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3. KAPITEL

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Elina schlug ihr Philosophiebuch zu. Kurz darauf ertönte die Schulklingel und leitete die große Pause ein.

»Sie hätte uns bis nächste Woche wenigstens eine Hausaufgabenschonfrist geben können«, motzte Klara und schob ihre Brille hoch. Elina nickte und zog den Reißverschluss ihres Rucksacks zu. Auf den Schulfluren hörte man lautes Lachen. Klara und Elina setzten sich auf ihre gewohnte Bank unter den großen, von Pflastersteinen eingefassten Eichen, die den besten Schatten boten. Neben ihnen befanden sich drei weitere Bänke, die schnell belegt waren. Brotdosen klickten auf und zu, Flaschen wurden aufgedreht. Wespen flogen von Bank zu Bank und wurden auf unterschiedliche Weise verjagt. Elina sah zur Cafeteria, die sich gegenüber dem Schulgebäude befand. Sie biss von ihrem Apfelviertel ab und fixierte die Clique um Jannick. Sie stand etwas versteckt hinter der orange gestrichenen Cafeteria. Jannick zog an seiner Zigarette. Neben ihr raschelte Klara in ihrer Tasche, was Elina aus ihrem Starren herausriss.

»Hast du dein Essen vergessen?«

»Nein, ich suche meinen Block. Ich wollte dir eine Zeichnung zeigen. Scheiße, ich glaube, ich habe sie im Bio-Raum liegen lassen. Ich geh noch mal fix schauen, okay? Ich hab keine Lust, dass jemand meinen Block findet.«

Sie zog die Augenbrauen zusammen, schulterte ihre schwarze Tasche und ging. Elina sah ihrer Freundin nach und steckte sich eine Weintraube in den Mund. Bestimmt hatte Klara wieder Prinzessin Mononoke gezeichnet, eine Anime-Figur, von der sie fand, sie sei wie Elina. Klara brauchte jemanden, den sie anhimmeln konnte, jemanden, der in ihren Augen fehlerlos war. Das war Elina nicht, niemand war das, aber Elina sagte nichts.

Klara hatte Talent, das Zeichnen verband die beiden. Sie zeichneten zusammen Comics, wobei Elina lieber Tiere und Gebäude zeichnete und Klara die Menschen und die Story des Comics überließ.

Sie nahm die Beine hoch und setzte sich in den Schneidersitz. Das blonde Mädchen neben Jannick richtete seine Schlaghose am Saum. Elina sah auf die Schuhe des Mädchens, natürlich trug es All Stars. Sie kannte Sophia Jäger. Neben ihrer Schwester Anna war Sophia das beliebteste Mädchen der zwölften Klasse. Ihr Vater war Arzt, ihre Mutter Krankenschwester und gut bekannt mit ihren Eltern. Aber Sophia und Elina hatten ansonsten kaum miteinander zu tun. Sophia fuhr sich auffällig durch das blonde, seidige Haar und Elina spürte ein Unbehagen. Jannick zog an seiner Zigarette und schmunzelte in sich hinein. Neben ihm standen noch zwei Jungs, anders als er in Baggy Pants und mit Cappy. Mit dem Rücken zu Elina gewandt stand Jola. Die einzige Person neben Sophia, die Elina aus der Gruppe um Jannick kannte. Jola spielte in der Schulband, wodurch die meisten Schüler sie erkannten. Elina mochte ihre Stimme und ihr Auftreten, aber sie konnte nicht verstehen, warum gerade Sophia Jolas beste Freundin war.

Der Wind rauschte durch die Blätter der Eiche und blies ihr von hinten ins Haar. Sie steckte sich noch eine Weintraube in den Mund und wandte den Blick nicht von Jannick. Als Sophia über etwas lachte, was einer der anderen Jungs gesagt hatte, sah Jannick sich auf dem Schulhof um. Sein Blick wanderte und als er Elina sah, stoppte er. Sie verzog keine Miene. Er lächelte sie an, legte seine Hand auf Sophias Arm und schien sich von ihr zu verabschieden. Er nahm seinen Rucksack und ging auf Elina zu. Sein rot-schwarzes Flanellhemd schwang mit seinen Schritten mit. Sophia sah ihm verwundert nach und ihr Blick haftete so lange an seinem Rücken, bis sie sah, wohin er ging.

»Na, Ronja Räubertochter«, sagte er.

»Wo ist dein falscher Bart hin?«

Jannick lachte und fuhr sich übers Kinn.

»Er war einfach zu mächtig und schwer, da musste ich ihn erst mal abrasieren.«

Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Jannick setzte sich auf die Bank.

»Und wie war der erste Schultag bis jetzt bei dir?«, fragte er.

»Ätzend!«

Elina dachte daran, wie ihr Tag begonnen hatte.

»Wieso das?«

»Ach, wir haben schon Hausaufgaben aufbekommen.«

Sie fand, das war eine akzeptable Antwort. Sie kannte Jannick noch nicht gut genug, um ihm von ihrem Verhältnis zu Anna und ihrem Vater zu erzählen.

»Echt? Wir haben zum Glück noch nichts aufbekommen, aber es sind ja noch zwei Stunden. Was hast du denn auf?«

»Wir sollen für Philo aufschreiben, was uns zum Begriff Wahrheit einfällt, mindestens ’ne Seite. Ist nicht so mein Lieblingsfach.«

»Das ist doch ein cooles Thema!« Sie sah ihn stirnrunzelnd an. »Wirklich, das ist nicht schwer. Ich helfe dir. Hast du den Film Matrix schon gesehen??« Sie schüttelte den Kopf. »Der ist wirklich krass! Da geht es auch um Freiheit, Wahrheit und so philosophischen Kram. Wenn du Lust hast, bringe ich ihn mit und wir gucken ihn bei dir?«

»War der nicht erst im Kino? Und du hast den schon?«

»Ja, na ja. Sagen wir, ich habe ’ne Sicherheitskopie.«

»Soso, ich verstehe«, sagte sie und schmunzelte. »Bei mir geht es aber nicht. Meine Eltern sind da so ein bisschen streng mit Jungsbesuch. Ich kann aber zu dir kommen, das müssen sie ja nicht wissen.« Elina wollte gerne Zeit mit Jannick verbringen, aber tausend peinliche Szenarien spielten sich vor ihrem inneren Auge ab, als sie sich vorstellte, dass er auf ihren Vater, Anna oder sogar auf ihre Mutter treffen würde. Jannick sah nicht glücklich über diesen Vorschlag aus.

»Ich war doch schon mal bei euch zu Hause. Als ich mit Anna für ’nen Vortrag gelernt habe. Da hab ich dich auch gesehen.«

Elina erschrak innerlich. Sie erinnerte sich wieder. Damals stand sie nur im Unterhemd und Schlüpfer im Bad, als die Tür aufging und Jannick hereinkam. Er entschuldigte sich. An seinen erschrockenen Blick konnte sie sich erinnern. Er wollte die Tür wieder schließen, als sie sagte: »Warte, ich wollte gerade gehen, du kannst ins Bad.« Sie ging dicht an ihm vorbei und sah ihm direkt in die Augen.

»Okay«, gab er unsicher zurück. Obwohl es erst April war, roch er nach Sonnencreme. Sie erinnerte sich, dass er gestern genauso gerochen hatte. Angenehm nach Sommer und viel zu angenehm für einen Jungen, dachte sie. Damals standen sie dicht voreinander und sahen sich lange an, bis Annas Stimme den Raum durchdrang. »Zieh dir was an. Du bist echt nur peinlich!«

Nach dieser Begegnung hatte sie angefangen, nach ihm zu suchen, wenn sie auf dem Pausenhof standen. Als Jannick gegangen war, hatte sie Anna beiläufig nach seinem Namen gefragt. Das war vor den Sommerferien dieses Jahres, erinnerte sie sich. Das hatte sie bei ihrer Ausrede nicht bedacht.

»Ja, aber … aber Anna vertrauen meine Eltern mehr als mir. Ist etwas kompliziert bei uns.«

»Das glaube ich dir sofort, dass sie dir nicht so vertrauen.« Er grinste, aber anschließend bildete sich wieder eine Falte zwischen seinen Augenbrauen. »Gut. Dann schauen wir ihn bei mir, okay?« Sie fragte sich, warum auch er so mit einem Besuch haderte, aber sie freute sich auf den Nachmittag. »Wie viele Stunden hast du noch?«

»Nur noch Geschichte.«

»Dann treffen wir uns in Burgow an der Bushaltestelle? So gegen 16 Uhr?«

»Bei der Bushaltestelle ist ein kleiner Spielplatz, gegenüber der Drogerie. Können wir uns da treffen? Ich will nicht, dass Anna mich sieht, die stellt dann wieder dumme Fragen.«

»Klar, kein Ding.« Das Klingeln ertönte und beendete die Pause. Jannick stand auf und reichte Elina die Hand. Mit einem kleinen Ruck zog er sie hoch, legte seine Hände an ihre schmale Taille und drückte sie an sich. Ein Kribbeln stieg in ihr auf, mit seiner forschen Bewegung hatte sie nicht gerechnet, außerdem war sie nicht sicher, was das gestern zwischen ihnen bedeuten sollte. Und auch, wenn sie kein Mensch war, der Ereignisse in Einzelheiten zerlegte, war ihr klar: Hätte er sie an diesem Tag ignoriert, hätte sie das verletzt. Denn er hatte etwas, sie konnte es nicht benennen, aber es zog sie unweigerlich an. Sie legte die Arme um seinen Hals und küsste ihn. Insgeheim hoffte sie, dass Sophia es sah.

*

Mit Schwung warf Elina auf der Schaukel ihre Beine nach vorne. Sie sah Jannick und sprang herunter, zog den Knoten, den sie vorn in ihr T-Shirt gemacht hatte, enger und kämmte sich mit der Hand durch die Haare.

Jannicks Familienhaus lag westlich der Bushaltestelle und am Ende von Burgow, mit Blick auf die Gerstenfelder, die in vollem Gold standen und leise knackten und knisterten. Elinas Familie wohnte südöstlich, näher am Burgower See und nur drei Straßen von Ganhagens Hof entfernt. Von der Bushaltestelle aus mussten sie nur geradeaus gehen. Im Garten des Einfamilienhauses standen weiße Plastikstühle, vergilbt und mit Stockflecken übersät. Daneben lagen, halb im hohen Gras versteckt, braune Blumentöpfe. An den verästelten Obstbäumen wuchsen Flechten, die Steintreppe zur Haustür war an den Kanten abgebröckelt und an einigen Stellen mit Moos bedeckt. Jannick wirkte nervös. Bevor er die Haustür aufschloss, hörte Elina ihn einmal tief ein- und ausatmen.

»Ich stell dich schnell vor, dann haben wir das hinter uns und können in mein Zimmer gehen«, flüsterte er und legte seinen Schlüssel in eine blaue Schale auf der Kommode. Sie zog ihre Schuhe aus und folgte ihm in die Küche, aus der zwei Stimmen kamen und es verführerisch nach angebratenen Zwiebeln roch.

»Hey, ich hab Besuch mitgebracht. Elina, das ist meine Mutter.«

Jannicks Mutter weitete die Augen. Sie stand an der Spüle, wischte sich die Hände an ihrer Kochschürze ab und reichte Elina etwas beschämt die Hand.

»Hallo Elina, ich bin Katrin. Jannick hat gar nicht gesagt, dass er heute jemanden mitbringt, sonst hätte ich hier natürlich mehr Ordnung geschafft. Aber so ist das eben mit zwei Jungs.« Sie warf ihrem Sohn einen ärgerlichen Blick zu, zupfte an ihrer Frisur und überprüfte, ob ihre Haarklammer saß. Der dunkle Haaransatz ihrer sonst blonden Haare war strähnig. Sie hatte einen üppigen Busen, darunter einen Bauchring, den die A-Linie ihres Kleides fast ganz kaschieren konnte. Und dünne Beine sowie klare blaue Augen, genau wie Jannick. »Kannst du mal bitte dein Hemd richtig anziehen? Jannick, das steckt man in die Hose.«

»Nein, das sieht …« Er sah zu seinem Bruder, der sein Hemd akkurat in die Hose gesteckt hatte. »Das sieht bei meinem Hemd nicht gut aus.« Elina war sich sicher, dass er etwas anderes sagen, aber die Gefühle seines Bruders nicht verletzen wollte. Sie musterte seinen Bruder und schätzte, dass er nicht viel jünger als sie sein konnte. Jannick atmete erschöpft aus und versuchte, seine Mutter zu ignorieren. »Elina, das ist mein Bruder Adrian.« Adrian zog seine dunklen, kräftigen Augenbrauen überrascht nach oben, als er Elina sah. Seine Schultern waren hochgezogen, seine Haare glatter und dunkler als Jannicks. Als sein Bruder ihn vorstellte, bildeten sich Grübchen in seinen Wangen und er winkte. »So, wir gehen nach oben. Wir wollen uns Matrix ansehen.« Er nahm Elinas Hand und ging mit ihr eilig die Treppe hoch. Erst als er die Tür hinter sich schloss, entspannte sich sein Gesicht. Jannick schmiss seinen Rucksack in die Ecke, ging zum Schreibtisch und kramte darunter in einer Kiste. Das Zimmer war klein. Gegenüber der Tür stand sein Bett, sogar gemacht und mit einer bunt gestreiften Tagesdecke bedeckt. Daneben befand sich der kleine Holzschreibtisch aus Kiefernholz, unter dem Jannick kramte. Auf dem Tisch lagen Bücher, Schulhefter mit losen Zetteln und ein leerer Joghurtbecher. Gegenüber vom Bett standen der kleine Röhrenfernseher und ein zerkratzter DVD-Player. Die Wände waren voller Poster. Sie erkannte Kurt Cobain. Daneben hing ein Poster mit fünf Männern, die ebenfalls lange Haare trugen und über denen in fetten weißen Buchstaben Pearl Jam prangte. Jannick stieß sich den Kopf an der Tischplatte, rieb sich die Stelle und stand auf.

»Hätten wir uns vielleicht lieber morgen treffen sollen? Dann wären sie nicht so überrascht gewesen.«

»Nein, so ist’s besser. Wenn ich es ankündige, verplant sie uns für irgendwas.« Er schob mit dem Fuß die Klamotten, die auf dem Boden lagen, zur Seite.

»So schlimm?«

»Ja, sie nervt mich. Aber vielleicht hätte sie sich dann was Besseres angezogen, wenn ich sie vorgewarnt hätte.« Sie sah ihn an und zuckte mit den Schultern. »Ich meine, so im Vergleich zu deiner Mutter«, sagte er.

»Was ist mit meiner Mutter?«

Jannick schaute sie verwundert an.

»Na, deine Mutter ist … ziemlich heiß, so unter den Müttern an der Schule.« Seine Worte stachen Elina ins Herz. Da war sie extra nicht mit ihm zu ihrer Familie gegangen und doch war sie anwesend. Sie liebte ihre Mutter und war sich der Schönheit bewusst, aber, dass gerade Jannick diesen wunden Punkt ansprechen musste, schmerzte sie. Vielleicht, nur vielleicht, sah er die Schönheit ihrer Mutter auch in ihr? »Du erwartest, dass ich sage, dass du ihr total ähnlich siehst, oder?« Sie fühlte sich ertappt und wurde wütend. »Anna sieht deiner Mutter eher ähnlich, finde ich.« Er konnte ihr wütendes Gesicht nicht übersehen. Es brodelte in ihr. Wo war der Sand, wenn man ihn brauchte? »Aber bei Anna hat man eh keine Chance, wenn man kein supergutaussehender Streber ist.«

»Ach, und weil du keine Chance bei ihr hast, bin ich gut genug für dich?!«, fragte sie laut.

»Autsch!« Er lächelte schelmisch. »Schmollst du jetzt?«

Elina verschränkte die Arme und drehte sich weg von ihm.

»Ich schmolle nicht, du Hirni!«

Jannick stellte sich dicht an Elinas Rücken und flüsterte ihr ins Ohr: »Da schicke Streber auf deine Schwester stehen und ich keiner bin, steh ich wohl auch nicht auf sie.«

»Was ist das für ’ne bescheuerte Logik?«

»Na, siehst du? Ich steh auf Herausforderungen, die verrückt und verrucht sind!«

Er drehte sie zu sich und drückte sie an die Kleiderschranktüren. Sie machte Anstalten, sich zu wehren, aber ließ seinen Kuss schließlich zu. Er legte die Hand auf ihren Po, als die Zimmertür aufgerissen wurde.

»Mama!!«

Jannick nahm seine Hände von Elina und trat einen Schritt zurück.

»Was denn?«

»Schon mal was von Privatsphäre gehört? Oder Anklopfen?«

»Ich darf ja wohl in meinem Haus die Türen aufmachen. Ihr habt den Film ja noch gar nicht angemacht. Dann kann Adrian doch mitgucken? Du kannst dich auch mal ein bisschen um deinen Bruder kümmern.«

Adrian stand schüchtern hinter seiner Mutter, die ihn nun in Jannicks Zimmer schob.

»Das macht dir doch nichts aus, oder Elina? Adrian ist wirklich ein ganz Lieber, aber besser bei Gleichaltrigen aufgehoben als bei mir, findest du nicht?« Adrian erinnerte Elina an den schwarzen Zwergpudel aus der Nachbarschaft, der sich immer eingeschüchtert krümmte, wenn man auf ihn zuging.

Elina nickte freundlich. Katrin schloss die Tür. Adrian sah auf seine Schuhe und zupfte nervös an seinem Ärmel. Jannick ließ sich genervt auf das Bett fallen.

»Boah, Mama ist echt nicht zu fassen! Von wegen besser bei Gleichaltrigen. Als würde sie dich nicht am liebsten rund um die Uhr überwachen.« Er stützte sich auf und suchte nach den Zigaretten in seiner Tasche.

Adrian öffnete den Mund, sah zu Elina und schloss ihn wieder.

»Kennst du den Film schon?«, fragte sie Adrian. Er nickte. Jannick steckte sich eine Zigarette an und sah abwechselnd zu ihr und seinem Bruder.

»Ist schon okay. Ich weiß, das war bestimmt nicht deine Idee«, sagte er zu Adrian, der mit dem Kopf schüttelte. »Du kannst ruhig reden. Elina ist cool.«

»Sprichst du nicht gern mit Fremden?«, fragte sie Adrian, der nervös zu seinem Bruder sah.

»Er stottert, aber damit hast du kein Problem, richtig?« Jannick kippte das Fenster an.

»Nein, warum sollte ich?«

Adrian sah zu seinem Bruder und atmete tief ein.

»Tut m-m-mir leid … Ich hab M-M-Mama gesagt, dass ich euch n-n-nicht stören will.« Sein Hals und sein Kehlkopf spannten sich an.

»Weiß ich doch. Guck ruhig mit, wir wollten den Film für Elinas Philo-Hausaufgabe gucken. Du kannst uns helfen.«

Adrian lächelte und sein Bruder schob die CD in den DVD-Player. Sie setzten sich auf das Bett und Elina kuschelte sich an Jannick. Während des Films bemerkte sie, wie Adrian auftaute, er kommentierte bestimmte Szenen, nachdem Jannick ihm erklärt hatte, um welches Thema es in Elinas Hausaufgabe ging. Sie sah, wie nah die Brüder sich standen. Jannick war keine Sekunde ungeduldig und hörte Adrian aufmerksam zu bei allem, was er zu sagen hatte.

Der Abspann lief und Adrian fragte Elina: »Und w-w-welche Pille würdest du nehmen?«

»Ich bin eigentlich für die Wahrheit, also dafür, frei zu sein. Aber die Realität sah da ganz schön schlimm aus.«

»Genau. Du müsstest alles aufgeben, was du kennst. W-w-warum das aufgeben, wofür? Ich würde die Blaue nehmen.«

»Echt? Ich nicht, ich würde immer die Wahrheit wissen wollen. Nicht gefangen sein in einer Traumwelt«, erwiderte Jannick.

»Egal, wie die Wahrheit aussieht?«, fragte sie.

»Ja!«

»Seht ihr, ich kann mich nicht entscheiden. Dieser Philo-Mist liegt mir einfach nicht.«

»Ach Quatsch. Pass auf, hol mal deinen Block raus und schreib Pro und Kontra auf. So was geht in Philo immer gut. Am Ende schreibst du ’ne kleine Zusammenfassung und da kannst du schreiben, wie du dich entscheidest oder auch nicht. In Philo musst du halt immer argumentieren, warum, wieso, weshalb.«

Sie nickte, holte Block und Stift und schrieb, was die Jungs ihr zu ihren jeweiligen Standpunkten sagten.

Zu Hause beendete sie ihren Text mit den Worten: »Die Punkte für die blaue und die rote Pille sind ausgeglichen. Kann ich mein sicheres, bekanntes Leben für die Wahrheit aufgeben und vielleicht mein Glück verlieren? Kann ich mit der Lüge leben, dass mein Leben nicht echt ist, und kann ich dadurch auf die Freiheit verzichten, egal wie sie aussieht? Ich kann mich weder für die eine noch die andere Seite entscheiden.«

Als du das Pfauenauge gerettet hast

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