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Kapitel 3

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Eine Woche ist schon vergangen, seit ich die beiden Emails an Luke abgeschickt habe. Und eine Woche wartet mein Unterbewusstsein schon auf seine Antwort. Ich habe mir zwar immer eingeredet, dass er mir sowieso nie antworten wird, aber irgendwie hat ein kleiner Teil in mir trotzdem nie aufgehört, daran zu glauben, dass es möglich wäre. Man sagt doch immer, man sollte nie Erwartungen haben, weil man dann nicht enttäuscht werden kann. Auch wenn ich es versucht habe, ich gehöre wohl zu den Menschen, die jeden Tag aufs Neue enttäuscht werden, weil sie es nicht schaffen, keine hohen Erwartungen zu haben.

Mit jedem Tag verschwindet meine Hoffnung auf eine Antwort ein wenig mehr und meine Verzweiflung wächst Stück um Stück. Das hat sogar dazu geführt, dass ich Lukes Social Media Profile regelrecht stalke, um irgendeinen Hinweis zu finden, dass er meine Emails vielleicht doch gelesen hat und mir einfach nicht antworten konnte. Aber auch da finde ich nichts. In den letzten Tagen war er in Australien bei seiner Familie und hat sich nicht oft bei seinen Fans gemeldet. Vielleicht kann dieser Familienbesuch auch der Grund sein, warum er seine Emails nicht regelmässig abruft.

Natürlich ist mir bewusst, dass ein Superstar wie er tausende Emails pro Tag erhält, aber trotzdem habe ich gehofft, dass meine Nachrichten irgendwie herausstechen würden. Ich habe ihn nicht wie die meisten angehimmelt und ihm einen Heiratsantrag geschickt, sondern lediglich von meinen Problemen erzählt. Von Problemen, die sonst niemand kennt.

Die letzte Woche war ziemlich schwer. In der Schule hat sich nicht viel geändert. Nach wie vor habe ich keinen Anschluss gefunden und werde nicht selten ignoriert und ausgeschlossen. Die ersten paar Tage konnte ich das noch recht gut aushalten, da mich die Hoffnung auf eine Antwort von Luke irgendwie über Wasser gehalten hat. Aber mit jedem Tag wurde es schwieriger, sodass ich mich am Wochenende im Bett verkrochen habe und jeglichen Kontakt mit der Aussenwelt verweigert habe. Es tut mir unglaublich leid, dass ich so schroff war zu meiner Mutter und sie mehrmals verletzt haben muss. Aber ich kann nicht anders. Ich kann niemandem von meinen Problemen erzählen. Das geht einfach nicht. Besonders nicht meiner Mutter. Sie sagt mir immer, wie stolz sie doch auf mich ist, dass ich es aufs Gymnasium geschafft habe und dass ich eine starke Frau bin. Aber sie ahnt wohl nicht im Geringsten, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Ich will sie nicht enttäuschen. Ich will unbedingt ihren Erwartungen entsprechen. Ich will gerne die Tochter sein, die sie sich immer gewünscht hat. Deshalb will ich sie nicht enttäuschen und ihr die Wahrheit erzählen. Ich würde mich so unglaublich schämen.

Heute war der schlimmste Tag von allen. Wir schrieben einen Test in Mathe und ich glaube, dass ich keine einzige Aufgabe korrekt gelöst habe. Keine Einzige. Früher war ich einmal gut in Mathe, aber dann fing alles in der Schule an und ich habe nicht mehr aufgepasst. Seitdem kämpfe ich um genügende Noten.

Natürlich haben mich meine Mitschüler auch heute nicht nett behandelt. Einige Male bin ich auf die Toilette geflohen, habe mich für ein paar Minuten in einer Kabine eingeschlossen und habe versucht, mich zu beruhigen. Das letzte was ich will, ist vor all meinen Mitschülern in Tränen auszubrechen. Zum Glück habe ich mich mittlerweile ziemlich gut im Griff, kann mich schnell beruhigen und ein Pokerface aufsetzen, sodass niemand den Schmerz erkennen kann.

Wie fast jeden Tag nach der Schule sitze ich mit meinem Laptop in meinem Bett, stopfe irgendwelche Süssigkeiten in mich rein und surfe im Internet. Ich muss mich von der Realität ablenken. Heute ist auch Luke ein Tabu-Thema, weil ich nicht ständig an diese Emails denken will. Deshalb besuche ich wieder einmal ein paar Blogs, die ich ab und zu lese. In den Blogartikeln geht es meistens um belangloses Zeug, wie zum Beispiel Mode-Inspirationen, irgendwelche Rezepte oder Schminke. Eigentlich interessiere ich mich nicht sonderlich dafür, aber manchmal tut es gut, von den ernsten Themen abzuschweifen.

Plötzlich lande ich auf einem Blog, wo mir gleich ein interessanter Titel ins Auge sticht. Keine Ahnung, wie ich auf diesem Blog gelandet bin, aber schon nach wenigen Sekunden kann ich meine Augen kaum noch vom Bildschirm abwenden.

I need your advice

Leute, heute geht es einmal um etwas anderes, als um Outfit Ideen und die neusten Make Up Trends. Heute brauche ich eure Hilfe!

Im Internet ist man dagegen ziemlich geschützt, weil man selbst entscheiden kann, was man von sich preis gibt und was man lieber für sich behält. Jedenfalls bin ich privat ein Mensch, den man ziemlich gut durchschauen kann. Man muss mich nur kurz anschauen und weiss sofort, wie es mir geht und man würde es mir auch schnell anmerken, wenn ich lügen würde. Damit hatte ich bis jetzt eigentlich kein Problem.

Jetzt kommt das grosse „aber“: In den letzten paar Wochen ging es mir nicht besonders gut – ja, es könnte mit einem Jungen zusammenhängen – und das hat sich ziemlich auf meine Noten in der Schule ausgewirkt. Und gestern hatte ich auch noch eine Auseinandersetzung mit meiner besten Freundin. Langsam wird mir echt alles zu viel!

Das ist noch nicht das Hauptproblem. Wie schon erwähnt, kann ich es kaum verstecken, dass ich nicht ganz auf dem Posten bin. Leider hat das zur Folge, dass mich alle darauf ansprechen. Besonders meine Mutter und mein Vater scheinen sich Sorgen zu machen. Ich will mit ihnen nicht unbedingt darüber reden und ich denke, mit fast achtzehn hat man das bisschen Privatsphäre verdient! Ich weiss, dass es mir irgendwann wieder besser gehen wird, allerdings brauche ich dafür ein wenig Zeit. Und es ist mir keine Hilfe, wenn alle immer nachhaken.

Und jetzt kommt ihr ins Spiel: Falls ihr irgendwelche Tipps für mich habt, wie man nicht mehr so durchschaubar wirkt, dass man ein wenig Privatsphäre hat, wäre ich euch sehr dankbar. Ausserdem würde es mich interessieren, ob ihr auch eher so durchschaubar seid wie ich oder ob ihr eher zu den verschlossenen und geheimnisvollen Menschen gehört.

Einen schönen Abend,

xx Emily

Es scheint mir fast so, als hätte dieser Blogpost darauf gewartet, von mir gelesen zu werden. Das ist doch genau mein Spezialgebiet! Ich gehöre demzufolge wirklich zu den verschlossenen und geheimnisvollen Menschen. Naja, geheimnisvoll eher weniger. Meine Geheimnisse sind ziemlich dunkel und würden so manche Leute erschrecken. Bestimmt würden sich alle fragen, wie ein so nettes und höfliches Mädchen solche Gedanken haben kann.

Ich lese mir die Kommentare unter dem Artikel durch und muss feststellen, dass keine wirklich sinnvollen Ratschläge vorhanden sind. Die meisten haben kommentiert, dass sie auch offen und durchschaubar sind und der einzige Ratschlag, den ich entdecke, empfiehlt Emily, ihren Eltern aus dem Weg zu gehen.

Ich zögere kurz, aber dann kann ich mich doch dazu überwinden, einen Kommentar zu schreiben. Vielleicht können ihr meine Ratschläge helfen. Ich hoffe es doch! Dann hätte meine Situation immerhin einem Menschen geholfen.

Hi Emily,

Ich habe deinen Blog heute zum ersten Mal besucht. Dieser Blogpost ist mir gleich ins Auge gestochen und da ich glaube, schon ein bisschen Erfahrung darin gesammelt zu haben, allen etwas vorzuspielen und nicht mehr durchschaubar zu sein, dachte ich, dass dir meine Tipps vielleicht helfen könnten.

Als Erstes rate ich dir, immer wenn du alleine im Zimmer bist, Musik zu hören, die anderen gute Laune bereitet. Gute-Laune-Pop eignet sich da ganz gut. Deine Familie schöpft so weniger Verdacht, dass es dir vielleicht nicht so gut gehen könnte.

Als Zweites musst du an ein schönes Erlebnis aus deinem Leben denken, sobald du unter Menschen bist. Vielleicht war es, als du früher mit deiner Mutter in der Weihnachtszeit Plätzchen gebacken hast und dabei immer schon fast die Hälfte vom Teig verputzt hast. Vielleicht war es auch dein zwölfter Geburtstag, als du den ganzen Tag mit deiner besten Freundin in einem Freizeitpark verbracht hast. Solche Gedanken werden deine schlechte Laune für kurze Zeit verschwinden lassen.

Falls das nicht funktioniert, kannst du versuchen, dir dein perfektes Leben auszumalen. Vielleicht, dass du mit zwanzig in Paris eine kleine Wohnung hast mit deinem Freund oder so etwas in der Art. Das sollte auf jeden Fall wirken.

Als letztes einen Tipp, falls dich deine Eltern wieder ausfragen sollten. Sag ihnen, dass alles gut ist. Und dann schildere ihnen irgendwas Tolles von deinem Tag. Versuche, dich daran zu erinnern, was an diesem Tag Tolles geschehen ist. Vielleicht hat dich dein Lehrer gelobt, weil du eine kluge Antwort gegeben hast. Oder vielleicht hat dir eine Mitschülerin gesagt, dass sie dein Outfit toll findet. Erzähl ihnen so eine kleine, positive Geschichte und sie werden dir glauben, dass es dir gut geht.

Ich hoffe, dass ich dir helfen konnte.

Kayla

Bevor ich den Kommentar endgültig abschicke, lese ich es noch einmal durch, um sicherzugehen, dass es keine Rechtschreibfehler hat. Ich weiss, das klingt doof, aber ich achte sehr darauf, im Internet keine Fehler zu machen. Ausserdem habe ich bemerkt, dass Emily ziemlich viele Leser hat, die ihren Blog regelmässig lesen. Das bedeutet, dass so einige meinen Kommentar sehen werden. Und ich will auf keinen Fall im Internet auch noch negativ auffallen, denn das ist der einzige Ort, wo mich noch niemand ausgeschlossen und blossgestellt hat. Das ist der einzige Ort, wo ich mich sicher fühle. Deshalb muss ich mich immer überwinden, etwas zu posten. Ich habe immer Angst, dass ich es da auch noch vermassle.

Nachdem ich den Kommentar abgeschickt habe, gehe ich wieder zu einem mir bekannten Blog zurück und lese das neue Update, welches die Blog-Inhaberin vor einer Stunde hochgeladen hat. Wie immer ist es nichts Weltbewegendes, aber es hält mich davon ab, mich immer wieder zu fragen, warum mir Luke nicht antwortet. Ich muss mich wirklich ablenken.

Heute ist wieder kein guter Tag. Obwohl ich gerade eben einen riesigen Schoko-Cookie verdrückt habe, greife ich schon wieder in meine Kiste, wo ich Süssigkeiten aufbewahre und nehme mir einen Schokoriegel raus, den ich hungrig auspacke und hineinbeisse. Dabei öffne ich mein Email-Postfach um zu schauen, ob es irgendwelche wichtigen Neuigkeiten gibt, die ich wissen müsste. Oder ob mir Luke geantwortet hat.

Normalerweise habe ich jeden Tag so zwei bis drei neue Emails, wobei die meisten Werbung sind. Heute ist es aber anders. Neugierig öffne ich eine Email nach der anderen und muss feststellen, dass alle von diesem Blog kommen. Es scheint wohl so, als hätten mir einige Leute geantwortet.

Hi Kayla,

Wow, vielen Dank für die zahlreichen Tipps. Die werde ich auf jeden Fall ausprobieren!

xx Emily

Das ist ja die Bloggerin selbst! Ich war mir zwar sicher, dass sie meinen Kommentar sehen wird, jedoch hätte ich nicht damit gerechnet, dass sie mir antwortet, da sie das bei den anderen Kommentaren auch nicht getan hat. Ein kleines bisschen stolz bin ich schon, dass sie ausgerechnet mir geantwortet hat!

Dadurch, dass sie mir geantwortet hat, sind noch ein paar andere Leser auf meinen Kommentar aufmerksam geworden und haben sich ebenfalls bedankt, da sie wohl wie Emily, ein ähnliches Problem haben.

Ich kann es kaum glauben, dass ich heute mehreren Menschen geholfen habe! Sie haben zwar keine Ahnung, wer ich bin und sie wissen auch nicht, dass ich der grösste Versager überhaupt bin, aber anscheinend konnte ich ihnen ein paar Ratschläge vermitteln.

Das ist mit Abstand das schönste Ereignis in dieser Woche!

Angel

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