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Murrus erster Ausflug

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Es war still hier oben, dicht über der Waldgrenze, ein stiller heller Morgen im Bergsommer. Über schroffen Felsgraten stand ein hoher blauer Himmel, wolkenlos und klar. Weiß glitzerte Schnee auf den Gipfeln, flirrend im grellen Licht. Am steilen Südhang glühte die Sonne das nackte Gestein, ließ die sprühenden Kaskaden des Gletscherbachs aufschimmern. Darunter leuchtete es bunt von zahllosen Blüten in den saftgrünen Bergmatten. Und das Rauschen des zu Tal strömenden Wildwassers störte die Stille nicht.

Der alte Murmelbär auf seinem Felsbrocken am Rand der Matte verharrte bewegungslos, wirkte mit seiner plumpen Gestalt von weitem fast wie ein abgebrochener Baumstumpf. Doch er blieb wachsam, nichts entging ihm. Die samtschwarzen Dohlen auf der Suche nach Kerbtieren und Würmern bildeten keine Gefahr, auch die Alpenbraunelle nicht und der Tannenhäher, der von den von Arven und Lärchen umstandenen Steilufern unten vom Bergbach herüberstrich.

Nur zwischen den Auswurfhügeln der Murmelkolonie rührte sich etwas. Die Jährlinge tollten spielerisch mit den Halbwüchsigen über den Hang. Sie verließen sich auf die Wachsamkeit ihres Vaters.

Auch ihre Mutter nutzte den Frieden des warmen Bergmorgens. Tief drinnen im Erdbau drängte sie ihre diesjährigen Jungen durch die Röhre nach draußen. Es wurde Zeit für den ersten Ausflug ins Freie. Und das Wetter war günstig. Doch nur zögernd folgten die Kleinen, ein wenig ängstlich noch, die vertraute Geborgenheit zu verlassen.

Vorsichtig schob Murru seine kleine Nase in den Ausgang. Die unverhoffte Helligkeit schmerzte in seinen nur das Dunkel der Höhle gewohnten Augen. Erschrocken krabbelte er rückwärts. Doch er kam nicht weit, die anderen drängten nach. Er mußte hinaus, ob er wollte oder nicht. Trockenes Gras vom Schlafkessel haftete in seinem grauen Kinderpelz. Und als Mangi, seine Schwester, ihn ungestüm von hinten stupste, setzte er zögernd seine winzigen Pfoten auf den erdigen Rand.

Hier draußen roch es so ganz anders als drinnen im Bau. Und sein Blick verlor sich in der Weite. Sehr fremdartig wirkte diese Welt. Doch dann entdeckte er seine älteren Geschwister. Und hoch oben auf dem Fels die aufrechte Gestalt seines Vaters. Das beruhigte ihn. Und er probierte ein paar unbeholfene Schritte durch das duftende Gras.

Das war ein seltsames Gefühl an den Pfoten. Zwischen den Halmen haftete noch die Feuchtigkeit. Und auch Murrus Nase wurde naß. Doch das störte ihn nicht, er leckte das Wasser einfach ab. Nur schmeckte es nicht so gut wie die Milch seiner Mutter. Langsam tappelte er weiter, näherte sich einer Blüte. Neugierig schnupperte er daran, stieß mit seiner kleinen Nase davor.

Plötzlich ertönte ein tiefes Gebrumm. Im Blütenkelch wurde es lebendig. Ein gelbgestreiftes Etwas stieg auf, surrte aufdringlich um Murrus Ohren. Entsetzt stob Murru davon. Bienen kannte er ja noch nicht. Und verzweifelt suchte er den Weg zur Höhle.

In diesem Augenblick hob seine Mutter ihren pelzigen Kopf über den Erdwall. So schnell er konnte, rannte Murru auf sie zu, purzelte vor Aufregung über einen losen Stein, der kollernd unter ihm fortrollte. Das machte Murru noch ängstlicher. Ein schwacher Klagelaut drang aus seiner Kehle. Endlich erreichte er die schützende Nähe seiner Mutter. Und aufatmend barg er sich an ihrem weichen Fell.

Das Murmelweibchen sah Murrus Angst. Fürsorglich beugte sie sich zu ihm herab, rieb zärtlich ihr Gesicht an seinem kleinen Kopf. Murru spürte ihre vertraute Wärme, und er hielt sich mit seinen winzigen Pfoten ganz fest. Diese fremde Welt hier draußen war ihm unheimlich.

Seine Mutter wandte unruhig den Kopf. Sie hob den Oberkörper, richtete sich auf den Hinterbeinen auf und beobachtete aufmerksam ihre anderen Kinder, die in der Nähe des Ausgangs herumtobten. Zwei allerdings fehlten: zwei kleine Murmelbären. Die beiden hatten ihre ersten Lebenswochen im Bau nicht überstanden. Um so sorgfältiger achtete die Mutter nun auf ihre übrigen drei. Nur einen kurzen Augenblick lang ließ sie Murru aus den Augen.

Geschickt nutzte Murru das aus, um hinter dem Erdwall schleunigst wieder in die Höhle zu flüchten. Seine Mutter aber bemerkte seine Flucht. Energisch trieb sie ihn wieder ins Freie. Nach der langen Zeit im Bau brauchte Murruendlich Sonne. Und er mußte lernen, sich draußen zurechtzufinden.

Murru fand das alles sehr anstrengend, aber er folgte. Und als seine Mutter sich mit seinen beiden Schwestern in einer Grasmulde zum Sonnenbad niederlegte, schmiegte er sich dicht an sie. Die warmen Strahlen behagten ihm. Und allmählich erschien ihm die Außenwelt gar nicht mehr so bedrohlich.

Murru, das Murmeltier

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