren, oft nur aus Gedankenlosigkeit und Bequemlichkeit.“
Sie fuhren nach Holdershausen zurück, schweigend, jeder mit seinen Gedanken beschäftigt. Aber es war doch hell und froh in Schimmels Herzen, obwohl der Traum darin ausgeträumt war – – – der Traum vom Internat in Harzburg. Sie wußte, daß sie zu Hause jetzt nicht zu ersetzen war, und wollte das Opfer bringen. Freundlich und guter Laune wollte sie es tun.