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ZUSAMMEN KOMMEN WIR WEITER
Als ich beschloss, mein Leben zu ändern, wehte mir eine steife Brise entgegen. Viele Menschen ärgerten sich, wenn ich nur einen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit machte und nicht gleich hundert auf einmal. Ich kann sie verstehen. Je mehr ich mich mit dem Thema beschäftige, desto emotionaler werde auch ich. Denn als mir klar wurde, wie stark beinahe jede meiner täglichen Handlungen die Umwelt beeinflusst, war ich zunächst erschrocken. Eine Art Ohnmachtsgefühl hätte sich beinahe breitgemacht: Das ist so viel, ich schaffe das nie, meinen Lebensstil wirklich zu verbessern. Es fühlte sich ein bisschen an, als stünde man vor dem ersten Lauftraining seines Lebens und wollte sich nun auf einen Marathon vorbereiten. Das ist möglich. Aber es braucht Zeit. Wir steigern uns langsam, nach ein paar Wochen konsequentem Training kommen uns fünf Kilometer Laufen schon vor wie ein Klacks. Einige Monate später beeindruckt uns eine Zehnkilometerstrecke auch nicht mehr. Und so geht es weiter. Ich bin als Fitnessbloggerin bekannt geworden, vor allem über das soziale Netzwerk Instagram. Als ich dort irgendwann Hunderttausende Follower hatte, nannte man mich »Influencerin«.
Influencerin heißt übersetzt »Beeinflusserin«. Ein großer Titel für jemanden, der sich im Grunde nur ausprobiert und andere an seinen Wegen und Erkenntnissen teilhaben lässt. Weil ich aber auch eine Verantwortung spüre, wenn ich so viele Menschen erreiche, möchte ich das Beste daraus machen. Ich habe im letzten Jahr viel recherchiert, ausprobiert und begonnen, einiges in meinem Leben grundlegend zu ändern. Weil mir diese Welt am Herzen liegt. Weil ich will, dass sie schön und lebenswert bleibt und ich meinen Teil der Verantwortung wahrnehmen möchte – für mich persönlich und vielleicht als Wegbegleiter für andere.
Wir leben in einer Welt, in der die Menschen gegenseitig mit dem Finger aufeinander zeigen. Die Fehlbarkeit der anderen ist schnell entdeckt und beschrien, vor allem in den sogenannten sozialen Medien. Doch so kommen wir nicht weiter. Wir müssen uns selbst und gegenseitig Raum geben, uns weiterzuentwickeln, Schritt für Schritt. Wo wäre der Mensch heute, wenn er das Auto hätte vor dem Rad erfinden wollen? Wer würde jemandem sagen, er solle keine neue Sprache lernen, weil er nach wenigen Stunden erst ein paar Vokabeln beherrscht? Wer könnte heute joggen, wenn er nicht als Kind erst mit kleinen, tapsigen Schritten begonnen hätte, hingefallen, aufgestanden, weitergestolpert wäre? Mit einem Ziel vor Augen, damals waren es vielleicht Mamas ausgestreckte Arme, heute ist es eine Welt, die wir auch unseren Kindern vererben können, ohne uns zu schämen.
Hier geht es nicht ums Ego. Es geht nicht darum, wer der beste Öko ist. Sondern darum, dass wir der Welt geben, was wir können. Dass wir tun, was wir können – und möchten. Denn jeden Tag wägen wir neu ab, was uns heute möglich ist und was nicht. Jeden Tag können sich Umstände ändern. Würdest du dein gesamtes Fitnesstraining hinwerfen, nur weil du an einem Wochentag eine Einheit verpasst hast? Damit wäre nichts gewonnen. Die Entscheidung zu einem nachhaltigen Leben ist keine Entweder-oder-Sache.
Wenn du vielleicht mit einem oder zwei kleinen Schritten startest, merkst du, wie gut dir das tut. Eine winzige Sache ein kleines bisschen besser machen als sonst. Vielleicht durchströmt dich dann ein Glücksgefühl. Mir geht es so. Nein, prahlen kann man damit nicht, wenn man wieder etwas Strom gespart oder mit einer Trockenseife das Haar gewaschen hat. Wer Applaus will, bloggt und postet über andere Themen. Mir ist nur wichtig, dass wir darüber reden, was wir tun können. Dass wir gemeinsam neue Ansätze und Lösungen finden und uns vor allem gegenseitig darin bestärken, uns endlich mal einen Ruck zu geben. Wenn wir als Community es schaffen, einen Sog zu erzeugen, uns selbst und unseren Lieben hin und wieder einen wohlmeinenden kleinen Tritt in den Hintern zu geben, dann kann das Wunder noch geschehen.
Wenn wir auf die Unkenrufe hören, die sagen, es bringt doch alles nichts – ja, dann wären wir als Menschheit tatsächlich dem Untergang geweiht. Aber ich gebe nicht so schnell auf, das ist nicht meine Persönlichkeit. Es gehört innere Stärke dazu, wenn man in den Dialog mit Menschen tritt, die eine gewisse Lust am Meckern empfinden. Zum Teil haben sie ja recht: Ich kenne nicht die Antworten auf alle Fragen. Aber ich bin bereit, dazuzulernen. Und zu staunen. Darüber, wie viel Bockmist wir momentan hier auf der Erde verzapfen. Und wie viel wir wiedergutmachen können.
Wenn wir uns sicher fühlen mit unseren Baby-Schritten, können wir tiefer eintauchen, noch mehr testen, schauen, was geht in unserem Leben, das mit keinem anderen vergleichbar ist. Statt uns übereinander aufzuregen und uns gegenseitig anzuschwärzen, sollten wir uns endlich zusammenreißen und unsere Energie für etwas Sinnvolles einsetzen. Jeder fängt bei sich an. Denn letztlich sind unsere eigenen Taten das Einzige, was wir wirklich in der Hand haben.