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Kapitel 5: Jesuitenkloster, Gemarkung Eichenberg, zweiundzwanzigster Mai anno 1712

In der Nacht hatte Birgany kaum geschlafen. Vor dem ersten Hahnenschrei war sie aufgestanden. Voller Aufregung und Ungeduld tat sie dies und das, aber nichts von dem nahm sie wirklich wahr. Alles rauschte an ihr vorüber. Bis auf die Zeit. Die kroch so langsam dahin, als wolle eine Schnecke die Welt umrunden.

Endlich, kurz bevor die Sonne den höchsten Punkt erreicht hatte, machte sie sich auf den Weg.

Das kecke Schirmchen, welches sonst vor der garstigen Sonne schützte, diente nun als Sichtschutz vor neugierigen Blicken.

Ein Ochsenkarren, ein Reiter, zwei Frauen mit Tragkörben auf dem Rücken passierten das Tor.

Ständig sah sie sich um. Kaum einer schenkte ihr Beachtung. Birgany kickte einen Stein weg. Verscheuchte die lüsternen wie auch die ängstlichen Gedanken.

In der gleißenden Sonne hastete sie die Felder entlang. Sie gab sich herrlich unanständigen Gedanken hin, die sich hinter ihrer Stirn verbargen, in ihr Herz krabbelten und sich in ihrem Bauch zu einer warmen festen Kugel manifestierten. Ihr harscher Schritt war sicher nicht der wahre Grund, warum ihr Herz so raste und ihr Atem sich überschlug.

Im Staube des Feldwegs hetzte sie auf das kleine Wäldchen zu, in dem sie sich verabredet hatten.

Im Schutze der Bäume angekommen, setzte sie sich auf einen kniehohen Stumpen. Zur Tarnung hatte sie das ockerfarbene Kleid und einen moosgrünen Umhang gewählt.

Mit einem Stöckchen malte sie Thorans und Nikolais Initialen in den Waldboden. Dann warf sie es weg, stand auf, lief hin und her. Hier und da zupfte sie Blätter von den Büschen.

Wäre es besser zu gehen? Thoran nie wiederzusehen? Die Sache einfach zu vergessen?

Birgany bückte sich und riss ein Gänseblümchen ab. »Ich gehe. Ich bleibe. Ich gehe. Ich bleibe.« Immer mehr Blütenblätter segelten auf den Waldboden. Das letzte Blatt.

»Ich gehe.«

Sollte sie auf dieses Omen hören?

Zu spät.

Obwohl sie vom Feldweg aus nichts entdecken konnte, hörte sie deutlich die Hufschläge von herangaloppierenden Pferden. Eilig versteckte sie sich hinter einem Holunderbusch und wartete.

Äste knackten unter den Hufen der Pferde, kurz darauf hörte sie Schritte. »Noch nichts in Sicht.«

Fest biss sich Birgany auf die Lippen. Nikolai.

»Was, wenn sie nicht kommt?« Thoran erwiderte etwas, das sie nicht verstehen konnte. Einer von beiden spazierte hin und her. Die Schritte kamen nun aus verschiedenen Richtungen.

»Sieh einer an, was ich gefunden habe. Ein liebliches Häschen. Es versteckt sich vor dem Wolf. Wollen wir es fressen?«

Erschrocken fuhr Birgany herum. Nikolai stand direkt hinter ihr.

Aus der entgegengesetzten Richtung kam ihr Thoran entgegen. Fluchtweg abgeschnitten. »Thoran.« Sie spürte, wie ihr die Röte vom Hals ins Gesicht bis hinauf zu den Haarwurzeln kroch. Thoran nahm sie in seine starken Arme und zog sie an sich. Seine Lippen berührten die ihren. Birgany öffnete willig ihren Mund und stupste scheu gegen seine Zunge. Er stöhnte und sein Griff wurde fester.

»Hört auf, ihr beiden.«

»Komm.« Thoran ergriff ihre Hand und führte sie zu seinem Hengst. »Nikolai hat recht, wenn ich mehr von dir koste, liegst du gleich hier auf dem Waldboden.« Er umfasste ihre Taille und hob sie in den Sattel. Nervös richtete sie ihren Rock. Er stieg hinter ihr auf und legte sogleich einen Arm um ihre Mitte.

Im Galopp überquerten sie eine Wiese, dann folgten sie einem kaum vorhandenen Weg im Schritt. Nach einiger Zeit kamen sie an ein großes Eichentor, durch das zwei Ochsengespanne nebeneinander gepasst hätten. Nikolai sprang von seinem Rappen und drückte das Tor auf. Mit einer Verbeugung zog er seinen Dreispitz. »Willkommen auf dem Anwesen Strogow.«

Galant half er ihr vom Pferd und Thoran sprang aus dem Sattel.

»Ein Kloster?« Birgany sah sich um und glaubte kaum, was sie sah. »Wollt ihr der Fleischeslust abschwören und enthaltsam leben?«

»Eher sterbe ich«, gab Thoran von sich.

Gemeinsam gingen sie durch die breite Allee auf ein zweistöckiges, recht gut erhaltenes Gebäude zu. Vom Hauptweg zweigten mit Unkraut überwucherte Wege in mehrere Richtungen ab.

»Wollen wir zuerst das Haus oder den weiträumigen Garten besichtigen, was meinst du?« Thoran zog sie in seine Arme.

»Nein! Wir sind nicht hergekommen, um eine botanische Besichtigung zu machen.« Sie warf ihm einen verführerischen Blick zu und hoffte, dass er verstand, was in ihr vorging. Ihre Handflächen waren feucht und ihr Herz wummerte gegen ihre Rippen.

»Oh, sie will nichts wissen von Blumen und Bienen und was die miteinander treiben? Also nicht den Garten. Lieber eins der beiden Häuser? Die Stallungen?«

»Nein, ich will kein Kloster besichtigen, Thoran. Wir ...« Sie rupfte eine Handvoll Blätter vom Busch, die sie achtlos fallen ließ. »Wir wollten ... Ich meine ...«

»Was ist nun, kommt ihr mit hinein?« Nikolai hantierte mit einem gewaltigen Schlüsselbund und versuchte, die Tür des Haupthauses zu öffnen.

Sie liefen zu ihm hinüber.

Sicher gab es in einem der vielen Räume ein Bett. Warum konnte sie seit gestern an nichts anderes mehr denken?

Mit der Schulter stieß Nikolai die Tür auf. Eine Ratte wetzte über seinen Stiefel und suchte das Weite.

»Da liegt eine tote Ratte. Warte, ich räume sie weg.« Nikolai leckte sich über die Lippen. »Für einen Kuss.«

Brüsk schob Birgany ihn beiseite, packte den Kadaver am Schwanz und warf ihn hinter sich. Die Ratte flog in hohem Bogen durch die Luft, knapp über Thorans Kopf und plumpste in ein Gebüsch.

Ein kleiner, lüsterner Kobold flüsterte ihr unanständige Dinge zu und sie lachte. »Fangt mich, wenn ihr einen Kuss wollt.« Sie rannte über einen schmalen Weg in Richtung Süden. Vor der kleinen schmiedeeisernen Tür blieb sie stehen.

»Schnappen wir uns die kleine Feuerfee, Nikolai.«

Stille mein Begehren | Erotischer Roman

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