Читать книгу Sehnsucht.. - Lothar Jakob Christ - Страница 8
Оглавление„Moin, Sprotte. Wie gehen die Geschäfte? Gibt es, was Gutes zu Essen und hast du Herberge für ein oder zwei Nächte?“
„Sehe ich richtig, dass du das bist, Boje. Habe mich schon gefragt, ob du überhaupt noch am Leben bist.“
„Sprotte, du weißt doch, Unkraut vergeht nicht. Darf ich vorstellen: Das ist Seb. Der hat die Lachnitz Ruine gekauft und will sie wieder zum Leben erwecken.“
„Das Spuck Schloss? Na dann viel Spaß dabei. Wollt Ihr ein oder zwei Zimmer?“
„Zwei!
Wo können wir Platz nehmen?“
„Am besten dort hinten im Erker, hier vorne im Saal wird es gleich laut, da treffen sich heute einige Leute zur Monatssitzung. Außerdem wollen die eigentlich die Kneipe für sich alleine haben. Jedoch dort im Erker, da ist gut. Eintopf kann ich anbieten. Mit Rindswurst und Brot. Oder kalte Platte mit Schinken und Käse oder Dosenwurst.“
„Deine Speisekarte war auch schon attraktiver,” war Bojes Bemerkung.
„Ich will dir mal was sagen, wo warst du denn in den letzten zwei Jahren? Seit Ausbruch dieser scheiß Pandemie, war hier mehr geschlossen als offen. Und wenn offen, dann kommt keiner. In diesen Zeiten eine Kneipe offenzuhalten, das frisst dir fast mehr Geld als wenn du geschlossen hast. Stammtische finden nun in den wieder hergestellten Partykellern statt. Das ist im übrigen auch dort, wo sich die Leute am häufigsten anstecken mit dem scheiß Virus. Touristen siehst du hier überhaupt keine mehr.“
„Du hast ja recht Sprotte, entschuldige bitte, ich nehme Eintopf und du Seb?“
„Was gibt es denn?“
„Linseneintopf hat sich die heutige Gesellschaft gewünscht.“
„Lecker, das nehme ich auch. Bitte mit Rindswurst und Brot.“
„Gut, zweimal Linseneintopf mit Rindswurst und Brot. Darf es dazu ein kühles Blondes sein?“
„Oh ja, ein schönes Pils dazu.“
„Groß oder klein, das Blonde.“
„He Sprotte, war ich wirklich so lange nicht mehr hier.“
„Ist ja gut, zwei Große.“
Unterdessen kamen die ersten Teilnehmer der Monatsveranstaltung. Unterschiedlichste Typen. Jüngere. ältere, die meisten in schwarzen Klamotten gekleidet, aber auch sehr seriös wirkende Leute. Männer waren in der Überzahl, aber auch Frauen dabei. Es war noch nicht viertel nach sechs, da waren in dem kleinen Saal bestimmt fünfzig Leute.
„Hier euer Eintopf und das Bier. ich muss mich nun zuerst einmal um die Truppe da vorne kümmern, wenn ich die versorgt habe, schau ich wieder nach euch.“
Boje und Seb löffelten ihren Eintopf und stießen auf Seb's Projekt an. Gemeinsam erstellten die beiden Männer eine Liste, um die nächsten Schritte festzulegen. Als Erstes musste das Efeu und der Blauregen weg, dann müssen wir checken ob Wasser und Abwasser funktionieren, die Stromversorgung scheint zwar zu funktionieren, aber auch das sollten wir überprüfen lassen. Die zwei Holzställe hinter dem Haus sollen abgerissen werden, den Pferdestall und das Gesindehaus muss man erhalten. Boje notierte hinter jedem Punkt einen Namen der Firmen, die bei der Umsetzung des Renovierung-Projektes eingebunden werden sollten.
„Billig wird das nicht, das sage ich dir gleich. Entschuldige, wenn ich so direkt frage: Kannst Du Dir das denn eigentlich alles leisten?“
„Darum mache Du Dir bitte keine Sorgen. Das, was mir noch fehlte, das habe ich gerade geerbt. Mein Vater hatte in der Nähe von Aachen ein recht großes Unternehmen. Ich selbst habe mich mit ihm schon vor Jahren überworfen, weil ich nicht in seine Fußstapfen treten wollte. Als er vor einigen Monaten gestorben ist, war es wohl ein letzter Versuch mich in das Unternehmen einzubinden und er hat mir den Laden vererbt. Ich sah aber für mich die große Chance nun endgültig zu privatisieren. Ich habe den Laden verkauft und kann von dem Erlös gut leben, auch dann noch, wenn wir Gut Lachnitz wieder im alten Glanz erstrahlen lassen.“
„Na dann ist ja alles in der Senkrechten. Und du hast niemanden, mit dem du hier einziehen möchtest.“
„Nein niemand! Da waren einfach zu viele, um sich an eine Person zu binden.“
„Wie darf ich das verstehen?“
„Na ja, wie gesagt, mit meinem alten Herrn hatte ich mich überworfen. Er wollte stets, dass ich Unternehmer werde. Und so hat er mein Leben bestimmen wollen. Ich war zwölf, als er mich in ein Internat in der Schweiz steckte. Dort machte ich mein Abitur, um danach von meinem alten Herrn nach London geschickt zu werden. Auf der London Business School sollte ich dann lernen, was ich zum Unternehmer leben brauche. Warum ich das Studium mit Erfolg abgeschlossen habe? Das kann ich dir nicht sagen. Denn eigentlich habe ich schon dort mehr Musik als Business studiert. Ich gehörte unterschiedlichen Punkrock und Hardrock Bands an und bin schon während der Zeit auf der Business School durch England getingelt. Dann irgendwann war das Studium geschafft und mein alter Herr sagte stolz wie Oskar zu mir, dass er mich nun als seine rechte Hand in seinem Unternehmen installieren will. Ich bezog eine kleine Villa neben dem Firmengelände. Einmal im Monat luden meine Eltern dann zu Empfängen in ihr sehr luxuriöses Anwesen. Eingeladen waren stets Geschäftsfreunde mit ihren heiratsfähigen Töchtern. Grund und Ziel dieser Veranstaltungen hatte ich schnell durchschaut. Und ich habe mich von den Einladungen immer öfter ferngehalten, was zu weiteren Spannungen in der Familie führte. Irgendwann habe ich dann meine Klampfe und ein paar Klamotten gepackt und bin ohne Ziel losgezogen. Ich war in allen europäischen Metropolen, habe, wenn ich Hunger bekam meine Gitarre ausgepackt und auf der Straße gesungen, als guter wirst du da immer satt. Irgendwann sprach mich einer an, ob ich in seiner Band mitspielen wolle. Wir sind dann im Sommer durch Südeuropa und im Winter durch die Skigebiete getingelt, bis ich dann irgendwann in Berlin gelandet bin. In der Szene kannte man mich mittlerweile und ich habe von meiner Musik immer bescheiden, manches Mal recht gut leben können. Na ja und dann kam vor ungefähr einem Jahr dieser Brief vom Amtsgericht Aachen. Mein Vater sei gestorben, damit war ich Vollwaise. meine Mutter starb bereits vor einigen Jahren. Die Firma hätte ich geerbt und man würde es gerne sehen, dass ich das Unternehmen weiterführe. Ich ging in der Tat nach Aachen und habe mich mit dem Gedanken, den Laden zu führen, seriös auseinandergesetzt. Jedoch als mir einer der Prokuristen mitteilte, dass es einige Interessenten für die Firma gäbe, habe ich ihn direkt gebeten, den Verkauf zu forcieren. Das ging dann recht schnell und noch während der Verkaufsphase zeigte mir ein Freund in Berlin das Exposé von Hofgut Lachnitz, das ich dann gekauft habe und seit gestern bin ich nun hier“
„Du hast das Hofgut Lachnitz niemals besichtigt? Einfach nach Exposé gekauft? Alleine das ist eine unglaubliche Geschichte. Egal, wenigstens scheinst du dir die Renovierung leisten zu können.“
„Hallo ihr zwei, alles in Ordnung bei euch? Noch zwei Pils? Die Truppe im Saal ist nun versorgt, die wollen auch nicht mehr gestört werden, solange sie nicht nach mir rufen.“
„Sag mal Sprotte: Du weißt schon, welcher Gesinnung die sind?“
„Das ist mir dermaßen egal, diese Leute, das waren die einzigen in den letzten Monaten, die mir noch ein wenig Umsatz garantiert haben und die waren es, die mir meine Existenz wenigstens ein Stück weit gesichert haben.“
„Dort im Saal sind nun schon mehr als fünfzig Leute. Ich habe nicht gesehen, dass du nur einen nach seinem Impfstatus gefragt hättest.“
„Warum sollte ich, den Impfstatus von denen kenne ich ohnehin! Alle nicht geimpft! Die lehnen das ab. Und rede mal mit denen, wenn du deren Argumente hörst, dann hättest du den Impfstoff aus Dir vielleicht auch gerne wieder raus.“
„Die tätowierten Nummern auf den Oberarmen von dem Dicken mit dem doch sehr eindeutigen Schnauzer kannst du aber lesen, oder? Du weißt, wofür die 18 und die 81 steht.“
„Boje, lass mich in Ruhe damit. Noch mal, diese Leute lassen mich hier überleben und ich rate dir: Lege auch du dich besser nicht mit Dolfi an.“
„Dolfi?“
„Ja, so nennen sie den Dicken mit den Tätowierungen. Der ist so was wie der Führer von der Gruppe. Was der sagt, das ist bei den Leuten um ihn herum, wie ein Gesetz.“
„Hast du mitbekommen, worüber die sprechen?“
„Nicht so richtig, die Pandemie beschäftigt die eben wie uns alle. Auf eine Demo möchten die glaube ich. Nach Berlin. Na ja und die polnische Grenze im Osten ist ein Thema bei denen. Aber noch einmal mein Rat:
Passt auf euch auf und legt euch nicht mit Dolfi an.“
Boje und Sebastian ließen sich Ihre Zimmerschlüssel geben, um zu Bett zu gehen. Einschlafen konnten sie erst nachdem noch einmal so etwas, wie eine Hymne gesungen wurde und es danach dann endlich ruhig wurde im Grünen Baum.