Читать книгу Stille mein Begehren | Erotischer Roman - Litha Bernee - Страница 5

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Kapitel 3: Birganys Haus in der Perlgasse, zwölfter Mai anno 1712

Die erste Nacht, die ihr keine Albträume beschert hatte. Birgany sah aus dem Fenster. Seit drei Tagen bin ich keine Jungfrau mehr, dachte sie. Ob sie den Brüdern verzeihen sollte? Sich ihnen erklären? Nein. Sie hatte es so gewollt. Ein einmaliges Erlebnis und es war vorbei und vergessen.

Fanny rauschte mit ihrer gemeinsamen Freundin Julietta im Schlepptau herein, knallte die Tür hinter sich zu, schloss ab und stürmte in den Nebenraum. »Sind sie fertig?«, fragte sie und zerrte sich die Kleider vom Leib.

»Lieber Himmel, was machst du da?« Birgany schaute von einer Frau zur anderen und ihre Beine waren seltsam wackelig. »Entschuldige den Überfall. Fanny sagte, es wäre in Ordnung«, begann Julietta zögerlich und spielte mit ihrem burgunderfarbenen Zopf. »Sie hat mir von deinem Ubera erzählt und ich hätte auch gern einen.«

»Muss ich weiter halb nackt hier vor euch stehen oder bekomme ich meinen Ubera?«, mischte sich Fanny ein.

Birgany plumpste auf einen Stuhl vor dem Fenster.

»Sag schon, muss ich unzüchtig durch die Stadt laufen oder hast du sie fertig?«

»Du bist schlimmer als eine Horde.« Sie brach ab und atmete tief durch. »Für dich fällt mir nicht mal ein passender Vergleich ein.«

Julietta lachte und setzte sich auf den anderen Stuhl. »Machst du mir auch einen? Fanny hat mir alles erzählt und ich kann es kaum erwarten. Sei versichert, ich werde mit niemanden darüber sprechen.«

»Natürlich mache ich dir auch einen Ubera, Julietta. Aber zuerst bekommt Fanny den ihren.« Birgany holte den Ubera aus einer Schachtel und reichte ihn ihrer Freundin.

Diese strich über den feinen Stoff und die samtbesetzten Bänder. »Zauberhaft. Der Samt fühlt sich an wie das Fell meiner Katze. Warm und weich.« Fanny presste den Stoff an ihre nackten Brüste.

Birgany trat hinter ihre Freundin, kreuzte die Schnüre im Rücken und band sie vorn zusammen. »Ich habe die Bänder bewusst länger gemacht, damit du nicht jeden Morgen Hilfe brauchst.«

»Oh.« Julietta sprang auf und umrundete Fanny. »Mamma mia.« Birgany ergriff die Hände ihrer Freundin. »Wie fühlst du dich?« Angespannt hielt sie den Atem an. Sie war sich sicher, dass Fanny ehrlich antworten würde, und genau davor fürchtete sich Birgany.

»Ich kann atmen.« Fanny hüpfte durch den Raum und lachte. »Mich bewegen, ohne dass mein Fleisch eingeschnitten wird. Meine Brüste hopsen auf und ab und werden trotzdem durch den Stoff gehalten. Ich liebe dich. Für deinen Mut und deinen Einfallsreichtum.« Fanny nahm sie in die Arme. »Daheim werde ich mein Korsett in klitzekleine Schnipsel schneiden und verbrennen. Ich danke dir. Du wirst steinreich werden, garantiert.« Noch einmal strich Fanny über die samtenen Bänder und den Leinenstoff, ehe sie ihr Hemd überzog. Tief holte sie Luft und atmete wieder aus. »Es ist einfach nur herrlich.« Die Arme ausgebreitet, tanzte Fanny um sie herum. Mitten in der Bewegung hielt sie inne und sah Birgany eindringlich an. »Du sagst ja nichts.«

»Deine Reaktion auf meinen Ubera ist ...« Wild fuchtelte sie mit der Hand durch die Luft. »Ich kann meine Gefühle nicht beschreiben. Es ist ein fürchterliches Wirrwarr in mir drin und ich liebe es.«

»Los, kommt.«

»Wohin?«

Fanny zerrte sie beide nach draußen. »Ich will wissen, wie es sich anfühlt.«

»Was wissen? Ich versteh kein Wort«, sagte Julietta.

»Im Haus, verborgen hinter Türen und Wänden ist es anders, verstehst du? Ich bin beinahe gestorben auf dem Weg hierher, in dem Wissen, nackt unter meinem Kleid zu sein.« Verstohlen sah sie sich um. Ging einige Schritte über den Weg, blieb wieder stehen.

»Wie fühlt es sich an?«

»Ich kann richtig tief durchatmen. Mir tut nichts weh und das Beste ...« – sie drehte sich im Kreis – »Ich bin frei. Glücklich. Viel aufregender als drinnen, weil ich ein Geheimnis trage.«

»Dann bestelle ich gleich zwei dieser Geheimnisse. Endlich kann ich meine Rosen beschneiden, ohne ständig unter Atemnot zu leiden«, sagte Julietta.

»Gern doch, das bekomme ich hin«, stimmte Birgany zu. »Dann hast du einen als Ersatz, wenn ich fort bin.«

»Fort? Wo willst du denn hin?«, wollte Julietta wissen.

»Noch sechs Monate und ich darf hier nicht mehr arbeiten.« Birgany trat gegen einen Kiesel, der mit einem leisen Plopp in eine Regenpfütze flog. »Entweder heirate ich einen Schneidergesellen oder ich muss alles hier aufgeben und nach Hamburg ziehen.«

»Wag es bloß nicht«, begehrte Fanny auf und ihr eindringlicher Blick aus den Bernsteinaugen glich dem eines Raubtieres. »Es muss eine Möglichkeit geben, dieses Zunftgesetz zu umgehen.«

»Wie denn? Ich habe keinen Sohn, für den ich das Geschäft weiterführen dürfte. Ohne Schneider als Ehemann ist es mir verboten und die Schonfrist, um einen Gatten zu finden, endet in sechs Monaten.«

Fanny schob Birgany und Julietta zurück ins Haus und knallte die Tür zu. »Setz dich.«

Birgany gehorchte und plumpste auf einen Stuhl. »Und?«

»Lass mich nachdenken.« Fanny umrundete den Arbeitstisch. Einmal. Zweimal. »David sprach die Tage von Mannheim. Dort ist durch den Krieg damals alles verwüstet worden und die Stadtväter haben die Zunftordnungen aufgehoben.«

»Ob nun Hamburg oder Mannheim, das ändert für mich nichts. Entweder ich gehe eine Ehe ein oder ich muss fort. Und ich will weder hier weg noch mich einem Mannsbild unterwerfen.«

Sie sprang auf und packte Fanny am Oberarm. »Du bist die Erste, der ich meinen Ubera gezeigt habe. Kannst du dir vorstellen, was passiert, wenn ich einen Schneidergesellen heirate und ihm sage, was ich anfertige?«

»Der würde dich wohl zum Priester schleifen und dich mit Stockschlägen läutern lassen«, warf Julietta ein.

»Ein Ausweg ist so mies wie der andere.«

***

»Wenn sie dich auch nicht der Schändung bezichtigt hat, bleibt die Frage ihrer Jungfräulichkeit.« Nikolais Worte holten Thoran aus seinen trüben Gedanken.

»Und genau darauf will ich eine Antwort.«

»Heute ist Markttag. Sie hat einen Stand dort. Will Birgany keinen Aufstand heraufbeschwören, muss sie mit uns reden.«

Es war ein sonniger Tag und in den Gassen tummelten sich viele Menschen, die ebenfalls auf dem Weg zum Markt waren. Hier und da wurden sie von Passanten angesprochen. Manche Leute glaubten, es wäre etwas Besonderes, mit den erfolgreichen Strogowzwillingen gesehen zu werden. Als Thoran Birgany sah, beschleunigte er seine Schritte. Die Augen fest auf sie gerichtet, bahnte er sich einen Weg durch die Menge.

»Seid gegrüßt, Witwe Krämer.« Die förmliche Anrede kam ihm kaum über die Lippen.

Birgany nickte ihm kurz zu. Nikolai, der seinem Bruder gefolgt war, starrte sie an. Birgany hielt dessen Blick nicht nur stand, sondern focht einen stummen Kampf mit ihm. »Es wäre mir lieb, Ihr würdet gehen, meine Herren.«

»Birgany, wir müssen reden«, versuchte es Thoran mit gedämpfter Stimme.

»Ihr habt Eure Meinung deutlich zum Ausdruck gebracht.« Sie ballte ihre Hände zu Fäusten.

»Habt Ihr unsere restliche Bestellung bereits fertig?«, fragte Thoran laut, um die Passanten von seinem eigentlichen Anliegen abzulenken.

»Ihr wollt die anderen Hemden noch bestickt haben?«

»Sicher.« Thoran beugte sich vor und sah ihr tief in die Augen. »Der Auftrag steht. Du hast lediglich zwei Hemden gebracht. Ich erwarte pünktliche Lieferung, wie vereinbart von dir persönlich.«

»Ich schicke einen Boten.«

»Oh nein. Du kommst selbst. Nur dir werde ich die Taler übergeben.«

»Wie Ihr wünscht«, antwortete Birgany zwischen zusammengepressten Zähnen.

»Brauchst du Hilfe?« Ein dürrer Bursche mit Adlernase trat neben Thoran.

»Nein, Gustav, ich brauche keine Hilfe, um meine Kunden zu beraten«, erklärte Birgany kalt.

»Kunden?«, höhnte der Jungspund und lachte laut. »Wohl eher deine neuen Stecher, wie Mutter erzählte. Dabei könntest du mich haben und ich würde dich sogar ehelichen, obwohl du einen solch verdorbenen Charakter hast.«

»Ich sagte es bereits dem Müller, dem Gerber und dem Schneider. Für keinen von euch verdorbenen Kerle werde ich abends meine Tür öffnen. Für dich am allerwenigsten. Ich bin eine ehrbare Frau und bin es leid, ständig belästigt zu werden.«

»Ich bin ebenso gut wie der da.« Gustav zeigte mit dem Finger auf Thoran.

Blitzschnell packte Thoran den Burschen am Wams. Er brachte sein Gesicht dicht an das des anderen. »Du wirst dich sofort bei der Dame entschuldigen oder ich verpasse dir eine Tracht Prügel, wie du sie noch nie bekommen hast.« Thoran stieß ihn von sich und wischte sich die Hand an der Hose ab.

»Sie ist nicht Euer Weib, also kann sie auch andere Männer bedienen. Mein Geld ist ebenso gut wie das von Euch.«

»Wenn ich dir nicht den Wanst aufschlitzen soll, verschwindest du augenblicklich, du Missgeburt.« Die Schere in der geballten Faust, starrte Birgany den Wicht an. Ihre Wangen glühten und ihre Augen sprühten vor Wut.

»Lass uns den Abschaum hier wegschaffen«, raunte sein Bruder ihm zu.

»Ein einziger Ton von dir und ich schlage dir die Zähne ein.« Thoran stellte den Burschen auf die Füße und umklammerte dessen Oberarm. Nikolai flankierte die andere Seite. Schnell brachten sie ihn in die nächste Seitengasse, fort von Birgany.

Am Ende der Gasse drückte Thoran ihn gegen die Backsteinmauer. »Du hast nicht nur die Ehre der Witwe Krämer mit deinen Verleumdungen beschmutzt, sondern auch mich und meinen Bruder beleidigt.«

»Mutter hat Euch drei zusammen gesehen. Ich kann nichts beschmutzen, was bereits dreckig ist.« Er reckte kampflustig sein Kinn vor.

»Halt ihn fest. Dieses kleine Wiesel braucht eine Abreibung.«

Pfeilschnell nahm Nikolai den Jungen in den Schwitzkasten. So nach vorn gebeugt war er dem, was Thoran vorhatte, hilflos ausgeliefert.

In aller Ruhe zog Thoran die Reitgerte aus seinem Stiefel und holte aus.

Er sorgte dafür, dass jeder einzelne Hieb schmerzhaft war. »Du wirst die nächsten Tage nicht sitzen können und dich ständig an uns erinnern.« Abermals sauste die Gerte auf den Hintern des Jungen.

Stoisch hielt ihn Nikolai im Klammergriff. »Zeig wenigstens ein bisschen Mumm und nimm die Strafe an wie ein Mann, du sabberndes Muttersöhnchen.«

Nach zwölf Schlägen befand Thoran, dass es genug war, und schob die Gerte zurück in den Stiefelschaft. Mit Schwung stieß Nikolai den Burschen von sich, sodass der auf seinem malträtierten Hintern landete. Tränen liefen ihm übers Gesicht und seine Augen sprühten vor Zorn.

»Du bist ebenso verlogen wie deine Mutter.« Thoran marschierte durch die Gasse zurück zum Marktplatz.

»Da haben wir ja einen schönen Schlamassel angerichtet.«

»Hätte seine Mutter uns nicht mit Birgany bei dem Zusammenstoß gesehen, wäre ihr sicher etwas anderes eingefallen. Sie will ihren nichtsnutzigen Bengel mit ihr verheiraten.« Bei dem Gedanken, diese Missgeburt könnte mit Birgany verheiratet sein, kochte die Wut erneut in Thoran hoch.

Gemeinsam gingen die Brüder zurück zum Marktplatz.

Dort beäugte Birgany sie argwöhnisch.

»Wir haben dem Tölpel eine Abreibung verpasst und er wird fortan seine Klappe halten und dich nicht mehr belästigen«, erklärte Thoran leise.

»Geht. Ihr habt mir schon genug Scherereien gemacht.«

Abrupt drehte sich Thoran um. Er traute sich im Moment selbst nicht über den Weg und war versucht, sich Birgany über die Schulter zu werfen und zum Kontor zu schleppen.

»Wartet.«

Er sah zurück und zog eine Augenbraue hoch.

»Gustav stellt mir schon länger nach. Ich wäre allein mit ihm fertig geworden.«

»Ihr habt Gustav eine Abreibung verpasst? Was hat der Trottel nun schon wieder angestellt?« Thoran sah die Frau an, die ihm vor Tagen den Fensterladen vor der Nase zugeschlagen hatte.

»Nichts, Fanny. Er redet, ohne nachzudenken.«

»Er beleidigte die Witwe Krämer und erzählte Lügen«, korrigierte Thoran Birgany. »Wir machten ihm verständlich, dass es Folgen hat, sich mit uns anzulegen.«

Fanny klatschte vor Begeisterung in die Hände. »Da wäre ich zu gern dabei gewesen. Gibt es doch etwas, wozu Ihr taugt.«

Den verbalen Schlag ins Gesicht nahm Thoran gelassen hin.

»Wurde auch Zeit«, kam es vom Stand gegenüber.

»Der macht nur Ärger«, schimpfte der Korbmacher.

»Gut gemacht, Thoran. Mir juckt es schon länger in den Fingern, zu tun, was sein Vater hätte tun müssen. Der Nichtsnutz lungert nur herum, anstatt zu arbeiten.« Varun, der Schmied, schlug die Faust in seine offene Handfläche.

»Es war mir ein Vergnügen, Varun.« Thoran tippte sich an die Hutkrempe.

»Witwe Krämer, ich wünsche einen schönen Tag. Ich erwarte Eure Lieferung in drei Tagen.« Es war hinterhältig und unter seiner Würde, doch Thoran war im Moment fern jeder Vernunft und zog alle Register.

»Natürlich, Strogow. Ich. Stehe. Zu. Meinem. Wort.«

Sie würde kommen und die Hemden bringen. Ab da war sie auf seinem Territorium und gezwungen, ihm zu erklären, warum sie noch Jungfrau gewesen war. Vorher würde er sie nicht aus dem Haus lassen.

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