Читать книгу Themse Krokodile.... - Lothar Jakob Christ - Страница 6
Оглавление„Mr. Stanley, wie meinen sie das? Ich hätte die Bude ja geöffnet halten können. Natürlich kauft man bei mir Fish&Chips auf die Hand. Ja, ich habe eine Gastronomie to go. Ich habe nach dem Lockdown ende März die Bude auch offen gehabt. Aber von 5 Tüten Chips am Tag kann man eben nicht leben. Das Fett für die Chips und die Bratpfannen war teurer als das, was ich an Umsatz gemacht habe.
Gewinn? Vergessen Sie es! Draufgelegt habe ich vom ersten Tag an. Meine Ersparnisse schrumpfen für meinen Lebensunterhalt und die Miete zum Wohnen wie Butter in der Sonne.“
„Ms. McCartney, ich muss aber auch an mich denken. An meine Familie, meine Frau und die zwei Kinder. Auch ich habe seit zwei Monaten keine Einnahmen mehr. So wie sie um Stundung der Miete bitten, so bitten mich die anderen Budenbesitzer auch um Stundung der Mieten. Und nicht nur an der Tower Bridge. Mühsam habe ich mir in den letzten Jahren mein Geschäft aufgebaut und überall an den Hotspots, Buden installiert und vermietet. Nicht nur Imbisse, nein, auch Souvenir Buden und Blumenstände. Alle dicht seit acht Wochen und keiner sieht sich in der Lage seine Miete zu zahlen. Glauben Sie mir: Ich stehe mit dem Rücken zur Wand. Ms. McCartney, wenn sie nicht zahlen können, dann muss ich an einen anderen vermieten. Verstehen sie?“
„Mr. Stanley! Ich freue mich für sie, dass sie sich Ihren Humor bewahrt haben.“
„Wie meinen sie das Ms. McCartney?“
„Wie ich das meine? Wem wollen sie denn die Bude vermieten? Glauben Sie wirklich sie finden einen Optimisten, der ihnen heute die Bude mietet in der Hoffnung, dass er in zwei Jahren an der Tower Bridge das Geschäft seines Lebens macht. Wovon träumen sie in der Nacht? In England sind mittlerweile 150 Tausende Menschen an CoVid19 infiziert und fast 20 Tausende sind an den Folgen gestorben.
Und London East End ist einer der Hotspots. Wenn sie mir die Bude kündigen, dann werden sie dafür auf absehbare Zeit auch keine Miete dafür bekommen Mr. Stanley. So ist das.“
„Ms. McCartney, wahrscheinlich haben sie sogar recht. Was schlagen sie denn vor? Jetzt, da man mit Lockerungen der Kontaktsperre rechnet. Wie planen sie damit umzugehen? Planen sie die Bude wieder aufzumachen?“
„Ich würde schon gerne wieder öffnen. Ich befürchte aber, dass sich das Geschäft kaum lohnen wird. Mehr als 90 % meines Geschäftes machen die Touristen aus. Welcher Londoner isst schon Fish&Chips, das sind die Touristen, die das essen und sich eimerweise Essig darüber gießen. Touristen gibt es im Moment aber so gut wie keine. Wenn überhaupt, ein paar Engländer aus dem Norden.
Aber wenn die Gastronomie nun wieder öffnet, dann mache ich auch auf und werde versuchen, meinen Fish zu verkaufen.
Mr. Stanley, mein Vorschlag ist, dass sie mir für April und Mai die Miete erlassen, für Juni zahle ich ein Viertel und ab Juli die Hälfte der Miete.“
„Ms. McCartney, wie stellen sie sich das vor?“
„So wie ich es gesagt habe.“
„Ich stunde Ihnen die Miete für April und Mai. Ab Juni zahlen sie die Hälfte und am 1. September treffen wir uns und schauen wie wir weiter machen können.“
Peggy stand auf, streckte die Hand aus und sagte:
„Hand darauf, ich wusste, dass wir uns einigen würden. Sie sind ein guter Kaufmann Mr. Stanley.“
„Schon gut Ms. McCartney. Aber verzeihen Sie, wenn ich ihnen den Handschlag verweigere. Sie wissen doch: die neuen Hygieneregeln.“
Mr. Stanley faltete stattdessen die Hände vor der Brust und verneigte sich so wie man es von Asiaten kennt. Peggy tat ihm gleich und bat darum, dass man die Vereinbarung noch schriftlich fixieren solle. Mr. Stanley versprach die Vereinbarung per Mail zu schicken.
Es war schon befremdlich, London City am Montag kurz vor zwölf. Wo sonst das Leben pulsiert, Autos und Busse durch die Straße kriechen. Wo überall Menschen waren und von Kaufhaus zum Kaufhaus rannten. Die vielen Angestellten, die um diese Zeit in den Restaurants und Imbiss Buden in der Mittagspause eine Mahlzeit zu sich nahmen. Taxis, die um Touristen buhlten.
Menschen, Menschen, Menschen. Und heute pickten Tauben wonach auch immer in der Mitte der Straße. Um dem Verkehr auszuweichen, dafür sind manche Tauben noch nicht einmal hochgeflogen, sondern zur Seite gegangen. An den Geschäften überall Schilder in den Schaufenstern.
‘CLOSED cause CoVid-19′.
Polizisten liefen Streife und hin und wieder mussten sie einen der wenigen Passanten ansprechen, weil diese nicht den angeordneten Mundschutz trugen.
In so einer Situation soll ich meine Bude wieder aufmachen, ging es Peggy durch den Kopf. Aber immerhin musste sie die zurückgehaltene Miete für April und Mai nicht zahlen. Aber die halbe Miete für Juni tat gerade genug weh. Und wenn sie wirklich Ende der Woche die Bude wieder aufmachen will, dann muss sie Ware einkaufen. Sie überlegte, anstatt frischem nun gefrorenen Fisch zu kaufen. Wie groß war eigentlich das Frostfach in ihrem Kühlschrank. Außer Eiswürfel hatte sie darin eigentlich nie viel gelagert.
Peggy entschied die U-Bahn bis Tower Hill Station zu nehmen, um an der Imbissbude vorbeizugehen und nach dem Rechten zu schauen.
Schon von Weitem sah Peggy, als sie den Saint Kathrine’s Way in Richtung Tower Bridge lief, dass ein Mann ganz offensichtlich Interesse an ihrer Bude hatte. Mehrmals war der Typ nun schon um die Bude gelaufen. Schaute durch die Spalten am Fensterladen und auch durch den Türspalt. Als Peggy näher kam, zog sich der Mann etwas zurück und lehnte nun am Geländer an der Themse. Peggy war die Situation schon etwas unangenehm. Es war zwar gerade einmal 13:30 Uhr und normal war hier um diese Zeit die Hölle los, aber nun in der Krise, fühlte sie sich mit diesem Fremden im Schatten der Tower Bridge ziemlich allein. Das äußere Erscheinungsbild des Fremden gab nicht Anlass beunruhigt zu sein. Der Mann sah sehr seriös aus. Er trug einen dunkelblauen Blazer mit goldenen Knöpfen eine Kupferfarbene Feincord Hose ein weißes Hemd und passend zur Farbe der Hose eine selbst gebundene Fliege und dazu passend ein Einstecktuch. Obwohl die Friseurläden seit Wochen geschlossen sind, war er gut frisiert. Oder besser gesagt, war seine Glatze blank rasiert, von der Sonne gebräunt und so wie sie glänzte zudem mit Sonnenschutz eingerieben. In der Hand hielt er eine Lederne Hülle, in der sich wohl ein iPad befand.
Peggy fühlte sich beobachtet als sie die Bude aufgeschlossen hat. Sie öffnete den Fensterladen, um das Sonnenlicht in die Imbissbude hineinzulassen. Ach, wie sehr hatte sie diesen Geruch vermisst.
Fish und Chips und Oil und Fett und Essig und das alles wie ein Parfüm komponiert zu einem einzigartigen Aroma. Wobei heiße Fritteusen, dieses Aroma noch einen Ticken verfeinert haben.
„Guten Tag Madame!“, rief eine sonore Stimme in die Bude hinein.
„Mensch haben sie mich erschreckt, was wollen sie denn? Ich habe sie bereits beobachtet als ich den Saint Kathrine’s Way herunterkam. Hier ist zu, das sehen sie doch.“
„Entschuldigen sie bitte. Ich wollte sie nicht erschrecken. Wissen sie, wem die Bude gehört? Ich bin von der Kanzlei Morris&Henderson, mein Name ist Peter Ball.“
„Von dem Besitzer komme ich gerade, das ist Marc Stanley. Dem gehören hier eigentlich alle Buden und die Souvenir- und Blumenstände an anderen Londoner Sehenswürdigkeiten gehören dem auch fast alle. Was wollen sie denn von dem? Sie sehen nicht aus als wollten sie eine dieser Buden mieten?“
„Und wer ist P. McCartney? Eigentlich suche ich seit mehreren Wochen nach einer Peggy McCartney. Deren Name steht doch da oben auf dem Schild, das wird doch nicht der Name von einem der Fab Four sein?“
„Ich bin Peggy McCartney, ich habe die Bude und deren Mietvertrag von Mary Hopkins übernommen, das war im Sommer 1999. Warum suchen sie nach mir?“
„Sagen sie, Ihre Mutter? War das Daniela McCartney geborene Smith.“
„Das war meine Mutter, ja! Allerdings ist meine Mutter gestorben als ich zweieinhalb Jahre alt war. Das ist nun schon fast 50 Jahre her. Ich habe keine Erinnerung an sie.“
„Haben sie eine Abstammungsurkunde, mit der sie das belegen können?“
„Warum sollte ich ihnen das belegen? Was geht sie das denn an? Was wollen sie denn von mir?“
„Wie gesagt, ich arbeite für die Anwalts-Kanzlei Morris&Henderson. Mein Arbeitgeber wurde von einem Nachlassgericht beauftragt nach einem Erben zu suchen. Hatte Ihre Mutter Verwandte in England?“
„Das weiß ich nicht. Ob sie Geschwister hatte. Ja, mein Vater erzählte mir von einer Tante Mandy, gesehen habe ich die jedoch nie. Geboren wurde sie wie meine Mutter, soweit ich weiß, im Süd Osten in Headcorn, das ist in der Nähe von Ashford. Ich selbst war dort nie gewesen.
Ich habe auch keinen Kontakt zu meiner Oma mütterlicherseits gehabt. Die Eltern von meinem Vater die lebten in Coventry und die meiner Stiefmutter in Birmingham, dort war ich des Öfteren in den Schulferien. In Headcorn war ich in meinem Leben noch nicht.“
„Dann können sie mir auch nicht sagen, ob Ihre Großmutter in Headcorn eine weitere Tochter hatte?“
„Nein, das weiß ich nicht. Im Übrigen möchte ich hier jetzt abschließen. Wenn sie mir etwas Gutes tun wollen, dann klappen sie mir bitte die Läden vor das Fenster, damit ich diesen von innen verriegeln kann. Und dann lassen sie mich bitte nach Hause gehen.“
„Kann ich sie nach Hause bringen Ms. McCartney? Ich habe meinen Wagen um die Ecke geparkt.“
„Nein Danke, ich habe nicht weit. Ich wohne in Whitechapel nicht weit entfernt von der Brick Lane. Außerdem können wir in Ihrem Auto nicht den vorgeschriebenen Abstand halten.“
„Abstand halten, Mundschutz, Ansteckungsgefahr, ich kann es bald nicht mehr hören. Nehmen Sie wenigstens eine Visitenkarte von mir an. Aber waschen Sie sich gut die Hände, wenn sie zu Hause angekommen sind.
Rufen Sie mich bitte im Laufe der Woche einmal an. Ich muss mich nun zuerst mit Mr. Morris besprechen. Danach kann ich ihnen gegenüber deutlicher werden. Bitte haben Sie Verständnis dafür.“
„Ist schon O.K., ich bin mir keiner Schuld bewusst und insgesamt wird das alles nicht so schlimm sein. Ich rufe sie an. Auf Wiedersehen.“
„Aus Wiedersehen Mrs. McCartney, vergessen Sie bitte nicht anzurufen.“