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Kapitel 2
ОглавлениеEthan war früh auf. Er hasste den ersten Schultag im neuen Jahr. In diesem Jahr noch mehr als sonst. Dr. Bishop werkelte schon in der Küche herum. Sein Onkel und seine Tante schliefen noch.
»Guten Morgen.« Dr. Bishop flüchtig zu seinem Sohn, als er in die Küche kam. Er grummelte etwas zurück.
»Soll ich dich zur Schule fahren?« Ethan bringt sich mit seinem Müsli an den Tisch.
»Nein, ich fahre alleine.«
»Mit dem Rad?« Dr. Bishop betonte seine Frage.
»Nein, ich fahre zur 57. Und dann mit der N.« Er war vor den Ferien mit dem Rad gefahren und hatte dann seinen Vater angerufen, damit er von unterwegs abholen sollte. Auf der Queensboro-Brücke würden wir einen starken und eisigen Wind sehen.
»Im Winter über den East River mit dem Fahrrad fahren«, hatte Dr. Bishop das Unternehmenwadensohn kommentiert.
»Marcia geht erst etwas später. Onkel Joshua und Tante Jenny bringen Sie zur Schule und wollen den Nachmittag mit ihrem verbringen. Wann bist du heute zu Hause? «Ethan hob beide Arme halb hoch. Dr. Laurent schaute ihn an. »Ist das ein Flaggenzeichen oder?«
»Ich weiß es nicht so genau. Vielleicht bleibe ich bis zum Nachmittag in Astoria. «
» Ich frage nur wegen des Essens. Sollen wir heute Abend alle zusammen essen gehen? «
» Papa! «Ethan suchte die Rosinen im Müsli. »Ihr könnt doch essen gehen. Ich habe heute keine Lust und morgen habe ich keine Lust und übermorgen habe ich auch keine Lust. Auch ich werde mich nicht jeden Tag wünschen. «Dr. Bishop redete mit seinem Sohn, ohne ihn dabei anzuschauen.
»Ethan, das geht schon einen Monat so. Wir müssen alle anfangen, um ein normales Leben zu führen. «Ethan ließ den Löffel in die Schüssel fallen.
»Ein normales Leben? Du weißt doch selber, dass es nicht mehr geben wird. Es sei denn, Mum kommt unerwartet zur Tür rein. « Dr. Bishop hatte sich nicht umgedreht und stand alleine in der Küche. Er schaute zum Fenster raus und schüttelte seinen Kopf.
Ethan machte sich auf den Weg zur Schule. Regen. Na klar. Was sonst? Ethan hätte sich aber auch über Schnee oder Sonnenschein geärgert. Eigentlich war das Wetter egal. In der Schule war es für den ersten Schultag recht ruhig. Normalerweise rennen am ersten Schultag mit den Weihnachtsgeschichten. Ethan stand vor seinem Spind und sortierte seine Sachen. Dass blecherne Klacken der Spindtüren, die von den Schülern nie sanft geschlossen wurden, war in ihren Ohren wie Marschmusik beim Militär. Gleich geht es in den Kampf. Rumtatta, Rumtatta.
»Na, Bishop, Weihnachten überstanden?«
Jacob konnte nur hören, aber nicht sehen. Der junge stand seitlich neben dem offenen Spind. Ethan zog die Tür rum. Jacob stand mit dem Rücken an die Wand gelehnt und grinste Ethan an.
»Wow, so gute Laune im neuen Jahr?«
Er schaute Jacob von der Seite an.
»Ich bin so froh, dass ich wieder in der Zivilisation bin. Zwei Wochen bei den Verwandten in Montana. Du hast ja keine Ahnung, wie erbärmlich das ist. Und das Gefährlichste an allem ist, meine Eltern machen jedes Mal, wenn wir so wollen, wie: Vielleicht sollten wir irgendwann hierherziehen. «Jacob verstellte seine Stimme und imitierte abwechselnd seine Mutter und seinen Vater. »Ja, Schatz, hätten wir nicht mehr so viel Stress und möglicherweise entspannter Leben. Ja Schatz. Lass uns darüber nachdenken. «
Ethan lächelte. »Und was hast du dazu gesagt?«
»Das ich dann beide Augen als Organspende zur Verfügung steht, da ich sie dann eh nicht mehr brauche. Denn das Elend wird keiner sehen. Meine beiden Cousinen werden auch immer hässlicher und immer fetter. Jetzt kommen die zwei Klopse in einem Alter, in dem sie rollig werden. Die sind den ganzen Tag um mich rumgeschlichen. Als krönenden Höhepunkt hatten wir meine Verwandten ausgedacht, dass ich mit den beiden mal schön ausgehen kann. Es gab da in dem Kaff so ein Bingosaal. Da sollte ich mit Ihrem Sonntagnachmittag zum Teenietanz gehen. «Jetzt lachte Ethan richtig. »Du brauchst gar nicht lachen, Alter! Im März kommt die ganze Mischpoke nach New York. Und dann wirst du mit mir und den zwei Sahnehäubchen durch Brooklyn machen. «
»Schade, Februar wäre ok, April auch, aber März geht leider nicht, da übe ich Klavier.« Jacob schubste ihn freundschaftlich.
»Du und ich. Wir beide mit den dicken Landeiern. Da bist du fest gebucht. Ich geh dann mal los. Sehen wir uns heute noch? «
»Ich bleibe den ganzen Tag hier. Auch bis später. «Ethan schloss seinen Schrank und überlegte, wo er die erste Stunde hatte. Er war froh, dass keiner an der Schule etwas von dem Drama mit seiner Mutter wusste. Keiner? Ethan Fiel Emy ein. Er hatte sich doch mit ihrem zum Essen verabredet. Bloß wann und wo? Vielleicht hatte sie doch auch schon wieder vergessen. Ethan holte sein Telefon raus und wollte ein SMS schreiben, ließ es aber bleiben und steckte das Telefon wieder ein. Hoffentlich erzählt sie nicht in der Schule. Er verspürte ein wenig Panik. Er drängelte sich durch die Schüler.
»Sweety.« Ethan schaute hoch.
»Wer, ich, ich meine…?« Ein Mädchen hatte sich in den Weg gestellt.
»Ja, du.« Ethan schaute vorsichtshalber einmal nach links und rechts. »Ja, du meine ich. Bleib mal ganz locker, Alter. «Ethan war es nicht nach ganz locker zumute. »Ich bin Madison, die Freundin von Emy. Sie haben vergessen, ihren verdammten Akku für ihr Telefon zu laden und der ist leer. Emy musste schon in den Unterricht. Sie haben mich beauftragt, dich zu suchen. «Er schaute Madison immer noch verwundert an. »War Nonne?« Madison machte eine fragende Bewegung.
»Naja, du hast mich ja gefunden.« Madison schien die Vorstellung nicht sonderlich zu gefallen.
»
Was soll ich sagen?« »Was will sie denn hören?« Madison verzog ihr Gesicht.
»Wir sind doch hier nicht bei Letterman. Du musst nicht lustige Fragen stellen. Sie werden wissen, ob es beim Essen bleibt. Wann? Wo? «Sie machte einen Gesichtsausdruck, der nicht viel Freiraum für unnötige Fragen.
» « Ja, auch, naja, gerne. Wo möchte sie denn essen? «
» Vielleicht im Ritz-Carlton? Das weiß ich doch nicht. Du sollst mir sagen, wo ihr euch heute und heute treffen wollt. «Ich möchte, dass die Geduld von Madison bald erschöpft war.
»Ja, auch um eins in der Cafeteria.«
»Na, das ging ja zügig.« Madison drehte sich um und ließ ihn stehen, ohne noch ein Wort zu sagen. Um eins, essen mit Emy. Scheiße. Emy. Ethan fiel ein, dass er doch ein Geschenk für sie hatte. Aber nicht hier. Also ein Dreckärgerte sich Ethan. Er entschied für sich, das Geschenk muss her. Ethan entschied sich, wieder nach Manhattan zu fahren, um es zu holen.
Als er in die Wohnung kam, saßen seine Tante, sein Onkel und Marcia gerade beim Frühstück.
»Hallo, guten Morgen, Ethan. Ist die Schule schon aus, willst du mit uns frühstücken?« Er ging zu seinem Zimmer.
»Nein, sie hat noch nicht angefangen, also sie hat angefangen, aber ohne mich.« Die drei am Tisch schauten sich an. Marcia machte eine gnädige Geste.
»Er macht öfters solche Sachen, die keiner versteht. Dad sagt, das liegt an seinem Alter.« Ethan suchte das Holzstück und wickelte es in eine Seite der New York Times ein. Er band die ober Hälfte der Verpackung mit einem Stofflesezeichen zusammen. Das ist ganz schön modern für eine Weihnachtsverpackung. Er stellte seine Überraschung für Emy auf den Tisch, um festzustellen: Hip. Sie wird denken, dass die Verpackung aus einem der Geschenkläden vom Times Square sei. Er ging wieder durch den Flur.
»Also, ich geh wieder zur Schule. Bis heute Abend.« Die drei schauten sich wieder nur ratlos an. Marcia zuckte mit den Schultern und machte ein kurzes »Mhh.«
Ethan kam zur dritten Stunde in sein Klassenzimmer.
»Oh, Mr. Bishop. Sie haben den Weg zu uns gefunden?« Mr. Fischer setzte sich halb auf den Tisch, der vor der Klasse stand. »Wir haben an dieser Schule Regeln. Wann wir beginnen, wann wir pausieren und wann wir nach Hause gehen.«
»Ich...«, versuchte Ethan, die Predigt des Lehrers zu unterbrechen.
»Nein!« Mr. Fischer ließ sich aber nicht unterbrechen. »Diese Schule funktioniert nur dank ihrer Regeln. Wer sich nicht daran hält, stört den reibungslosen Ablauf und gefährdet somit das Funktionieren der Schule. Und eine weitere Regel besagt: Wer sich nicht an die Regeln hält, hat entweder einen guten Grund dafür oder er hat viel Zeit, die anfallende Strafarbeit zu erledigen. Und jetzt können Sie mir ihren guten Grund nennen.«
»Ich habe viel Zeit«, unterbrach Ethan wieder seinen Lehrer.
»Mr. Bishop, sie dürfen nach dem Unterricht ihre Bonusarbeit bei mir abholen. So, und jetzt setz dich ganz schnell und ganz leise auf deinen Platz.«
Ethan trug seinen Parka und seine Umhängetasche. Er hatte beides aus seinem Schrank geholt, um es beim Essen mit Emy dabeizuhaben. Für alle Fälle. Möglicherweise wollte Emy ja wirklich woanders mit ihm essen. Er betrat die Cafeteria und schaute sich nach Emy um. Er entdeckte sie und blieb sofort stehen. Oh, Emy saß an dem Tisch in der Nähe des Fensters. Sie saß dort mit mehreren Leuten. Sicher hatte sie das Date mit ihm vergessen oder Madison hatte nichts von der Begegnung mit ihm berichtet. Als er gerade wieder gehen wollte, hörte er seinen Namen. Sie hatte ihn gesehen und war aufgestanden. Emy winkte ihm zu und er ging langsam zu ihr.
»Hallo, Ethan«, begrüßte sie ihn freundlich, als er am Tisch angekommen war. »Darf ich vorstellen? Madison, die hast du ja schon kennengelernt. Mathis, mein Bruder. Linda, noch eine Freundin von mir und Lucas. Lucas ist mein Freund.« Mein Freund? Hatte er sich verhört? Er hatte allen die Hand gegeben, nur Emy nicht. Nicht mit Absicht, einfach so.
»Ja, ah, also, ich dachte, ich…«
»Ethan, komm setz dich zu uns!« Sie klopfte mit ihrer Hand auf den leeren Stuhl neben sich. Lucas und Mathis musterten Ihn.
»Du kennst Emy?« Lucas versuchte, erst gar nicht höflich zu sein.
»Naja, also ‚kennst‘ wäre mal zu viel.« Emy mischte sich ein.
»Ethan und ich haben uns vor Weihnachten im Musikkurs kennengelernt. Und wir haben ein Projekt zusammen.«
»Du spielst Cello?« Lucas runzelte die Stirn und schaute ihn dabei an.
»Nein, ääh, Cello, nein. Ich spiele Klavier.«
»Und was übt ihr da zusammen?« Emy griff über den Tisch zum Tablett von Lucas, nahm sich einen Apfel, biss hinein und sagte mit vollem Mund:
»Das sind theoretische Übungen.«
»Was um Himmels Willen sind theoretische Übungen?«
»Cello, Klavier, alles Mädchenkram. Ich hole mir noch Pudding. Der ist lecker.«
Lucas stand auf, um sich Nachtisch zu organisieren. Emy drehte sich zu Ethan.
»Sorry, das war so nicht geplant. Was machst du heute Nachmittag?«
»Ich, nichts, also nichts.«
»Wollen wir uns bei mir treffen?« Emy flüsterte immer noch.
»Naja, ich weiß nicht, wäre das nicht illegal?« Emy stutze kurz, lächelte aber. Sein Slang.
»Ethan, ich muss mit dir reden. Ich will dir das erklären.«
»Was denn?«
»Das mit Lucas, und dass ich dich zum Essen eingeladen habe.«
»Du musst dich doch nicht rechtfertigen, Emy. Ich habe…« Sie legte ihm ihren Zeigefinger auf seine Lippen.
»Passt es dir um fünf bei mir?«
»Ja, meinst du das ernst?«
»Ja, Ethan, das meine ich ernst.« Er stand auf und verabschiedete sich von der Runde. Die drei Mädchen beobachteten den Jungen, bis er aus der Cafeteria verschwunden war.
»So, Emy, dann erzähl mal.«
»Ach, da gibt es nicht so viel zu erzählen.« Linda setzte ihr breitestes Grinsen auf, welches mit ihrem schmalen Gesicht möglich war.
»Ach ja, du hast also ein Musikprojekt mit ihm. Und das schon vor den Ferien. Zum Beginn der Ferien kanntest du ihn doch noch gar nicht. Oder war das ein Geheimprojekt, von dem wir alle nichts mitbekommen haben?« Emy strich sich nervös ihre Haare aus dem Gesicht.
»Das ist eine komplizierte Geschichte.«
»Den Eindruck habe ich auch.« Madison grinste. »Und welches Instrument spielt Lucas in eurem Geheimorchester?« Mathis stand auf.
»Also, ich bin weg. Ich will damit nichts zu tun haben.« Sie schaute immer wieder zur Essensausgabe, wo Lucas mit ein paar anderen Jungs stand und sich mit ihnen unterhielt. Linda grinste immer noch.
»Aber Sweety ist wirklich süß. Nächste Woche ist der Winterball. Da mich mein verkommener Freund verlassen hat, habe ich keinen Jungen, der mich begleitet. Also, Emy, da ich deine beste Freundin bin, nächsten Monat Geburtstag habe und es eine Schande wäre, wenn Sweety mit einer anderen als mir zur Party ginge, solltest du mich ihm schnellstmöglich bekannt machen. Und da ich siebzehn werde, ist glaube ich die Zeit gekommen, na ihr wisst schon.« Emy fasste sich an die Stirn.
»Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich dich mit Ethan verkuppele.«
»Warum denn nicht?« Madison fragte provozierend und lachte dabei. Emy stand auf, schüttelte ihren Kopf und sagte zu ihren Freundinnen:
»Ihr seid verrückt, alle beide.« Linda und Madison standen auch auf, nahmen ihr Tablett und folgten ihr. Beide sangen leise, aber so, dass es Emy hören konnte:
»Emy hat ‘nen Neuen. Emy ist verliebt.« Sie drehte sich zu beiden um und machte eine Geste, die beide aufforderte, den Gesang einzustellen. Als die drei am Ausgang der Cafeteria ihre Tabletts in die Sammelwagen stellten, sagte Madison mit viel Ironie in der Stimme:
»Vergiss nicht, Lucas von der Essenausgabe mitzunehmen.« Ihr war das sichtlich peinlich, dass sie ihren Freund vergessen hatte. Sie drehte sich um und ging zu ihm.
Ethan war pünktlich bei Emy. Er klingelte. Lucía öffnete ihm die Tür.
»Ohh, der Eisschuhmann. Komm doch herein. Emy, du hast Besuch.« Lucía machte mit ihrer Hand eine einladende Geste und lächelte ihn freundlich an.
»Ethan, komm rein. Schön, dass du da bist.« Emy strahlte und lief schnell auf den Jungen zu. Sie trug ein T-Shirt und eine graue Jogginghose. Er stand da und freute sich über den netten Empfang.
»Lass uns in mein Zimmer gehen.« Sie drehte sich um und ging, ohne auf ihn zu warten, wieder los.
»Wow, das war eine blöde Situation heute in der Schule. Das hatte ich nicht so geplant.« Er schaute sich im Zimmer um, setzte sich wieder auf den Stuhl, auf dem er schon Weihnachten saß. Lucía klopfte an, kam aber ohne auf eine Antwort zu warten in das Zimmer.
»Möchte der junge Señor etwas essen?«
»Oh, nein, ich, also nein. Danke.«
»Emy, möchtest du etwas?«
»Nein, danke Lucía, ich hole uns nur etwas zu trinken.«
»Nein, bleibe hier, ich kann Trinken bringen.« Emy lachte.
»Das macht sie, weil sie nervös ist, wenn ich mit einem Jungen alleine in meinem Zimmer bin. Was nicht bedeutet, dass ich oft mit Jungs in meinem Zimmer bin.« Ethan verstand nicht ganz, was sie da erzählte, aber er wollte es auch nicht hinterfragen.
»Ach ja, ich, ich habe da etwas für dich, Emy.« Er stand auf und ging zu seiner Jacke, die er auf die kleine Couch gelegt hatte. Er holte sein Geschenk für sie aus der Tasche.
»Also, ich dachte, weil du dir Weihnachten so viel Mühe, also ich meine, weil du dich um mich besorgt hast.« Besorgt? Sie grinste ihn an.
»Kannst du noch einmal ‚besorgt‘ sagen?« Er verstand die Aufforderung nicht. Aber er widerholte besorgt und Emy strahlte ihn an.
»Ethan, du bist süß.«
»Ja, äh, du bist auch süß.« Sie lachte.
»Wolltest du mir nicht etwas schenken?«
»Ja, genau. Also, eigentlich ist es ja kein richtiges Geschenk, aber…«
»Wow, ein Delfin, ist der schön. Wo hast du den gekauft?«
»Naja, eigentlich habe ich den am Strand gefunden.«
»Der ist schön. Danke, Ethan.« Sie ging zu ihm hin, drückte ihn und gab ihn einen Kuss auf seine Wange. Sie standen immer noch eng zusammen und ihre Köpfe, vor allem ihre Münder, kamen sich immer näher. Lucía hatte die Tür offengelassen und so merkten beide nicht, dass Emys Mutter in der Tür stand. Sie räusperte sich so laut, dass beide erschraken.
»Guten Abend, ihr Lieben. Oder ihr Liebenden? Ach, ich bin ganz verwirrt.« Die Stimme von Emys Mutter klang kriegerisch. »Da bin ich ja froh, dass ich heute pünktlich aus der Kanzlei weggekommen bin. Stellt euch bloß mal vor, ich wäre eine halbe Stunde später gefahren und hätte euch beide dann im Bett begrüßen müssen.«
»Mum, wir wollten uns unterhalten und ich wollte Ethan etwas erklären.« Mrs. Laurent machte einen spitzen Mund
»Oooch, und damit das Gespräch in einer lockeren Atmosphäre stadtfindet, gab es zum Warmup ein Küsschen?« Ethan versuchte der Reihe nach, das zu verarbeiten, was sich da gerade abspielte.
»Also, das ist nicht so, also was sie denken, also wie sie denken, Mrs. Laurent. Wir wollten heute in der Schule zusammen essen, aber das ging nicht.«
»Und da habt ihr euch gedacht, das Essen lassen wir ausfallen und gehen gleich zu den Zärtlichkeiten über?«
»Mum, Ethan wollte ja auch gerade gehen.«
»Ja, genau, ich wollte gerade gehen. Also, ich meine, ich muss los.« Mrs. Laurent lächelte den Jungen an.
»Das ist aber schade, Ethan, dann verpasst du ja das schöne Gespräch, das ich mit meiner Tochter gleich führen werde.« Er verstand nicht, was Emys Mutter meinte, sagte aber vorsichtshalber:
»Ja, Mrs. Laurent, das finde ich auch schade.« Emys Mum musste sich ein Lachen verkneifen.
»Emy, wenn du deinen Freund, oder Bekannten, oder…«
»Mum!« Sie verstand ihre Mutter zu gut und vor allem ihre Anspielungen. Sie war schließlich damit aufgewachsen.
»Komm, Ethan, ich bringe dich zur Tür.« Sie schob ihn vor sich her. Mrs. Laurent lehnte mit verschränkten Armen im Türrahmen und grinste beide an, als sie an ihr vorbeimussten.
»Emy, bleib bitte nicht allzu lange im Treppenhaus. Es sei denn, ihr möchtet deinen Dad auch noch mit euren Kussfertigkeiten begeistern.« Emy schob Ethan in das Treppenhaus.
»Ethan, es tut mir leid. Lass uns morgen oder übermorgen reden. Ich weiß auch nicht, was da gerade passiert ist.« Er nickte zustimmend und verschwand im Fahrstuhl.
Emy ging in die Wohnung zurück. Mrs. Laurent schaute sie nur lächelnd an.
»Fang schon an, Mum.« Mrs. Laurent veränderte ihr Lächeln in ein Grinsen.
»Ich würde ja sagen, lass uns in die Küche gehen und nach Ethan-war-da-Tradition Eis essen. Aber ich befürchte, wenn das so weitergeht, haben wir beide in wenigen Wochen zehn Kilo Übergewicht. Bei dir wäre das egal. Du hast ja mehrere Männer. Aber ich habe nur deinen Dad. Und wenn ich wegen dir fett bin und von deinem Vater verlassen werde, bin ich unausstehlich und verlange von dir, dass du mir einen deiner Freunde abgibst.«
»Mum, das ist nicht lustig.«
»Ach, findest du nicht? Dann sollten wir mal Lucas fragen, ob er es vielleicht lustig findet.«
»Mum, ich habe Ethan heute mitgeteilt, dass Lucas mein Freund ist.« Mrs. Laurent legte ihren Kopf zur Seite.
»Und darüber habt ihr beide euch dann so gefreut, dass ihr das mit einer kleinen Kussparty feiern wolltet?«
»Nein, ich wollte ihm das alles erklären. Dass ich einen Freund habe, dass ich ihn mag, aber nur freundschaftlich. Oder so.«
»Ach, Emy, ich glaube, das hast du ihm genau mit den richtigen Argumenten beigebracht. Wenn er das nicht versteht, dann weiß ich aber auch nicht. Meine Tochter ist so weise. Und wenn das deine Begründungen sind, um zu sagen, he, ich bin in einer festen Beziehung und mit dir möchte ich nur befreundet sein, dann will ich besser nicht wissen, wie du jemandem sagst, dass du mit ihm gehen willst.«
»Mum, du übertreibst.«
Ethan kam schlecht gelaunt nach Hause. Er stand im Flur und war geschockt. Er hörte seine Schwester, wie sie mit einer Frau in der Küche deutsch sprach. Er konnte die Stimme nicht erkennen. Es war zu leise, um zu verstehen, mit wem Marcia da sprach. Ethan rannte zur Küche, riss die Tür auf ging hinein. Ethans Onkel, Tante, Vater, Marcia und eine fremde Frau.
»Ah, guten Abend, Ethan.« Dr. Bishop stand auf. »Darf ich vorstellen? Mein Sohn Ethan. Und das ist Frau Korn.« Ethan schaute zu der Frau. Sie war etwa fünfzig Jahre alt, sehr gepflegt und sah für ihr Alter gut aus. »Frau Korn wird ab nächster Woche unsere neue Nanny sein. Morgen fliegen Tante Jenny und dein Onkel wieder nach Hause und da brauchen wir jemanden, der sich hier im Haushalt um alles kümmert.« Ethan ging zu Frau Korn und begrüßte sie mit einem Handschlag. Dr. Bishop forderte seinen Sohn auf, sich mit an den Tisch zu setzten. »Frau Korn hat jahrelang im Presbyterian als Hauswirtschafterin gearbeitet.« Ethan wusste nicht, was er von der Entscheidung seines Vaters halten sollte. »Ja, naja, wegen mir. Was muss ich tun?«
»Ethan, du musst einfach nur so nett sein, wie du eigentlich bist.« Er verstand die Anspielung seines Vaters nicht. Frau Korn wandte sich lächelnd an den Jungen.
»Ich weiß von dem schweren Verlust, den du und deine Familie erlitten habt. Ich kann und will auch gar nicht versuchen, deine Mutter zu ersetzen. Ich werde nur da sein, um euch beim täglichen Leben zu unterstützen.« Das klang für ihn erst einmal vernünftig. Sie redete weiter. Jetzt auf Deutsch. »Ich komme ursprünglich aus Bamberg in Bayern. Ich freue mich, wenn ich mit euch deutsch sprechen kann.« Bamberg, Er erinnerte sich an die Stadt. Er war dort zu einer Klassenfahrt mit Laura. Es hatte den ganzen Tag geregnet und eine Woche später fehlte die halbe Klasse, weil sie alle erkältet waren. Ethan sprach auch deutsch.
»Werden Sie auch für uns kochen?« Alle lachten
»Ja, und wenn ihr möchtet, können wir einmal in der Woche zusammen richtiges bayrisches Essen machen.« Marcia freute sich sichtlich.
»Gut, also ich meine, also wegen mir können Sie gerne bei uns einziehen.« Er stand auf, verabschiedete sich von allen und ging in sein Zimmer.
Am nächsten Tag warteten seine Tante und sein Onkel in der Küche.
»Ethan, wir fliegen heute Mittag wieder nach Hause. Wenn du irgendwelche Probleme hast, Kummer, Sorgen, dann ruf uns an.« Onkel Joshua sprach mit ihm und schaute die ganze Zeit in sein Gesicht. »Dein Dad und wir haben darüber nachgedacht, dass ihr den Sommer bei uns verbringt. Das müsst ihr beiden natürlich entscheiden.« Onkel Joshua sah seiner Schwester ähnlich. Ethan war das noch nie so aufgefallen. »So, und ab. Du musst in die Schule. Ach, und noch etwas, Ethan.« Er schaute beide an. »Habt etwas Geduld mit eurem Vater. Er gibt sich wirklich viel Mühe. Vergiss bitte nicht, er hat auch einen schweren Verlust zu verarbeiten.« Ethan ließ sich von beiden drücken und versprach, sich regelmäßig bei ihnen zu melden.
Die nächsten Tage plätscherten so dahin. In der Schule regierte der Alltag das Dasein. Nur Emy fand nicht statt. Die beiden sahen sich, redeten kurz über belanglose Dinge und Ethan merkte, dass sie ihm aus dem Weg ging. Er sah sie in der Schule meistens mit ihren Freundinnen oder mit Lucas. Dann hat sich das wohl erledigt, analysierte er, seine, ja was eigentlich? Sie hatte Mitleid mit ihm und hätte ihn beinahe geküsst. Eine Beziehung im herkömmlichen Sinne war das wohl nicht. Was will ich eigentlich? Ethan versuchte, sich über den Status seiner Zuneigung zu dem Mädchen klar zu werden. Wir kennen uns kaum, sie hat einen Freund und ich habe überhaupt keinen Anspruch, etwas von ihr zu wollen. Aber immer, wenn er sie sah, spürte er, dass er sich zu Emy hingezogen fühlte. Da er merkte, dass Emy dieses kurze Intermezzo, oder was es auch war, beendet hatte, wollte er sich damit abfinden und einfach weitermachen. Weitermachen? Mit was? Jacob hatte sich in den letzten Tagen mit ihm nach der Schule getroffen und ihm die Geheimtipps der Stadt gezeigt. In Midtown, unterhalb von Hells Kitchen, wo man als Bewohner der Upper West Side ja niemals ausging, zumindest nicht offiziell, eröffneten gerade eine Menge neuer Läden. Jacob sagte:
»Alter, da gibt es die besten Sandwiches und Hot Dogs der ganzen Welt. Jacob hatte Ethan einmal erklärt, wer Hot Dog mit Ketchup isst, sollte genau so bestraft werden wie einer, der die USA verrät. Am zweiten Tag ihrer Exkursion saßen sie im «Bug« und wurden von einem koreanischen Transvestiten bedient. Jacob war begeistert und sagte immer wieder: »Das ist meine Stadt, das ist mein New York.« Ethan erzählte ihm später, er habe gehört, den besten Hot Dog in Manhattan gebe es auf der Upper East Side. Jacob hatte ihn nur angeschaut, um ihn dann zu fragen: »Hast du einen an der Verteilung? Da können sich die Touris verarschen lassen, aber nicht wir.« Touris war ein Schimpfwort für alle Nicht-New-Yorker. Nach Jacobs Meinung behinderten die den normalen Ablauf in der Stadt, da sie immer nach oben schauend viel zu langsam gingen und somit die Straßen unnötig verstopften. Jacob war auch der Meinung, die Touristen seien schlecht gekleidet. »Die mögen sich ja wohlfühlen, in ihrem Wander-Look, aber wir müssen die uns das ganze Jahr anschauen.«
Frau Korn kam ihm im Treppenhaus entgegen, als er gerade aus dem Fahrstuhl stieg.
»Hallo, Herr Bishop.« Er lachte. Er war begeistert, wieder Deutsch sprechen zu können.
»Guten Abend, Frau Korn, gehen sie nach Hause?« Frau Korn blieb stehen.
»Ja, dein Essen und das Abendbrot für deinen Vater stehen im Kühlschrank. Marcia hat schon gegessen. Morgen früh bin ich da und kann dir dein Frühstück machen.« Ethan wünschte der deutschen Nanny einen schönen Abend und ging in die Wohnung. Er lief durch den Flur, als das Telefon klingelte. Er sah das schnurlose Teil auf der Ladestation und hob ab, ohne auf das Display zu schauen.
»Bishop.«
»Ethan, bist du das?« Er erkannte die Stimme sofort. Diese Stimme, die er zum letzten Mal an dem schwärzesten Tag seines Lebens gehört hatte.
»Laura?«
»Ja, Ethan, ich bin es.« Er setzte sich auf einen der Stühle im Flur.
»Laura?«, fragte er sicherheitshalber noch einmal.
»Ja.« Laura hatte die New Yorker Nummer, da er in den Ferien oft mit ihr telefoniert hatte. »Wie geht es dir? Wie geht es Marcia und deinem Vater?« Ihre Stimme war leise.
»Na, also, naja, es geht so.« Er war in sein Zimmer gegangen und hatte sich auf sein Bett gelegt.
»Ethan, ich hätte dich schon früher angerufen. Aber ich wusste nicht, wann der richtige Zeitpunkt war. Meine Mutter meint, ich soll dir Zeit lassen.«
»Ja, ich hätte dich ja auch angerufen, aber ich hatte so viele Dinge zu erledigen und ich, naja. aber, naja.«
»Schon gut, Ethan, du musst dich nicht entschuldigen. Ich wollte nur hören, wie es euch geht. Ich soll dich von meiner Familie grüßen. Und alle aus der Schule haben gesagt, ich soll dich grüßen, wenn ich mit dir spreche.«
»Das ist nett.« Er versuchte, so normal zu klingen, wie es ihm möglich war. Laura sprach weiter.
»Ethan, ich war traurig, weil ich mich nicht von dir verabschieden konnte. Aber ganz ehrlich, ich hätte nicht gewusst, was ich zu dir sagen soll. Ich bin heute fast froh, dass es so gelaufen ist, wie es gelaufen ist. Ich denke oft darüber nach, wie unser Abschied ausgesehen hätte. Aber bis heute kann ich es mir nicht vorstellen.« Er hörte ganz genau zu, was Laura sagte.
»Wie läuft die Schule in München?« Er wechselte das Thema.
»Es ist alles wie immer. Wir haben in Deutsch einen neuen Lehrer und einen neuen Schüler.« Laura machte eine Pause. »Er sitzt auf deinem Platz. Am ersten Schultag hatte der neue Lehrer den Neuen aufgerufen. Die Sitzpläne waren noch nicht geändert und so sagte er Ethan Bishop zu ihm. Die ganze Klasse war mucksmäuschenstill.« Mucksmäuschen, eines der deutschen Wörter, von denen er nie wusste, ob es das wirklich gab oder Laura das gerade erfunden hatte. Laura wollte von ihm ganz genau wissen, was sich seit dem Tag ihres letzten Treffens ereignet hatte. Er erzählte ihr von Weihnachten, von Kalifornien, von der Beerdigung seiner Mutter und von der deutschen Nanny. Vom Heiligen Abend und von Emy sprach er nicht.
»Ach Ethan, eh ich es vergesse. Die Sekretärin, Frau Langer, hat mich gebeten, dir zu sagen, dass von der Musikhochschule eine Einladung für dich an unsere Schule geschickt wurde. Sie möchte wissen, was damit geschehen soll.«
»Eine Einladung zu was?«
»Du hast doch beim Sommerkonzert gespielt. Kannst du dich erinnern? Und da war wohl ein Dozent als Gast da. Und in den Semesterferien laden die immer Leute zu so einer Art Vorspielen ein.«
»Ich soll in München vorspielen?« Er klang sehr verwundert.
»Nein, Ethan, es liegt eine Einladung für dich in der Schule und die wollen wissen, was damit geschehen soll. Du sollst, und musst schon gar nicht, vorspielen. Du bist eingeladen.«
»Naja, also, vielleicht kannst du mir die Einladung ja schicken? Also, ich meine, einfach so. Wann muss ich denn da sein?« Laura spürte, wie er unruhig wurde. Das kannte sie gut genug. Als kleiner Junge hatte er sich einmal so aufgeregt, dass er Nasenbluten bekam. Laura konnte ihn immer schnell beruhigen.
»Ethan, hör mir zu. Du musst nirgendwo hin oder irgendwann da sein. Es ist einfach nur eine Einladung zum Vorspielen. Wahrscheinlich haben sie erkannt, dass du eine Mischung aus Mozart und List bist und wollen sich mit dir und deinem Können schmücken.« Laura ist viel zu witzig für eine Deutsche, hatte er mal zu seiner Mutter gesagt. Und jetzt war sie gerade wieder so untypisch deutsch witzig.
»Ja, also dann kannst du mir vielleicht die, ich meine…«
»Ethan, ich schicke dir die Einladung zu dir nach Hause.« Zu dir nach Hause? Ethan hörte diesen Satz und wunderte sich, dass er aus dem Mund von Laura so fremd klang. Sie meinte ja New York. Wie glatt das über ihre Lippen kam. Vor wenigen Wochen meinte sie das Zuhause in München, wenn sie so etwas sagte.
»Ja, danke Laura. Ich rufe dich gleich an, wenn das hier in New York angekommen ist.« Er sagte New York und nicht zu Hause.
»Gut, Ethan, dann telefonieren wir ja bald wieder.« Es klang so, als freute sie sich. War das gerade eine Frage oder eine Feststellung? Da er nicht gut war in der Deutung solcher Dinge, sagte er vorsichtshalber:
»Ja, ja, wir telefonieren. Ich rufe dich an.«
»Pass auf dich auf, Ethan, und sage deiner Familie einen schönen Gruß von mir.«
»Ja, das mache ich. Und du auch, auch ich meine ... «
» Schon gut, Ethan, ich weiß, war du meinst. «Er hielt das Telefon in seiner Hand und dachte über das Gespräch nach.