Читать книгу Stille mein Begehren | Erotischer Roman - Litha Bernee - Страница 6
ОглавлениеKapitel 4: Birganys Haus in der Perlgasse, zwanzigster Mai anno 1712
»Ich kann es nicht länger aufschieben.« Birgany starrte die fertigen Hemden der Strogows an.
Die beiden wollten Antworten, doch sie war nicht bereit dazu. Es ging die Zwillinge nichts an. Sie wickelte die Hemden ein und schlug mit der Faust auf den Tisch. Missmutig machte sie sich auf den Weg zum Kontor.
Der wolkenverhangene Himmel kündigte ein Frühlingsgewitter an. Eilig schritt sie voran.
Die Tür des Kontors stand offen und Birgany trat ein.
»Seid gegrüßt, Heribert.«
Sogleich sprang der Schreiber auf und verneigte sich. Er war ein offener, höflicher Mensch und Birgany mochte ihn. Sein Lächeln erreichte immer seine blauen Augen. »Seid gegrüßt. Womit kann ich Euch heute dienen? Benötigt Ihr neue Stoffe oder Garn?«
»Ich habe eine Lieferung.« Sie holte tief Luft und reichte ihm die Päckchen. Heribert bewegte sich nicht von der Stelle und starrte sie nur an.
Resigniert legte Birgany ihr Bündel auf den Tisch. Ihre Hände hinterließen feuchte Abdrücke auf dem braunen Papier.
Sie musste hier raus, bevor einer der beiden auftauchte.
Drei Türen gingen von dem Raum ab. Drei mögliche Gefahren.
Endlich. Heribert griff nach der Lieferung. »Wartet bitte einen Augenblick, ich sehe nach, ob einer der Herren Strogow im Haus ist.«
»Nein!«
»Nicht nötig«, erklang eine tiefe Stimme hinter ihr. Thoran!
Ihr wurde schwindelig und sie presste eine Hand auf ihr hart klopfendes Herz.
»Bitte folgt mir, ich werde Euch sogleich entlohnen.«
»Zu freundlich. Ich möchte Eure Zeit nicht über Gebühr beanspruchen. Euer Schreiber kann mich bezahlen.« Sie rieb die feuchten Handflächen aneinander. »Wenn Ihr mir bitte drei Taler geben würdet, Heribert.«
»Wir müssen reden.« Thoran griff nach ihrem Arm und umklammerte ihn, ohne ihr wehzutun.
»Du aufgeblasener Frosch. Nimm deine Griffel von mir oder du wirst es bereuen.«
Heribert grinste und Thorans Miene verhärtete sich.
»Wie du willst.«
Bevor Birgany begriff, was er vorhatte, schwang er sie sich wie einen Sack Getreide über die Schulter.
»Du elender, stinkender Molch, lass mich sofort runter!« Sie biss ihm in die Seite, die einzige Stelle, die sie erreichte.
»Beiß mich noch mal und ich versohle dir den Hintern.«
Zu klug, um seine Drohung nicht ernst zu nehmen, fügte sich Birgany für den Moment.
»Warte nur, bis ich auf meinen eigenen Beinen stehe. Du weißt nicht, mit wem du dich anlegst.«
»Was ist hier los?«
Birgany konnte nichts sehen, erkannte aber Nikolais Stimme.
Einer allein war schon brandgefährlich. Nun musste sie es mit zwei Männern aufnehmen. Sie griff nach ihrer Wut und schob die Angst beiseite. »Dein missratener Zwilling belästigt mich.«
»Gut.«
Kaum stand sie auf ihren Füßen, wich sie zwei Schritte zurück. Nikolai stand vor der verschlossenen Tür.
Sie blickte zum Fenster. Zur Not würde sie springen.
»Versuchs ruhig. Ehe du den Flügel geöffnet hast, liegst du über meinen Knien.«
»Was willst du von mir, Thoran?«
»Antworten«, erklärte er ruhig.
Sie schnaubte und stemmte die Hände in die Hüften. »Du bist weder mein Vormund noch mein Vater und sicher nicht mein Gatte. Dir steht es nicht zu, etwas von mir zu fordern.«
»Kleine Feuerfee, ich gebe dir recht. Ich bin weder mit dir verwandt noch habe ich Interesse, dein Gatte zu sein. Der Umstand deiner Entjungferung verschafft mir allerdings gewisse Rechte.«
»Rechte? Du erbärmliche aufgeblasene Schweineblase!« Sie verpasste ihm einen Schlag auf den Brustkorb. Thoran starrte sie verdattert an und Birgany genoss diesen kleinen Sieg. Es hatte ihm die Sprache verschlagen. Der mächtige Thoran Strogow kuschte vor ihr.
Sie stürmte auf Nikolai zu. »Geh mir aus dem Weg.« Nikolai rührte sich nicht vom Fleck. Stattdessen fing er an zu lachen. »Willst du mich beißen?« Schnell trat sie an ihn heran, packte seine Hand und bog ihm den kleinen Finger nach hinten. Nikolai jaulte auf und krümmte sich.
»Mein Großvater war im Krieg und er hat mir eine Menge beigebracht, wie eine Frau sich wehren kann.« Sie ließ seine Hand los und trat einen Schritt zurück.
Sogleich richtete Nikolai sich auf und rieb über seinen Finger. »Wir wollen uns nur bei dir entschuldigen.«
»Abgelehnt, und nun mach den Weg frei.«
»Nein. Die Entschuldigung gilt unserem Benehmen danach. Dir obliegt es, deine Lüge und dein falsches Spiel zu erklären. Vorher kommst du hier nicht raus.«
»Geh mir aus dem Weg oder ich ramme dir dein Gemächt bis in den Hals.«
Reflexartig bedeckte Nikolai seinen Schritt mit den Händen, versperrte ihr aber stoisch den Weg.
Nein, sie würde nicht klein beigeben. »Habt ihr mich nicht genug gedemütigt? Wollt ihr auf meinen Gefühlen herumtrampeln? Weitere schlüpfrige Details wissen, um sie dann mit euren Kumpanen bei einem Humpen Bier zu teilen?«
Den Blick voller Bedauern, schüttelte Nikolai den Kopf.
»Bitte, rede mit uns. Lass es uns verstehen. Deine Worte tun uns Unrecht. Wir sind nicht so, wie die Leute uns darstellen.« Die Wärme und Zuneigung in Thorans Stimme zogen ihrer Wut den Stachel.
»Ich weiß.« Birganys Angriffslust verkroch sich in den hintersten Winkel ihres Seins.
»Es muss einen Grund geben, warum du unberührt warst. Weshalb du es uns verschwiegen hast.«
Wie sollte sie es in Worte fassen? Ihre Schmach aussprechen? Sie wollte nie mehr solchen Selbstekel verspüren. Zu lange hatte sie daran gearbeitet, diese schlechten Gefühle zu verdrängen. Stück für Stück war sie aus dem Sumpf gekrochen und hatte begonnen, ihr Leben zu genießen. Vor allem ihre Arbeit erfüllte Birgany und gab ihr ein Gefühl der Unabhängigkeit und der Freiheit.
»War dein Mann unfähig, die Ehe zu vollziehen? Lag es daran?« Thoran trat hinter sie und zog sie sacht an seinen harten Körper.
Lieber Gott, ich danke dir, betete sie inbrünstig.
»Genau so war es.« Sie löste sich von Thoran und drehte sich um.
»Ich kann kaum in Worte fassen, wie es für mich war, von einem Mann einfach nur liebevoll berührt zu werden. Mir war nicht bewusst, wie sehr ich mich nach zärtlichen Berührungen sehnte.«
»Birgany, warum hast du es nicht einfach gesagt? Wir wären viel vorsichtiger mit dir umgegangen.«
»Weil ich mich schämte, Thoran.« Sie knetete ihre Finger ineinander und wagte es nicht, ihm in die Augen zu sehen.
»Hat er es dir vorher nicht gesagt?«, wollte Nikolai wissen.
»Nein. Hätte ich es gewusst, wäre es nie zu einer Vermählung gekommen.«
Birgany schloss die Augen und hörte die Stimme ihres Großvaters, der sie Ehrlichkeit und Selbstachtung gelehrt hatte.
Sie konnte ihnen unmöglich die Wahrheit sagen. Nicht die Abscheu in ihrem Blick ertragen. Lieber landete sie in der Hölle für diese Lüge.
Sie taumelte und sah dreckig grüne Schleimklumpen vor ihrem Gesicht wabern. Thoran drückte sie auf einen Stuhl. »Kopf nach unten, dann wird es besser«, befahl er und sie gehorchte.
»Atme. Langsam. Ein und wieder aus.« Thorans ruhige Stimme half ihr. Sie folgte der Aufforderung, konzentrierte sich einzig darauf zu atmen. Ein. Aus. Ein. Aus.
»Weiter, nicht aufhören. Schön brav atmen.«
Nach mehreren Atemzügen war ihr Blick klar.
»Danke, es geht wieder.« Sofort verschwand die Hand von ihrem Rücken und Birgany richtete sich auf.
»Besser?« Besorgt musterte Thoran sie.
»Ja.« Sie konnte nicht still auf dem Stuhl sitzen, ihren eindringlichen Blicken ausgeliefert. Langsam stand sie auf. Der Schwindel blieb aus und Birgany entfernte sich einige Schritte von den beiden. Strich über eins der Regale. Nahm ein Buch in die Hand. Legte es wieder hin.
»Einmal in meinem Leben wollte ich wissen, wie es ist, eine Frau zu sein. Nur aus diesem Grund ließ ich mich auf euch ein«, bekannte sie leise.
Sie drückte ihr Kreuz durch und sah den beiden offen in die Augen. »Mehr werde ich euch nicht sagen. Ich gehe.«
»Du gehst nirgends hin.« Thoran strich mit dem Handrücken über ihre Wange. Sanft delegierte er sie zur Chaiselongue. »In diesem aufgelösten Zustand werde ich dich nicht alleinlassen. Dich damals rausgeworfen zu haben, war unverzeihlich, und diesen Fehler werde ich kein zweites Mal begehen.«
»Ich hol uns was zu trinken. Wein oder Schnaps?« Nikolai schaute sie fragend an.
»Was Starkes.« Birgany lächelte ihn an und war dankbar, bleiben zu dürfen. Sie wollte nicht allein sein, egal wie erbärmlich es sein mochte.
»Mir einen Met, bitte«, sagte Thoran. Nikolai verschwand aus dem Raum.
Vorsichtig, als sei sie ein wildes Tier, setzte sich Thoran neben sie.
Mit drei Bechern in der Hand kam Nikolai zurück reichte jedem einen davon. »Bitte verzeih unsere barschen Worte«, bat er, während er sich mit einem Wodka in der Hand ihr gegenüber in einem Ledersessel niederließ.
»Es gibt nichts zu verzeihen.« Sie trank einen Schluck, der ihr in der Kehle brannte. »Ich schämte mich. In dem Augenblick als Thoran sagte, ich wäre eng wie eine Jungfrau, versuchte ich es zu sagen. Aber ich war gefangen in dieser neu entdeckten Lust.«
»Keine Scham, kleine Feuerfee.« Nikolai sah ihr tief in die Augen. »Freunde?«
»Gern.« Erleichtert stieß sie mit ihnen an und leerte den Becher in einem Zug. »Was ist das? Es brennt wie Feuer in der Kehle, schmeckt jedoch trotzdem angenehm.«
»Wodka«, antwortete Thoran. »Willst du noch einen?«
»Nein, danke. Ich sollte gehen, es wird rasch dunkel.«
»Auf keinen Fall. Wir müssen reden und danach bringen wir dich heim«, wandte Thoran ein.
Birgany öffnete den Mund, doch Nikolai legte ihr einen Finger auf die Lippen. »Keine Widerrede.«
»Lieber Himmel, worüber wollt ihr noch reden?« Nein, sie musste fort, verstrickte sich mehr und mehr in Halbwahrheiten. Angst jagte durch ihren Leib und ihr Herz wummerte bis in ihre Schläfen.
»Wir haben uns in dir geirrt und ich möchte dir erklären, warum wir derart schroff reagiert haben. Seit Jahren stellen uns die Weiber nach in der Hoffnung, einen von uns vor den Altar zu schleifen, weil sie wissen, wie reich wir sind.«
»Nicht, Thoran. Ich bin euch nicht mehr böse.«
»Du hast tagelang kein Wort mit mir gesprochen. Mich angesehen, als sei ich der Leibhaftige persönlich.«
Sie zog die Beine unter ihren Rock und lehnte sich gegen die Lehne der Chaiselongue. Thoran streichelte ihre Wade. Eine unschuldige Berührung, die Birgany unglaublich guttat. Nikolai streckte die langen Beine aus. »Wirst du Thoran oder mir erlauben, dir noch einmal Genuss zu verschaffen? Dir weitere erregende Stellen an deinem herrlichen Körper zu zeigen, nun, wo es keinen Schmerz und keine Missverständnisse mehr zwischen uns gibt?«
Birgany schlug die Hände vors Gesicht und spürte, wie sie die Farbe ihres dunkelroten Brusttuches annahm. »Ihr habt einen sehr schlechten Einfluss auf mich.« Sie lugte zwischen den Fingern hindurch.
Lieber Himmel, durfte sie es wagen? Sie wollte wissen, wie es sich anfühlte.
Entschlossen zwang sie sich, die Hände von den brennenden Wangen zu nehmen. Die Gefühle, die Thoran und Nikolai ihr bereitet hatten, bevor sie ihre Jungfräulichkeit verlor, waren himmlisch gewesen. Weder Ekel noch Angst hatte sich ihrer bemächtigt und sie war geflogen, genauso, wie es Fanny prophezeit hatte.
Erstaunlich. Ich sitze hier zwischen zwei nahezu fremden Männern, habe liederliche Dinge mit mir machen lassen und trotzdem fühlt es sich anstatt verwerflich nur lustvoll an.
Sie fuhr mit den Fingerspitzen die Lachfältchen um Thorans Augen nach. Es war ihr ein Bedürfnis, seine warme Haut zu berühren. »Du bist der Erste, der mich je geküsst hat. Der Erste, der mich an meinen geheimsten Stellen berührt hat, und es war schön.«
Sie sah Nikolai an. »Du hast Gefühle in mir erweckt, die mir vollkommen unbekannt waren.« Thoran wickelte sich ihren Zopf um die Hand. »Dein Feuer sah ich in dem Augenblick, als ich dieses Schweinchenrosa für die Stickerei auswählte.«
Birgany lachte und fühlte sich rundum wohl und geborgen. Nur ungern löste sie sich von ihm. »Es wird Zeit, ich muss wirklich gehen.«
»Ich bringe dich heim«, entschied Thoran.
***
Drei Häuser vor ihrem eigenen blieben sie im Schatten einer Mauer stehen.
Unendlich sanft strich Thoran mit seinen Lippen über die ihren. »Darf ich dich morgen Abend besuchen?«
Es ging alles derart schnell und Birgany war hin und her gerissen. Sie wollte Thoran näher kennenlernen, scheute sich jedoch vor den Konsequenzen.
Nachdenklich kaute sie an ihrer Unterlippe. Ihre Zeit in dieser Stadt war begrenzt. Sie würde sich in ein paar Monaten entweder in Mannheim oder Hamburg ein neues Leben aufbauen müssen. Bis dahin musste sie es schaffen, sich nicht zu verraten.
»Keiner wird mich sehen«, unterbrach Thoran ihre Gedanken. »Bitte.«
Dieses eine Wort fegte all ihre Bedenken beiseite. Der mächtige Thoran Strogow bat sie um ein Wiedersehen.
»Ich lasse die Hintertür unverschlossen.«
»Bei Einbruch der Dunkelheit bin ich bei dir. Hab süße Träume, kleine Feuerfee.« Thoran küsste sie auf den Hals.
»Du auch«, hauchte sie, stahl sich einen letzten Kuss und huschte zu ihrem Häuschen.
***
Den ganzen Tag über war Birgany nervös und fahrig. Mehrere Arbeiten lagen unvollendet auf ihrem Arbeitstisch. Zum ersten Mal seit drei Jahren brachte ihr die Schneiderei keine Ruhe und Gelassenheit.
Ständig schaute sie aus dem Fenster. Seit einer halben Stunde war die Sonne hinter den Häusern verschwunden.
Es klopfte an der Vordertür. Thoran war da. Warum hatte er sich nicht an die Abmachung gehalten?
Aufgeregt eilte sie zur Tür, wäre beinahe über ihren Rocksaum gestolpert. Voller Freude riss sie die Tür auf und starrte auf einen riesigen Strauß wilden Flieders, der ihr die Tränen in die Augen trieb. Sie vertrug keinen Flieder. Was sich hinter dem Strauß verbarg, vertrug sie noch weniger.
»Was willst du, Gustav? Am Markttag sagte ich dir bereits, dass ich nicht käuflich bin.« Grimmig blickte sie ihn an.
»Dir den Hof machen, was sonst«, gab er mit einem breiten Grinsen von sich und wollte sich an ihr vorbeidrängen. Birgany versperrte ihm den Weg. »Geh nach Hause.«
»Ich bin sechzehn«, brauste er auf und straffte die mageren Schultern.
Sie hörte, wie sich die Hintertür knarzend öffnete. Du lieber Himmel, dachte sie panisch, hoffentlich bleibt er im Verborgenen.
Sie wagte es nicht, sich umzusehen. Sogleich hörte sie, wie die Tür wieder geschlossen wurde.
War er noch da? War er gegangen?
»Du weinst ja vor Rührung, geliebte Birgany.«
Sie riss Gustav den Strauß aus den Fingern und warf ihn wie Abfall vor seine Füße. »Ich weine nicht! Ich ertrage den Flieder genauso wenig wie dich! Troll dich heim und geh deiner Mutter auf die Nerven. Ich habe zu arbeiten, denn im Gegensatz zu dir muss ich mir meinen Lebensunterhalt verdienen. Mit ehrlicher Arbeit und nicht, indem ich die Röcke für ein mickriges Nichts wie dich hebe.«
»Ich werde für dich sorgen. Du kannst hier arbeiten und behältst deine Zulassung.«
Dieses Ekel wagte es, ihr zu drohen. Wut brodelte in ihr auf. Sie trat einen Schritt auf ihn zu, er wich zwei Schritte zurück und stampfte mit dem Fuß auf. »Überleg dir genau, was du antwortest. Nur mit mir darfst du weiter als Weißnäherin arbeiten.« Er reckte seinen dürren Hals. »Ich kann dir auch ein Kind machen. Vater hat mich eingewiesen. Ich weiß, wie es geht. Die Hure, bei der ich geübt habe, hat vor Gier geschrien.« Er griff sich in den Schritt und grinste. »Willst du meinen Prügel mal anfassen?«
Genug war genug! Birgany holte aus und verpasste ihm eine heftige Maulschelle. »Du stinkender Eiterpickel, verschwinde. Wagst du dich noch ein einziges Mal her, kastriere ich dich.« Mit Wucht knallte sie die Tür zu.
»Du machst einen Fehler. Ich sage es Mutter.«
Erleichtert hörte sie, wie der Schleimbolzen über den Kiesweg stapfte. Thoran trat aus dem Schatten. Mordlust stand in seinen Zügen und Birgany wich zurück.
»Weiche niemals vor mir zurück«, sagte er leise.
»Ich. Du. Dein Blick ...«, stammelte sie.
»Nie würde ich dir Unbill bereiten. Diese Knallerbse wollte ich mit meinen Händen zerquetschen. Mich ebenso. Meine unbedachte Handlung damals in der Gasse hat dafür gesorgt, dass die Kerle dich belästigen. Ich tat es als überzogen ab. Verzeih.«
Birgany atmete auf und ihr Herz machte einen holprigen Satz. »Lass gut sein. Keiner von uns kann die Taten und Worte der anderen ändern. Sie sind, wie sie sind.«
»Es erzürnte mich, hier im Dunkeln wie ein Dieb ausharren zu müssen. Nicht eingreifen zu können.«
Dieses Mannsbild wollte für sie einstehen.
Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich muss sagen, du bist ein erstaunliches Weib. Wie du dich dem Früchtchen entgegengestellt hast – alle Achtung.«
Sie lächelte über sein Lob und deutete auf ihren Arbeitstisch. Dort stand eine Flasche Wein, daneben lag eine einzelne Rose. Thoran nahm beides vom Tisch, glitt geschmeidig auf sie zu und strich mit der Rosenblüte über ihre Wange, die Lippen und ihr Dekolleté. »Für dich, kleine Feuerfee.«
Sie nahm die Blume entgegen und senkte den Kopf. Sog den Duft ein und lächelte. »Danke, sie duftet himmlisch nach Sommer und lauschigen, geheimnisvollen Nächten.« Sie war süchtig nach der Wärme und Geborgenheit, die Thoran ausstrahlte.
»Hast du ein Behältnis für diese einsame Blume und zwei Gläser für den Wein?«
»Gläser besitze ich keine, du müsstest dich mit Bechern zufriedengeben«, gestand sie kleinlaut.
»Bestens. Hol sie und ich öffne indessen den Chardonnay, damit er atmen kann.«
Wein soll atmen? Nein, sie würde nicht fragen und ihm damit zeigen, welch ein Landei sie war, entschied sie und holte die gewünschten Dinge aus einem Regal.
Sie besaß weder Chaiselongue noch irgendwelche Sessel und zeigte auf die zwei Stühle vor dem Fenster. »Ich habe keine anderen Sitzgelegenheiten.«
»Perfekt.« Thoran schenkte ihnen ein.
»Darf ich mich setzen?«
»Verzeih, ich war selten dermaßen aufgeregt und unkonzentriert. Bitte nimm Platz.«
Sie setzten sich und Birgany nippte an dem vollmundigen Wein.
»Erzähl mir von euren Reisen. Nikolai und du habt sicher die ganze Welt bereist.« Gespant hörte sie Thoran zu. Er erzählte von Schiffsreisen, fremden Städten und exotischen Waren. Sie hätte ihm die ganze Nacht zuhören können.
»Genug erzählt. Es wird Zeit zu gehen.« Thoran schob den Stuhl zurück und stand auf.
Birgany sah aus dem Fenster. Die Morgendämmerung war bereits angebrochen.
Thoran zog sie in seine Arme. Seine Zunge drang in ihren Mund und Birgany wagte es, sein Spiel zu erwidern. Ihre Zungen trafen sich und ihr wurden die Beine weich.
»Ich muss gehen, sonst läufst du Gefahr, gleich hier von mir genommen zu werden.« Gier stand in seinen Augen und ein Blick auf seine Lenden bestätigte Birgany, wie erregt Thoran war.
Es war ein unglaubliches Gefühl, zu wissen, dass sie diese Reaktion in ihm auslöste. Macht pulsierte durch ihre Adern und Birgany genoss diese neue Erfahrung in vollen Zügen.
»Ich hätte nichts dagegen. Obwohl ich sagte nur ein einziges Mal, bin ich versucht, es zu wiederholen.« Sie war erfüllt von einem solch sinnlichen Hunger, dass sie kaum atmen konnte.
»Nicht in diesem Haus, wo du nie zuvor geliebt wurdest.
Ich kann dich aber auch nicht zu mir holen, ohne deinen Ruf vollends zu ruinieren.« Thoran umfasste ihre Brüste und leckte sich über die Lippen. »Wir haben ein herrschaftliches Anwesen in der Gemarkung von Eichenberg erworben. Es liegt völlig abgelegen und wir wären für Stunden ungestört.«
Sie wollte wissen, ob der Beischlaf wirklich so berauschend war, wie es die Brüder sagten. »Wann und wo treffen wir uns?«
»Morgen um die Mittagszeit in dem Wäldchen hinter dem Südtor.«
Sie bekam einen letzten, gierigen Kuss.