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5.

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Hass und Zorn

Da sitzt Bachmann wieder vor dem schweren Eichentisch, der blank und leer ist bis auf ein Telefon. Er kennt diesen Tisch nicht anders als blank und leer. Keine Akte, kein Stück Papier hat er jemals darauf gesehen. Dieser Mann auf der anderen Seite braucht das offenbar nicht, er hat seine eigene Art zu arbeiten. Es ist schon eine Weile still zwischen ihnen, keiner der beiden spricht, sie haben Zeit. Das Vorzimmer wird dafür sorgen, dass sie nicht gestört werden. Der Bürgermeister mustert den anderen, der mit dem Handy klickert. Sie kennen sich schon lange, seit jeder von ihnen Politik macht. Der eine im Kreis, der andere in der Stadt. Auf eine seltsame Art haben sich ihre Wege dabei kaum gekreuzt, obwohl sich beide vor vielen Jahren um den Posten des Ersten Stadtrats von Norden beworben haben. Bekommen hat ihn aber ein Dritter. Damals sind Gerüchte gekreist, der andere habe über Bachmann ungünstige Behauptungen in die Welt gesetzt. Es wurde über Finanzprobleme gemunkelt, Bachmann pflege Hobbies, die er sich nicht leisten könne, überhaupt sei sein Lebensstil unangemessen. Nichts davon traf tatsächlich zu, im Gegenteil. Durch eine gediegene Heirat und zwei geerbte Häuser in der Innenstadt ist Bachmann zu Geld gekommen. Er liebt seit jeher große Autos, das schon, aber er kann sie sich schon lange leisten. Ob seine Chancen durch diese Dinge geschmälert worden sind, hat sich nie erwiesen, und als auch der andere bei der Wahl gescheitert ist, hat Bachmann das Interesse an der Sache verloren. Natürlich steckt sie ihm noch im Kopf, derlei vergisst man nicht, aber sie spielt keine Rolle mehr.

Jetzt legt der andere das Handy auf den Tisch. Er hebt den Kopf. Seine Züge sind entspannt, aber die Augen erinnern an einen frostigen ostfriesischen Wintertag. »Noch Tee?«

Der Bürgermeister verneint. Er ist nicht zum Teetrinken hergekommen. Auch nicht zum politischen Gespräch. Am Nachmittag tagt der Haushaltsausschuss. Da wird es wieder hoch hergehen, die »Freien für Aurich« stänkern über den Verkauf des ehemaligen Kasernengeländes, obwohl dieses Thema längst abgeschlossen ist. Der Streit schwelt weiter, es wird eine Sache am Kochen gehalten, die als gegessen und verdaut gilt. Regelmäßig beim Tagesordnungspunkt »Verschiedenes« hebt der Fraktionsführer dieser Partei die Hand und weint los. Sein Spitzname ist deshalb »Cato« in Erinnerung an den Römer, der jede Rede im Senat mit der Forderung nach der Zerstörung Karthagos beendete. Lustig ist das nicht, eher lästig. Dass es nicht auch gefährlich wird, ist das Ziel dessen, was Bachmann für seine politische Arbeit hält. Und der andere ebenfalls. »Das hast du in der Hand«, hat er gesagt, »du allein.« Also sieh zu und versaue es nicht, so lautete die stumme Ergänzung. Manchmal fühlt der Bürgermeister Verbitterung. Ja, es handelt sich um eine Fläche in seiner Stadt, aber der andere hat die Sache eingefädelt. Das ursprüngliche Konzept ist ja ganz anders gewesen. Ein vernünftiger Plan. Wenn es nach Bachmann gegangen wäre, hätte man auch danach verfahren. Die gesamte Fläche wäre an einen großen Investor verkauft worden. Für teures Geld. Zur Errichtung einer Zentralklinik für Herzoperationen. Mit der Aussicht auf gute Arbeitsplätze und Steuereinnahmen, die für Aurich so wichtig sind. Die Ausschreibung lief und wurde von einer Schweizer Firma gewonnen. Aber dann regte sich Widerstand in der Stadt, vor allem auf der linken politischen Seite. Ein fremder Großinvestor? Für dieses Gelände, mitten in der Stadt? Was wird der wohl machen? Der wird sich das Sahnestück unter den Nagel reißen. Und dann damit für eigene Gewinne spekulieren. Und die Stadt guckt in die Röhre. In zahllosen Sitzungen und Diskussionen hat Bachmann gegen diese Bedenken angekämpft. Diese Ängste sind unsinnig, sorgt euch nicht. Mit Verträgen regelt man die Sache so, dass Aurich zu seinem Recht kommt. Mehr noch, die Stadt wird gewinnen. Wir eröffnen uns so eine sicher sprudelnde Einnahmequelle für lange Zeit.

Es hat nichts genützt. Der Rat hat mehrheitlich beschlossen, das Gelände zu parzellieren und als Bauland auszuweisen. Davor hat der Bürgermeister gewarnt. Vorsicht, Leute, damit machen wir uns keine Freunde, das müsst ihr wissen. Die Grundstücke werden so teuer sein, dass sie sich nur wenige leisten können. Die Warnung wurde in den Wind geschlagen. Besser so als fremde Geldhaie in Aurich, hieß es. Natürlich wurde auch lamentiert, als es genau so kam, wie Bachmann vorhergesagt hatte. Die Eliten der Stadt kauften das Bauland, namentlich die Herzstücke im Zentrum des Geländes, die Parzellen, die für einen Investor besonders interessant waren.

Bis dahin ist also alles in Aurich geblieben, geht es dem Bürgermeister nun durch den Kopf. Es hat einen überschaubaren Kreis von Eignern in der Kernfläche gegeben, dazu eine Anzahl von Trabanten weiter draußen, verschiedentlich ist mit dem Bau von Häusern begonnen worden. Und dann hat sich dieser Mann aus dem Kreishaus bei ihm gemeldet, dem er sich nun gegenüber sieht, und ihn zu einem wichtigen Gespräch eingeladen. Auch damals haben sie in diesem großen Büro gesessen, so wie jetzt, an dem schweren eichenen Schreibtisch. Der andere hat geredet und er, Bachmann, hat zugehört. Schnell ist klar geworden, dass der Mann ihm ein unlauteres Angebot machte. Der Bürgermeister ist Jurist. Was da vorgeschlagen wurde, erfüllte den Tatbestand nach § 263 des Strafgesetzbuchs und nannte sich Betrug. Hinzu kam Untreue nach § 266 StGB. Nicht zu reden von der besonderen Schwere des Missbrauchs einer Stellung als Amtsträger nach § 263 (3) Satz 2. Alle diese Tatbestände sind strafbewehrt, und zwar mit bis zu fünf Jahren Gefängnis oder einer Geldstrafe. Der Bürgermeister hat sich keine Illusionen gemacht. Bei den Summen, die hier im Raum standen, käme eine Geldstrafe vermutlich nicht in Betracht. Und was das Amt betraf, so konnte nur eines folgen: Edeka. Ende der Karriere. An diesem Punkt hätte Bachmann eigentlich sofort aufstehen und gehen müssen. Vielen Dank, mein Lieber, darauf lasse ich mich nicht ein. Doch er ist sitzen geblieben in einer Mischung aus starrem Entsetzen und purer Neugier. Bist du von Sinnen? Das kann niemals gut gehen. Der andere ist ebenfalls Jurist, auch er weiß sehr genau, welches Risiko sie eingegangen sind. Aber für ihn ist es kein Risiko gewesen. Alles schien einfach und plausibel. »Ich habe die Schweizer an der Hand«, hat er gesagt, und Bachmann wusste sofort, er meint die Firma, die damals die Ausschreibung für das Kasernengelände gewonnen hat.

»Was heißt das, du hast sie an der Hand?«

»Ich kenne da einige Leute. Die richtigen«, hat der andere ausweichend geantwortet.

Woher?, wollte Bachmann fragen, aber das Wort ist ihm im Hals stecken geblieben. Und dann sind die Sätze gekommen, knapp, hart und zynisch. Man tue sich mit ein paar Vertrauten zusammen, die Geld haben und den Mund halten können. Dann kaufe man das Gelände auf dem Platz der alten Kaserne, jeder für sich, die Sahnestückchen aus der Fläche. Es müssten mindestens sieben Hektar zusammenkommen, besser wären zehn. Bebauung wäre kein Problem, sie sei aus Gründen der Verschleierung sogar erwünscht. Nach einiger Zeit, »wenn Gras über die Sache gewachsen ist«, verkaufe jeder sein Stück an die Schweizer.

Wenn Gras über die Sache gewachsen ist? »Hast du eine Ahnung, worüber in Aurich eben niemals Gras wächst?« Aber dann kamen die Zahlen. Die Zahlen. Die Zahlen! »Was ist das deinen Schweizer Freunden denn wert?«, hat Bachmann gefragt, leicht spöttisch im Ton, aber sein Mund ist da bereits trocken gewesen.

»Je nach Größe bis zu fünf Millionen für freie Grundstücke, bei bebauten kommen die Kosten für die Häuser hinzu. Jeder investierte Euro wird erstattet.«

»Diese Summe? Das glaubst du doch selbst nicht!«

»Und ob ich es glaube. Ich habe es sogar schriftlich. Hier.« Er ist an seinen Safe gegangen und hat etwas daraus hervorgezogen. Hat es auf den Schreibtisch gelegt. Ein gediegenes Papier aus gehämmertem Bütten mit Helvetierkreuz oben rechts. Unterschrift zügig hingewischt, darunter der gedruckte Name: »Wanderthaler, CEO«. Die Summen haben dort gestanden, schwarz auf weiß.

Das sollte er besser nicht hier aufbewahren, ist es Bachmann durch den Kopf geschossen. Laut hat er gesagt: »Warum ist den Schweizern dieses Land so viel wert? Das ist doch deutlich über den üblichen Preisen!«

Nonchalant hat der andere geschmunzelt. Nun ja, übliche Preise. Was ist ein üblicher Preis? Hier eben der. Diese Leute wissen, was sie tun. Die verschenken kein Geld. Ostfriesland ist als Drehkreuzstandort durchaus interessant. Die Nähe zur See. Dänemark, die Niederlande.

»Was hat das mit einer Herzklinik zu tun? Die soll doch gebaut werden? Laut Ausschreibung.«

»Die Schweizer wollen das Land. Was sie anschließend damit machen, steht auf einem anderen Blatt. Wie komme ich dazu, mir fremde Köpfe zu zerbrechen?«, hat darauf der andere gesagt.

In Bachmanns Hirn haben sich jetzt die Räder gedreht. Fünf bis zehn Millionen. Natürlich ist ihm klar gewesen, dass das Schweizer Papier zunächst nur den Charakter einer Absichtserklärung besaß. Nichts, worauf man Forderungen begründen konnte. Ein »Letter of Intend«, ein LOI, so stand es auch auf dem Bütten. Aber immerhin. Die Leute wollten das Land. Und dann: diese Summen! Wahnsinn, das alles. Blanker Wahnsinn. Verlockender Wahnsinn. Dann hat er die Stirn gerunzelt. »Und du? Was ist mit dir? Kaufst du auch ein Grundstück?«

Storjohann hat das sofort verneint. Er werde sich an dieser Sache nicht beteiligen.

Das hat den Bürgermeister misstrauisch gemacht. »Sondern? Du arbeitest doch nicht für Gotteslohn.«

»Ich werde durch eine Vermittlungsprovision abgefunden.«

»In welcher Höhe?«

»Das geht dich nichts an. Aber du kannst sicher sein, dass ich nicht schlechter gestellt bin als ihr anderen.«

»Das glaube ich dir aufs Wort«, hat Bachmann gallig geantwortet. »Nun gut. Und wenn die Sache auffliegt?«

Der andere ist kühl geblieben bis ans Herz. »Wenn alle den Mund halten, kann nichts auffliegen. Aurich ist deine Stadt. Dein Revier. Du musst die Leute eben gut aussuchen. Auch die richtigen«, hat er mit frostigem Lächeln gesagt.

»Du kennst den Auricher Rat nicht«, hat Bachmann mit Nachdruck geantwortet. »Die riechen sofort Lunte, wenn wir plötzlich unsere Stücke verkaufen. An ebenjenen Schweizer, der beim ersten Mal nicht zum Zuge gekommen ist. Das sieht doch ein Blinder mit dem Krückstock, dass hier etwas faul ist.«

Der Leeraner ist ruhig geblieben, nur sein Lächeln ist um eine Spur härter geworden. »Bis dahin hat sich die politische Lage verändert. Vielleicht auch die Verhältnisse im Rat. Wer weiß, wie dann die Sache gesehen wird«, hat er entgegnet und sich mit kantigem Kinn vorgebeugt, die Augen wie Dolche. »Der Ratsbeschluss ist schließlich umgesetzt worden, die Stücke wurden an Auricher Bürger verkauft.« Er hat eine Schublade aufgezogen und ein Papier herausgeholt. Hat es über den Tisch geworfen, wie man einem Hund einen Knochen zuwirft. »Das ist das Protokoll eurer Sitzung von damals. Und nun zeige mir die Stelle, in der steht, was nach dem Kauf mit den Grundstücken gemacht werden soll oder darf. Zeige mir, wo verboten ist, dass man sie weiter veräußern darf, an wen auch immer? Das steht nirgendwo. An keiner Stelle. Da hat dein großartiger Rat einen Fehler gemacht.«

Bachmann hat das Papier zurückgestoßen wie ein widerliches Insekt. »Das mag ja sein. Was den Verkauf betrifft. Aber du kannst doch nicht abstreiten, dass unter dem Strich das Geld bleibt. Die Zahlungen der Schweizer an uns. Ich rede von uns beiden als Amtsträger, von dir und von mir. Wir unterlaufen einen Beschluss des Rates der Stadt Aurich zumindest dem Geist nach und nehmen dafür Geld. Viel Geld. Damit liegt ein schwerer Fall von Bestechlichkeit vor. Nach § 335 Strafgesetzbuch. Zehn Jahre. Und Edeka.«

Der andere hat hier zum ersten Mal die Beherrschung verloren. »Ja, Mann, Edeka. Aber nicht nur das!«, hat er gefaucht. »Es muss halt jeder den Schnabel halten!«

Bachmann hat ihn angesehen wie ein Matador den Stier vor dem Todesstoß. »Und wenn einer nicht den Mund hält?«

Sein Gegenüber hat abgewunken, er hatte sich wieder im Griff. »So viel Geld verschließt jede Lippe. Warum sich sorgen? Wozu schon jetzt Dinge begrübeln, ehe sie eintreten? Wenn es so weit ist, so weit kommen sollte, werden wir sehen. Und handeln. Im Lichte der Ereignisse. Nach den Gegebenheiten und Erfordernissen.«

Politikersprech. Das kannte Bachmann zur Genüge. Und trotzdem hat der Auricher Bürgermeister widersprochen, sich ein letztes Mal gegen die Versuchung aufgebäumt. Es schien ihm nun so, als müsse er seinem untadeligen Ruf noch eine Chance geben, unbefleckt zu bleiben. Sie würde nicht wiederkommen, das sah er mit einem Mal klar vor Augen. »Du träumst ja, Rolf. Das ist doch alles Quatsch. Wie kriegen wir das Geld denn nach Ostfriesland? Nach Aurich? In der Karibik nützt es uns doch nichts!«

»Der Träumer bist du, Matthias«, hat Storjohann grob herausgezahlt, »oder zumindest der Ahnungslose.« Und dann den anderen in harschem Ton belehrt. Das alles sei längst mit den Schweizern geregelt. Zunächst das Geld, der Leeraner Landrat sprach von 60 Millionen. Es liege formal bei einer Bank auf der Karibikinsel St. Kitts, in der Hauptstadt Basseterre, eigentlich aber auf einem Schweizer Konto. Was davon am Ende tatsächlich abfließe, sei natürlich heute noch offen. Aber die Summe sollte ausreichen, um alle Auricher zu bedienen. Sie sei im Übrigen verfügbar, sobald die Bedingungen in Aurich erfüllt wären. Der Transfer sei danach überhaupt kein Problem. Man gründe vor Ort eine Reihe von Scheinfirmen. Briefkastenfirmen. Mithilfe der Schweizer. Produzierendes Gewerbe komme nicht in Betracht. Es sei zu aufwendig, zudem eher nachprüfbar. Am besten geeignet wären Dienstleistungen. Die seien plausibel ertragreich und leicht zu tarnen. Storjohann zählte die Felder auf: Qualitätsmanagement, Personalwesen, Pflegedienst, Gastronomie und Hotellerie und Unternehmensberatung. Diese Firmen würden ins dortige Handelsregister eingetragen und damit behördlich registriert, mehr sei nicht erforderlich. »Ihr – du und deine Auricher Freunde – werdet Mitglieder der Geschäftsführung oder Teilhaber. So habt ihr Zugriff auf die angeblichen Gewinne. Ihr müsst euch überlegen, wie ihr das aufteilt. Die Schweizer raten dringend dazu, unterschiedliche Branchen zu besetzen, das dient der Verschleierung. Am klügsten wäre es, wenn immer zwei oder drei an einer Gruppe von Firmen beteiligt sind. Es wäre auch clever, diese Unternehmen in der Region zu verteilen. Das erschwert den Überblick für Außenstehende. Die Schweizer schicken uns dazu eine Liste mit Vorschlägen. Über alles das müsst ihr natürlich Stillschweigen bewahren, klar.«

Ganz allmählich haben die Dinge in Bachmanns Kopf konkrete Formen angenommen, doch mit der Klarheit ist auch seine Besorgnis gewachsen. Er hatte inzwischen ein Gefühl für das Risiko entwickelt, von dem der Landrat behauptete, es sei überschaubar klein, solange alle richtig mitzögen. Und dagegen standen die Zahlen. Die Zahlen! Die Zahlen! Sie haben ihm schier den Atem genommen. Storjohann hat dann den Rest schnell geschildert. Man arbeite mit anderen Scheinfirmen zusammen oder erfinde sie selbst. Alle Dokumente und Rechnungen wären Spielpapiere oder gefälscht. Hier hat Bachmann die Augen aufgerissen. »Und die anderen machen dabei mit?«

Storjohann ist ärgerlich über die Unterbrechung gewesen. »Wer? Die anderen? Das sind doch auch Dreckhasen. So wie wir. Alles nur eine Frage des Geldes.« Das Prozedere selbst klinge kompliziert, sei aber recht einfach. Dazu bediene man sich einer Struktur in der Region der Karibischen See bis zum Golf von Mexiko über Mittelamerika und den Norden von Südamerika, die komplex vernetzt sei, sodass Rückverfolgungen kaum möglich wären. Die Zeit, die es brauche, um die Dinge in Aurich reifen zu lassen, genüge, glaubwürdig einen zweistelligen Millionenbetrag in der geplanten Größe als Gewinn zu generieren. Danach werde das Geld nach Deutschland transferiert und versteuert. Und damit sei es sauber. »Es kann uns nichts Besseres passieren, als durch den deutschen Fiskus zu laufen«, hat Storjohann mit verschlagenem Lächeln gesagt. Dem Auricher Bürgermeister ist natürlich sofort klar geworden, dass damit auch die von Storjohann beschworene Diskretion ihr Ende finden musste. Spätestens jetzt, bei der Versteuerung des Geldes, musste man sich zumindest dem Finanzamt gegenüber erklären. Die würden wissen wollen, woher der Segen stammt. Und dann kam es darauf an, dass die Legenden hielten. Aber davon sprach der Landrat nicht. Stattdessen richtete er sich drohend auf. Und wiederholte seine Mahnung. »Es hängt halt alles davon ab, dass deine Leute das Maul halten, verstanden? Also suche dir die richtigen aus und sorge dafür.«

»Und wenn doch einer quatscht?«, ist Bachmann auf seine alten Bedenken zurückgekommen.

Storjohann hat gelacht, aber das Lachen hat seine Augen nicht erreicht. »Darüber denke ich nach, wenn es so weit ist. Und nun mach dir nicht so viele Sorgen, Mann. Kopf hoch! Wird schon schiefgehen!«

So ist das gewesen. Heute weiß Bachmann zweierlei: Den Zeitpunkt, aufzustehen und zu gehen, hatte er längst verpasst gehabt. Dazu war es zu spät gewesen. Oder vielleicht doch noch nicht? Er hat nicht gewusst, was er tun sollte. Und zweitens, dass der andere sehr wohl schon damals über einen solchen Fall nachgedacht und dafür Vorkehrungen getroffen hat. Albert Ukena hat angeblich den Mund nicht halten können. Und Albert Ukena war tot. Dafür hat dieser Mann da vor ihm gesorgt. Durch wen? Wer war sein Werkzeug? Mit einem Mal hasst er den anderen. Und ist sehr zornig auf ihn. Dieser Verführer! Wo ist er selbst da nur hineingeraten? Wie kommt er wieder heraus? Jetzt sind wir auch noch Mörder. Oder zumindest doch Mitwisser. Dass es so übel kommen würde, damit ist nicht zu rechnen gewesen, niemals im Leben hätte er an eine solche Entwicklung gedacht. Und wer weiß denn, ob es nun dabei bleiben wird? Womöglich wird es noch weitere Tote geben. Wenn wir ihn, wenn ich ihn weitermachen lasse. Unsäglich, das alles. Was tun? Wenn ich schweige, geht es vielleicht gut. Rede ich, ist alles verloren. Bachmann weiß keinen Ausweg.

Der Mann vor ihm scheint seine Gedanken zu riechen, die Sorgen und Ängste. Jedenfalls klingen seine nächsten Sätze wie eine offene Drohung. »Wir können uns keine Schwätzer leisten, ganz gleich, wer es ist. Ukena war notwendig. Er hat uns alle in Gefahr gebracht. Vor allem uns beide. Dich und mich. Wir spielen eine Sonderrolle, vergiss das nicht.«

Brütend sieht Bachmann ihn an. Seine Hände sind fest zu Fäusten geschlossen. Doch ehe er antworten kann, fährt der andere fort: »Es war ein bedauerlicher Betriebsunfall. Unschön, zugegeben, aber auch unvermeidbar. In diesem Fall. Sorge dafür, dass es dabei bleibt.«

Das ist eine Warnung, Bachmann spürt es genau. In diesem Moment begreift er Storjohann als großes Übel. Sogar als einen Feind. Einen, den man fürchten muss.

Ostfriesisches Komplott

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