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Kapitel 1: Westerwald, Stadt Hachenburg, fünfter Mai anno 1712

»Immer noch gierig, Desiree?« Thoran leckte über den hart aufgerichteten Nippel.

Die kleine Brünette stöhnte leise und präsentierte ihm mit beiden Händen ihre nackten Brüste. »Ich hoffe auf eine Troika mit einem braunäugigen Hünen und seinem Zwilling.«

Nikolai, Thorans Zwillingsbruder, strich ihr über den Schenkel. »Du unersättliches Luder.«

»Welche Geliebte hat schon ein solches Glück?«, konterte Desiree und rekelte sich auf dem zerwühlten Laken. »Gleich zwei Liebhaber, die nicht nur an sich denken.« Thoran wusste, was die Kleine meinte. Nikolai und er waren stets darauf bedacht, auch ihre jeweiligen Gespielinnen zu befriedigen. Ein Weib, welches sich einölen musste, um schlüpfrig zu sein, widerte ihn an. Er wollte echte Lust und Begierde.

Auf ihren Handelsreisen hatten Nikolai und er viel über die körperliche Liebe gelernt. Sie setzten ihr Wissen ein, um sich und den Weibern höchste Genüsse zu verschaffen.

Er sah aus dem Fenster. »Wir müssen los.« Langsam schob sich die Sonne über die Dächer der Stadt. »Nächstes Mal bekommst du uns beide gleichzeitig, versprochen.«

»Wann?«

»Bald.« Behände sprang Thoran aus dem Bett, klaubte sein Hemd vom Boden und zog es über den Kopf.

»Ich fasse es nicht.« Thoran zerrte an dem Stoff.

»Nikolai, hilf mir hier raus oder ich reiß dein Hemd in Fetzen.« Thoran steckte mit den Schultern in dem Ding fest. Er war breiter gebaut als sein Zwillingsbruder und hatte mal wieder das falsche Hemd erwischt.

»Ich kann nicht mehr. Mit nacktem Arsch gefangen. Zum dritten Mal steckst du in dieser Misere.« Nikolai brüllte vor Lachen.

»Hol. Mich. Hier. Raus.« Vergebens versuchte Thoran, sich zu befreien.

»Warte. Beug dich nach vorn.«

Gehorsam beugte sich Thoran vor und Desiree zog kräftig an dem Hemd. Mit einem spitzen Schrei fiel sie zurück und landete in Nikolais Armen.

Endlich frei, warf Thoran seinem Bruder einen bösen Blick zu.

Der lachte noch mehr. »Du wurdest soeben von einer holden Maid aus einer ausweglosen Situation befreit.«

Er küsste Desiree auf die Stirn. »Habt Dank, holde Maid. Für Euren todesmutigen Einsatz werde ich Euch beim nächsten Besuch ein exotisches Geschenk mitbringen.«

Kopfschüttelnd stieg Thoran in seine Hose.

»Vielleicht solltet ihr eure Hemden kennzeichnen.«

»Sollen wir den Saum abschneiden? Oder in den Kragen eine Kerbe schnippeln?« Nikolai setzte sich aufs Bett und zog Hose und Stiefel an.

»Eure Initialen.«

»Unsere was?«, fragten sie zeitgleich.

Die kleine Brünette warf ihr Haar zurück. »Wie können zwei Götter im Bett nur so begriffsstutzig sein? Dazu noch die reichsten und mächtigsten Kaufleute von hier bis zum Rhein.«

»Kapierst du, was sie will?« Nikolai schüttelte den Kopf.

»Ein T für Thoran und ein N für Nikolai aufsticken lassen.« Sie kniete sich aufs Bett und klatschte in die Hände. »Ich weiß auch, wer es euch machen könnte.«

»Wie heißt diese Koryphäe der Schneiderzunft?«, wollte Nikolai wissen.

»Krämer. Witwe Krämer.« Desiree warf ein Kissen nach ihm. »Die beste Weißnäherin der Stadt. Ihre Kreationen sind einzigartig. Selbst aus banalen Stickereien macht sie etwas Ausgefallenes. Ihre Verzierungen sind so filigran wie die Flügel einer Libelle.«

»Gleich morgen früh reite ich zu dieser alten Schachtel und gebe die Bestellung auf. Die Zeiten, wo du über mich frotzelst, sind vorbei, Bruder.«

Ihre derzeitige Geliebte musste ihnen den entscheidenden Rat geben. Es war nicht zu fassen.

***

Die Mittagshitze flirrte über den Dächern der Stadt. Thoran ritt gemächlich durch die Straßen von Hachenburg.

In der Perlgasse, gegenüber dem Haus der Weißnäherin, stieg er ab und band seinen Hengst im Schatten einer Linde an. Die Weißnäherin saß auf einer Bank vor ihrem Fachwerkhäuschen und arbeitete an einem weißen Stück Stoff. Ein hübscher Strohhut schützte sie vor der Sonne. Ihr honigblonder Zopf fiel bis auf ihre Hüften.

Keine alte Schachtel. Ein Prachtweib, am Anfang seiner Blüte und bereits verwitwet. Thoran strich sich über den kurz gestutzten Vollbart. Gut gelaunt schritt er über die Straße. »Seid gegrüßt.«

Sie sah auf, legte ihre Näharbeit in den Korb und erhob sich.

Schwungvoll zog er seinen Dreispitz und verbeugte sich formvollendet.

»Wie kann ich Euch behilflich sein, Thoran Strogow?« Anmutig knickste sie.

»Ihr kennt mich?« Irritiert sah er sie an.

»Jeder in der Stadt weiß, wer die Strogowzwillinge sind, und ich sah Euch beide gelegentlich, wenn ich in Eurem Kontor meine Bestellung aufgab.« Ihre Augen, hell wie ein Morgenhimmel, zogen ihn in ihren Bann. Noch nie hatte er solch ausdrucksstarke Augen gesehen.

Ihre zarten Finger berührten den feinen Stoff im Korb. »Für meine Arbeiten benötige ich die besten Stoffe und die kann ich nur bei Euch erwerben.«

Er teilte ihre Meinung in Bezug auf hervorragende Ware. In ihrem Kontor waren die erlesensten Tuchballen aus aller Welt gelagert. Außerdem edle Weine aus Frankreich, Whisky aus Schottland sowie seltene Gewürze aus Indien und der Neuen Welt. Allein hier in Hachenburg lagerten Waren im Wert von mehreren Hundert Gulden.

»Wir möchten Hemden mit unseren jeweiligen Initialen besticken lassen.«

»Wünscht Ihr etwas Farbiges?«

Darüber hatte er sich keine Gedanken gemacht. Wozu auch? Ihm war lediglich daran gelegen, zu wissen, welches Hemd seines war. Wahllos griff er in den Korb, in dem sie verschiedene Garne aufbewahrte, und hielt ihr drei Spulen hin. »Eine von denen?«

»Lieber Himmel. Schweinchenrosa auf keinen Fall. Gelb auch nicht. Dieses ausdruckslose Beige hier passt zu einem Bauerntölpel, keinesfalls zu Euch.« Sie riss ihm die Spulen aus der Hand. »Ihr seid groß und schlank. Stattlich wie eine Tanne. Zu Eurem dunkelblonden Haar und den erdbraunen Augen passt ein dunkles, kräftiges Grün.« Thoran schmunzelte, grün war eine seiner Lieblingsfarben. »Ihr seid bemerkenswert. Jeder andere hätte meine Farbwahl akzeptiert.«

»Mein Urteil wäre nichts mehr wert, würde ich diese abscheulichen Farben verwenden.« Ein hinreißendes Lächeln erhellte ihre Züge.

»Wir hätten gern je ein Dutzend Hemden mit unseren jeweiligen Initialen, in dem von Euch gewählten Grünton.«

Sie erstaunte ihn, weil sie keine Miene verzog. Mit diesem Auftrag würde sie sicherlich mehr verdienen als sonst in einem ganzen Jahr.

»Kommt bitte mit hinein.« Sie gingen zur rechten Hausseite und sie öffnete die Tür.

Er musste den Kopf einziehen, um nicht an den Türstock zu stoßen. Drinnen war es behaglich und hell. Ein angenehmer Lavendelduft lag in der Luft.

Aufmerksam sah sich Thoran in dem kleinen Raum um. Überall an den Wänden bogen sich die Regale unter der Last unterschiedlichster Stoffballen, Garne und was eine Weißnäherin sonst noch benötigte. Vor dem Fenster stand ein Webstuhl, die Raummitte dominierte ein riesiger Arbeitstisch.

»Wünscht Ihr verschiedene Formen der Buchstaben? Dienen die Initialen der Zierde?« Sie löste die Bänder ihres Hutes und legte ihn auf eine kleine Bank neben dem Fenster.

»Aus einer Laune heraus.« Den wahren Grund, warum er und Nikolai die Hemden bestickt haben wollten, gab er nicht preis.

Die Witwe zog einen Bogen Papier aus einer Schublade und begann mit einem Kohlestift zu zeichnen. »Bitte nehmt Platz, ich bin gleich soweit«, sagte sie abwesend.

Neben der Tür standen zwei Stühle und ein rundes Tischchen, darauf ein Krug Wasser und zwei Becher.

Interessiert schaute Thoran ihr über die Schulter und sog tief ihren Duft ein. Sie roch nach Frühling, Lavendel und einem Hauch Holunderblüten.

»Rückt mir gefälligst nicht so nah auf die Pelle«, sagte sie und stieß ihm den Ellenbogen in die Seite.

Er liebte feurige Frauen, die sich nicht vor jedem Mannsbild duckten.

»Ihr seid im Vorteil, Witwe Krämer, da mein Name Euch bekannt ist. Sagt mir, wie lautet Euer Vorname?«

Sie schrieb etwas auf einen Zettel und schob ihn zu ihm herüber.

»Ihr tragt einen ungewöhnlichen Namen, Birrkanny.«

Ihr helles Lachen vibrierte durch seinen Leib. »Es spricht sich Birtschany.«

Die Daumen in die Taschen seiner Weste gehakt, musterte er Birgany ungeniert.

Sie erschien zwar etwas mager, ihr Arsch und ihre Brüste aber waren prall und füllig, soweit er es einschätzen konnte.

Viele Weißnäherinnen verdienten mit ihrer Arbeit zu wenig und verdingten sich abends noch als Freudenmädchen.

Er könnte Birgany dort, wo sie stand, von hinten nehmen. Einfach ihren Oberkörper nach vorn beugen und ihr die Röcke hochschieben.

Nein, er würde sie mit dem Rücken auf die Arbeitsplatte legen und in diese unglaublich blauen Augen schauen, wenn er in ihren Schoß eintauchte.

Sein Schaft presste sich unangenehm hart gegen die Knopfleiste seiner Kniebundhose.

Ihn gierte es danach, zu sehen, welche Farbe ihre Brustspitzen hatten. Rosa wie eine edle Rose? Oder dunkel wie reife Kirschen? In Gedanken sah er, wie sich die Knospen zusammenzogen und hart und prall um Aufmerksamkeit bettelten. Fast glaubte Thoran, sie zu schmecken.

»Wollt Ihr Euch den Entwurf ansehen?« Birgany deutete auf das Blatt.

»Nun?«

Dieses Wort holte Thoran aus seiner Fantasie und er räusperte sich dezent.

»Gern.« Er trat neben sie und stieß einen anerkennenden Pfiff aus. In kürzester Zeit hatte sie die Initialen TS und NS so gestaltet, dass sie weder kitschig noch protzig wirkten. Elegant, schlicht und trotzdem einzigartig.

Flink wie ein Eichhörnchen wuselte Birgany durch den Raum und kramte in den unteren Regalen herum. Er starrte auf ihre herrliche Kehrseite und lüsterne Gedanken fluteten sein Hirn.

»Diese Farbe würde Euch gut zu Gesicht stehen.« Sie hielt ein tannengrünes Garn in der Hand.

»Genauso möchte ich es haben. Wann kann ich die Hemden abholen?«

»Zunächst müsstet Ihr sie mir bringen, damit ich die Stickereien anfertigen kann.« Sie zog ihre Unterlippe zwischen die Zähne.

Mit den Händen umfasste er ihr Gesicht. Er musste diese herrlichen Lippen schmecken. Langsam senkte er den Kopf, strich leicht mit geschlossenen Lippen über die ihren. »Birgany. Euer Name zerfließt wie Honig auf meiner Zunge.«

»Es schickt sich nicht«, wehrte sie halbherzig ab. Ihre Hände lagen auf seinem Brustkorb, dennoch ließ sie ihn gewähren.

Grazil neigte sie den Kopf und er erhaschte einen Blick auf ihren schlanken, alabasterfarbenen Hals. Die Haut war von einer leichten Röte überzogen. Ihr Atem fächerte über seine Lippen.

Er griff in ihr seidiges Haar und erlaubte es sich, mit der Zunge leicht zwischen ihre Lippen zu schlüpfen. Seine Zungenspitze fuhr über die untere Zahnreihe und drang tiefer, als sie erschrocken Luft holte. Sie schmeckte nach Frühling und Thoran labte sich an ihr.

Seine Hände wanderten zu ihrem drallen Hintern. Er zog sie noch fester an sich und zeigte ihr, wie scharf er auf sie war.

»Gestattet mir, uns Erleichterung zu verschaffen.« Aufreizend zog er mit dem Zeigefinger die Konturen ihres Brusttuches nach. Die Haut unter seinen Fingerspitzen war samtweich.

Ihre Augenfarbe war nun dunkel wie ein tiefer See.

»Ich bin nicht auf diese Weise käuflich. Noch kann ich von meiner Arbeit leben und muss mich des Nachts nicht als Gespielin verkaufen.«

»Euch gefiel die Art, wie ich Euch küsste.«

»Mehr bekommt Ihr nicht.«

»Warum? Ihr seid Witwe und nicht mehr den strengen Konventionen eines Eheweibes unterworfen.« Thoran war noch nicht bereit aufzugeben.

Birgany verschränkte die Arme vor der Brust und starrte einen Punkt an der Wand an.

»Ihr seid eine wunderschöne, begehrenswerte Frau. Warum verwehrt Ihr Euch und mir die Freude der körperlichen Liebe?«

»Freude«, spie sie ihm entgegen und stemmte die Hände in die Hüften. »So anmaßend kann nur ein Mannsbild sein.« Sie pikte ihm einen Finger in die Brust. »Einen schwitzenden, stöhnenden Mann zu haben, der sein Weib benutzt, bis er seinen Samen verteilt, nennt Ihr Freude?« Sie schüttelte den Kopf. »Ich fasse es nicht, über was ich mit einem Fremden rede. Das muss an der Sonne liegen.«

»Birgany, nicht jeder Mann ist nur auf seine Erfüllung aus. Ich könnte Euch davon überzeugen, wie schön der Akt auch für ein Weib sein kann.« Abermals stahlen sich sinnliche Bilder in seine Gedanken. Ihre Worte waren ein Hinweis, den er zu nutzen gedachte. Er, Thoran, konnte ihr eine völlig neue Welt eröffnen.

»Solltet Ihr noch meine Dienste als Weißnäherin wünschen, lasst die Hemden morgen durch einen Boten bringen. In zwei Wochen könnt Ihr sie an meinem Stand auf dem Wochenmarkt abholen.«

Für den Moment gab er sich geschlagen. Sacht küsste er ihre süße Nasenspitze. »Morgen bringt Euch mein Bursche die Hemden, wie Ihr befiehlt, meine Teuerste.« Thoran missfiel es, dass seine Stimme nur noch ein heiseres Krächzen war. »Wir sehen uns in zwei Wochen.« Er verneigte sich, setzte seinen Dreispitz auf und trat hinaus in die Sonne.

Vorsichtig schwang er sich auf den Rücken seines Hengstes. Er war dankbar, nicht weit reiten zu müssen. Aufs Äußerste erregt, war es die reinste Hölle.

***

Birgany lehnte an ihrem Arbeitstisch und schloss die Augen. Hörte noch einmal in Gedanken, wie er zum ersten Mal ihren Namen ausgesprochen hatte. So sinnlich schön, dass er ihr eine Gänsehaut bescherte. Lieber Himmel, dieser Kerl war gefährlich. Thoran. Der schwedische Name passte perfekt zu seinem Aussehen.

Ebenso wie sein Bruder verzichtete er auf Puder oder Perücke, wie es zur Zeit Mode war. Er trug sein schulterlanges Haar offen und die leichten Wellen verliehen ihm ein verwegenes Aussehen.

Am meisten aber faszinierten sie die Lachfältchen um seine erdbraunen Augen. Sein Lächeln war echt und aufrichtig. Eine Seltenheit bei einem Mannsbild.

Verträumt strich sie sich über die Lippen. Genauso hatte sie es sich vorgestellt. Von einem Mann umworben und liebkost zu werden. Sie war wirklich in Versuchung geraten, sein Angebot anzunehmen. Noch nie hatte sie Wonne oder Freude im Ehebett erfahren.

Energisch schob sie die Gedanken zur Seite, setzte ihren Strohhut auf und marschierte vors Haus.

Sie arbeitete gern draußen, wo sie die Frühlingsluft genießen konnte. Der lange Winter war endgültig vorbei und die Vögel zwitscherten fröhlich in den Bäumen. Birgany schaute nach oben und lachte. Frühling. Thoran hatte den Frühling in ihr Herz gebracht, als er sie geküsst hatte.

Zwei Wochen konnten so lang sein. Noch nie hatte sie sich auf den Markt so sehr gefreut wie heute. Sie seufzte, setzte sich auf die kleine Holzbank vor dem Haus und griff nach ihrer angefangenen Arbeit. Stich für Stich setzte sie gleichmäßig nebeneinander. Sie liebte es, Tischdecken, Taschentücher und andere Weißwäsche mit kunstvollen Stickereien zu versehen.

Seit knapp einer Woche arbeitete sie an diesem Tischtuch für Gevatterin Wagner. Die alte Frau lebte mit ihren Katzen in der Unterstadt. Heute stickte Birgany an Minni, einer dreifarbigen Katze.

»Hast du dir endlich einen Liebhaber genommen?«

Birgany schaute auf und blinzelte. »Wie kommst du denn auf so einen Gedanken, Fanny?«

Ihre beste Freundin schob die Haube vom Kopf und ihr schwarzes Haar glänzte in der Sonne. »Ich sah den blonden Strogowzwilling dein Haus verlassen. Du hast Geschmack. Ein stattliches Mannsbild und, soviel ich gehört habe, äußerst talentiert.«

Ihre Wangen glühten. »Er hat lediglich einen Auftrag in Arbeit gegeben.«

Noch immer kribbelten ihre Lippen von Thorans Kuss. Ob Fanny ihr ansah, dass sie sich geküsst hatten?

»Nicht jeder ist so ...« – sie hielt inne – »... wie dein verstorbener Mann.«

»Sei still, ich will nicht daran erinnert werden.«

Mit ihren bernsteinfarbenen Augen sah Fanny sie ernst an. »Ich verstehe dich. Aus eigener Erfahrung kann ich dir versichern: Mit dem richtigen Kerl im Bett ist es die pure Freude. Stell dir nur vor, wie es wäre, mit diesem Burschen in den Himmel zu fliegen, frei wie ein Adler.«

»Du hast zu lange in der Sonne gesessen«, konterte Birgany.

»Oh, du Ungläubige. Es wird der Tag kommen, an dem du an meine Worte denkst. Warum sollte ich dir die Hucke volllügen? Dein Körper vibriert, bebt – und bum!« Sie warf die Arme in die Höhe.

»Bum?«

»Es ist, als ob du zersplitterst und neu zusammengesetzt wirst. Vollkommen gesättigt, befriedigt und einfach nur glücklich.«

War es möglich? Befriedigung und schöne Gefühle? Thoran ging ihr nicht mehr aus dem Kopf, sein Kuss hatte etwas in ihr verändert. Sie fand die Vorstellung des Aktes nicht mehr so widerwärtig wie bisher. Die sanfte Art, wie Thoran sie umarmt hatte, und sein Kuss hatten ihre Mauer zum Bröseln gebracht.

Fanny schnaufte und plumpste neben Birgany auf die Bank. »Nur ein Mann kann diese Fischbeinkorsetts erfunden haben. So eingeschnürt kann ein Weib nicht richtig atmen. Die Mannsbilder wollen uns an einer unsichtbaren Leine halten.«

Birganys Herz schlug einen Salto, gleichzeitig wurde ihr flau im Magen. Sie vertraute Fanny wie keinem anderen Menschen. »Komm mit rein. Ich will dir was zeigen, doch du musst mir versprechen, kein Wort darüber zu verlieren. Du bist die Erste, der ich meinen Ubera zeige.«

»Ubera? Hast du ein neues Rezept ausprobiert?« Fanny schnaufte wie eine altersschwache Kuh und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

»Nicht hier, wo jede Zaunlatte Ohren hat.« Birgany packte ihre Freundin am Arm und zerrte sie ins Haus.

»Was würdest du dafür geben, wenn du kein Korsett mehr tragen müsstest?«

»Alles was ich habe. Die Fischgräten graben sich in mein Fleisch und abends sehe ich aus wie ein frisch gepflügter Acker, weil ich überall rote Striemen und fingerdicke Dellen habe. Aber es wäre sündig, ohne Korsett das Haus zu verlassen. Keine anständige Frau kann es wagen, ohne zu gehen. Oder wir würden als Huren gebrandmarkt. Dann leide ich lieber.«

Ihre Hände zitterten, als Birgany Fanny in ihre Schlafkammer schob.

»Mir ging es wie dir. Ich konnte mich nicht richtig bücken, ohne nach Luft zu schnappen wie ein Fisch an Land. Nächtelang habe ich gegrübelt, ob es nicht eine andere Möglichkeit gibt, die Brüste zu bedecken.« Sie zog ihr Miederleibchen aus und schlüpfte aus ihrem Hemd.

Scharf sog Fanny die Luft ein und ihre Gesichtsfarbe wechselte zu einem tiefen Rot.

Birgany zeigte auf das feine Wäschestück, welches sie trug. »Dieser Ubera hält die Brüste züchtig bedeckt und je nachdem, welchen Stoff du wählst, stützt er zusätzlich. Unter dem Hemd getragen, spürst du ihn kaum und alles ist anständig verstaut.«

»Ubera?« Fanny starrte sie an, ohne sich von der Stelle zu rühren.

»Ein anderer Name ist mir nicht eingefallen«, antwortete Birgany und schlüpfte in ihre Kleider. Jetzt war sie doch verunsichert. Was dachte ihre Freundin über sie? »Verzeih, ich wollte nicht ... Hätte ich gewusst ...« Sie kniff die Augen zu, um die Tränen zurückzuhalten.

Fanny packte sie an den Oberarmen. »Hör auf herumzustammeln. Ich will einen Ubera haben. Nein, besser zwei. Einen für sonntags und einen für unter der Woche. Den für jeden Tag aus festem Leinen.« Fanny legte ihre Hände um ihren fülligen Busen. »Zum Sonntagsstaat möchte ich einen Ubera aus Batist.« Aufgeregt klatschte sie in die Hände.

»Du bist nicht brüskiert? Siehst mich nicht als liederliches Frauenzimmer?«

»Manchmal bist du wirklich eine dumme Gans. Vor wenigen Augenblicken haben wir offen über den Beischlaf gesprochen und nun hast du Angst, dass ich dich deswegen verurteile?« Sie drückte Birgany fest an sich. »Du, meine liebste Freundin, bist in der Lage, mich zu befreien. Mir die Schmerzen der Fischgräten zu nehmen.«

Birgany kullerte eine Träne über die Wange. »Du willst wirklich einen Ubera haben?«

»Glaubst du, ich laufe weiter in diesen Dingern herum, wenn ich weiß, was du drunter trägst? Garantiert nicht. Wann machst du mir einen? Sag schon.«

Birgany weinte und lachte. Sie hatte soeben ihren ersten Ubera verkauft. Vor lauter Glück konnte sie kaum atmen. »Bitte, gib mir ein paar Augenblicke.«

»Wofür? Also wann?«

Fannys Ungeduld war ansteckend. Birgany schmunzelte und schob ihre Freundin aus dem Raum hin zu den Stoffballen.

Sie zog einen aus dem obersten Regal und legte ihn auf den Tisch. Leinen gab den Brüsten Halt und dieses war die feinste Webarbeit, die Birgany je in Händen gehalten hatte. Sie zog ihn aus dem obersten Regal und legte ihn auf den Tisch. »Hier, fühl mal.«

Fanny zupfte am Zipfel des Stoffballens und strahlte. »Wann hast du es fertig?« Sie trat von einem Fuß auf den anderen.

Birgany überlegte. »Ohne Stickereien und Verzierungen kannst du Ende der Woche zur ersten Anprobe kommen.«

»Ich sag dir, mein David wird ganz wild, wenn er mich sieht.«

Birgany schlug ihr spielerisch auf den Arm. »Wenn du deinen Mann beeindrucken willst, könnten wir einen in Rubinrot machen. Ein schöner Kontrast zu deinem schwarzen Haar. Die Bänder mit einer Samtborte verziert?«

»Lieber Himmel, mir wird ganz flau.«

»Verzeih, meine Fantasie ging mit mir durch.«

Fanny zog Birgany grob an den Haaren und sie schrie auf. »Wage es nicht, dich zu entschuldigen. Zumal es nichts zu entschuldigen gibt.« Fannys Augen leuchteten. »Einen roten Ubera mit einer schwarzen Borte.«

»Ich nehme deine Maße und fange noch heute an.«

Stille mein Begehren | Erotischer Roman

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