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DER BUSCHLÄUFER

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Mitte Februar 1842 betrat Ludwig Leichhardt nach einer viereinhalb Monate dauernden Schiffsreise von England um das Kap der Guten Hoffnung in Sydney den Boden des zuletzt entdeckten Erdteils Australien. Der geschäftige Trubel dieser jungen Stadt überraschte ihn sehr. Sie war erst vor 54 Jahren als Farmersiedlung in einer tief ins Land eingreifenden Bucht gegründet worden. Die Gründer aber bestanden aus 530 englischen Sträflingen und ihren Bewachern, die mit dem ersten Verbrechertransport, dem dann noch viele folgten, an dieser Stelle an Land getrieben worden waren. In dieser unerhörten Leere des in seinem Inneren noch völlig unbekannten Erdteils mussten nun die Sträflinge in schwerer täglicher Arbeit sich ihren eigenen Lebensunterhalt schaffen.

Jetzt aber, noch nicht einmal in der Hälfte des 19. Jahrhunderts, zählte Sydney bereits 100 000 Einwohner, die alle anscheinend nur eines vorantrieb: die Jagd nach Geld, Geld und wieder Geld! Ludwig Leichhardt nahm sich in dieser Gesellschaft wahrscheinlich lächerlich genug aus, weil er nicht nach Spekulationswerten fragte, sondern den erst eben neu angelegten Botanischen Garten aufsuchte. Er hatte erfahren, dass dessen Direktorstelle gerade zu dieser Zeit unbesetzt stand, und er bewarb sich um diesen Posten. Doch die Stadtverwaltung von Sydney lehnte seine Bewerbung ab – wahrscheinlich, weil sie dem eben erst zugewanderten Deutschen zu wenig vertraute.

Doch wie es sich bald erweisen sollte, war gerade diese Abweisung wieder für seine Zukunft entscheidend. Denn wäre nun Leichhardt als ausreichend dotierter und bald angesehener städtischer Beamter für lange Zeit in dieser Stadt festgebunden worden, wäre er vielleicht niemals mehr zum ständig nach neuen Wildnissen und unentdeckten Einsamkeiten suchenden Buschläufer gereift.

»Buschläufer« galt damals noch als verächtliches Schimpfwort für einen aus dem streng umgitterten Arbeitslager entsprungenen Häftling. Von Zeit zu Zeit gelang einem solchen die Flucht in den »scrub«, ins unerforschte Buschland des Inneren. Ein solcher konnte nur als Fallensteller sein Leben fristen, oder er überfiel ab und zu eine einsam gelegene Schaffarm und plünderte diese aus. Die berittene Polizei war aber stets solchen Buschläufern auf den Fersen. Wegen bloßen Diebstahls wurden sie nach einer harten Prügelstrafe wieder in einen streng bewachten Arbeitstrupp eingegliedert. Wer jedoch einen Mord auf dem Gewissen hatte, der wurde ohne Gerichtsverfahren an dem nächsten Baum aufgeknüpft.

Mit den Jahren aber änderte sich allmählich die Bedeutung dieses Namens, und Buschläufer wurde ein jeder genannt, der in das grenzenlose Land hinter den Blauen Bergen trampte und dort als Schafhirt oder auch nur als Jäger leben wollte.

Ludwig Leichhardt wurde durch die Abweisung seines ersten Ansuchens noch nicht entmutigt. Er trug aus England einen Empfehlungsbrief an den Chef der Landvermessung von Neu-Südwales, Sir Thomas Mitchel, bei sich. Und gerade Landvermesser zu werden, erschien ihm als der günstigste Beruf, später in das Innere Australiens zu gelangen. Doch das offizielle Australien schenkte ihm kein Vertrauen. Sein Gesuch um Anstellung wurde hier ebenso abgelehnt wie das erste am Botanischen Garten.

Leichhardts unverändertes Ziel war und blieb der unbekannte Kern der riesigen Landmasse Australiens, die damals noch im völligen Dunkel des Unbekannten lag. Als erforscht galt nur der südliche Zipfel des Kontinents und ein schmaler Küstenstreifen im Osten und Westen des Erdteils. Wohl hatten sich schon Expeditionen auch in diese »Terra incognita«, das unbekannte Land, hineingewagt, aber diese mussten wieder umkehren, wenn sie kein Wasser mehr fanden, wenn ihre mitgeführten Lebensmittel zu Ende gingen oder gar feindselige Eingeborene, Aborigines, sie mit Pfeilschüssen aus dem Hinterhalt oder im offenen Überfall zurücktrieben. Wer aber nicht mehr zurückkehrte, der war mit Sicherheit verdurstet, wenn nicht von den wilden kannibalischen Schwarzen getötet und vielleicht sogar verzehrt worden …


Ludwig Leichhardt als »Buschläufer«

Der englische Offizier Robert Lind, mit dem sich Leichhardt bei der Überfahrt angefreundet hatte, nahm ihn für einige Monate in seine Wohnung in Sydney auf. Anfang September reiste Leichhardt dann mit einem der neuen Dampfschiffe 120 Kilometer weit nordwärts nach Newcastle am Hunterfluss. Schon in Sydney hatte er den Farmer Walker Scott getroffen, der ihn zu einem längeren Aufenthalt einlud. Walker besaß über 20 000 Schafe auf seinen unendlichen, noch kaum vermessenen Weiden, und diese Zahl vermehrte sich durch den natürlichen Geburtenzuwachs noch ständig. Leichhardt wurde in Glenton weit hinter der Küste von Newcastle von Scott so freundschaftlich aufgenommen, dass er sich von diesem Tag an in Australien zu Hause fühlte. Nach den Gewitterstürmen des beginnenden Frühlings leuchtete Anfang Oktober die australische Landschaft blütenreich und grün. Die verdorrten Weideflächen und der verwelkte Busch hatten sich fast über Nacht in einen blühenden Garten des Paradieses verwandelt.

Aber Leichhardt hielt auch hier wieder das tatenlose Herumhocken nicht lange aus. Die unbekannten Berge der Liverpool-Range im fernen Westen der Farm verlockten ihn bald zu einem längeren Ausritt. Vor dem für mehrere Wochen geplanten Ritt hatte er sich noch eingehend mit dem Buschleben der Schafhirten und der Zedernholzfäller in den Bergwäldern vertraut gemacht. Zu Fuß wanderte er tagelang ohne Zelt und Waffe durch den Busch und lebte völlig auf sich gestellt von getrocknetem Schaffleisch in seinem Rückenpack, ausgerüstet mit nur einem Feuerzeug in der Tasche und einem verbeulten Kochkessel. Als studierter Geologe erkundete er dabei auch die Gesteinsschichten und führte ständig einen gar nicht so leichten Gesteinshammer mit sich.

Einmal rettete ihm dieser Prüfhammer sogar das Leben. Ein wild lebender Stier, der wohl einst seine Rinderherde verlassen und sie nicht wieder gefunden hatte, griff ihn plötzlich mitten im »scrub« mit dumpfem Gebrüll und gesenkten Hörnern an. Leichhardt rannte ohne Waffe um sein Leben. Der Stier aber war schneller. Er fasste Leichhardt auf seine Hörner und schnellte ihn in die Luft. Der Verfolgte sah schon sein Ende vor sich, von den breiten Hufen des wilden Tieres zu Tode getrampelt zu werden – da erinnerte er sich im Niederfallen des Hammers, den er noch in seiner Hand trug. In seiner Todesangst schlug er dem Stier mit aller Kraft auf die breite Stirn, dass dieser halb betäubt und dumpf brüllend zu Boden ging. Er rannte weiter, bis er endlich erschöpft auf einen niedrigen Baum klettern konnte. Der Stier folgte ihm nicht mehr.

Dieses Mal tat Leichhardt eine ausgiebige Rast in Scotts Schaffarm wohl. Sobald er sich kräftig genug fühlte, trat er zu Fuß den Marsch nach dem etwa 50 Kilometer fernen Mount Royal in den Liverpool-Bergen an. Nach drei Tagen Wanderung in den Bergen entdeckte er einen mächtigen hohlen Baum, der ihm für einige Wochen eine Wohnung wurde. Er lebte von Damper, einem harten, ungesäuert gebackenen Brotfladen, der wochenlang haltbar blieb. In der Nähe sprang eine klare Quelle den Berg herab; Zucker und Tee trug er bei sich. Mit jedem Tag fühlte er sich in der einsamen, großartigen Natur heiterer und innerlich freier werden. Wenn er abends in seine Baumhöhle zurückkehrte, kochte er sich noch Tee und kaute den steinharten Brotfladen dazu. Er wickelte sich in seine wollene Decke und schaute durch den offenen Baumspalt zu, wie sich die Sterne an dem unendlichen australischen Himmel entzündeten. Meistens weckte ihn schon gegen drei Uhr morgens die tief absinkende Nachtkühle. In diesen wachen Morgenstunden entwarf er den neuen Tagesplan der geologischen, zoologischen und botanischen Streifzüge, die er nach einer neuen Richtung wieder durchführen wollte.

Ein Mensch ohne Waffe, ohne böse Absicht wird bald im menschenleeren Busch als Freund aller Tiere und Vögel aufgenommen. So besuchten ihn neugierig bald jeden Morgen die tierischen Buschbewohner – der herrliche Leiervogel mit seinen Paradiesfedern, der dunkelfiedrige australische Truthahn, die blau schimmernde Lauftaube, manchmal sogar ein Wallaby, ein furchtlos äsendes Känguru. Über ihm flogen Schwärme schneeweißer Ibisse nach der dschungelfeuchten, tropischen Nordküste Australiens.

Leichhardt hatte stets gegen die empfindliche Morgenkälte mannslange Farne vor den Eingang seiner Baumhöhle gelehnt. Eines Nachts wirbelte der jähe Sturmstoß eines aufsteigenden Gewitters die noch nicht erloschene Glut des abendlichen Lagerfeuers vor der Baumöffnung jäh auf. Die längst schon dürren Farne fingen wie Zunder Feuer. Leichhardt blieb nur noch, mitten aus dem Schlummer geschreckt, die Zeit übrig, um durch den flammenden Baumspalt ins Freie zu springen. Ehe er noch etwas retten konnte, waren im Inneren sein Hut, sein einziges Hemd und sein Tagebuch mit allen täglichen Aufzeichnungen verbrannt. Anfangs lachte er trotzig zu dieser überstandenen Gefahr. Natürlich musste er nun die herrliche Wildnis verlassen. Bis er aber nach drei Tagen erschöpft und halb verhungert die Farm Glenton erreichte, hing ihm von dem ausgestandenen Sonnenbrand die Haut auf dem Rücken in Fetzen herab.

Natürlich stellte daraufhin Leichhardt seine Forschungen nicht ein. Diesmal entlieh er sich auf der Farm ein Reitpferd, mit dem er die hundert Kilometer nördlich von Newcastle liegende Landschaft der Moreton-Bay erforschen wollte. Auf seinem einsamen Ritt nordwärts traf er immer wieder hinter den fernsten Hügelwellen einen Ansiedler, der nichts sonst besaß als etliche Schafe und ein Graslager in einer primitiven Hütte, die er mit seiner Axt als dem einzigen Werkzeug gezimmert hatte. Mit diesem Siedler am äußersten Rand der bewohnten Welt teilte Leichhardt dann sein Lager unter einer gemeinsamen Wolldecke. Vielleicht schlief er neben einem Deportierten, der geflohen war oder dem die letzten Strafjahre erlassen worden waren.

Von solchen Einsiedlern erhielt er manchmal die besten Ratschläge, die ein Überleben in der leeren Wildnis erst möglich machten. Einer fragte ihn: »Kennst du den Bunyatree, den Bunya-Baum?« Leichhardt musste dies verwundert verneinen.


Biwak im Wald (Gemälde von Augustus Earle)

»Du findest ihn überall gegen Norden zu. Er sieht fast wie die Araukarie, der seltsame Nadelbaum im südlichen Australien, aus. Unter den Schuppen seiner Zapfen findest du die nahrhaftesten Kerne. Davon allein kannst du dich im »scrub« tagelang ernähren, wenn du sonst nichts mehr zum Nagen finden wirst. Aber beobachte den Bunya-Baum erst eine Weile aus der Ferne, bevor du hingehst und auf ihn kletterst! Die Horden der Schwarzen treffen sich unter einem Bunya gern und halten ihn natürlich für ihr Eigentum. Es ist schon geschehen, dass sie einen verirrten Schafhirten vom Baum herabgeholt, ihn gekillt und aufgefressen haben. Hoho, dann später haben die suchenden Reiter nur noch die abgenagten Knochen und seinen grinsenden Totenschädel gefunden!«

Nun, alles glaubte ja Leichhardt auch wieder nicht, was diese Squatter in ihrer Einsamkeit zu erzählen wussten. Doch er nahm sich vor, hier die Augen mehr offen zu halten als unten im Süden in den Liverpool-Bergen. Er wusste aus anderen Erzählungen, dass eher schon ein weißer Schafhirt getötet wurde, wenn er sich ein schwarzes Weib, das auf Wurzelsuche herumgestreift war, in seine Hütte mitgenommen hatte. In der Nacht darauf war die Horde geschlichen gekommen und hatte den Frauenräuber erschlagen. Ein solches unrühmliches Ende traf wohl hie und da einen der »Old hands« – wie die auf Bewährung freigelassenen Verbrecher genannt wurden. –

Ludwig Leichhardt wurde auf seinem Forschungsritt hinter der Moreton-Bay von einem tagelang unheilbar erscheinenden Durchfall begleitet, der ihn auf die Dauer so erschöpfte, dass er sich fast nicht mehr im Sattel aufrecht halten konnte. Er musste umkehren, um auf kürzestem Weg die Küste und Menschen zu erreichen. Er fürchtete bereits, dass er vorher noch bewusstlos vom Pferd sinken könnte und dann hilflos liegen bliebe.

In diesem Zustand traf er einen »Old hand«, der zu Fuß durch die Wildnis wanderte. Der Rauch seines niedrigen Lagerfeuers hatte das Pferd von selber dorthin geleitet. Der Mann blieb hocken und schaute fragend auf den blassen Reiter. Er half dem Kranken endlich aus dem Sattel und sagte nur: »Du hast Glück gehabt, weil du auf mich gestoßen bist! Du hast wohl fauliges Wasser ungekocht getrunken!«

Das mochte zutreffen. Leichhardt hatte sich bereits an die Wildnis akklimatisiert gefühlt und nicht mehr jeden Schluck Wasser abgekocht.

»Ich bin unentbehrlich für die Ansiedler hinter der Moreton-Bay!«, erzählte ihm der seltsame »Old hand«. »Ich bin Hüttenbauer, Bäcker, Schneider und Schmied, Tierdoktor und auch Wundheiler, wenn sich einer gefährlich verletzt hat und im Wundfieber schon auf den Tod daniederliegt! Du aber brauchst nur die Ly-Wurzel!«

Der geheimnisvolle Alte kochte Leichhardt den Absud einer heilkräftigen Wurzel. Und schon am nächsten Morgen blieb Leichhardts Hose wieder trocken. Im Busch entscheidet manchmal nur das Wissen um eine Wurzel das Überleben – wenn noch so harter Wille und Mut versagen!

Leichhardt fand am Rand der Wildnis manchmal auch eine Farm, auf der die Frau fehlte. Dann gab es statt eines sauberen Holzhauses nur eine schmutzige Bude auf vier eingerammten Pfählen, die den Bewohner vor der nächtlichen Bodenkälte, Schlangen und Ameisen schützen sollten. Ein paar Schafe genügen für den Lebensunterhalt mit Milch und Fleisch. Die übrigen Bedürfnisse des einst in der Gemeinschaft gesittet lebenden Menschen blättern wieder ab – zuletzt unterscheidet manchen Squatter nur noch die hellere Hautfarbe von dem australischen Ureinwohner.

Begleitet jedoch auch eine Frau den Mann in die Wildnis, wächst die abgelegene Farm förmlich von selber in eine menschliche Ordnung hinein. Möbel, Geschirr werden in die Einsamkeit geschafft; Leichhardt entdeckte sogar noch Bücher in Farmhütten, hinter denen alle Pfade endeten …

Ludwig Leichhardt lebte zwanzig Monate lang forschend und immer fernere Landschaften erkundend hinter den Küstenregionen zwischen dem 34. und dem 25. südlichen Breitengrad. Nach seiner späteren Schätzung legte er dabei rund 4000 Kilometer allein und stets ohne Begleiter im Sattel zurück. Er hatte sich in dieser langen Zeit zu einem erfahrenen und ausdauernden »Buschläufer« entwickelt. Allerdings hatten sich nach diesem langen Aufenthalt im Busch auch seine Haltung und sein Aussehen verändert. Seine große, dürre Gestalt bewegte sich etwas vornüber geneigt. Die Ränder seiner Hose hingen zerfranst und ausgerissen, sein Wollhemd hatte mehr Flicken als den früheren roten Stoff. Mancher ehrliche Squatter erschrak zuerst, wenn der hagere Besucher sich durch die Tür bückte, weil er ihn für einen entflohenen Deportierten hielt, den wohl nur der Hunger wieder aus dem menschenleeren »scrub« in bewohnte Gegenden zurückgetrieben hatte.

Ludwig Leichhardts letzter Forschungs-Ausritt galt den Darling-Downs, einem noch unbegangenen Hochland hinter einem Steilanstieg von 500 Metern über der Küstenebene. Hinter der Einsattelung des Cunningham-Passes war gegen den fernen Westen hin des weißen Mannes Land zu Ende.

Als Leichhardt die Passhöhe erreicht hatte, suchte er sich in der völlig pfadlosen Landschaft eine windfreie Stelle für sein erstes Nachtlager. Zum Sonnenuntergang im Südwesten umfloss die in der Ferne aufsteigenden Bergketten ein roter Purpurnebel, als flatterten Brände aus dunstigen Tälern empor. Er legte sich in der Gewissheit auf den harten, trockenen Erdboden zum Schlafen hin, dass noch kein Weißer vor ihm diese unerhörte Naturerscheinung über der lockenden und auch wieder drohenden Tiefe Australiens erlebt hatte. Wie ein unwiderstehlich starker Magnet zog ihn diese ferne Welt an!

Aber als er am nächsten Morgen erwachte, war sein Reitpferd, das er nur leicht angepflockt hatte, fort und nicht mehr aufzufinden. Sein größtes Versäumnis war, dass er abends dem Pferd die leichten Sattelpacken nicht abgenommen hatte – er war einfach zu rasch in den Schlaf gesunken. Ohne Nahrungsmittel und nur mit seinem Gewehr konnte er zu Fuß nicht die diesmal für Wochen geplante Erkundungsreise durchhalten. Zwei Tage lang suchte er nach dem verschwundenen Reitpferd, dann blieb ihm nichts anderes übrig, als umzukehren, und er stieg noch einmal zwei Tagesreisen weit in die Moreton-Bay hinab.


Grasbäume (Gemälde von John Skinner Prout)

Er besaß kein Geld mehr zum Kauf eines neuen, kräftigen Reittiers – so mietete er auf der ersten Stockman-Farm einen billigen Klepper, der nur so ungefähr von den wilden Stockmans zugeritten worden war. Zweimal warf der Gaul seinen neuen Reiter ab – aber endlich lenkte ihn Leichhardt wieder den Cunningham-Pass hinauf zu neuen Forschungsabenteuern.

So weit gegen Nordwesten war vor Leichhardt noch kein Weißer gekommen. Er ritt auf dieser letzten Erkundung vor der Rückkehr nach Sydney über 90 Meilen (145 Kilometer) bis an die nördliche Schleife des Condamine River.

In seinem erhaltenen Forschungsbericht schrieb der Reisende: »… Die grasbedeckten, baumlosen und nur ganz schütter mit offenem Wald bedeckten Höhenwellen ergeben in der Zukunft ein Weideland von Millionen Morgen Ausdehnung, sobald dieses Land kartiert und vermessen ist. Dieses hochgelegene Land ist der Schafzucht besonders günstig …«

Alle seine bisherigen Forschungsreisen in das Innere Australiens hatte Ludwig Leichhardt ohne einen Auftrag durchgeführt. Es hatte ihn ja auch Sir Mitchel trotz eines empfehlenden Schreibens aus London nicht als Landvermesser in seinen Dienst genommen.

Aber ein rätselhaft glühender, unablässig vorandrängender Antrieb ließ Ludwig Leichhardt nicht mehr los. Ein Bekenntnis, das er bisher noch zurückgehalten hatte, das aber für seine Zukunft das wichtigste werden sollte, schrieb er in einem seiner Briefe an die Freunde in London: »… Je mehr Erfahrungen ich auf meinen Forschungsritten an die Grenzen des Unbekannten sammelte, desto stärker wuchs mein Wunsch, die ganz große, die wirkliche Forschungsreise vom Süden der Moreton-Bay bis an die Nordküste Australiens zu unternehmen, durch die Tausende Meilen Land, die auf der Karte Australiens bis heute noch als mächtiger weißer Fleck eingezeichnet sind. Entweder gelingt mir der Durchbruch, oder über meine Forschungsreise durch Inner-Australien legt sich Schweigen – umkehren werde ich nicht mehr …!«

Einige Wochen lang hielt sich Ludwig Leichhardt noch bei seinem treuen Freund und Förderer Walker Scott auf der Farm von Glenton auf. Da nun sein Plan einer großen Forschungsreise feststand, reiste er zu Anfang des Jahres 1844 wieder nach Sydney zurück.

Die erste Durchquerung Australiens

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